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Heilige Kühe (eBook)

unzensiert
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
400 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7549-8439-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Heilige Kühe -  Dennis Hoffmann
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Ein Berliner Holzbildhauer macht am Himmel eine Beobachtung, die er sich nicht erklären kann. Während der Recherche im Internet gerät er in die ebenso faszinierende wie gefährliche Welt der Verschwörungstheorien. Nicht nur sein bisheriges Weltbild fällt auseinander, sondern auch das Gerüst seiner äußeren Realität: er verliert seinen Job, seine Freunde entfernen sich von ihm und er bringt die Lebensplanung seiner Daueraffäre komplett durcheinander. Als seine Mutter dem Tod gefährlich nahekommt, befindet er sich im freien Fall. Nun muss er seine Realität neu ordnen und sich in ihr neu positionieren. Doch dann passiert etwas, was die gesamte Welt aus den Angeln hebt...

Dennis Hoffmann, 1978 in Duisburg geboren, studierte Bildende Kunst, Schauspiel, Theaterpädagogik und Journalismus. Wanderjahre, welche immer noch andauern, als Straßenmusiker, Sargträger, Lehrer, Bildhauer... Lebt in Berlin, drei Kinder.

Dennis Hoffmann, 1978 in Duisburg geboren, studierte Bildende Kunst, Schauspiel, Theaterpädagogik und Journalismus. Wanderjahre, welche immer noch andauern, als Straßenmusiker, Sargträger, Lehrer, Bildhauer... Lebt in Berlin, drei Kinder.

Zoo








„NEIN ABER, was ich sagen will, ist: Die Welt, in der wir leben, ist doch eine einzige Fiktion. Nichts weiter als eine kollektive Fantasie, nichts weiter als eine Geschichte. Wir könnten ebenso gut eine viel bessere, eine viel sinnvollere, eine viel schönere Geschichte erfinden und ablaufen lassen. Dann würde die Welt auch anders aussehen, in einem anderen Licht erscheinen, eine andere Strahlung haben.“

Das lange Schweigen von Madame Pokerface gab mir die Hoffnung, dass sie mich endlich verstanden hatte. Ich gönnte mir noch einen großen Schluck von ihrem leckeren Wasser, als sie sagte: „Das klingt jetzt aber sehr nach Verschwörungstheorie, meinen Sie nicht?“

Hustend spuckte ich das Wasser ins Glas zurück und fing an zu lachen. Aber nicht, weil es ein Scherz war, sondern weil es vollkommen ernst gemeint war.

Diesen Satz jetzt einzusetzen, in der dritten Sitzung, nach ungefähr sechs Stunden – solange braucht man, um einen Roman von 120 Seiten zu lesen und zu verstehen -, in denen ich ernsthaft versucht hatte, so ehrlich wie möglich meine Story zu erzählen, war völlig absurd.

Nicht nur, dass dieser Satz das Totschlagargument ist, das alle Zu- und Ausgänge verstopft und zu Gehirnstau führt. Auch führt er dazu, dass kein Gespräch mehr möglich ist. Damit sprach sie mir nicht nur jegliche Integrität ab, sie führte den Sinn unseres gesamten Gesprächs ad absurdum.

Damit war auch unser Verhältnis fast beendet. Ich musste nur noch den richtigen Moment abpassen, um aufzustehen und den Raum zu verlassen. – Schade, ihre strenge, saubere Schönheit hatte mich angemacht, wobei mir das nervöse Flimmern ihres rechten Augenlids, so schnell wie der Flügelschlag einer Libelle, verriet, dass ihr glattes Äußeres nur Tarnung war.

Sachlich wie immer sah sie mich an und wartete auf eine Antwort.

„Ja, ganz genau“, sagte ich. „Ohne eine Form von Verschwörung wäre so etwas wie Realität wohl kaum möglich.“

„Aha.“

Darauf, auf diese gewagte These, wollte sie jetzt wohl nicht eingehen. Stattdessen blätterte sie in ihren Notizen herum, nur um mir folgende Frage zu stellen: „Sehen Sie manchmal Dinge, die andere nicht sehen?“

Wieder musste ich lachen. Diese Frage jetzt zu hören, in der dritten Sitzung, das war wieder sowas von unpassend. Zumal ich in diesen sechs Stunden ausschließlich von Dingen erzählt hatte, die die meisten nicht sahen. - Ich dachte wirklich, wir wären schon viel weiter.

„Sie meinen, ob ich „Erscheinungen“ habe? Ständig. Das ist ja wohl normal.“

„Ich meine nicht die selektive, konditionierte Wahrnehmung: Wir laufen auf der Straße, ich achte auf die Wonderbra-Werbung und Sie sehen sich das Lucky-Strike-Plakat an - das meine ich nicht. Bei Ihnen geht es da noch ein bisschen weiter.“

Sie legte es also auf eine Diagnose an. Das bewies nur, dass sie in ihrer Therapeuten-Bubble gefangen war. Und wenn es unbedingt zum Programm gehörte, eine Diagnose zu stellen, dann hatte sie eben das Bubble-Syndrom.

Der passende Moment war gekommen. Ich stand auf und zog meinen Mantel an.

„Apropos Erscheinung“, sagte ich. „Haben Sie eigentlich schon gemerkt, dass ich etwa 40-mal in der Sekunde, so schnell wie der Flügelschlag einer Libelle, verschwinde und wiedererscheine? – Und jetzt verschwinde ich, aber diesmal für immer.“

Dass sie keine Anstalten machen würde, meinen Abgang zu verhindern, war klar. Aber dass sie offensichtlich fest entschlossen war, keinerlei Reaktion zu zeigen, kein Lächeln, kein Alles-Gute, nichts, außer ein hohles, von Sachlichkeit durchdrungenes Schweigen von sich zu geben, das hätte ich nicht gedacht.

Kurz spürte ich den Impuls, ihr eine zu knallen. Aber nicht, weil ich böse auf sie war, sondern um endlich dieses Feuer zu sehen, wenn es sich durch ihr Pokerface frisst… Zum Glück war ich noch so gut konditioniert, dass ich Impulse dieser Art ohne Schwierigkeiten ignorieren konnte.




MEINE ERSTE „Erscheinung“ hatte ich vorletztes Frühjahr im Berliner Zoo am Ende einer Frühstückspause.

Jeden Tag zur selben Uhrzeit fingen die Brüllaffen an zu schreien, und zwar immer um Punkt 10:00 Uhr. Keine Minute früher, keine Minute später. Wegen dieser bemerkenswerten Pünktlichkeit wurde das Geschrei für uns, die hier auf der Baustelle arbeiteten, schnell zu einem Zeichen, einem Signal, zu einem unüberhörbaren Alarm, dass die Pause jetzt zu Ende war und wir uns gefälligst zurück an die Arbeit machen sollten. Das setzte mich zwar jedes Mal latent unter Stress, aber das war immer noch besser, als diese halbherzige Eigentlich-habe-ich-keinen-Bock-Stimme des Vorarbeiters im Ohr zu haben. Da brachten die Brüllaffen meine Zellen wesentlich schneller in Schwung.

Damals arbeitete ich als Holzbildhauer für eine Firma, die Spielplätze baute. Normalerweise schnitzte ich Drachen und Tiger. Diesmal aber hatte ich den Auftrag, die Kletterstrecke für das neue Panda-Gehege im zoologischen Garten zu bauen. So wild und groß zu bauen wie die Natur - das war eine Herausforderung, der ich mich gerne stellte.

Nicht nur, dass die Struktur aus Stämmen Gewichte von bis zu 1000 Kilo aushalten musste. Sie sollte auch etwas Aufstrebendes und Leichtes, etwas Skulpturales bekommen. Und trotzdem so aussehen, als sei sie von einem Sturm hingeworfen worden. Dieser Widerspruch schien mir mitunter unlösbar zu sein, sodass mein Größenwahn schnell in Verzweiflung umschlagen konnte. - Der Künstler in mir hatte also seinen Spaß. Und vielleicht konnte ich die Pandas dazu bewegen, ebenso viel Spaß zu haben.

Zudem entwickelte sich dieser Spielplatz für die millionenschweren, chinesischen Teddybären zu einem echten Politikum, über das sich Angela Merkel und Xi Jinping die Hände reichten, und wurde neben dem BER zu Deutschlands berühmtester Baustelle. Und da diese Prominenz allmählich auf mich abstrahlte – ich wurde sogar irgendwelchen Leuten als derjenige vorgestellt, der gerade das neue Panda-Gehege baute – fing ich an, einen besonderen künstlerischen Anspruch an diese Arbeit zu entwickeln. Insgeheim hatte ich sogar die Vorstellung, ein Monument zu errichten, welches die Besucher mehr bewundern sollten als die Pandas.


Gerade hatte ich mich an einen Stamm gelehnt und eine Kippe angezündet, als das Geschrei wieder losging.

Es war sonnig. Keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen. Und es versprach ein für Mitte April außergewöhnlich warmer Tag zu werden. Die goldbraunen Gläser meiner Sonnenbrille verstärkten die Kontraste, so dass die alltäglichsten Szenen an Dramatik und die banalsten Handlungen an Bedeutung gewannen.

Und so waren meine Augen an der Kletterstrecke hängengeblieben, an den Robinienstämmen, die nackt und schräg aus dem Boden ragten und zusammen wie ein kleiner kahler Wald aussahen, wo der Wind gerade durchfegte.

Meine Augen waren dem Rauch der Zigarette gefolgt, der sich in feinen Linien nach oben schlängelte und die Luftströme ziselierte; die kleinen Wellen und Wirbel sichtbar machte und schnell von der unsichtbaren Luft zersetzt und gierig gefressen wurde, bis er selbst unsichtbar war.

Weiter oben hatten sich meine Augen an ein Flugzeug geheftet, das einen fetten, weißen Kondensstreifen hinter sich herzog. Wie eine Pfeilspitze durchschnitt es das satte Blau und riss es auseinander. Ich hatte beobachtet, wie der Rauch aus den Düsen schoss und langsam erstarrte, wie er in dünner Höhe abkühlte und einfror, wie der Kondensstreifen allmählich Wolke wurde.

Dann brach der Kondensstreifen schlagartig ab.

Und die Brüllaffen fingen an zu schreien.

Es war seltsam. Bevor ich meinen Augen trauen konnte, musste ich mich erst innerlich davon überzeugen, dass da etwas nicht stimmte. Der Kondensstreifen war abgebrochen. Das hieß normalerweise Engine Stop. Und Engine Stop hieß: Absturz.

Normalerweise hätte man einen Richtungswechsel erwarten können. Das Flugzeug hätte zumindest leicht an Höhe verlieren müssen. – Aber nichts dergleichen passierte. Keine Anzeichen von einem Absturz oder Ähnlichem. Das Flugzeug flog einfach ohne Kondensstreifen weiter und verschwand hinter den Baumwipfeln.

Und die Brüllaffen hörten auf zu schreien.

Ich zog meine Sonnenbrille ab und schaute mich um, aber keiner sonst hatte es gesehen, keiner sonst hatte nach oben geguckt. Keiner sonst hatte auch eine Sonnenbrille mit goldbraunen Gläsern auf der Nase, die den Himmel dunkler und das Weiß des Kondensstreifens leuchtender, und damit das Abbrechen des Kondensstreifens knalliger hatte „erscheinen“ lassen.

Und dann auch noch das alarmierende Geschrei der Brüllaffen… - Von nun an sollte es mich jeden Tag um Punkt 10:00 Uhr nicht mehr nur daran erinnern, dass ich zum Arbeiten hier war, sondern auch an diesen Moment, als der Kondensstreifen abgebrochen war...

Das bassige Dröhnen der Baustelle hatte wieder begonnen, als mir Robert, mein Vorarbeiter, von hinten auf die Schulter klopfte. „Alles okay bei dir?“ - „Jaja. Alles gut“, antwortete ich. Er nickte zufrieden, denn was anderes wollte er sicher auch nicht hören. Er wollte sicher nicht hören, dass ich das Gefühl hatte, soeben etwas gesehen zu haben, was ich nicht hätte sehen sollen. Und so erwähnte er mit seiner halbherzigen Eigentlich-habe-ich-keinen-Bock-Stimme nur, dass die Pause jetzt zu Ende sei.

Ich nickte, zog meine Sonnenbrille an, ließ die Kippe in den Sand fallen und machte mich wieder an die Arbeit; den Himmel ließ ich aber nicht mehr aus den Augen. Denn im Gegensatz...

Erscheint lt. Verlag 17.11.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Arbeitslosigkeit • Chemtrails • Corona • Klimawandel • Meinungsfreiheit • narrative • Theater • Therapie • Verschwörungstheorien
ISBN-10 3-7549-8439-X / 375498439X
ISBN-13 978-3-7549-8439-0 / 9783754984390
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