Almosen fürs Vergessen / Wie Schatten kommt
Elfenbein (Verlag)
978-3-96160-017-5 (ISBN)
Simon Raven (1927-2001) besuchte als Spross einer Strumpffabrikantenfamilie die elitäre Charterhouse School, von der er 1945 wegen homosexueller Handlungen relegiert wurde. Unter seinen Mitschülern waren u. a. James Prior (später Minister im Kabinett von Margaret Thatcher) sowie der spätere Herausgeber der "Times", William Rees-Mogg (dessen Sohn Jacob heute dem Kabinett von Boris Johnson angehört). Beide hat er in der Romanreihe "Almosen fürs Vergessen" literarisch verewigt. Nach seinem Militärdienst, den Raven als Offiziersanwärter in Indien ableistete, studierte er ab 1948 am King's College in Cambridge Altphilologie. Er wurde Vater eines Sohnes und heiratete widerwillig. In finanzielle Schwierigkeiten geraten, trat er erneut in die Armee ein, wurde in Deutschland und in Kenia stationiert, quittierte den Dienst aber schließlich, um eine unehrenhafte Entlassung wegen Wettschulden abzuwenden. Fortan widmete er sich der Schriftstellerei und arbeitete als Literaturkritiker, bis ihn der Verleger Anthony Blond 1958 unter der Bedingung, mindestens 50 Meilen von Londons Vergnügungsstätten entfernt zu wohnen, unter Vertrag nahm - ein Arrangement, das drei Jahrzehnte währen sollte. Ein ausschweifender Lebenswandel, kühne Meinungen, seine offen ausgelebte Bisexualität und die Tatsache, dass er das Material für seine Bücher aus dem unmittelbaren Freundeskreis gewann und mit freizügigen Sexszenen und scharfzüngigen Urteilen über die Gesellschaft kombinierte, verschafften ihm einen Ruf als Schandmaul unter den englischen Nachkriegsautoren. Zeitgenossen schmähten ihn als Verfasser des "wohl schmutzigsten Cricketbuchs aller Zeiten", und sein Roman "Fielding Gray" verdiene eigentlich den Namen "Brideshead Revilified". Zur gleichen Zeit wurde er von namhaften Kollegen wie etwa Anthony Powell nicht nur als Literaturkritiker, sondern auch als Literat geschätzt. Sein 10-bändiger Romanzyklus "Alms for Oblivion" (1964-1976) wird heute mit dem Werk von Lawrence Durrell, Graham Greene, Anthony Powell und Evelyn Waugh verglichen und Raven als "einer der brillantesten Romanciers seiner Generation" bewertet (Patrick Newley). Einem größeren Publikum bekannt geworden war Raven allerdings zunächst durch Arbeiten fürs Fernsehen, wie die Verfilmung von Trollopes "The Pallisers" (1974) und die Serie "Edward and Mrs. Simpson" (1978), sowie die Mitarbeit am Drehbuch für den James-Bond-Film "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" (1969). Dem Vorwurf, ein Snob zu sein, begegnete er mit dem Hinweis, er schreibe "für Leute, die sind wie ich: gebildet, weltgewandt und skeptisch".
Für die größten und anhaltendsten Schwierigkeiten sorgte die Trunksucht von Odysseus, einem graumelierten und international beliebten Veteranen romantischer Seefahrtsfilme aus den Kriegsjahren, der erst dann zu voller Form auflief, wenn er eine Flasche Whisky zu zwei Dritteln geleert hatte, sobald er aber den Rest auch noch trank, schlichtweg zu gar nichts mehr zu gebrauchen war. Die Alkoholmenge, um die es dabei ging, blieb konstant dieselbe und wich nie auch nur um ein Quäntchen ab: Wenn der Filmstar ein Drittel der Flasche intus hatte, wurde, was er bot, langsam passabel, bei zwei Dritteln (haargenau) wurde er brillant, bei drei Dritteln ... auf den Tropfen ... war er ein hoffnungsloser Fall. Glücklicherweise ließ sich durch diese präzise Berechenbarkeit Jules‘ Arbeit gerade so bewältigen: Es kam ein speziell präparierter Dekanter zum Einsatz, der als Uhr zu fungieren hatte, und der gesamte Drehtag richtete sich nicht nach den vergehenden Stunden, sondern danach, wie tief der Bourbon von Odysseus bereits stand. An Tagen, an denen der Stand zu schnell sank, musste Jules alles daransetzen, den Helden vor der Kamera zu halten und den Take in den Kasten zu bekommen, bevor die finale und fatale Dosis seinen Rachen hinabrann und Odysseus in ein unerschütterliches Koma verfiel.
| Erscheinungsdatum | 23.10.2023 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Almosen fürs Vergessen ; 8 | Almosen fürs Vergessen ; 8 |
| Übersetzer | Sabine Franke |
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Original-Titel | Come Like Shadows |
| Maße | 125 x 210 mm |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | 1970er Jahre • Cambridge • Filmset • Griechenland • Großbritannien • Kulturindustrie • Odysseus |
| ISBN-10 | 3-96160-017-1 / 3961600171 |
| ISBN-13 | 978-3-96160-017-5 / 9783961600175 |
| Zustand | Neuware |
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