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Das Glück hat seine Zeit (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
496 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60415-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Glück hat seine Zeit -  Ayobami Adebayo
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Gibt es Glück in einem zerrissenen Land? Eniola ist groß für sein Alter, ein fünfzehnjähriger Junge im Körper eines Mannes. Jeden Tag fürchtet er die Schläge seiner Lehrer, denn seit der Entlassung des Vaters fehlt das Geld für seine Schulgebühren. Bis Eniola als Laufbursche einer Näherin der wohlhabenden Yeye begegnet. Wuraola dagegen hat Glück: Die junge Ärztin ist frisch verlobt, ihr Freund Kunle stammt aus besten Verhältnissen. Während ihre Mutter Yeye vom Hochzeitskleid träumt, zeigen sich erste Risse. Die Familie wird bedroht, seit Kunles Vater als Gouverneur kandidiert. Und der amtierende Honorable wirbt für seine Leibgarde Jugendliche an, so groß und kräftig wie Männer. Ein aufwühlender Roman über Privileg und Armut in einem zerrütteten Nigeria - und über die Kosten des Glücks.   »Ein nigerianischer Pageturner!« NDR Kultur über Ayobami Adebayos Debütroman »Bleib bei mir« »Ein wunderbarer, vor erzählerischer Kraft strotzender Roman.« Süddeutsche Zeitung über »Bleib bei mir« »Ein intensiver, sensibler Roman über den Verlust der Liebe.« taz über »Bleib bei mir«  

Ay??bámi Adébáy??, geboren 1988 in Lagos (Nigeria), studierte Englische Literatur und Kreatives Schreiben, unter anderem bei Margaret Atwood und Chimamanda Ngozi Adichie. Ihr Debütroman »Bleib bei mir« wurde von der Kritik hoch gelobt, für den Women's Prize for Fiction 2017 nominiert und in zwanzig Sprachen übersetzt. Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen der jüngeren afrikanischen Literatur.

Ayọ̀bámi Adébáyọ̀, geboren 1988 in Lagos (Nigeria), studierte Englische Literatur und Kreatives Schreiben, unter anderem bei Margaret Atwood und Chimamanda Ngozi Adichie. Ihr Debütroman »Bleib bei mir« wurde von der Kritik hoch gelobt, für den Women's Prize for Fiction nominiert und in dreizehn Länder verkauft. Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen der jüngeren afrikanischen Literatur.

1


Eniola beschloss, so zu tun, als wäre es nur Wasser. Ein schmelzendes Hagelkorn. Nebel oder Tau. Vielleicht war es sogar etwas Gutes: ein vereinzelter Regentropfen, einsamer Vorläufer einer wahren Sintflut. Die ersten Regenfälle des Jahres bedeuteten, dass er bald endlich wieder eine Agbalumo-Frucht essen konnte. Die Obstverkäuferin am Stand vor seiner Schule hatte gestern einen Korb mit Agbalumo im Angebot gehabt, aber Eniola hatte keine gekauft, weil, wie er sich einredete, seine Mutter ihn oft gewarnt hatte, wenn man die Früchte vor dem ersten Regen esse, bekomme man Bauchkrämpfe. Doch wenn die Flüssigkeit in seinem Gesicht Regen war, würde er sich in ein paar Tagen den süßen, klebrigen Saft einer Agbalumo von den Fingern lecken, auf dem faserigen Fruchtfleisch herumkauen, bis es eine gummiartige Konsistenz hatte, die Samenkapseln knacken und seiner Schwester die Samen schenken, die sie halbieren und daraus Ohrringe zum Ankleben machen würde. Und so versuchte er, sich vorzumachen, es wäre nur Regen, auch wenn es sich nicht so anfühlte.

Er spürte die Blicke des guten Dutzend Männer, die sich um den Stand des Zeitungsverkäufers drängten, obwohl sie die Augen niedergeschlagen hatten. Stumm und starr standen sie da, wie die ungehorsamen Kinder, die von einem bösen Zauberer in Stein verwandelt worden waren, eine Geschichte, die ihm sein Vater früher oft erzählt hatte.

Als Kind hatte Eniola immer die Augen zugekniffen, wenn er in Schwierigkeiten war, in der Gewissheit, für jeden, den er nicht sehen konnte, unsichtbar zu sein. Obwohl er wusste, dass die Augen zu schließen und zu hoffen, dass er sich in Luft auflöste, ebenso albern war, wie zu glauben, dass Menschen in Stein verwandelt werden konnten, machte er auch jetzt die Augen zu. Natürlich löste er sich nicht in Luft auf. So viel Glück hatte er nicht. Der wackelige Verkaufstisch befand sich immer noch so dicht vor ihm, dass seine Oberschenkel die daraufliegenden Zeitungen berührten. Der Verkäufer, den er Egbon Abbey nannte, stand noch immer neben ihm, und die Hand, die er schwer auf Eniolas Schulter gelegt hatte, bevor er sich geräuspert und ihm ins Gesicht gespuckt hatte, ruhte immer noch dort.

Eniola strich sich über die Nase, und sein Finger näherte sich dem feuchten Gewicht des Schleims. Stumm vor Verblüffung, dass etwas so Unerwartetes ihre Alltagsroutine unterbrach, schienen alle Männer, selbst Egbon Abbey, den Atem anzuhalten und darauf zu warten, was als Nächstes passieren würde. Nicht einer von ihnen zog die Chelsea-Fans damit auf, dass Tottenham ihr Team am Vorabend vernichtend geschlagen hatte. Niemand stritt über den offenen Brief, den ein Journalist und Politiker über andere Politiker verfasst hatte, die angeblich in Menschenblut badeten, um sich vor bösen Geistern zu schützen. Alle waren verstummt, als der Speichel des Verkäufers Eniola im Gesicht traf. Und jetzt ließen die Männer, die sich jeden Morgen um den Stand scharten, um über die Schlagzeilen zu diskutieren, Eniola nicht aus den Augen. Sie wollten sehen, wie er reagieren würde. Sie wollten, dass Eniola den Verkäufer schlug, ihn anschrie, ihn beleidigte, in Tränen ausbrach, oder noch besser, sich ebenfalls räusperte, den Auswurf im Mund sammelte und Egbon Abbey seinerseits ins Gesicht spuckte. Eniola fuhr sich mit der Hand über die Stirn; er war zu langsam gewesen. Der Schleim war ihm schon seitlich die Nase hinuntergelaufen und hatte eine feuchte, klebrige Spur auf seiner Wange hinterlassen. Die zähe Flüssigkeit wegzuwischen kam nicht mehr infrage.

Er spürte, wie etwas gegen seine Wange gedrückt wurde, verzog das Gesicht und stieß gegen den Zeitungsstand. Um ihn herum murmelten ein paar Leute »Tut mir leid«, als er sich am Tisch festhielt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Einer der Männer hatte ihm ein blaues Taschentuch ins Gesicht gedrückt.

»Hin se, Sir«, sagte Eniola, als er es annahm; und er war dankbar, obwohl das Stück Stoff schon mit weißen Striemen überzogen war, die abblätterten, als er es sich an die Wange hielt.

Eniola sah sich in der kleinen Menschentraube um und straffte die Schultern, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand von seiner Schule dort war. Nur Erwachsene drängten sich um den Tisch. Manche Männer waren schon für die Arbeit angezogen und zupften an zu fest gebundenen Krawatten oder schlecht sitzenden Jacketts herum. Viele trugen verblichene Pullover oder Bomberjacken, deren Reißverschlüsse bis zum Hals hochgezogen waren. Die meisten der Jüngeren, deren Namen er ein »Brother« voranstellen musste, um keine Kopfnuss zu kassieren, hatten vermutlich erst vor Kurzem ihren Abschluss an der Fachhochschule oder der Universität gemacht. Sie lungerten oft den ganzen Vormittag an Egbon Abbeys Stand herum, lasen, redeten oder notierten sich Stellenanzeigen aus den Zeitungen in Notizbücher oder auf Papierfetzen. Dann und wann halfen sie dem Verkäufer mit Kleingeld aus, aber keiner kaufte eine Zeitung.

Eniola wollte das Taschentuch zurückgeben, doch der Mann winkte ab und blätterte in einer Ausgabe der Wochenzeitung Alaroye. Wenigstens war niemand da, der seinen Klassenkameraden berichten konnte, wie der Verkäufer ihn fast eine Minute lang angefunkelt hatte, bevor er ihm ins Gesicht spuckte. Es war so überraschend gekommen, dass er den Kopf erst zur Seite gedreht hatte, als er schon spürte, wie die Feuchtigkeit an seiner Nase hinunterlief, und dass es selbst die Männer zum Schweigen brachte, deren Stimmen sonst in der ganzen Straße zu hören waren. Wenigstens hatten Paul und Hakeem, Klassenkameraden von ihm, die in dieser Straße lebten, es nicht mitbekommen. Nachdem Paul ein altes Video von einem Auftritt des Komikers Klint da Drunk in Night of a Thousand Laughs gesehen hatte, eiferte er Klint nach. Seitdem verbrachte er jede Unterrichtsstunde, in der ein Lehrer nicht aufgekreuzt war, damit, durch die Klasse zu taumeln, gegen Tische und Stühle zu stoßen und seinen Klassenkameraden Beleidigungen zuzulallen.

Eniola rieb sich die Wange, um die übrige Feuchtigkeit auf der Haut zu verteilen. Wenn auch nur der kleinste Rest Speichel auf seiner Wange zu sehen war, wenn er auf dem Heimweg an Pauls Haus vorbeikam, würde es bei der knapp einstündigen Vorführung des Jungen vor der Klasse heute nur um ihn gehen. Paul würde behaupten, Eniola sabbere im Schlaf, habe sich nicht gewaschen, bevor er die Schuluniform anzog, oder komme aus einer Familie, die sich keine Seife leisten könne. Alle würden ihn auslachen. Er lachte ebenfalls, wenn Paul andere Schüler drangsalierte. Die meisten seiner Witze waren nicht einmal lustig, doch in der Hoffnung, dass Paul weiterhin seine Aufmerksamkeit auf das bedauernswerte Opfer konzentrierte, das er sich für den Nachmittag ausgesucht hatte, lachte Eniola über alles, was er sagte. Wenn Paul jemand anderen aufs Korn nahm, dann normalerweise ein Mädchen, das nicht über seine Witze lachte. Normalerweise. Doch an einem schrecklichen Nachmittag hatte Paul aufgehört, über die abgewetzten Schuhe einer Klassenkameradin herzuziehen, um zu verkünden, Eniolas Stirn sehe aus wie das dicke Ende einer Mango. Eniola, der immer noch über das Mädchen mit den abgewetzten Schuhen lachte, merkte, während die Klasse stattdessen in Gelächter über ihn ausbrach, welches er noch Monate später in seinen Träumen hörte, dass er den Mund nicht mehr zubekam. Er wollte aufhören zu lachen, konnte es jedoch nicht. Weder als ihm vor lauter Tränen der Hals wehzutun begann, noch als seine Klassenkameraden verstummten, weil die Chemielehrerin fünf Minuten vor dem Ende ihrer Stunde in den Raum platzte. Er lachte und lachte, bis sie ihm befahl, sich mit dem Gesicht zur Wand in eine Ecke zu knien.

Er bräuchte einen Spiegel … nein. Nein. Er würde keinen der Männer hier fragen, ob auf seinem Gesicht noch Flecken zurückgeblieben waren. Auf keinen Fall. Eniola nahm die Hand von der Wange und schaute mit zusammengekniffenen Augen zu dem dreistöckigen Gebäude auf, in dessen erster Etage Pauls Familie lebte. Sie teilten sich die vier Räume der Wohnung mit zwei anderen Familien und einer alten Frau, die keine Verwandten hatte. Diese Frau stand jetzt vor dem Haus und streute Körner für die gackernden Hühner zu ihren Füßen in den Sand. Kein Paul. Vielleicht hatte er sich schon auf den Weg zur Schule gemacht. Aber vielleicht lungerte er auch nur im Treppenhaus oder im Flur herum, bereit, aus dem Haus zu treten, sobald Eniola vorbeiging.

...

Erscheint lt. Verlag 29.6.2023
Übersetzer Simone Jakob
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte afrikanische Autorin • Afrikanische Literatur • Afrika Roman • Arm und Reich • Armut • Belletristik Neuerscheinung 2023 • Bleib bei mir • Chancengleichheit • Eifersucht • Erwachsenwerden • gesellschaftlicher Aufstieg • Gewalt gegen Frauen • Gewalt in der Ehe • Heirat • Heranwachsen • Imbolo Mbue • Nigeria • Nigerianische Literatur • Nigeria Roman • Politische Literatur • Privileg • soziale Benachteiligung • Soziale Ungleichheit • Status • Taiye Selasi • Women's Prize for Fiction Shortlist • Yaa Gyasi
ISBN-10 3-492-60415-3 / 3492604153
ISBN-13 978-3-492-60415-4 / 9783492604154
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