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Wir tanzen in die Freiheit (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
373 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-27856-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wir tanzen in die Freiheit - Juliane Michel
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April 1945. Flakhelferin und Swing-Girl Elfie kehrt ins zerstörte Frankfurt zurück. Sie ergattert eine Arbeitsstelle als Gärtnerin im amerikanisch besetzten Palmengarten, wo sie sich mit Hilfsgärtner Klaus um den Gemüseanbau kümmert. Als ein Freund Elfies aus der Gefangenschaft zurückkehrt, verrät er, dass Klaus ein Deserteur ist, und droht Ärger an. Elfie steht Klaus bei. Aus Dankbarkeit hilft er ihr bei der Suche nach dem Gestapobeamten, der sie und ihre Swing-Freunde misshandelt hat. Doch dann stellt sich heraus, wer den Odeon-Club damals verraten hat - und für Elfie bricht eine Welt zusammen. Zum Glück hat sie immer ihre beste Freundin Helga an ihrer Seite. Und Klaus ...

Bücher begleiten Juliane Michel schon ihr Leben lang. Sie wurde in Darmstadt geboren und studierte in Frankfurt am Main Bibliothekswissenschaften. Seit Jahren schreibt sie bereits erfolgreich Romane. Heute lebt sie mit ihrem Mann in der Nähe von Würzburg, ist aber in ihrem Herzen immer noch eine Hessin. Für die Geschichte von Fräulein Wünsche recherchierte sie akribisch über das Frankfurt der Nachkriegsjahre und sprach mit Menschen, deren Schicksal eng mit den amerikanischen Besatzern verbunden ist.

1 – Elfie


April 1945


Endlich zu Hause! Müde und erleichtert zugleich lief Elfie den Sachsenhäuser Berg hinab. Zwei Jahre war es her, dass sie völlig überstürzt Frankfurt hatte verlassen müssen. Zwei unendlich lange Jahre. Jetzt konnte sie endlich wieder nach Hause. Hier war der Krieg mit all seinen Schrecken bereits zu Ende.

Hoffentlich war mit ihrer Mutter alles in Ordnung! Elfie machte sich solche Sorgen um sie. Ihre Mutter kam nicht gut mit dem Alleinsein zurecht und alle hatten sie verlassen müssen, zuletzt sogar ihre Eltern.

Und was, wenn es noch Kämpfe vor der Besetzung durch die US-Army gegeben hatte? An das Schlimmste wagte Elfie gar nicht zu denken.

Seit Wochen hatte Elfie keine Post mehr bekommen und wusste nicht, wie es ihrem Vater oder ihrem Bruder Walter ging. Ob sie bereits in Gefangenschaft in Sicherheit waren oder noch kämpfen mussten? Wann würde der Irrsinn endlich enden? Der Krieg war doch längst verloren, aber noch immer mussten Menschen sterben. Wenn Elfie schon dieses zerfetzte Plakat an der Litfaßsäule sah, wurde ihr schlecht: Frontstadt Frankfurt wird gehalten!

Ein blütenweißer Anschlag klebte darüber. Die amerikanische Militärregierung ordnete eine Ausgangsbeschränkung von sechs Uhr abends bis sieben Uhr morgens an. Und den Schießbefehl bei Missachtung. Wie das Leben unter amerikanischer Herrschaft wohl sein würde? Wenn sie die Bevölkerung den halben Tag in ihren Häusern einsperrten und jeden erschossen, der sich nicht dran hielt? Plötzlich schnürte sich ihre Kehle zu. Sie sehnte sich so danach, dass der Krieg endlich endete, aber vor dem Frieden hatte sie trotzdem Angst.

Da wurde ein Fenster geöffnet und wie ein Weckruf schallte eine Bläserfanfare über die Straße. Elfie schrie begeistert auf. Sie erkannte das Lied sofort: In the Mood von Glenn Miller. Mitten in Frankfurt-Sachsenhausen. So schlimm würde es vielleicht doch nicht werden, wenn Swing hören endlich erlaubt war. Swing, das war ihre Jugend.

Jugend. Komisch, diese Zeit so zu nennen. Sie war doch erst neunzehn, noch nicht mal volljährig! Aber ihre Backfischzeit war längst vorbei, der Kriegshilfsdienst in der Rüstungsfabrik und zuletzt an der Flak hatten sie erwachsen werden lassen.

Die Musik im Radio wurde ausgeblendet, die englischen Worte des Sprechers ließen Elfies Herz höherschlagen. Sie liebte alles Angelsächsische, auch wenn es jahrelang verboten gewesen war. Früher hatte sie sogar einen englischen Spitznamen gehabt: Ivie, gesprochen: Eiwi.

Ihre beste Freundin Helga war von allen Annie genannt worden. Ob sie schon wieder zurück in Frankfurt war? Auch von Helga hatte sie viel zu lange keine Nachricht mehr erhalten.

In ihrem Kopf hörte Elfie noch immer die mitreißende Melodie, ihre Arme und Beine zuckten vor Freude. Auf einmal sah sie die Welt um sich herum mit anderen Augen. Natürlich, auf den Straßen türmte sich der Schutt, doch an den Rändern wuchs bereits Gras darüber, und die Frühlingssonne ließ den allgegenwärtigen Staub in der Luft schimmern. Fliederduft drang ihr in die Nase, und Vögel flatterten zwitschernd, als wäre nichts geschehen.

Die Frühlingssonne wurde immer wärmer, Elfie öffnete ihren zerschlissenen Wintermantel und streifte sich das Kopftuch von den dreckigen Haaren. Seit einer Ewigkeit war sie aus ihrer Kleidung nicht mehr hinausgekommen. Insgeheim sehnte sie sich nach einer Badewanne, aber angesichts der Zerstörung um sie herum kam es ihr selbstsüchtig vor.

So viele Menschen hatten kein Zuhause mehr. An den verrußten Häusermauern in der Schweizer Straße klebten kleine Zettel mit Suchmeldungen und neuen Adressen, manche schrieben ihre Sehnsucht auch groß mit Kreide an die Wand.

Der Gustav-Adolf-Platz wirkte merkwürdig leer. Es dauerte, bis Elfie begriff, dass die roten Hakenkreuz-Fahnen fehlten. Auf einmal konnte man die Häuser sehen, die vorher davon bedeckt gewesen waren, hellbraune oder graue Wände, manche sogar mit Dach oder Fenstern. Autos fuhren keine, und keine Tram. Ganz vereinzelt mal ein Fahrrad.

Auf einmal kam ihr eines der BDM-Wanderlieder in den Sinn, und sie merkte, dass sie automatisch im Takt dazu ausschritt. Unwillig schüttelte sie den Kopf. Nie mehr in ihrem Leben wollte sie wandern gehen und dabei Lieder von der angeblich so frohen Zukunft und der Überlegenheit der Deutschen singen. Sie spitzte die Lippen und pfiff wie früher den Harlem Swing, bis sie am Main ankam.

Ein Blick zur Altstadt am gegenüberliegenden Ufer des Flusses, und ihr stockte der Atem. Unwillkürlich schossen ihr die Tränen in die Augen, sie sank auf die Knie und konnte doch den Blick nicht abwenden.

Sie waren verschwunden. Die Fachwerkaltstadt, die imposanten Häuser aus der Kaiserzeit – alles war weg. Vereinzelt ragten noch Mauerreste aus einer Wüste aus Asche, Schutt und Steinen empor, aber egal, wie lange sie suchte: Ihr Geburtshaus in der Bendergasse, in dem sie viele Jahre gemeinsam mit den Großeltern gelebt hatten, war ebenfalls dem Erdboden gleichgemacht worden. Nur der Kaiserdom stand unversehrt in der Mitte.

Von Trauer erstarrt, konnte Elfie den Blick nicht wenden. Dort waren vor einem Jahr ihre Großeltern gestorben. Mutter hatte von herabstürzenden Trümmern geschrieben, die den Ausgang des Luftschutzkellers versperrt hatten. Wie schrecklich.

Lautes Rufen vom Fluss schreckte sie auf. Ein längliches Ruderboot voller Menschen näherte sich dem Ufer. Dahinter ragten aus dem Main die Trümmer der Adolf-Hitler-Brücke und des Eisernen Steges hervor. Die kleine Fähre war die einzige Möglichkeit, ans andere Ufer zu gelangen, und die Schlange war lang.

Elfie erhob sich, klopfte sich den Staub aus der Kleidung und reihte sich ein, um nach Hause zu gelangen. Vor ihr schleppte eine blasse Frau einen vollen Rucksack auf dem Rücken und einen vor dem Bauch, beide mit Kohlenstaub bedeckt. Das kleine Mädchen an ihrer Hand taumelte müde vor sich hin.

Die Frau wirkte genauso erschöpft. Als das Mädchen stolperte, fing Elfie sie auf und nahm sie auf den Arm.

»Dann warten wir beide mal zusammen, einverstanden?«, fragte sie.

»Sie müssen das nicht tun«, sagte die Frau und schaute ängstlich auf ihre Kohlenrucksäcke, als ob Elfie einen Lohn für die Hilfe einfordern würde.

»Das macht mir nichts aus.« Elfie kitzelte das Mädchen mit den roten Haarschleifen, die anscheinend aus ehemaligen Hakenkreuzfahnen gemacht waren, bis dieses kicherte.

Die Wartenden schauten mit hängenden Schultern vor sich hin und schwiegen. Alte Männer mit grauen Gesichtern, in die sich tiefe Falten gegraben hatten, junge Frauen mit über der Stirn verknoteten Kopftüchern oder Vorkriegshüten.

Leider war niemand dabei, den Elfie von früher kannte.

Die Fähre legte an, aber mehr als zwanzig oder dreißig Gäste konnte sie nicht pro Fahrt transportieren, obwohl alle wie Ölsardinen in dem schmalen und schwankenden Holzboot standen.

Zwei Stunden später kam Elfie endlich Dribb de Bach, auf der anderen Seite, an. Schweren Herzens lief sie vom Mainufer zur Ruine des Schauspielhauses und dann durch den lang gestreckten Park der Taunusanlage, bis dieser eine Biegung machte.

Früher wäre sie hier Richtung Westend abgebogen und erst zu Helga und dann nach Hause gegangen. Aber wollte sie das? Sie konnte ja kaum an die Lindenstraße denken, in der Helga wohnte. Direkt gegenüber der Frankfurter Gestapozentrale, in der Elfie furchtbare Dinge hatte erleben müssen.

Aber dann verdrängten Sehnsucht und Sorge nach ihrer besten Freundin ihre Angst vor dem Ort des Schreckens.

Und so bog sie klopfenden Herzens in die noch immer ziemlich prächtige Guiollettstraße und von dort in die Lindenstraße, wie sie es in ihrem Leben so oft getan hatte.

Voller Ekel schaute sie an der monumentalen, hochherrschaftlichen Cronstett’schen Villa vorbei. Dem früheren Sitz der berüchtigten Frankfurter Gestapo.

Gegenüber war Helgas wunderschönes Zuhause, das nicht einen Kratzer abbekommen zu haben schien und in dessen schmalem Vorgarten die Tulpen in voller Blüte standen.

Sie waren zusammen zur Schule gegangen. Helga Sartorius, das Professorentöchterchen, und Elfriede Fischer, deren Vater nur Hausmeister war. Aber Elfie war immer Klassenbeste gewesen, weshalb Herr Mauersberger Elfie das Schulgeld für die Oberrealschule bezahlt hatte. Herr Mauersberger war ein reicher Mann, dem Vater 1918 in den Schützengräben in Frankreich das Leben gerettet hatte.

Kurz musste sie innehalten. Das Haus mochte unversehrt sein, aber was war mit den Bewohnern? Was, wenn Helga etwas geschehen war? Oder ihren Eltern? Minna, dem Hausmädchen?

Aber dann schluckte sie ihre Angst hinunter und schritt die wenigen Stufen zur Haustür hoch. Am Klingelschild hingen zwar neue Zettel, aber Ferdinand Sartorius stand Gott sei Dank noch immer da. Sie klingelte, der altbekannte wohltönende Gong erklang, und als Minna mit ihrer weißen Schürze öffnete, konnte Elfie sich nicht mehr beherrschen und brach in Tränen aus.

»Elfie, also … ich meine, Fräulein Elfriede, wie schön, Sie wiederzusehen!«

Minna strahlte sie an und trat einen Schritt zur Seite, doch bevor Elfie eintrat, suchte sie nach Anzeichen von Trauer oder Schmerz in Minnas rosigem Gesicht. Vergebens.

»Wie schön, dass es Ihnen gut geht!«, sagte Elfie. »Und die anderen? Sind alle gesund und munter?«

Plötzlich hörte sie schnelle Schritte und stürmisch schlangen sich zwei Arme um sie.

»Elfie«, rief Helga ein ums andere...

Erscheint lt. Verlag 11.9.2024
Reihe/Serie Die Palmengarten-Saga
Die Palmengarten-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Amerikanische Besatzung • Deutsche Geschichte • eBooks • Ein Hauch von Amerika • Familienroman • Flucht • Frauenschicksal • Geschenk Freundin • Geschenk Mutter • Historische Liebesromane • Historischer Liebesroman • Historische Romane • Jazz • Julia Kröhn • Kriegsheimkehrer • Nachkriegsdeutschland • Neuerscheinung • neuerscheinung 2024 • Petra Grill • Roman • Romane • Serien • Starke Frauen • Stay away from Gretchen • Susanne Abel • Swing • Swing Kids • Trümmerfrauen • Vierzigerjahre • Wirtschaftswunder
ISBN-10 3-641-27856-2 / 3641278562
ISBN-13 978-3-641-27856-4 / 9783641278564
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