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Gesammelte Gedichte (eBook)

1939–2003

(Autor)

Marcel Beyer (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
856 Seiten
Suhrkamp Verlag
9783518771594 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gesammelte Gedichte - Friederike Mayröcker
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Seit über sechs Jahrzehnten knüpft Friederike Mayröcker in ihren Gedichten an einem magischen Sprachteppich. Die Sprachfäden schießen ineinander, entfalten ein filigranes wie weit austreibendes Geflecht, das alle Festlegungen überschreitet. Unermüdlich erprobt die Dichterin die Übersetzbarkeit von Materie in Sprache, wagt sich immer neu durch unerschlossene Schichten. Gesehenes, Erlebtes, Erfundenes, im Geiste Erlebtes und Geträumtes - alles findet Eingang ins Textgewebe. Wortneuschöpfungen stehen neben Fremdzitaten und Selbstverfremdungen, Spuren ihrer Auseinandersetzung mit Werken von Kollegen neben solchen ihres Umgangs mit Malerei und Musik - in allem spricht sich eine ungestüme Wahrnehmungskraft aus, ein Abtasten der Welt, das nichts ausschließt, aufs Ganze geht.
Der hier zum 80. Geburtstag der Autorin von ihrem Kollegen Marcel Beyer herausgegebene Band präsentiert neben sämtlichen bislang veröffentlichten Gedichten (in Buchform oder verstreut publiziert) auch alle unveröffentlichten Gedichte, die nach Durchsicht der Manuskripte von der Autorin für »gültig« befunden wurden, und zwar von 1939, als sie mit dem Schreiben begann, bis heute.

<p>Friederike Mayr&ouml;cker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren und starb am 4. Juni 2021 ebendort. Sie besuchte zun&auml;chst die Private Volksschule, ging dann auf die Hauptschule und besuchte schlie&szlig;lich die kaufm&auml;nnische Wirtschaftsschule. Die Sommermonate verbrachte sie bis zu ihrem 11. Lebensjahr stets in Deinzendorf, welche einen nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterlie&szlig;en. Nach der Matura legte sie die Staatspr&uuml;fung auf Englisch ab und arbeitete zwischen 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen. Bereits 1939 begann sie mit ersten literarischen Arbeiten, sieben Jahre sp&auml;ter folgten kleinere Ver&ouml;ffentlichungen von Gedichten.<br /> <br /> Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie zun&auml;chst eine enge Freundschaft verbindet, sp&auml;ter wird sie zu seiner Lebensgef&auml;hrtin. Nach ersten Gedichtver&ouml;ffentlichungen in der Wiener Avantgarde-Zeitschrift &quot;Plan&quot; erfolgte 1956 ihre erste Buchver&ouml;ffentlichung. Seitdem folgten Lyrik und Prosa, Erz&auml;hlungen und H&ouml;rspiele, Kinderb&uuml;cher und B&uuml;hnentexte.</p>

August


metallisch klingt der Morgen auf

ein Sehnen faszt die Welt

da stürzen Lüfte sich zuhauf

von Silberseen umwellt

ein Frühkusz stürzt nachsommersüsz

wie eine Sonn’ herab

ein reifer Blütenleib den blies

der Wind ins Grab

Oktober


qualvoll hingehauchte Schleier

herbstvollkommen ruht die Welt

Laubblut sickert ins Gemäuer

Tod ist’s der das Leben stellt

Wehe Erde Nebelbäume

knorrig stülpt der Ast sich auf

sommerlich verbuhlte Träume..

Mond um Mond nimmt seinen Lauf

aus einer Mitternacht


du weiszt das Zugeständnis jenes Waldes an ein Violett

das wie gebraut erdampfte und zerflosz

und jene Birke die so brüchig stand

und seidenfädig sich bewegte –

o dasz du wüsztest jenes Rindenbraun

das schon oliven wird im Wintergrau

und alle Muldenweiche die ein später Schnee erschafft..

DER WANGENBLEICHE

Himmel haucht

die gebänderten Fluren an

und die Rosenberge ringsum

die vielen Rosenberge

sind abgeblüht

ein Trompetenstosz ins verstummende Licht :

eine riesige Föhre am Wiesenrand

ABENDROSEN

schlingen einen Kranz

um ein Dachstuhlgerippe

der Karfunkel im Westen

tropft langsam und rötlich

in die Wolken-Bälle

in mein hoffendes Herz gesunken

sind deine gestern grüszenden Augen

still wie Glocken im Meer

Erscheinung


kleiner Traum mit den

blauen Ohrgehängen mit dem

dunkelblonden Haar

das in lieblicher

Ergieszung knistert wie

die heimlich freie Locke

die die Violante Vecchios

schmückt

O Knospe


In ihr ist alles schon

da : jedes lockere

Lächeln und der bereite

Sturz in den schimmernden

Nacken und jener

Aufschwung im Aug

der entzückt

an meinem Morgenfenster


o Schwärme silberleibiger

Tauben über dem geborstenen

Helm meines Kirchturms o

gezähnte Kontur verwaschener

Mauern ins Stehende hin eines

Himmels der blendet in

flächiger Bläue o Zifferblatt

meiner Kirche stilles in

vielen Sonnen gebleichtes Gesicht

wie blickst du mich an – schau

drüben hängt noch der Mond

wie ein vergessener Gast im

verhaltenen Jubel des Lichts

und das Leuchten nimmt zu

Abends


Gepeitschtes helles

Zyklam übertönt

Königsblau meines

Himmels, unruhig

flattert der Staub

und die Pfütze starrt

violett : ferne in Fenstern

nicken im Licht Astern

weisz, weisz und verklärt

Vor Tag


Schrittweis Morgen in

flüchtigem Halbmond

silbern schimmern Schalen

aus Porzellan; düstere

steile Fahne aus Rauch

Stundenschlag klein und

verträumt und die

purpurnen Zungen alternder

Früchte vor weichen

versonnenen Himmeln

Neige


für H. B.

Traumlicht trunken

in Abendscheiben

und im erstarrenden Antlitz

der Kirche Maria vom Siege

o der köstliche Stern blüht

Park


im Kalklicht gähnt

die Balustrade und

schleierlüftend weht

der Tag ein Kind

geht dunkel über Farne

und über Wiesen die in Silber

stehn und träumt ins Laub

Maria am Gestade


Pilgerfahrt ins Licht der

Kathedrale, Hochaltar aus

spindeligen Spitzen, Anhall

einer Glocke, Gold und Erz;

schluchzend strebt Portal

in seine Scheitlung : Kerzenschimmer

glimmt im Schatten

der Gestühle, Scheiben

schwingen grün und violett,

Heilige beten an.

Und drauszen Glanz : wehend

regt sich hell am Kreuze

herbstliches Gespinst.

ICH LASSE DICH NICHT DU SEGNEST MICH DENN

Ich lobpreise ich lobsinge

Ich lobe Dich in Deinen Monden in Deinen

schmalen wiegenden messingfarbenen Monden

die meine Nacht klar machen

Ich lobe Dich ich preise Dich in Deinen

Sonnen die übereinanderwogen in Deinen

dürstenden Horizonten

Ich preise Dich in Deinen Wiesen in Deinen

süszen unberührten wehenden Wiesen in Deinen

purpurnen Augustwiesen

Ich lobsinge Dir in Deinem flammenden Wald

in Deinem Wald über ihm die wandernden

leichten damastenen Wolken

Ich bete Dich an in allen Deinen Geschöpfen

in Deinen flüchtigen hellen ängstlichen blinden

einsamen holden Geschöpfen

Impression


Wabengelber

blinder Falter

hängt an meinem

Morgenspiegel

wassergrüne

Orchideen stehn

ins aufgerauhte

Licht; weisze

Chrysantheme

trauert : drüben

schweben blaue

Himmel

Beweintes Sinnbild


für H. B.

Verjüngte Woge netzt

die kleine Versandung

der Stunde, immer sehr

entfernte halbbeschattete

Woge : siehe zu Dir

schrägt sich der kühle

glasblaue Kahn wie in

kindlicher Demut, leise.

Jenseits die Lohe der Nacht.

Andächtige Flucht


Himmel aus bleichen

Rosen haucht gebänderte

Fluren an; ungeborene

Berge ahnen sich violett;

alles Beschwingte der

Dörfer ist eingegangen

in ihre strahlenden

Kirchen die in klaren

Konturen frohlocken : o

eine einsame Föhre reiszt

sich dunkel empor wie

ein posaunender Gott

Lied im Oktober


für H. B.

Alle weiszgelockten

Wolken wiegen federnd

an die Wiese, kleine

Herbstzeitlose lichtet

mildeduftend durch den

Tag : irgendwo im Blauen

Klaren lächelt leise

eine Stirn

Clair de lune


für H. B.

Trauertanz ins

Geweihte knospender

Melodie; Violine

verfängt sich in

den weichen maschigen

Tönen wie verweinter nistender Schmerz :

leuchtend in Deiner

Erwartung wehst Du

mich königlich an

Szene


für H. B.

O wie Flachs

versponnen sich die Blicke

o wie Mohn

entblätterte Dein Mund

rotes Lächeln

O wie Wein

rankten Deine Hände nieder

tief in meinen Tag

und glänzten

Fest


für H. B.

Serenade

in den blonden Mond

weiche Nacht

ist wie ein blauer Traum

deine Hand

rührt leise meine

Piano


müde Kronen bluten an die Erde

o ein Mondstrahl sickert in die Birke

tief, smaragden schillert die Entblöszte

leise schleiert kleiner Nachtwind

Elegie


Lilienduft dampft

im gläsernen Oktober

blumenleer sparen

Vasen sich aus in

ertaubendem Glanz

wo ein besticktes

Fenster flügelt

wo Linden hängen

voll grünen Goldes

und Pappeln flirren

im letzten Taumel des Lichts

Studie


Flitternde Linde

ins hellste Zitron

o sehr harfender

Ahorn; ausgieszen

Girlanden ihr Blutrot wie

brennendes Fraunhaar :

seichte Fährte des

Lichts schweifend

im milchigen Mittag

Gnade bei Nacht


für H. B.

O die sanften Finsternisse

ziehen perlgraue Gewänder

nach, lehnen gegen atmende

Türme, sinken ins Knie vor

Deinem lautlosen Fenster

dasz Du die Schwelle läszt

aufblickst zu mondenthüllenden

Himmeln, anrührst in allen

Gossen das gefallene Gold

und betest, leise

Tag der Astern


Und wieder sind sie in

Scharen in den Arkaden

der Wehmut und die wippenden

Winde klirren Kränze ins

Gras und alle dämmernden

Vögel sind verzückt im

Gezweig das zittert in

kühler Verknotung und wie

Bräute duften die Nebel

leise ins Licht aus Blaugrau

und Grün und Orange und ich

habe mich ganz verfangen

in deinen Zenit kleiner

weiszer trauriger Tempel

vorwinterliche Vision


für H. B.

aus wolkigen Fächern

knistern elfenbeinfarbene

Schuppen reigen dich ein

tief über Braue und Blick

bis dein Angesicht weht

wie ein stiller silberner Stern

Sonate


für H. B.

allzuleise

fleischfarbene

Stunde

blutender

Glast

hochwehender

Wipfel

mürbe

vergrünen

die

bogigen

Firmamente

deine Augen schatten durch meinen...

Erscheint lt. Verlag 21.11.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
Schlagworte 1939-2003 • Anthologie • Auswahl • Blütenlese • Bremer Literaturpreis 2011 • Bremer Literaturpreis 2015 • Friedrich-Hölderlin-Preis 2021 • Gedichtband • Gedichte • Georg-Büchner-Preis 2001 • Georg-Büchner-Preis 2016 • Heinrich-Böll-Preis 2001 • Heinrich-Böll-Preis 2001 • Kleist-Preis 2014 • Lyrik • Lyrisch • Österreichischer Buchpreis 2016 • Peter-Huchel-Preis 2021 • Poesie • poetisch • Sammlung • Thomas-Kling-Poetikdozentur 2019 • Zusammenstellung
ISBN-13 9783518771594 / 9783518771594
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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