Upper End (eBook)
574 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
9783754994597 (ISBN)
Nach dem Abitur studierte ich Rechtswissenschaften. Doch mein Herz schlug unverändert stark fürs Schreiben. Was soll ich sagen: Das Schreiben gewann.
Nach dem Abitur studierte ich Rechtswissenschaften. Doch mein Herz schlug unverändert stark fürs Schreiben. Was soll ich sagen: Das Schreiben gewann.
Linda kehrt heim
Als Linda in den frühen Morgenstunden erwachte, war sie tot.
Der Tod, Lindas Freund und Wegbegleiter Fridolin, hatte sie abgeholt und nach Hause begleitet.
Nach etlichen Jahrzehnten auf der Erde stand sie nun vor Upper, ihrem Schöpfer.
Auch ihre Familie, die ihr vorausgegangen war, hatte sich am Empfangsplatz versammelt.
Linda war wütend – sehr wütend, als sie die schändliche Mischpoke erblickte. Denn ihre Zeit auf der Erde war mühsam und überaus misslich gewesen.
„Sagt mal, spinnt Ihr?! Tickt Ihr noch ganz sauber?! Habt Ihr noch alle Tassen im Schrank?! Was sollte das?! Hmm?! Was sollte dieses verkackte Leben?!“
Upper, der oberste Boss allen Seins versuchte Linda zu beruhigen. „Jetzt reg dich mal nicht so auf, Linda! Schließlich hast du dir dieses Leben selbst ausgesucht! Wenn ich dich daran erinnern darf, meine Liebe: Du warst es doch, die nicht mehr wollte. Du warst die, die gesagt hat, jetzt sei Schluss mit dem Kram – ein für alle Mal. Du wolltest gehen. Nach zig Jahren hattest du genug vom Leben auf der Erde.“
„Ja, das stimmt,“ gab Linda zu „ich konnte nicht weiter mit ansehen, wie immer wieder das gleiche in meiner Familie geschieht – dieses Unrecht, diese Qual – das musste ein Ende haben, jawohl. Aber dass ihr mich dort derart habt hängen lassen – was sollte das? Wer hat sich das ausgedacht?“
Verschämt schauten alle Anwesenden auf den Boden.
„Na sagt schon, wem habe ich diesen Schlamassel zu verdanken?“
Linda blickte in die Runde. Da stand Hannah, die auf der Erde ihre Mutter gewesen war und Erhard, ihr Vater, stand gleich neben ihr. „Na, ihr zwei, wie wär´s mit euch – könnt ihr mir meine Frage beantworten? Habe ich euch dieses miese Leben über Jahrzehnte hinweg zu verdanken?“ Mit gesenkten Köpfen verharrten ihre damaligen Eltern schuldbewusst. Hannah malte verlegen mit ihrem Fuß Kreise in den staubigen Boden. Linda konnte beobachten, wie Erhard Hannah verstohlen anschaute. Er schien darauf zu warten, dass Hannah etwas sagte. Und tatsächlich, genau wie zu Erdenzeiten, lohnte sich das Warten für ihn. Damals schon hielt er sich in allen brenzligen Fragen gerne zurück. Erhard war ein stattlicher, angenehm anzusehender Mann. Obwohl er mit den Jahren seinen ehemals blonden Lockenschopf verloren hatte, war er, trotz seines nur noch von grauem Flaum bedeckten Oberkopfes, immer noch attraktiv. In seinem Herzen allerdings war er ein Feigling. Wann immer es möglich war, versteckte er sich hinter seiner Frau Hannah. Sie war diejenige, die in ihrer Ehe das Zepter in der Hand hielt, die Erhard beistand, wenn seine Schwäche ihn mal wieder in die Knie zwang. Jeder, der Hannah sah, wusste sofort, dass sie eine starke, mutige Frau war. Was sie nicht sahen und nie zu sehen bekamen war eine Hannah, die innerlich zerrissen war zwischen ihrer Stärke und ihrer Furcht vor Erhards Eltern und vor Gott. Die hielt sie zu Lebzeiten stets gut verborgen. Doch hier vor Uppers Angesicht, musste sie sich ihrer Furcht stellen. So stand die hochgewachsene, schlanke Hannah mitten in der Arena, in bedrohlicher Nachbarschaft zu ihren Schwiegereltern und vor den göttlichen Hoheiten. Nervöse fuhr sie sich durch ihre lockigen, haselnussbraunen Haare. Sie wusste, sie konnte sich Lindas Frage nicht entziehen und musste antworten. Und so begann sie verlegen: „Also Linda, weißt du, wir haben das nicht gewollt. Wir wussten ja auch nichts davon. Wir konnten nicht sehen was werden sollte. Du musst uns glauben, Linda, wir wollten immer nur, dass es dir gut geht.“
„Aha, meine Liebe, das ist ja schön zu hören, aber irgendwie kann ich es nicht so recht glauben. Na ja, lass mal gut sein. Vielleicht kann mir Heinrich oder Martha ja meine Frage beantworten?“ Linda schaute Heinrich und Martha streng an. Im Gegensatz zu Hannah und Erhard blickten sie Linda unverhohlen in die Augen. Beide, sowohl Martha als auch Heinrich, waren zwei äußerst unangenehme, mit Falschheit beschlagene Menschen gewesen. Kein Wunder, dass Hannah sie fürchtete. Vor allem Martha fürchtete sie, denn Martha war meisterlich darin Intrigen zu spinnen und konnte ungemein boshaft sein zu Menschen, die ihr nicht passten. Zu diesen Menschen zählten auch Hannah und Linda.
Martha und Heinrich hatten sich in einiger Entfernung zu Linda positioniert. Dadurch standen sie sich wie im Duell feindselig gegenüber. Linda war froh in schutzgebender Nähe zu ihrem fahlhäutigen, hageren aber dennoch überaus eindrucksvollen Freund Fridolin zu stehen. Er gab ihr den nötigen Rückhalt.
Linda war immer noch aufgebracht. Ihr ansonsten freundliches, rundes Gesicht war vor Wut gerötet. Ihre untersetzte, frauliche Statur hatte sie, so gut sie es vermochte, kampfbereit aufgestellt.
Gegenüber ihren Eltern war Linda eher klein geraten. Gerade einmal einen Meter fünfundsechzig zeigte das Maßband an. Sie war damit nicht nur das jüngste Mitglied, sondern auch die kleinste in der fünfköpfigen Familie. Ihre Eltern, wie auch ihre Geschwister Ute und Hans überragten sie um einiges. Das betraf allerdings lediglich ihre körperliche Größe. Innerlich war Linda tatsächlich viel Größer als die anderen. In der kleineren Linda steckte eine gutmütige Frau mit großem Herzen, Mut, Tapferkeit und Schläue. Diese Eigenschaften hatten sie so manches Mal im Leben gerettet. Und so wunderte es nicht, dass ihr Wille, die ganze Wahrheit über ihr unschönes Erdenleben aufzudecken, auch vor dem großen Upper ungebrochen war.
Bei ihren Großeltern Martha und Heinrich hingegen, verhielt es sich ganz anders. Sie hatten etwas Niederträchtiges, unangenehmes, hinterlistig Scheues an sich. Auch von ihrer Statur unterschieden sie sich. Martha maß gerade einmal einen Meter einundsechzig und war damit noch ein Stück kleiner als Linda. Martha war beinahe rund wie hoch. Ihre struppigen, aschgrauen Haare gaben exakt das Bild ihres Inneren wieder – düster, böse, kalt. Mit eisigem Blick starrte sie Linda an. Heinrich stand ihr da in nichts nach. Auch er beäugte seine Enkeltochter herzlos und feindselig. Sein Anblick war jämmerlich und zugleich abschreckend. Eine Krankheit hatte Heinrich, als er etwa fünfzig Jahre alt war, verunstaltet. Zwar traf ihn daran sicherlich keine Schuld, dennoch spiegelte sich darin sein hässliches Inneres wider. Heinrich war, solange Linda ihn kannte, ein perfider Mistkerl, ein herzloses Scheusal gewesen, dem man besser nicht zu nahekam. Es konnte sein, dass er einen packte und dann nach seinen Gelüsten malträtierte. Seine Körpergröße hatte mit den Jahren die Marthas eingenommen. Sein verkrümmter Rücken, mitsamt seinem immensen Buckel, drückten Hals und Kopf auf Marthas Niveau hinunter. Seine Hände waren infolge der Krankheit verformt, seine Finger knöchern und krumm. Martha und Heinrich gaben beide ein wirklich furchteinflößendes Bild ab.
Linda lief bei dem Anblick ihrer Großeltern ein kalter Schauer über den Rücken. Sie kannte dieses Gefühl nur zu gut. Während ihrer Zeit auf der Erde wurde sie immer von diesem kalten Schauer geschüttelt, wenn sie ihnen begegnete. Linda fasste allen Mut zusammen und fragte beide so streng sie es vermochte: „Nun, meine lieben Großeltern, mit euch habe ich zwar später auch noch ein ernstes Wörtchen zu reden, aber könnt ihr mir vielleicht meine Frage beantworten? Was sollte dieser ganze Mist in meinem Leben? Warum habt ihr mir all diese Dinge angetan?!“
Heinrich tat unschuldig und wehrte sich. „Jetzt stell dich mal nicht so an! Tu mal nicht so, als wären wir an allem Schuld. Du hast ja auch brav mitgemacht. Und außerdem: So schlimm war das ja nun auch nicht. Aber, um deine Frage zu beantworten: Nein, wir waren das nicht. Du verdächtigst die Falschen!“
„Das soll ich euch glauben?!“
„Ja, glaub es nur. Und das eine will ich dir mal sagen“, zeterte Martha, „was du da mit meinem Heinrich gemacht hast …“ Martha verstummte plötzlich. Ihr fiel auf, dass sie im Begriff war pikante Details preisgeben.
„Was soll ich gemacht haben, hä?!“
„Na, du wirst schon wissen, was. Warst auf jeden Fall kein Unschuldslamm, Linda – ganz wie deine Mutter da drüben, nicht wahr Hannah?“ Hannah schaute immer noch verlegen auf den Boden. Sie versuchte allen Blicken auszuweichen.
„Lass du mir Hannah in Ruhe!“ Entrüstet trat Linda Martha entgegen. Sie war kampfbereit – aufs äußerste gefasst. Nach ihrem Leben auf der Erde wollte Linda sich jetzt hier, auf Ozoz, im Angesicht Uppers, Marthas Gemeinheiten nicht mehr gefallen lassen.
Martha stemmte die Arme in ihre Seiten. Sie schnaubte vor Wut. „Linda, du kleiner mieser Bastard! Was bildest du dir ein?! Schau mal da vorne, der Kleine da. Er wäre dein Sohn gewesen, aber er wollte nicht! Und ich glaube, aus gutem Grund! Gerade noch rechtzeitig hat er es sich anders überlegt und ist zu uns nach Ozoz zurückgekehrt. Hier geht es ihm gut. Bei dir …, naja, das kann man sich ja denken …!“
Linda war empört. „Martha, pass ja auf, was du sagst und lass Max aus dem Spiel! Hier gelten andere Regeln. Du solltest lieber anfangen kleinere Brötchen zu backen. Ich werde dafür sorgen, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Verlass dich drauf!“ Linda musste an sich halten. Um ein Haar hätte sie Martha gepackt und eigenhändig vom Rand des Ortes der Zeit ohne Zeit hinab ins Nichts gestoßen. Doch sie überlegte es sich in letzter Sekunde anders. Linda wollte erst Klarheit schaffen. Klarheit über das, was auf der Erde tatsächlich passiert war. Dazu brauchte sie alle Beteiligten – und natürlich Upper als obersten Richter. Er sollte sich alles noch einmal in Anwesenheit aller beteiligten Personen anhören und dann entscheiden, ob jemand ausgelöscht werden...
| Erscheint lt. Verlag | 18.4.2023 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Märchen / Sagen |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | Familie • Familiengeheimnis • Generationenkonflickt • Glaube • Kindheitstrauma • Lebensaufgaben • Liebe • Missbrauch • Schicksal • Wiedergeburt |
| ISBN-13 | 9783754994597 / 9783754994597 |
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