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Im toten Winkel (eBook)

Der erste Fall der Grenzland-Reihe. Roman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
256 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60424-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im toten Winkel -  Jochen Rausch
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Die Ermittlerin Marta Milutinovic sucht einen Neuanfang. Alles, woran sie glaubte, hatte plötzlich in Trümmern gelegen: ihre Familie, die Liebe, die Geltung von Recht und Gesetz, ihre Zukunft. In der fränkischen Provinz übernimmt sie die Leitung einer Polizeidienststelle, um zur Ruhe zu kommen, doch ihre Ermittlungen in einem Cold Case sorgen für Unruhe und Widerstand. Der lang zurückliegende ungeklärte Tod eines Abiturienten rührt an ihre eigene Vergangenheit. Und Marta Milutinovic spürt, dass sie einem großen Geheimnis auf der Spur ist. Psychologische Spannung vom Feinsten! »Rausch schreibt Gänsehautgeschichten.« Westdeutsche Zeitung

Jochen Rausch ist Autor, Journalist, Musiker. Der Grimmepreisträger veröffentlichte den Erzählungsband »Trieb« (2011), den Roman »Krieg« (2013, verfilmt von Rick Ostermann und vorgestellt beim Internationalen Film-Festival in Venedig 2017) sowie »Rache« (2015) und »Im Taxi. Eine Deutschlandreise« (2017) im Berlin Verlag und ist beim WDR Chef mehrerer Radioprogramme, u.a. 1LIVE und WDR2. Jochen Rausch lebt in Wuppertal.

Jochen Rausch ist Autor, Journalist, Musiker. Der Grimmepreisträger veröffentlichte den Erzählungsband »Trieb« (2011), den Roman »Krieg« (2013, verfilmt von Rick Ostermann und vorgestellt beim Internationalen Film-Festival in Venedig 2017) sowie »Rache« (2015) und »Im Taxi. Eine Deutschlandreise« (2017) im Berlin Verlag und ist beim WDR Chef mehrerer Radioprogramme, u.a. 1LIVE und WDR2. Jochen Rausch lebt in Wuppertal.

KAPITEL 1


Ich wollte nach Hause. Aber dann sind wir uns begegnet, und meine Familie hat mich nie wiedergesehen. Es ist unverzeihlich. #JensF

01


Es soll aufhören. Endlich aufhören. Die Lügen. Die Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Wer schuld war? Wer denn? War Charlotte schuld? Weil sie jung war? Siebzehn. Jung und hübsch? Weil sie Kopfhörer trug und Musik hörte? Und ihr Pferdeschwanz? War der schuld?

Er soll still sein. Sei still.

Nein, er ist nicht still. Ist taub und blind für den Schmerz der anderen. Spürt nur seinen eigenen Schmerz. Mami, Mami, es tut so weh.

Sein Vater hatte sich am Bahnhof bei den Albanern eine Knarre besorgt. Eine Beretta. Hatte sich die Beretta in den Mund geschoben und abgedrückt. War der schuld?

Kein Witz, Frau Richter. Mein Vater hat in der Schraubenfabrik Schrauben gezählt. Soll ein Junge einen Schraubenzähler bewundern, wenn die Väter von den anderen Jungs Bulldozerfahrer sind oder bei der Feuerwehr?

Schraubenzähler, Schraubenzähler, haben die gerufen.

Sei doch endlich still. Sag nichts mehr. Nichts. Kein Wort. Charlotte, Liebling. Ich liebe dich. Und ich vermisse dich. Keinen Menschen vermisse ich so sehr wie dich.

Seine Mutter ist also auch schuld. Auch wenn die keine Albaner gekannt hatte. Seine Mutter nahm Schlaftabletten. Sie sammelte die Pillen wie Eichhörnchen Nüsse sammeln.

Eichhörnchen sind meine Lieblingstiere, Frau Richter. Ehrlich wahr.

Im Zuschauerraum wird gehustet. Um Gottes willen darf nicht gelacht werden. Die Richterin schaut streng in den Saal. Wer lacht, den bringt der Justizwachtmeister auf den Flur.

Frau Richter, mit elf Jahren war ich im Waisenhaus. Ich war der Einzige, dem seine Eltern sich umgebracht haben. Die konnten ihren eigenen Sohn nicht leiden. Darum haben die sich umgebracht. Damit sie mich nicht mehr sehen müssen.

Jetzt lacht doch einer im Zuschauerraum. Ein junger Mann. Wer bei Gericht zuschaut, weiß, dass das wahre Leben schlimmer ist als alles, was im Fernsehen gezeigt wird. Im Film sind die Toten Schauspieler, die sich nach dem Dreh die Schminke und das Theaterblut aus dem Gesicht wischen und sich auf die Schultern klopfen, weil sie so gute Leichen waren.

Er hockt auf der Anklagebank wie der arme Sünder. Arm und unschuldig. Und blass wie die Wand. Vielleicht sollten Sie versuchen, ihm zu vergeben, Marta, hatte der Seelsorger gesagt. Vielleicht bringt es Ihnen den Frieden.

Nein, hatte sie gesagt. Einen solchen Frieden will ich nicht.

Mit den Eltern muss man Mitleid haben. Wie kann man nur ein unschuldiges Mädchen von siebzehn Jahren totmachen? Der Vater hat gesagt, seine Charlotte wäre zu jedem Menschen freundlich gewesen. Selbst zu den unfreundlichen. Und ausgerechnet ein solches Mädel gerät an einen Perversen wie den. Er wollte sie nur mal küssen, hat er gesagt. Und sie hätte so gut gerochen und der Pferdeschwanz – der hätte ihn verrückt gemacht. Wenn man so etwas hört, da kann einem doch schlecht werden. Was der mit dem armen Mädchen gemacht hat, das müsste man mit dem machen. Ihm langsam die Luft abdrehen und fertig. Das wäre gerecht. Das ist meine Meinung, ist mir egal, wenn sie den Kopf schütteln. Die Eltern von der Charlotte, die tun mir leid. Der Vater Ingenieur und die Mutter bei der Polizei. Ausgerechnet einer Kommissarin passiert so was Schreckliches mit dem eigenen Kind.

Du musst misstrauischer werden, Charlotte. Nicht jeder ist dein Freund, Liebling, hatte sie gesagt.

Mama, du bist bei der Polizei, und deshalb siehst du überall Gespenster.

Deine Mutter hat recht, Charlotte.

Ihr seid voll süß. Ihr seid mega Eltern. Ich habe euch voll lieb.

Eigentlich wollte ich Pilot werden, Frau Richter. Aber als der Sohn von einem Schraubenzähler wird man ja wohl nicht Pilot. Wissen Sie, was meine Mutter erzählt hat? Dass die Hebamme gesagt hat, was haben wir denn da für einen hässlichen Balg auf die Welt gebracht? Das sagt man doch nicht. Oder sind Sie anderer Meinung, Frau Richter? Im Knast kann mich auch keiner leiden. Einem Kinderficker wie mir müsste man einen Lötkolben in den Arsch schieben, sagen die. Oder gleich den Schwanz wegflexen.

Wenn noch mal jemand lacht, schließe ich die gesamte Zuhörerschaft vom Prozess aus, sagt die Richterin ins Mikrofon.

Angeklagter, haben Sie eigentlich nicht das leiseste Mitgefühl?

Was soll ich haben, Herr Staatsanwalt?

Mitgefühl. Schauen Sie sich doch mal Charlottes Eltern an. Wie sollen die das ertragen, wenn Sie hier so daherreden.

Wie rede ich denn daher?

Sie jammern und heulen wie ein Kind. Dabei sind Sie ein erwachsener Mensch, Herr Angeklagter. Nein, einen Menschen will ich Sie nicht nennen. Für mich sind Sie ein Monster.

Einspruch, Euer Ehren. Ich sehe in der Einlassung des Herrn Staatsanwalts eine unzulässige Beeinflussung des Gerichts und der Geschworenen.

Einspruch stattgegeben, Herr Verteidiger.

Okay, dann sperren Sie das Monster weg, Frau Richter. Lebenslänglich am besten und danach in die Klapse. Dass ich euch Heiligen bloß nicht mehr unter die Augen komme. Ich bin ja nur Dreck, Dreck, Dreck, Dreck.

Die polizeilichen Ermittlungen haben ergeben, dass das Zusammentreffen von Opfer und Täter zufällig war, sagt der Kommissar. Der Angeklagte lungerte wie jeden Tag an dem stillgelegten Bahnhof herum. Er bemerkte Charlotte erst, als sie beinahe schon vorbeigelaufen war.

Ja, das stimmt. Ich hab da einfach so gesessen. Da liefen ja immer hübsche Mädchen lang. Mit super Figuren. Aber mir hat keine so gut gefallen wie die mit dem Pferdeschwanz.

Er soll aufhören. Endlich aufhören.

Mit welcher Absicht haben Sie das Mädchen verfolgt, Angeklagter?

Welche Absicht? Das hat mir die Stimme gesagt.

Welche Stimme, Angeklagter?

Die Stimme ist bei mir im Kopf einprogrammiert. Wie ein Navi im Auto. An der Kreuzung links abbiegen, verstehen Sie, Frau Richter?

Und die Stimme hat gesagt, Sie sollen die Joggerin verfolgen?

Genau das hat die Stimme gesagt: Lauf hinter dem Mädchen mit dem Pferdeschwanz her. Der Pferdeschwanz hat mich hypnotisiert. Sonst wär das doch alles gar nicht passiert.

Die Zuschauer halten jetzt die Luft an. Sie wollen wissen, wie er es gemacht hat. Wie er Charlotte …

… die trug Kopfhörer. Die hat Musik gehört. Das war ihr Fehler, würde ich sagen. Die konnte ja bestimmt schneller rennen als ich. Die hat mich aber nicht gehört. Und der Pferdeschwanz ging immer hin und her. Das hat mich verrückt gemacht. Und dann hat die Stimme zu mir gesagt, ich soll den Pferdeschwanz festhalten.

Aus psychiatrischer Sicht ist dem Angeklagten in diesem Augenblick alles durcheinandergeraten, sagt der Gutachter. Als hätte er fünf Filme auf einmal gesehen, so müssen Sie sich das vorstellen, Euer Ehren.

Nee, das stimmt nicht, Herr Psychiater. So war das nicht. Ich hab nur einen Film gesehen. Und nicht fünf Filme.

Und was haben Sie gesehen, Angeklagter?

Marta muss raus. Sie kann nicht mehr da sein, kann es nicht mehr hören, nicht mehr sehen, nicht mehr ertragen.

Auf dem Flur sitzt eine Frau auf einer Bank und raucht. Wo sind die Zigaretten? Haben Sie mal eine Zigarette für mich? Vielen Dank.

Ein Wachtmeister schiebt ein Wägelchen mit Akten. Die Räder quietschen. Hat denn nicht mal jemand einen Tropfen Öl für die Räder?

Auf die Toilette, die Zigarette im Waschbecken ausdrücken. Und alles auskotzen. Alles. Nur nicht die Erinnerungen. Die lassen sich nicht auskotzen. Die Bilder. All diese Bilder. Wie Charlotte lächelte. Wie Charlotte sprach. Wie sie schaute. Wie sie roch.

Mama?

Charlotte?

Mama, so wach doch auf. Mama!

02


Es ist noch nicht Morgen,...

Erscheint lt. Verlag 30.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bayern-Krimi • Buch Thriller Top 10 • Cold Case • Deutscher Krimi • Deutsch-tschechische Grenze • Dreiländereck • Franken • Franken-Krimi • Grenzgebiet • Hardcover • Krimi • Kriminalroman • Kriminal-Roman • Krimireihe • Mordfall • Mystery-Thriller • Psychologischer Krimi • Psycho-Thriller • spannende Bücher • Tschechien • weibliche Ermittlerin • Zonengrenze • Zonenrandgebiet
ISBN-10 3-492-60424-2 / 3492604242
ISBN-13 978-3-492-60424-6 / 9783492604246
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