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Yellowface (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman. »Rasiermesserscharf!« TIME
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
383 Seiten
Eichborn AG (Verlag)
978-3-7517-5563-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Yellowface -  Rebecca F. Kuang
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»Krimi, Satire, Paranoia, heiße Debatten. Vor allem aber eine absolut großartige Geschichte.« STEPHEN KING

»Ich habe dieses Buch wahrscheinlich schneller verschlungen als alles, was ich in diesem Jahr gelesen habe.« ANTHONY CUMMINS, THE GUARDIAN

June Hayward und Athena Liu könnten beide aufstrebende Stars der Literaturszene sein. Doch während die chinesisch-amerikanische Autorin Athena für ihre Romane gefeiert wird, fristet June ein Dasein im Abseits. Niemand interessiert sich für Geschichten 'ganz normaler' weißer Mädchen, so sieht es June zumindest.

Als June Zeugin wird, wie Athena bei einem Unfall stirbt, stiehlt sie im Affekt Athenas neuestes, gerade vollendetes Manuskript, einen Roman über die Heldentaten chinesischer Arbeiter während des Ersten Weltkriegs.

June überarbeitet das Werk und veröffentlicht es unter ihrem neuen Künstlernamen Juniper Song. Denn verdient es dieses Stück Geschichte nicht, erzählt zu werden, und zwar egal von wem? Aber nun muss June ihr Geheimnis hüten. Und herausfinden, wie weit sie dafür gehen will.



<p><strong>Rebecca F. Kuang</strong> ist <i><b>NEW-YORK-TIMES</b></i>-Bestsellerautorin und wurde vielfach für ihr Werk ausgezeichnet. Ihr Roman <strong>Babel </strong>war ein weltweiter Erfolg und gewann unter anderem den <b>BRITISH BOOK AWARD</b> und den <b>NEBULA</b>. Sie ist Marshall-Stipendiatin, Übersetzerin und hat einen Philologie-Master in Chinastudien der Universität Cambridge und einen Soziologie-Master in zeitgenössischen Chinastudien der Universität Oxford. Zurzeit promoviert Rebecca Kuang in Yale in Ostasiatischen Sprachen und Literatur.</p>

EINS


In der Nacht, in der ich Athena Liu sterben sehe, feiern wir ihren Vertrag mit Netflix.

Bevor ich beginne, solltet ihr zwei Dinge über Athena wissen, damit diese Geschichte Sinn ergibt.

Erstens hat sie alles: einen Mehrbuchvertrag mit einem großen Verlag, den sie unmittelbar nach dem College unterschrieb, einen Master of Fine Arts von einem berühmten Schreibprogramm, einen Lebenslauf voller namhafter Künstlerresidenzen und eine Liste mit Preisnominierungen, die länger ist als mein Einkaufszettel. Mit siebenundzwanzig Jahren hat sie drei Romane veröffentlicht, von denen jeder erfolgreicher war als der vorherige. Für Athena war der Deal mit Netflix kein lebensveränderndes Ereignis, sondern bloß eine weitere Trophäe für ihre Sammlung, einer der vielen netten Nebeneffekte auf ihrer rasanten Reise zu literarischem Weltruhm.

Zweitens, und womöglich als Folge von Punkt eins, will kaum jemand mit ihr befreundet sein. Schreibende in unserem Alter – junge, ambitionierte Talente Anfang dreißig – treten oft im Rudel auf. In den sozialen Medien kann man sie gut beobachten – sie schwärmen von den unveröffentlichten Manuskripten der anderen (DIESE GESCHICHTE MACHT MICH FERTIG!), kreischen beim Anblick neuer Buchcover (ES IST SO WUNDERSCHÖN, ICH STERBE!!!) und posten Selfies von literarischen Gruppentreffen, die rund um den Erdball stattfinden. Doch auf Athenas Instagram-Fotos ist niemand anderes zu sehen. Sie twittert regelmäßige Updates zu ihrer Karriere und teilt schräge Witze mit ihren siebzigtausend Follower:innen, aber sie erwähnt nur selten andere Leute in ihren Posts. Sie betreibt kein Namedropping, schreibt keine Blurbs, empfiehlt nie Bücher von Kolleg:innen und zeigt sich nicht öffentlich in Begleitung, wie es viele junge Autor:innen zu Beginn ihrer Karriere auf so demonstrative, verzweifelte Art tun. Seit ich sie kenne, hat sie nie auf irgendwelche engen Freund:innen Bezug genommen, außer auf mich.

Lange dachte ich, sie wäre einfach unnahbar. Athena ist so irrsinnig erfolgreich, da leuchtet es ein, dass sie sich nicht mit Normalsterblichen umgeben will. Athena chattet vermutlich nur mit Leuten, die ein blaues Häkchen haben und mit anderen Bestseller-Autor:innen, die sie mit ihren abgehobenen Beobachtungen zur modernen Gesellschaft bei Laune halten können. Athena hat keine Zeit, um sich mit dem Proletariat anzufreunden.

Doch in den letzten Jahren habe ich eine weitere Theorie entwickelt, nämlich dass alle anderen sie genauso unerträglich finden wie ich. Schließlich ist es schwer, mit jemandem befreundet zu sein, der dich bei jeder Gelegenheit aussticht. Vermutlich mag niemand Athena, weil niemand das Gefühl mag, im Vergleich mit ihr ständig den Kürzeren zu ziehen. Vermutlich stehe ich zu ihr, weil ich so armselig bin.

An diesem Abend ist Athena also nur mit mir in einer lauten, überteuerten Rooftop-Bar in Georgetown. Sie kippt die Cocktails in sich rein, als müsse sie beweisen, dass sie Spaß hat, und ich trinke, um die Bitch in mir zu betäuben, die sich wünscht, sie wäre tot.

Athena und ich sind lediglich aufgrund von äußeren Umständen Freundinnen geworden. Während unseres ersten Studienjahrs in Yale wohnten wir auf derselben Etage, und da wir beide schon immer wussten, dass wir Schriftstellerinnen werden wollten, fanden wir uns in denselben Schreibseminaren wieder. Anfangs veröffentlichten wir beide Kurzgeschichten in denselben Literaturzeitschriften, und einige Jahre nach dem Abschluss zogen wir in dieselbe Stadt – Athena wegen einer renommierten Stelle an der Georgetown University, wo man Gerüchten zufolge so beeindruckt von einer Gastvorlesung war, die sie an der American University gehalten hatte, dass das Englisch-Institut eigens für sie eine Stelle im Bereich Kreatives Schreiben schuf, und ich, weil der Cousine meiner Mutter eine Eigentumswohnung in Rosslyn gehörte, die sie mir zum Preis der Nebenkosten vermietete, solange ich die Pflanzen goss. Wir hatten nie so etwas wie eine Seelenverwandtschaft oder irgendein tiefgreifendes, verbindendes Trauma erlebt – wir machten bloß immer dieselben Sachen an demselben Ort, sodass es praktisch schien, miteinander befreundet zu sein.

Doch obwohl für uns alles am selben Ort begann – im Einführungsseminar zu Kurzprosa von Professorin Natalia Gaines –, entwickelten sich unsere Karrieren nach dem Abschluss in vollkommen unterschiedliche Richtungen.

Ich schrieb meinen ersten Roman in einem Anflug von Inspiration, während ich mich in meinem Job als Aushilfslehrerin fast zu Tode langweilte. Ich kam jeden Abend von der Arbeit nach Hause und feilte sorgfältig an der Geschichte, die ich seit meiner Kindheit hatte erzählen wollen: Es war ein detailreicher und dezent magischer Coming-of-Age-Roman über Trauer, Verlust und Schwesternschaft mit dem Titel Jenseits der Bäume. Nachdem ich erfolglos bei knapp fünfzig Literaturagenturen angefragt hatte, wurde das Buch von einem kleinen Verlag namens Evermore eingekauft, der öffentlich zur Einsendung von Manuskripten aufgerufen hatte. Der Vorschuss kam mir damals absurd hoch vor – zehntausend Dollar im Voraus und die Chance auf Tantiemen, sobald der Roman genügend Geld einspielte –, doch das war, bevor ich erfuhr, dass Athena eine sechsstellige Summe für ihr Debüt bei Penguin Random House bekam.

Drei Monate bevor mein Buch in den Druck gehen sollte, meldete Evermore Insolvenz an. Die Rechte fielen an mich zurück. Wie durch ein Wunder verkaufte meine Agentin – die mich nach Evermores Angebot unter Vertrag genommen hatte – die Rechte für einen Vorschuss von zwanzigtausend Dollar an eines der fünf großen Verlagshäuser – ein »netter Deal«, wie es in der Bekanntgabe auf Publishers Marketplace hieß. Es sah so aus, als hätte ich es endlich geschafft, als würden all meine Träume von Ruhm und Erfolg bald Wirklichkeit werden, bis der Erscheinungstermin immer näher rückte und die erste Auflage von zehntausend Exemplaren auf fünftausend reduziert wurde, man meine Lesereise von sechs Städten auf drei Städte in der Region Washington, D. C., Maryland und Virginia einstampfte und die versprochenen Zitate von berühmten Autor:innen ausblieben. Es gab keine zweite Auflage. Ich verkaufte insgesamt zwei-, vielleicht dreitausend Bücher. Meine Lektorin wurde entlassen, weil es einen dieser Engpässe im Verlagswesen gab, die immer entstehen, wenn es mit der Wirtschaft abwärtsgeht, und ich wurde an einen Typen namens Garrett weitergereicht, der bisher so wenig Interesse an meinem Roman gezeigt hat, dass ich mich oft frage, ob er mich womöglich schon komplett vergessen hat.

Aber das ist ganz normal, habe ich mir sagen lassen. Jeder hat eine beschissene Debüt-Erfahrung. Die Verlage sind eben so. Es herrscht immer Chaos in New York, die Lektorate und Presseabteilungen sind überarbeitet und unterbezahlt, und es wird ständig Mist gebaut. Das Gras auf der anderen Seite ist nie grüner. Alle Autor:innen hassen ihre Verlage. Es gibt keine Cinderella-Geschichten, nur harte Arbeit, Durchhaltevermögen und das ewige Streben nach dem goldenen Ticket.

Warum also werden einige Leute beim ersten Versuch gleich in die Welt der Stars katapultiert? Sechs Monate bevor Athenas Debütroman erschien, bekam sie eine große, sexy Fotostrecke in einer viel gelesenen Branchenzeitschrift mit der Überschrift »Literarisches Wunderkind erzählt wichtige Geschichten des asiatisch-amerikanischen Erbes«. Sie verkaufte die Rechte in dreißig Länder. Ihr Debüt wurde von Kritiker:innen des New Yorker und der New York Times mit großem Tamtam gefeiert, und es hielt sich wochenlang in den oberen Rängen jeder Bestsellerliste. Die kommende Saison der Literaturpreise war ein Selbstläufer. Athenas Debüt Stimme und Echo – über ein chinesisch-amerikanisches Mädchen, das die Geister aller verstorbenen Frauen in ihrer Familie heraufbeschwören kann – ist einer dieser seltenen Romane, der fantastische Elemente auf vollkommene Weise mit Unterhaltungsliteratur verbindet, weshalb sie Nominierungen für den Booker Prize, den Nebula Award, den Hugo Award und den World Fantasy Award erhielt und letztendlich zwei davon gewann. Und das ist erst drei Jahre her. Seitdem hat sie zwei weitere Bücher veröffentlicht und die Kritiker:innen sind sich einig, dass sie von Roman zu Roman besser wird.

Es ist nicht so, als hätte Athena kein Talent. Sie ist eine verdammt gute Autorin – ich habe alles von ihr gelesen, und ich bin nicht zu verblendet, um gute Prosa zu erkennen, wenn ich sie sehe. Doch Athenas Star-Power hat ganz offensichtlich nichts mit ihrem Schreibtalent zu tun. Es geht um sie. Athena Liu ist, kurz gesagt, fucking cool. Sogar ihr Name – Athena Ling En Liu – klingt cool. Gut gemacht Mr und Mrs Liu, eine perfekte Kombination aus klassisch und exotisch. Geboren in Hongkong, aufgewachsen zwischen Sydney und New York, ausgebildet in britischen Internaten, wo sie sich einen vornehmen, undefinierbaren Akzent aneignete; groß und feingliedrig, anmutig wie es alle ehemaligen Balletttänzerinnen sind, mit einer zarten Blässe und riesigen, von langen Wimpern eingerahmten braunen Augen, mit denen sie aussieht wie eine chinesische Anne Hathaway (es ist nicht rassistisch, wenn ich das sage – Athena hat selbst einmal ein Selfie mit »Annie« von einem roten Teppich gepostet, die großen Rehaugen der beiden dicht nebeneinander, mit der schlichten Bildunterschrift...

Erscheint lt. Verlag 29.2.2024
Übersetzer Jasmin Humburg
Sprache deutsch
Original-Titel Yellowface
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Asien • Autor • Autoren • Bestseller • Booktok • Buch • Buchbranche • Bücher • China • Diebstahl • Diversität • geistiger Diebstahl • Krimi • Kriminalroman • Kulturelle Aneignung • literarische Unterhaltung • Literatur • Manuskript • Schriftsteller • Social Media • Thriller • TikTok • Verlage • woke
ISBN-10 3-7517-5563-2 / 3751755632
ISBN-13 978-3-7517-5563-4 / 9783751755634
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