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Die Chronistin (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
660 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
9783751737548 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Chronistin -  Julia Kröhn
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Mord im Kloster

Im Jahr 1245 machen die Nonnen des Damenstifts von Corbeil eine grausige Entdeckung: In einem kleinen Raum unterhalb des Altars ihrer Kirche finden sie eine mumifizierte Frauenleiche. Rasch stellt sich heraus, dass es sich um die vier Jahre zuvor verschwundene Schwester Sophia de Guescelin handelt. Das Entsetzen wird noch größer, als klar wird, dass Sophia ermordet wurde. Wer kann so etwas getan haben und warum? Hängt der Mord etwa mit der Chronik zusammen, an der Sophia ständig schrieb, die aber niemand je gelesen hat? Äbtissin Roesia setzt alles daran, die Sache zu klären, aber bald gibt es noch mehr tote Nonnen. Die Opfer sind allesamt eng mit Sophias Lebensweg verknüpft. Wer war die Chronistin wirklich?

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<p>Julia Kröhn, wurde 1975 in Linz an der Donau geboren. Heute lebt die Fernsehjournalistin und Autorin in Frankfurt am Main. Sie veröffentlicht unter verschiedenen Pseudonymen sehr erfolgreich Kinder-, Fantasy- und Historische Romane. Unter dem Pseudonym Carla Federico erhielt die Bestsellerautorin im Jahr 2010 den internationalen Buchpreis CORINE für ihren Roman Im Land der Feuerblume. Besuchen Sie die Autorin unter www.juliakroehn.de im Internet.</p>

II. Kapitel


Anno Domini 1188 bis 1192


Von den Wänden des Skriptoriums hallte Gemurmel. Unfassbar deuchte die Kopistinnen Mechthilds Vorwurf – unfassbar und auch ein wenig furchterregend. Konnte man von dem frechen, vorlauten Mädchen tatsächlich glauben, es stünde mit dem Teufel im Bunde und hätte von jenem eine außergewöhnliche Gabe geschenkt bekommen? War es denn nicht schon früher aufgefallen, weil es alles schneller lernte: das Schreiben und Lesen, das Lateinische und Griechische, die Schriften der heidnischen Philosophen und der Kirchenlehrer?

Bis auf den Tag, da sie beim Mittagessen auswendig aus der Vita des heiligen Eligius zitieren konnte, hatte sich Sophia niemals sonderlich damit hervorgetan. Heute freilich hatte sie sich ganz unbescheiden in den Vordergrund gespielt, das Gebot missachtend, wonach vor allem die Jüngeren unter ihnen nur sprechen durften, wenn sie ausdrücklich gefragt wurden. War das bereits Teufelswerk?

Als der Pater Immediatus die Hand hob, erstarb das Gemurmel, doch die Stille war hungrig wie Mechthild. Fordernd verlangte sie nach einem Wort der Klärung oder der endgültigen Verurteilung.

Sophia dachte gar nicht daran, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, wonach sie mit dem Teufel im Bund stünde. Sie wähnte sich des Schutzes sicher, den ihr der Pater Immediatus gegen die lästernde Zunge einer Neiderin gewiss gewährte. Bekräftigen würde er, dass ihr ein besonderer Platz im Skriptorium zustünde und dass ihr weitläufiger, fruchtbringender Geist nicht nur an dessen Rändern beackert werden sollte.

Der Pater aber schwieg, desgleichen Irmingard, deren einzige Regung blieb, nach Atem zu ringen und jenen nicht lauten, aber beschwerlichen Husten auszustoßen, der sie ihr Lebtag lang quälte. Die Mutter Äbtissin war die Einzige, die schließlich sprach – nicht zu den beiden Streitenden, sondern zu den schreibenden Nonnen, die ihr Tagwerk unterbrochen hatten und mit offenen Mündern und gebannten Blicken das Geschehen bezeugten.

»Nicht Faulheit noch Müßigkeit noch Schwatzsucht sollen in diesem Kloster Einzug halten«, mahnte sie, und ohne dass sie einen Befehl hinzufügte, verstand man ihre Worte und neigte sich über die Arbeit, vielleicht auch erleichtert über die Unauffälligkeit, in die sich alle außer Mechthild und Sophia flüchten konnten.

»Du, Schwester Mechthild«, fuhr die Äbtissin fort, »wirst an diesem Ort zwar des Lesens unterrichtet, aber hast noch kein sonderliches Talent darin bewiesen. Wirst du künftig nicht willens sein, an diesem Ort der Stille den Mund zu halten, so bleibt mir nichts weiter übrig, als mich auf den Fleiß deiner Hände zu besinnen. Denk nicht, es stimmt mich dir milder, dass du in wenigen Monaten deine Ewigen Gelübde ablegst. Eine gute Nonne gebärdet sich nicht, wie du es eben tatest.«

Das knöchrige Gesicht war bleich geblieben. Scheinbar gleichmütig nahm Mechthild das Urteil auf, bereit, jede Zurechtweisung zu ertragen, wenn Sophia eine noch härtere erfahren würde – und dies war gewiss, nun, da sie die Letzte war, an die sich die Mutter Äbtissin richtete.

»Ragnhild«, begann jene eben, »ja, ich sage Ragnhild, denn das ist dein richtiger Name, ganz gleich, wie manche dich hier scherzhaft nennen und in welchen Hochmut du dich darob verstiegen hast. Ragnhild also ...«

Sie machte eine Pause, nicht bedingt durch die Langsamkeit ihres Sprechens, das den zähen Gebärden des steifen Nackens folgte, sondern weil sie jäh vom Pater Immediatus aufgehalten ward.

Sein Blick war zaudernd gesenkt, seine Stimme jedoch fest, als er die Äbtissin bat, an ihrer Stelle sprechen zu dürfen. Neugierig reckten sich die schreibenden Nonnen. Solch Anliegen war gänzlich ungewohnt.

»Ich will«, sprach er, »ich will vorschlagen, ganz allein mit dem Mädchen eine Unterredung zu halten. Ein geistlicher Führer tut hier Not, der mehr ausspricht als nur kurze Mahnung ...«

Er drehte sich fort, noch ehe Widerspruch einsetzen konnte, und forderte Sophia mit einer lockenden Handbewegung auf, es ihm gleichzutun. Gern ging sie mit ihm. Gern wollte sie sich auch belehren lassen, dass ihre Gabe nicht dem Hochmut dienen und sie sie anders nähren sollte als im wütenden Gekläff mit einer tumben Mechthild. Am wichtigsten war, dass er sie stärkte, ihre Gabe zu nutzen, und lobte, dass sie so weit darin gediehen war, das Wichtige vom Unwichtigen zu scheiden. Denn nicht mit zänkischen Worten hatte sie Mechthild bezwungen, sondern mit Gelehrsamkeit.

Kaum aber waren sie draußen im Gang angelangt, so waren es keine flüsternden Worte, die sie trafen. Unwirsch hob Pater Immediatus die Hand, ließ sie hinabsausen und versetzte ihr eine laut klatschende Ohrfeige. Ihr Blick verdunkelte sich kurz. Sie hatte nicht bemerkt, ob des Schlags gefallen zu sein, aber als sie mit schmerzendem Gesicht die Augen wieder öffnete, hockte sie an die kalte, raue Wand geschleudert.

»Captivitatem redigentes omnem intellectum in obsequium Christi«, belehrte der Pater streng. »Die Vernunft befindet sich in der Gefangenschaft Christi. Um dies zu lernen, wär’s besser für dich, die Fußböden zu scheuern und frische Binsen auszulegen, anstatt bei Büchern zu hocken.«

»Mein Vater!«, nutzte Sophia mit brummendem Schädel die Anrede, die alle hier an ihn richteten. »Nichts anderes tue ich, als dem Talent zu folgen, das mir Gott selbst gegeben hat!«

»Und wenn’s der Teufel war?«, antwortete er, und jetzt erst hörte sie, dass er nicht nur ungeduldig und streng klang, sondern verzweifelt. Sie blickte nicht in das gütige Gesicht, das er bei seinen bisherigen Besuchen gezeigt hatte, da sie sich stets sicher wähnte, mehr Beachtung zu erfahren als die anderen. Aufgerieben waren vielmehr die faltigen Züge von Ängsten, die nicht allein ihr Streit mit Mechthild bewirkt haben konnte.

»Was ...«, setzte sie an, »was ...«

»Hör zu, kleine Sophia«, unterbrach er sie milder, »du hast gehört, was Schwester Mechthild sagte. Nicht deine Gabe allein ist es, die ängstigt, sondern weil sie einer geschenkt wurde, um deren Vaters Geschick man weiß.«

Die letzten Jahre hatte sie ihre Fragen niemals wieder aufgeschrieben und gelesen – Irmingards Weisung befolgend, dass ihre kindlichen Nöte nichts galten, jedoch alles die Wissenschaften, welche die Wahrheiten des Glaubens mit der Ratio belegten.

»Wer ist mein Vater?«, brach es jetzt aus ihr hervor. »Warum spricht man in rätselhaften Sätzen über ihn, ohne mir jemals die Wahrheit zu sagen? Sagt es mir, oh bitte, sagt es mir! Ihr wisst es doch!«

Er trat zögernd zu ihr her, reichte ihr die Hand, damit sie aufstehen konnte. Sie überlegte kurz, sie auszuschlagen und ihm mit Trotz ein Geständnis zu entlocken, doch dachte sie dann, dass er nur reden würde, erwies sie sich als vernünftig. Nachdem sie sich erhoben hatte, beugte er sich nieder, sodass sie auf gleicher Augenhöhe standen. Den traurigen Blick nicht von ihrem abwendend, setzte er zu sprechen an.

»Es scheint, dass du nicht wie die anderen bist, kleine Sophia, und Gleiches ließ sich von deinem Vater sagen. Es deuchte allen, er sei von Gott zu Besonderem ausgewählt. Doch vernichtend war sein Sturz nach hohem Aufstieg. Folg ihm nicht nach!«

»Wohin?«, fragte sie heiser. »Wohin?«

»Such den anderen zu gleichen. Trachte nicht danach, dich abzuheben. Wähle die niederen Dienste.«

»Werdet Ihr mir erzählen, wer mein Vater war?«

»Du bist zu jung, es zu ertragen. Einstweilen aber füge dich dem Befehl, dich zu bescheiden.«

Während seiner Worte hatte sie die schmerzende Wange nicht gefühlt, jetzt wähnte sie jeden seiner Finger einzeln darauf brennen – so schmerzhaft wie tief drinnen die Enttäuschung.

»Aber ich darf doch weiter im Skriptorium lernen, nicht wahr?«, fragte sie heiser. »Das Schreiben ist mein Leben! Ich schwör’s, ich werde meine Hoffart schon bezwingen – und künftig wie bisher das Wichtige vom Unwichtigen ...«

»Halt ein!«, unterbrach er sie harsch, und dann sprach er ein Urteil aus, von dem sie meinte, es würde sie töten. »Du darfst nicht wie dein Vater werden, Ragnhild. Du wirst das Skriptorium die nächsten Jahre nicht betreten.«

Sein Blick schweifte ab, und erst als er sie nicht mehr musterte, ließen seine Verzweiflung und sein Missmut nach.

»Aber was soll ich stattdessen tun in diesem Kloster?«, schluchzte Sophia und konnte ihre Tränen nicht verbergen.

Die Nonne war schwanger.

Dies zumindest war, was sie glaubte, was sie vor der Krankenschwester und Sophia bekundete und was schließlich selbst ihr Körper zu verraten schien: Sie erbrach morgens das Essen, die Brüste und die Beine waren geschwollen, und ihr Bauch wölbte sich mehr und mehr, als würden darin die rauen Fäden vom Flachs zu einem stetig wachsenden Wollknäuel gesponnen.

Sophia beobachtete steif, wie die Schwester Cordelis den runden Leib abtastete.

Seit drei Jahren tat sie nun...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2023
Reihe/Serie Die schönsten und spannendsten Historischen Romane von Julia Kröhn
Die schönsten und spannendsten Historischen Romane von Julia Kröhn
Starke Frauen - große Zeiten
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Blanche von Kastilien • Der Name der Rose • Häresie • Häretiker • Historische Romane • Isambour • König Philippe II. Auguste • Nonnen
ISBN-13 9783751737548 / 9783751737548
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