Aufstand der Vögel (eBook)
502 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-7085-1 (ISBN)
Götz Adrian, geb. 1971, arbeitet als Betriebswirt seit 25 Jahren in Touristik und internationaler Zusammenarbeit. Langjährige Auslandsaufenthalte haben ihn und sein Leben stark geprägt. Heute lebt er mit seiner Familie in Rheinhessen bei Mainz.
KAPITEL II - HORTAG
Hortag ergriff die Chance seines Lebens; und er war fest entschlossen, seinen Aufstieg in der besalischen Gesellschaft zu untermauern. Wer hätte noch vor ein paar Jahren gedacht, dass er hier stehen und auf ein eigenes Stück Land blicken könnte? Neben seinem Hauptmann Laturon stand der Scharführer und ließ in einem Hochgefühl den Blick über seinen neuen Besitz wandern. Der Offizier legte in einer seltenen Geste seine Hand auf Hortags Schulter und sagte:
„Du hast eine Rosine aus dem Kuchen gepickt, mein Junge. Ich bin fast ein bisschen neidisch! Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben, Hortag, du hast es dir verdient!“
Scharführer der suffikischen Schleuderer war er und stolz auf den Beitrag, den er und seine Mannen für den Sieg geleistet hatten. Tatsächlich war es seine Einheit gewesen, die den Durchbruch der arratäischen Kavallerie verhindert hatte und damit die gewagte Strategie des Feindes zum Scheitern brachte. Trotz der zahlenmäßigen Unterlegenheit der Arratäer wäre die Schlacht sonst für die Besalier verloren gewesen. Es war also nur recht und billig, die Prämie für ihn besonders gut zu bemessen, fand er.
„Von deiner Einheit ist ja nicht viel übrig, und ich sehe auch ein, dass du nur mit drei Mann davon wirklich etwas anfangen kannst. Ich lasse dir fünfzehn weitere Krieger da, über die du verfügen kannst, bis eure Dienstzeit in drei Monaten abgelaufen ist. Dann sind sie frei und können ihrer Wege ziehen. Wenn du schlau bist, stellst du ein paar davon ein. Es könnte sonst schwierig werden, ordentliche Aufseher für deine Station zu bekommen.“
Nur fünf Männer seiner Einheit hatten außer ihm die Schlacht überlebt, alle sechs waren sie verwundet worden. Drei waren mit Narben davongekommen, einer hatte einen Arm, ein weiterer einen Fuß und er selbst ein Auge verloren. Als schön hätte der grobschlächtige Hortag auch vorher nicht gegolten. Groß und kahl, mit einem Brustumfang wie ein Fass und Händen wie Wagenrädern, hatte er Qualitäten, die für einen Krieger viel wichtiger waren.
Die Verstümmelung durch die arratäische Hexe hatte König Zoros noch unversöhnlicher gemacht, und er war mit eisernem Besen durch die Provinz Arron gefahren – wie das ehemalige Arratäische Reich heute hieß. Ganz wie er versprochen hatte, wurden die Veteranen seiner Armeen reich belohnt. Sämtliche Schätze, Gold, Silber und Geschmeide gingen an den Staatsschatz, doch alle übrigen beweglichen Güter wurden gleichmäßig unter den regulären Soldaten und den Mannen der Hilfstruppen aufgeteilt. Ein jeder hatte damit einen guten Start in ein ziviles Leben, falls es ihn zurück in die alte Heimat der fünf besalischen Provinzen zog. Unter den führenden Offizieren wurden die Häuser in der neuen besalischen Reichshauptstadt Seisilon aufgeteilt. Die unteren Ränge des Offizierskorps der übrigen Truppen zogen in die kleineren Städte, während die Mannschaftsränge der Elitetruppen großzügig Parzellen im ganzen Land erhielten, um anstelle der bisherigen Dörfer große Landgüter zu errichten. Zur Bewirtschaftung wurde die Sklavenbevölkerung abgestellt, die jetzt in großen zentralen Sklavenstationen hausen sollte. Die Betreibung dieser Sklavenstationen oblag zukünftig den Unteroffizieren, und ein solcher war als Scharführer Hortag.
Seine Station sollte unweit des Quellgebiets des Flusses Kunvei entstehen. Die Umsiedlung war in vollem Gange und die Landvermesser des Offizierskorps hatten ihre Arbeit in diesem Teil der Provinz vor kurzem abgeschlossen. Hortags Parzelle umfasste hauptsächlich eine felsige Anhöhe oberhalb eines fischreichen Flusses und ein großzügiges Waldstück mit den entsprechenden Jagdrechten. Auf seinem Gebiet lagen ein Dorf und ein Köhlerweiler und die Einwohnerschaft würde bald zum Grundstock seiner Sklavenpopulation werden. Mit ihrer Arbeitskraft sollte er die zentrale Station errichten, in die dann die Landarbeiter für sechs große Güter einziehen würden. In wenigen Wochen mussten seine Arbeiter den Gütern zur Verfügung stehen.
„Das ist dann wohl unser Abschied, Scharführer! Du hast treu gedient und ich bin sicher, dass du hier dein Glück machen wirst. Wenn einer Zuchterfolge haben wird, dann du. Askario sei mit dir“, sprach der Hauptmann und Hortag beobachtete, wie er mit dem Rest des Zuges sein Land verließ.
Der Scharführer rieb sich den kahlen Schädel und hätte sich so sehr einen guten Ratgeber unter seinen wenigen verbliebenen Getreuen gewünscht. Stattdessen stand hinter ihm Koronzu, sein treuester Mann. Seit vielen Jahren hatten sie gemeinsam gekämpft und der einfältige Krieger war ihm hündisch ergeben. „Einfältig“ traf es eigentlich nicht wirklich, „dämlich“ wäre ehrlicher gewesen, aber „verlässlich“ war ebenfalls ein wahres Attribut, und das hob die Mängel an anderer Stelle wieder auf. Einen Ratgeber gab Koronzu so beileibe nicht ab, aber er half Hortag durch seine bloße Anwesenheit. Wenn Hortag zu ihm sprach, konnte er dabei gut nachdenken, ohne befürchten zu müssen, dass irgendwelche Geheimnisse nach außen dringen würden. Sein Gefolgsmann war dumm wie ein Stein, aber ebenso verschwiegen.
„Koronzu, mein Junge, was machen wir also als Erstes?“ Der Angesprochene wusste, dass keine Antwort gefordert war und schwieg wie immer. „Was meinst du, Kleiner? Das Straßennetz?“
Er hatte Befehle erhalten, Rodungen vornehmen zu lassen, um ein Wegenetz zwischen den Gütern und dem Lager, außerdem eine Verbindung zum allgemeinen Netz der Truppenstraßen im Reich herzustellen. Die Landvermesser hatten mit ihm entsprechende Pläne besprochen und alles abgesteckt. Da er des Lesens und Schreibens nicht ausreichend mächtig war, hatte der Hauptmann ihm großzügig einen Schreibersklaven zugeteilt, der ihn bei diesen lästigen Tätigkeiten unterstützen würde. Den Mann namens Boras hatte Hortag sich als Erstes zur Brust genommen und sich generös gegeben:
„Du kannst hier bei mir ein gutes Leben haben, wenn ich mit dir zufrieden bin! Also, mein Freund: Keine Überraschungen, wenn der Prüfer in die Aufzeichnungen schaut! Wenn dir etwas zu Ohren kommt, was für mich wichtig sein könnte, dann will ich das hören! Falls nicht, erhältst du die gleiche Strafe wie der Übeltäter – verschweigst du einen Diebstahl, verlierst du deine Hand, verschweigst du einen Mord, wirst du gehängt und verschweigst du eine Flucht, kannst du nur noch beten, dass der Flüchtling gefasst wird und ich dich nur auspeitschen lassen muss – sonst verkaufe ich dich an die Minen und du wirst nach ein paar Wochen um den Tod betteln. Verstehen wir uns?“
Der schmächtige kleine Mann hatte ihn mit offenem Mund betrachtet und genickt, doch das genügte Hortag nicht.
„Verstehen wir uns?“, schlug Hortag diesmal seinen Unteroffizierston an.
„Ja, Herr, selbstverständlich, Herr! Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Herr, ich werde Euch keinen Grund zur Klage geben, Herr“, stammelte Boras unterwürfig.
Sein Gebieter grunzte zufrieden und betrachtete das Männlein eingehend. Der kahlrasierte Schädel ließ darauf schließen, dass der Mann Priester dieser seltsamen arratäischen Religion gewesen war. Priester für eine ausgerottete Religion nichtexistierender Götter wurden nicht mehr gebraucht. Sklaven hatten keine Götter außer ihren Herrn. Er trug ihm auf, Aufstellungen zur Dorfbevölkerung bezüglich Anzahl, Berufen, Alter, Geschlecht und allem anderen von Belang zu machen. Ein kompletter Überblick war wichtig, wenn man die Sache richtig angehen wollte. Er musste alles über sein Zuchtmaterial wissen!
Hortag selbst hatte für seine neue Aufgabe viel wichtigeres Handwerkszeug als Kenntnisse im Schreiben erworben, und er freute sich, sein Wissen einzusetzen. Als Sohn eines Schäfers hatte er von frühester Jugend an mit der Aufzucht von Tieren zu tun gehabt. Er war überzeugt davon, auch mit der Züchtung von Sklaven erfolgreich zu sein – insbesondere, weil er zum Erfolg verdammt war. Seine Einnahmen würden davon abhängen und sein Ziel war es, durch die ihm gegebenen Möglichkeiten schnell reich zu werden.
Zunächst waren jedoch mehr seine militärischen, organisatorischen und disziplinarischen Fähigkeiten gefragt.
Hortag nahm die Karte der Landvermesser zur Hand. Vor jedem Kampf waren das A und O Aufklärung und Übersicht.
„Koronzu, mein Junge, wir müssen uns ein wenig umschauen.
Hol uns zwei Gäule, wir machen einen Erkundungsritt!“
Die Planer des Königs – nein, des Kaisers, korrigierte er sich, denn nach den jüngsten Eroberungen genügte Zoros die Königswürde nicht mehr - hatten ganze Arbeit geleistet. Gemäß den kaiserlichen Vorgaben würden die Herrensitze der Landgüter im Halbkreis um seine Sklavenstation erbaut werden, um kurze Wege für...
| Erscheint lt. Verlag | 7.12.2022 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
| ISBN-10 | 3-7568-7085-5 / 3756870855 |
| ISBN-13 | 978-3-7568-7085-1 / 9783756870851 |
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