Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Engelstod (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
320 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3159-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Engelstod - Reinhard Rohn
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
(CHF 9,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Kommissarin Lena Larcher sieht mit Grauen dem Tag entgegen, an dem sich der Autounfall, bei dem sie Mann und Sohn verlor, zum ersten Mal jährt. Um den Erinnerungen zu entfliehen und um ihre Ängste zu bekämpfen, beschließt sie, an diesem Tag etwas Besonderes zu unternehmen. Sie meldet sich für einen Kletterkurs an. Der Trainer weist ihr eine blonde, schweigsame Frau als Partnerin am Seil zu, die sich als Tessa vorstellt. Noch am selben Abend steht eine verzweifelte Tessa vor Lenas Wohnungstür und bittet sie um Hilfe: Sie erklärt ihr, sie heiße eigentlich Dorit - und habe gerade entdeckt, dass ihr Mann ein Auftragsmörder ist ...



Reinhard Rohn wurde 1959 in Osnabrück geboren und ist Schriftsteller, Übersetzer, Lektor und Verlagsleiter. Seit 1999 ist er auch schriftstellerisch tätig und veröffentlichte seinen Debütroman 'Rote Frauen', der ebenfalls bei Aufbau Digital erhältlich ist.

Die Liebe zu seiner Heimatstadt Köln inspirierte ihn zur seiner spannenden Kriminalroman-Reihe über 'Matthias Brasch'. Reinhard Rohn lebt in Berlin und Köln und geht in seiner Freizeit gerne mit seinen beiden Hunden am Rhein spazieren.

 

Kapitel 4


Sie schenkte sich noch ein Glas Rotwein ein und trank es im Schlafzimmer vor dem Spiegel. Sie prostete sich zu und brachte sogar ein Lächeln zustande. Diesen schrecklichen Tag, vor dem sie sich seit Wochen gefürchtet hatte, hatte sie einigermaßen unbeschadet herumgekriegt. Sie war nicht in Simons Bett gekrochen, hatte nicht den Himmel angefleht und hatte sich auch nicht bis zur Besinnungslosigkeit betrunken. Silvana, ihre Psychologin, würde stolz auf sie sein.

Morgen würde sie wieder ins Präsidium gehen und so tun, als wäre nichts gewesen.

Warum war diese Frau zu ihr gekommen? Eine Stuntfrau mit einem falschen Namen. Diesen Gedanken konnte sie nicht vertreiben, bevor sie einschlief.

Robert, dachte sie, hast du mir diese Frau geschickt? Ist es eine Prüfung?

Als sie wieder aufwachte, war es vier Uhr am Morgen. Das passierte ihr in letzter Zeit häufiger – sie schlief allenfalls drei, vier Stunden, dann war sie wieder wach. Gedanken trieben wie Geröll heran.

Sie hatte wie immer kalte Füße. Das war ein heimliches Leiden, obwohl sie die Heizung die ganze Nacht durchlaufen ließ. Früher, in der anderen Zeit, hatte Robert sie gewärmt.

Warum war diese Frau zu ihr gekommen?, dachte sie wieder. Hatte diese Frage sie geweckt? Sie ging in die Küche, kochte sich einen Kaffee, hüllte sich in eine Decke und schaltete ihren Laptop ein. Eine Stuntfrau mit Namen Dorit Zeiner fand sie nirgendwo im Netz, dafür aber jemanden mit diesem Namen, der in Köln eine Firma besaß, die »Film-Catering« hieß. Auf der Homepage war ein Wagen abgebildet, der aussah, als könnte er auf einem Jahrmarkt stehen – eine lange Auslage mit belegten Broten, Salaten, Getränken und Kuchen. Ein Foto von Dorit Zeiner war nicht auf der Seite zu entdecken – überhaupt war sie recht karg und lieblos gemacht. Hatte die Frau sie erneut angelogen? Oder nein, möglicherweise war sie noch nicht verheiratet gewesen und hatte einen anderen Namen getragen, als sie Stuntfrau gewesen war.

Zu einem Martin Zeiner, der in Köln lebte, fand sich überhaupt kein Hinweis. Es gab einen Arzt mit diesem Namen in Freiburg, einen Physiker an einem Forschungsinstitut in Berlin sowie acht weitere, die bei LinkedIn angemeldet waren.

Das Wort »Verfassungsschutz« tauchte nicht auf. Auch im Telefonbuch Kölns kein Eintrag von Martin und Dorit Zeiner.

Ein Verfassungsschützer als Auftragsmörder? Absurd – oder eine perfekte Tarnung?

Nein, es war eher der Einfall einer Ehefrau, bei der ein paar Sicherungen durchgebrannt waren.

Auf dem Küchentisch lagen noch die drei Fotos der Toten.

Was hätte sie getan, wenn sie bei Robert solche Fotos gefunden hätte? Allein der Gedanke war aberwitzig. Robert hatte selbst beim Angeln die Fische wieder ins Wasser geworfen, er hätte keiner Fliege etwas zuleide tun können.

Die Männer auf den Bildern waren eindeutig tot – und der Fotograf hatte die Intimität des Todes verletzt. Er war den Toten, kurz nachdem sie ihr Leben verloren hatten, viel zu nahe gekommen. Daher wirkten diese Aufnahmen noch beklemmender als Fotos von Leichen ohnehin.

Sie würde zumindest versuchen herauszufinden, wer die Toten waren, nahm Lena sich vor.

Als es kurz nach sechs war, zog sie sich ihre Trainingssachen über und lief zum Rhein hinunter und dann weiter in Richtung Kranhäuser. Ihr Trauerjahr war vorüber, dachte sie, und wenn etwas in dieser Stadt ihr stets Trost gespendet hatte, war es dieser breite stolze Strom gewesen, der niemals gleich aussah. Ein sanftes, mattes Licht flirrte auf dem Wasser, da und dort waren Lichter von Schiffen zu sehen, die festgemacht hatten. Es war noch stockdunkel, und kaum jemand war unterwegs, keine weiteren Läufer, sondern lediglich ein paar Radfahrer auf dem Weg zur Arbeit. Am Schokoladenmuseum hatte bereits eine Bude geöffnet, wo sie einen heißen Kaffee bekam. Der Stolz über den bewältigten gestrigen Tag wollte noch nicht weichen. Ein leichtes Gefühl von Glück legte sich über sie.

Als sie sich für den Rückweg bereit machte, klingelte ihr Mobiltelefon. Wieder war der erste Impuls anzunehmen, dass ihr Vater sie vorwurfsvoll fragen wollte, warum sie sich gestern Abend nicht mehr gemeldet hatte.

Mona Beckmesser, ihre Assistentin, rief aus dem Präsidium an. Dabei war es noch nicht sieben Uhr. »Es gibt Arbeit«, erklärte sie ganz sachlich. »Eigentlich gar nicht unser Gebiet, aber bei den Kollegen in Aachen ist gerade Land unter. Die liegen alle mit einem Virus flach. Vor einer Stunde hat jemand eine Leiche an einer Talsperre in der Eifel entdeckt, unterhalb von Vogelsang. Weißt du, wo das ist?«

»Klar. Vogelsang ist die alte Nazi-Ordensburg«, erwiderte Lena. Vor einigen Jahren, bevor Simon auf die Welt gekommen war, hatte Robert an Wochenenden manchmal auf dem Rursee gesegelt, obwohl ihm das Revier eigentlich viel zu klein gewesen war.

»Umso besser. Ich sage Henning Bescheid. Er holt dich in einer Stunde ab.« Mona verhielt sich bei solchen Einsätzen seit dem Unfall äußerst rücksichtsvoll. Sie wusste, dass Lena immer noch Probleme hatte, sich hinter ein Steuer zu setzen.

Henning Mahn, ihrem Partner im Präsidium, bekam die Einsamkeit nicht. Seit ein paar Monaten, seit seine Frau ihn wegen seiner Spielsucht hinausgeworfen hatte, wohnte er allein in einer Zweizimmerwohnung in Ehrenfeld. Ob er immer noch junge Mädchen mitnahm, wusste Lena nicht, vermutete es aber.

»Ich weiß gar nicht, was das soll«, erklärte er grummelnd, nachdem er sie mit einem Dienstpassat abgeholt hatte. »Nun machen wir auch noch die Arbeit für ein anderes Präsidium. Als hätten wir noch nicht genug zu tun …«

Mahn war zweiundfünfzig. Er sah ausgezehrt aus, zu viel Kaffee, zu viel Alkohol, und vermutlich ernährte er sich lediglich von Fast Food, trotzdem war er mit seinen dichten braunen Haaren und den markanten Gesichtszügen ein attraktiver Mann geblieben.

»Ich habe gegen einen Ausflug in die Eifel nichts einzuwenden«, entgegnete Lena.

Sie brauchten eine knappe Stunde, bis sie an der Ordensburg Vogelsang angekommen waren – einem Ensemble von mächtigen Gebäuden, das während der Nazizeit innerhalb weniger Jahre errichtet worden war. Hier hatte man die Elite für Partei und Staat ausbilden wollen. Im Schwimmbad, das sich unterhalb der Burg befand, war immer noch ein Mosaik zu sehen, das den vollkommenen Arier zeigte: einen blonden, muskelgestählten Germanen.

Ein wortkarger uniformierter Polizist nahm sie in Empfang und wies ihnen den Weg. Sie mussten über eine schmale asphaltierte Straße etwa sechshundert Meter den Berg hinunter in Richtung Talsperre gehen. Henning fluchte vor sich hin. Er trug wie üblich seine abgewetzte Lederjacke, darunter nur ein Hemd. »Es ist so verdammt kalt in der Eifel. Weiß gar nicht, wie man es hier aushalten kann.«

Lena schwieg. Wenn Hennings Laune so im Keller war, ignorierte man ihn am besten. Sie bemerkte, dass der Weg zu einer Brücke führte, die sich über die Talsperre spannte. Zwei Uniformierte standen auf der Brücke, dazu eine Frau mit dunkelroten Haaren und zwei Männer in weißen Papieranzügen. Mona hatte die ganze Kavallerie hergebracht.

Doktor Margot Dreier, die Rechtsmedizinerin, sah sie an, als Henning und sie über die Brücke auf sie zukamen. »Oh, noch zwei Frühaufsteher«, sagte sie lächelnd. »Da sind ja jetzt alle Kölner zusammen.«

Henning tippte sich zum Gruß kurz an die Stirn.

»Der Tote wird gerade geborgen«, sagte Margot Dreier weiter. »So schnell sind sie hier in der Eifel nicht.«

Zwei Männer in Taucheranzügen schoben eine leblose Gestalt ans Ufer, erkannte Lena. Nun war ihr auch kalt, obschon sie zwei Pullover angezogen hatte.

Die beiden Männer von der Spurensicherung, die offenbar ebenfalls aus Köln kamen, hatten sie nur flüchtig begrüßt. Sie besahen sich das Geländer und eine Stelle auf der Brücke, an der eine Blutspur zu sehen war.

»Was genau ist passiert?«, fragte Lena. Ihr Blick glitt wieder zu den Tauchern, die nun etwa zweihundert Meter entfernt ans Ufer gelangt waren.

»Ein Angler hat heute in der Früh den Toten im Wasser ausgemacht«, erklärte die Rechtsmedizinerin. »Könnte sein, dass er sich hier auf der Brücke erschossen hat und dann in den See gestürzt ist.« Margot Dreier verzog das Gesicht. So ganz war sie mit ihrer Erklärung nicht zufrieden. »Aber Fremdverschulden können wir natürlich nicht ausschließen. Daher der ganze Aufmarsch.« Sie nickte Lena zu und wandte sich dann ab, um sich den Toten anzusehen, den die beiden Taucher nun auf einem Stück Sand am Ufer abgelegt hatten.

Henning betrachtete die beiden Kriminaltechniker bei der Arbeit. Sie fotografierten die Blutspur auf der Brücke sowie das Geländer. Dann begann einer der beiden die oberste Verstrebung des Geländers nach Fingerabdrücken zu untersuchen.

»Und deswegen haben sie uns hier rausgeschickt?«, sprach Henning vor sich hin. »Weil sich da jemand eine Kugel in den Kopf schießt und dann ins Wasser fällt?«

Ging das überhaupt?, fragte Lena sich. Man steht auf der Brücke, schießt und fällt dann über das Geländer? Doch möglicherweise hatte der Jemand, den sich die Rechtsmedizinerin nun ansah, auf dem Geländer gesessen, als er den Schuss abgefeuert hatte.

Einer der beiden Kriminaltechniker kam auf sie zu. Einen Pinsel in der Hand. »Viel Sinn hat das hier nicht«, sagte er. »Wir werden hier nichts finden. Die Nacht war kalt und frostig. Wir packen gleich wieder...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2023
Reihe/Serie Lena Larcher ermittelt
Lena Larcher ermittelt
Lena Larcher ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Auftragsmord • Auftragsmörder • Doppelleben • Ehemann • Ermittlerin • falsche Identität • Geheimnisse • Köln • Kriminalfall
ISBN-10 3-8412-3159-4 / 3841231594
ISBN-13 978-3-8412-3159-8 / 9783841231598
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Ein Fall für Albin Leclerc

von Pierre Lagrange

eBook Download (2025)
Fischer E-Books (Verlag)
CHF 12,65
Zärtlich ist die Rache. Thriller

von Sash Bischoff

eBook Download (2025)
Fischer E-Books (Verlag)
CHF 12,65