Nina N. (eBook)
754 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7549-8790-2 (ISBN)
Stefan Koenig (Pseudonym), geb. in Frankfurt am Main, Volontariat als Verlagsredakteur, Studium der Philosophie, Politik- u. Verwaltungswissenschaft in Berlin, Berkeley und Frankfurt/Main, 18-monatiger Forschungsaufenthalt in den USA, danach freier Journalist, 10 Jahre als Unternehmer in der Erwachsenenbildung tätig mit dem Schwerpunkt Ökologie und Umweltinformatik. Seit 1998 als Autor von Sach- sowie Foto- und Kinderbüchern und Romanen tätig, lebt und arbeitet im hessischen Laubach und Lich.
Stefan Koenig (Pseudonym), geb. in Frankfurt am Main, Volontariat als Verlagsredakteur, Studium der Philosophie, Politik- u. Verwaltungswissenschaft in Berlin, Berkeley und Frankfurt/Main, 18-monatiger Forschungsaufenthalt in den USA, danach freier Journalist, 10 Jahre als Unternehmer in der Erwachsenenbildung tätig mit dem Schwerpunkt Ökologie und Umweltinformatik. Seit 1998 als Autor von Sach- sowie Foto- und Kinderbüchern und Romanen tätig, lebt und arbeitet im hessischen Laubach und Lich.
22. Oktober 1999
Der Herbst brach mit Stürmen und Hochwasser über das Land herein, wie es schlimmer nicht hätte kommen können – El Nino, das himmlische Kind, wütete über dem Pazifik vor Südamerikas Küste, und es streckte seine Arme bis zum fernen Europa aus. Die Unwetter tobten schon mehr als vier Tage über dem östlichen und südlichen Teil Mittel-europas. Rinnsale wurden zu reißenden Gewässern, Bäche zu gewaltigen Strömen, und Flüsse wurden zur Tiefen-strömung in einer weitgehend überfluteten Landschaft.
Vereinzelt flogen noch Kraniche Richtung Süden.
Zwei Tage später ging der Hochwasserpegel an Rhein, Mosel und Main zurück. Die Ufer wurden wieder sichtbar. Was blieb, waren Schlamm und Müll, entwurzelte Sträucher und Bäume, verwüstete Häuser und Verletzte.
Aus den Rettungsmaßnahmen von Technischem Hilfs-werk, Rotem Kreuz und Feuerwehr wurden Aufräumarbei-ten. Den Aufräumarbeiten schlossen sich Sanierungs- und Umbaumaßnahmen an. Die Versicherungen, sofern sie zahlten, wurden in diesen Tagen zur Investitionskurbel der Wirtschaft. Die Besitzer von Grundstücken, Miethäusern und Eigenheimen gingen daran, mit eigenen Händen oder mit Hilfe der örtlichen Bauwirtschaft die Schäden zu beheben.
Normalerweise stand Peter Kaußen freitags eine Stunde früher auf, morgens gegen vier Uhr, damit er nachmittags um drei zu Hause sein konnte – wenn nicht chefbedingte Überstunden dazwischen kommen würden. Er arbeitete als Vorarbeiter einer Baukolonne, und sein Chef war, was Überstunden anbetraf, ein Ekel.
Heute gibt‘s keinen Verhandlungsspielraum, dachte der Vor-arbeiter. Diesmal würde ihn niemand beschwätzen, noch eine Stunde länger auf der Baustelle zu bleiben. Heute durfte der Chef einfach keine Mehrarbeit anordnen. Heute würde Peter seinen Schäferhund mitnehmen, denn Punkt fünfzehn Uhr dreißig begann das Trainingsprogramm beim Rettungs-verein, und dies war der einzige Tag im Monat, an dem nichts, aber auch gar nichts dazwischen kommen durfte.
»Ohne Regelmäßigkeit kannst Du die Hundedressur vergessen«, hatte der Trainer der Schäferhund-Vereinigung gesagt. »Konsequenz und Beständigkeit sind die Schlüssel-worte einer guten Hundeschule«, meinte er. Peter liebte seinen Hund. Harro sollte einmal ein Rettungshund werden.
Es war bereits einige Minuten nach fünf Uhr.
Als er Harro rief und mit ihm aus dem Haus ging, hatte er im Radio die erfreuliche Nachricht vom zurückgehenden Hochwasser und von ausbleibenden Niederschlägen gehört. Um diese Uhrzeit waren die meisten Frankfurter noch im Bett. Peter und sein Schäferhund kamen schon nach fünf-undzwanzig Minuten auf der Baustelle nahe des Gymna-siums an. Der Vorarbeiter war immer der erste.
Es war ein Drei-Parteien-Haus, Erdgeschoss, erster und zweiter Stock. Aber die Baustelle lag hinter dem Haus, oder besser gesagt im Tiefgeschoss, denn die Bauherrin ließ ein Souterrain anbauen. Sie hatte dieses Stadtanwesen in bevor-zugter Lage vor kurzem gekauft. Der ehemalige Keller sollte zum Garten hin geöffnet, erweitert und in helle Wohnräume umgewandelt werden.
Nach der Überschwemmung im Garten hatten die Was-sermassen den Keller überflutet; seit vier Tagen liefen unun-terbrochen die Pumpen.
»Wenn jetzt die Baumaschinen nicht verrückt spielen, sind wir um zwei Uhr hier weg«, sagte Peter zu seinem Liebling. Er schloss das weitausladende Hoftor auf. Der Hund schoss an ihm vorbei Richtung Garten.
»Harro, bei Fuß«, befahl er.
Doch der Hund war weg.
An der Hausseite, wo er gestern die Garage abgerissen hatte, standen die Container, und dahinter stand sein Bob-cat, ein Minibagger, der es Peter erlauben würde, blitzschnell die Aufräumarbeiten vor dem Eingangsbereich des Kellers zu erledigen. Matsch und Bauschutt waren zu verladen, und zum Leidwesen der neuen Hausherrin mussten auch einige Beeren- und Ziersträucher beseitigt werden. Als erstes müsste er mit Harro Gassi gehen; am besten im nahen Park, wo sich sein Liebling austoben konnte. Dann würde Harro bis zum Arbeitsende seines Herrchens auf der braunen Wolldecke liegen und warten. Als Peter nach hinten in den Garten kam, war der Hund nirgendwo zu sehen.
»Harro?«, rief er halblaut, denn er wollte die Anwohner nicht vorzeitig wecken. Wenn in einer halben Stunde die Maschinen liefen, wäre es sowieso vorbei mit dem Schlaf. »Komm, Harro. Wir wollen weg, Gassi.«
Nichts rührte sich.
Der Vorarbeiter kniff die Augen zusammen und schob seine Schildmütze aus der Stirn. Doch im Dämmerlicht er-kannte er nur die herumstehenden Wannen, Bottiche, abge-deckten Zementsäcke und allerlei unaufgeräumtes Werk-zeug. Im offenen Kellerbereich, wo die Vorderfront gestern geöffnet und ausgebaggert worden war, vernahm er weit hinten, verdeckt von einem ausgehobenen Lehmberg, ein scharrendes Geräusch.
»Harro, bei Fuß, aber hopp!«, rief er.
Der einjährige Schäferhund hörte eigentlich aufs Wort. Als Rettungshund musste er zwar noch viel dazulernen, jedoch gehorchte er jedem Befehl seines Herrchens – zumal er stets mit liebevollem Streicheln oder gar mit einem kleinen Leckerli belohnt wurde. Diesmal dauerte es eine Zeit, bis er sich durch ein kurzes, erregtes Knurren bemerk-bar machte. Es kam von der hintersten Kellerfront, wo heute mit den Aushebearbeiten weitergemacht werden musste.
Der Vorarbeiter zog die dunkelbraunen Lederschuhe aus und tauschte sie gegen seine Gummistiefel. Eigentlich wollte er sich erst nach dem Spaziergang für die Baustelle umziehen, doch das Winseln und nervöse Knurren Harros erforderte die Durchquerung der vom Hochwasser durch-weichten Erde vor dem Kellereingang.
»Hierher, Harro!«, befahl Peter seinem Hund, denn es war zu befürchten, dass er eine Katze oder ein anderes Kleintier jagte.
Peter ging um den Lehmhügel herum, jetzt war der Hund vor einer Betonplatte zu sehen. Die Platte hatte er gestern mit einer Raupenseite des Minibaggers befahren, und sie war etwas angekippt liegengeblieben. Heute würde er den ein auf zwei Meter messenden Betonklotz, der seiner Schätzung nach mindestens zwanzig Zentimeter dick war, mit dem Bohrhammer zerlegen und die Teile mit dem Bobcat abfahren.
Ungefähr sechs Meter vor sich, im Halbdunkel, sah er Harros aufgeregt wedelnden Schwanz zwischen Lehm-matsch und dem Betonbrocken. Der Schäferhund sah zu ihm herüber, bellte nun laut und grub mit den Vorderpfoten am Rande der mächtigen Platte. Er kam nicht bei Fuß. Peter wurde ärgerlich.
»Bei Fuß, Harro, komm bei Fuß!«, schnauzte er ihn jetzt an. Es irritierte ihn, dass sein Hund nicht hören wollte. Das war unüblich, völlig außergewöhnlich. Eine gute Hunde-schule, Drill und Gehorsam waren wohl bitter nötig; mit Hunden wird nicht diskutiert.
Peter nahm die Hundeleine und machte noch ein paar Schritte auf den Betonklotz zu. Harro scharrte wie besessen seitlich eines abgesplitterten Brockens; ein Versteck für ein Kleintier war hier jedenfalls nicht. Die Luft schmeckte lehmig und feucht, fast roch es nach …
Peters Schritte stockten. Entsetzt erblickte er eine asch-graue, zementverschmierte Hand, die aus dem Betonbro-cken herausragte, als wolle sie nach dem Hund greifen. Harro leckte die Hand ab.
»Lass das, Harro!«, rief er und hielt Abstand von der schrecklichen Hand. Beim Gedanken, dass an ihr noch ein ganzer Mensch hing, eingegossen in Beton, wurde ihm flau im Magen, und dass er sich nicht übergab, verdankte er allein dem Umstand, noch nicht gefrühstückt zu haben.
Plötzlich spürte er die Kälte und Nässe des ungewöhn-lichen Herbstes. Beides kroch ihm in Sekundenschnelle unter die Jacke und schien ihn zu lähmen.
Dann leinte er den Schäferhund an und band die Leine am Gestell der Betonmischmaschine fest. »Harro, sitz!«, befahl er, »Herrchen geht Hilfe holen!«
Er rannte, so schnell es ging, zur Vorderseite des Ge-bäudes, da der Kellertreppenaufgang wegen der Umbau-arbeiten mit Brettern vernagelt war. Er wusste, dass die Hausbewohner noch schliefen, aber er hoffte, dass sie ihm auf sein Klingeln rasch öffnen würden.
»Warum so stürmisch, junger Mann?«, fuhr ihn die Be-wohnerin des ersten Stocks an. »Was ist los mit Ihnen?«
»Oh Gott«, stammelte Peter, »eine Leiche, im Keller ist eine Leiche!«
Die Dame in ihrem lila Morgenrock schrie erschrocken auf. Sie kannte den Vorarbeiter, dem sie gestern noch einen warmen Tee in den vermatschten Keller gebracht hatte.
»Kommen Sie rein, ich rufe die Rettungswache.«
»Da ist nichts mehr zu retten, rufen Sie die Polizei«, keuchte der Mann. Er griff sich an den Hals und räusperte sich. Ihm war schlecht. »Darf ich rauchen?«
»Wer liegt da unten?«, fragte sie. »Jemand aus dem Haus?«
»Man sieht nur eine Hand. Der Rest ist in Beton gegos-sen.«
Entsetzt sah sie ihn an. Peter unterdrückte die aufstei-gende Übelkeit. Endlich rief sie die Polizei. Er zündete sich eine Zigarette an. Sie zog sich an, und sie gingen hinunter, wo Harro winselte. Sie warteten noch fast fünfzehn Minu-ten, bis es vorne an der Haustür Sturm klingelte und ein Kriminalbeamter in Begleitung zweier kräftiger Polizisten erschien.
»Kriminalinspektor Momberg. Guten Morgen, wo liegt die Leiche?«
Peter deutete zu dem Betonklotz in der düsteren Keller-ecke. Noch immer ragte die Hand herausfordernd aus dem Brocken. Der Inspektor ging dicht...
| Erscheint lt. Verlag | 11.1.2023 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | Bildungschaos • Doppellleben • Frauenroman • Frauenschicksal • Justizirrtum • Kindsmord • Liebesroman • Schulkrimi • Zauberei |
| ISBN-10 | 3-7549-8790-9 / 3754987909 |
| ISBN-13 | 978-3-7549-8790-2 / 9783754987902 |
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