Kaskaden (eBook)
466 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
9783754199923 (ISBN)
Günter Wirtz, geboren 1965 in Düren. Studierte Spanisch und Germanistik. Lebt mit seiner Familie in der Nähe von Siegen. In seiner Freizeit schreibt er spannende und humorvolle Erzählungen. Die Plots dazu denkt er sich mit Vorliebe bei der Gartenarbeit oder beim Tretrollerfahren aus. Das Konzept des vorliegenden Romans entstand während einer dreiwöchigen Fahrradtour von Bilbao nach Santiago de Compostela.
Günter Wirtz, geboren 1965 in Düren. Studierte Spanisch und Germanistik. Lebt mit seiner Familie in der Nähe von Siegen. In seiner Freizeit schreibt er spannende und humorvolle Erzählungen. Die Plots dazu denkt er sich mit Vorliebe bei der Gartenarbeit oder beim Tretrollerfahren aus. Das Konzept des vorliegenden Romans entstand während einer dreiwöchigen Fahrradtour von Bilbao nach Santiago de Compostela.
Kapitel 1 Frankfurt – Bilbao
K a s k a d e n
Die Behörde
Günter Wirtz
Elim wusste nicht, warum die Zielperson sterben sollte. Vielleicht plante sie einen Anschlag, vielleicht verdiente sie ihr Geld mit Kinderprostitution, vielleicht verkaufte sie chemische Waffen an einen machtbesessenen Diktator. Er wusste nur, dass ihre Eliminierung einem höheren Ziel diente. Seiner Aufgabe verdankte er seinen Namen: Elim, lateinisch eliminare = ausstoßen, entfernen. Er entfernte Fremdkörper, die dem Gesamtorganismus schadeten.
In diesem Fall besaß der Fremdkörper das Gesicht eines Hamsters und saß eine Reihe vor ihm auf Platz D, während die Plätze E und F von einem Aktenkoffer und einem Jackett in Beschlag genommen waren. Offenbar spielte Geld für den Mann keine Rolle, da er für Tasche und Kleidungsstück ein eigenes Ticket gelöst hatte. Er trug ein schwarzes Hemd, kaute Pistazien und schäkerte mit der Stewardess, die für ihn einen Plastikbecher mit Sekt füllte.
Währenddessen ließ der Hamster die Schalen der Pistazien auf den Boden fallen. Er redete, während er kaute. Seine Sätze begannen mit „Ich“. Das Grinsen, das seine Backen aufblähte, war selbstgefällig. Mit seinem Blick massierte er die Brüste der Flugbegleiterin.
Fünf Gründe, warum die Stewardess dem Passagier den Becher vermutlich lieber ins Gesicht geworfen hätte, als ihn jetzt mit einem professionellen „Darf es sonst noch etwas sein?“ zu überreichen.
Auf der anderen Seite des Ganges saß der Leibwächter. Ein Kerl, wie aus Granit gemeißelt. Groß, breit, das Gesicht eine unbewegliche Maske. Gemessen an seinen fassähnlichen Oberarmen wirkte die Armlehne darunter wie ein Zahnstocher.
Neben ihm, auf Platz B, befand sich ein Mann um die fünfzig, der genervt aussah. Es war offensichtlich, dass dafür nicht der Hüne die Schuld trug, sondern der Sitznachbar auf dem Fensterplatz, ein Typ mit Halbglatze und Fliege, der pausenlos quatschte. Elim fokussierte sich auf den Leibwächter. Der starrte geradeaus und kaute Kaugummi, als wäre er eine Maschine. Zweimal kauen, Pause, zweimal kauen, Pause. Alles in allem wirkte der Typ recht humorlos. Das änderte sich auch nicht, als sein Chef der Stewardess einen Witz erzählte, den sie mit einem gequälten Lächeln quittierte.
Schätze, du wärst weniger gut gelaunt, wenn du wüsstest, dass die Nüsse deine Henkersmahlzeit sind. Was hast du getan, dass dich die Behörde auf den Index gesetzt hat?
Offiziell existierte die Behörde nicht. Wer sie führte? Wo ihr Hauptsitz lag? Wie viele Mitarbeiter sie beschäftigte? Er war nicht dazu ausgebildet worden, Fragen zu stellen. Je weniger er wusste, desto weniger konnte er verraten, desto effizienter konnte die Behörde operieren. Effizienz = nicht fragen, sondern funktionieren. So lautete ihr Mantra. Elim konnte das nachvollziehen, aber zwischen Verstehen und Akzeptieren bestand ein Unterschied. Ein Unterschied, den er erst seit kurzer Zeit machte. Zwei Vorfälle waren der Grund dafür. Erstes Ereignis: Januar, Afghanistan, Gebirge, Mohnplantagen. Der Drogenhändler hatte den Tod verdient. Seine Frau sah das anders. Durch das Zielfernrohr seines Gewehrs beobachtete Elim, wie sie über der Leiche ihres Mannes zusammenbrach. Wie konnte man ein Scheusal, das sich am Tod von Menschen bereicherte, lieben – Liebe? Er wusste, in welchen psychophysischen Merkmalen sie sich ausprägte. Nur gefühlt hatte er sie nie. Anders seine Kollegin Muriella. Was ihn zu Ereignis 2 führte: einem Ort in der Nähe von Rom, vor exakt einem Monat. Seine Kollegin hatte den Fehler begangen, sich in ihre Zielperson zu verlieben, und beschlossen auszusteigen. Und das, obwohl sie gewusst hatte, dass der einzige Weg, die Behörde zu verlassen, ins Grab führte. In bestimmten Dingen verstand die Behörde keinen Spaß. Falsch: in allen Dingen.
Vor der Eliminierung hatten sich ihre Blicke getroffen. Die Analyse menschlicher Physiognomie war ein Bestandteil seiner Ausbildung. Elim beherrschte sie ausgezeichnet, aber noch immer grübelte er darüber nach, was Muriella ihm mit ihrem Blick hatte mitteilen wollen. Es war kein „Wie kannst du mir das antun?“, keine Wut, kein Schmerz, keine Angst. Eher ein: „Du Vollidiot!“
Seitdem mischte sich ihr mitleidiger Vorwurf wie Sand in die Maschinerie seiner Gedanken und machte ihn unaufmerksam.
„Kein Grund zur Sorge“, meinte sein MM, sein Mental Mentor. Aber Elim vermutete, dass es der Psychologe war, auf dessen Anraten ihn die Behörde in den Urlaub nach Spanien geschickt hatte. Allerdings nicht, ohne ihm aus Gründen der Effizienz einen Auftrag mit auf den Weg zu geben.
Elim scannte die weitere Umgebung. Neben ihm zur Rechten saßen zwei junge Männer mit Man Bun, die sich seit einer halben Stunde über Wellensurfen unterhielten. Er war sicher, das Thema würde sie noch bis Bilbao in Anspruch nehmen. In der Sitzreihe hinter ihnen befand sich eine Familie: Vater, Mutter, Sohn, alle drei mit ihrem Handy beschäftigt. Auch die anderen Fluggäste hatten anscheinend nur Augen und Ohren für ihre Smartphones. Ausnahme: Sieben Reihen hinter ihm saßen eine dunkelhäutige Frau und ein junger Mann mit grüner Mütze, die sich leise unterhielten. Das Mädchen neben ihnen hüpfte in seinem Sitz auf und ab und rief ab und zu Tiernamen durch das Flugzeug. Fazit: eine erstklassige Kulisse, jemanden ohne Zeugen zu eliminieren.
Drei Glas Sekt und eine Pistazientüte später fielen dem Zielobjekt vor Müdigkeit die Augen zu. Das Flugzeug näherte sich der französischen Küste. Zeit, in Aktion zu treten. Elim drehte das obere Glied seines rechten Zeigefingers nach links. Die Haut auf der Kuppe spannte sich. Eine Nadel fuhr heraus. Mit leichten Kreisbewegungen massierte er den Bereich unterhalb des Metallstifts. Eine winzige Blase stieg die Kanüle hinauf und perlte als transparenter Tropfen über die Spitze. Während sich die linke Hand am Kopfteil seines Vordersitzes abstützte, um sich hochzuziehen, stach Elim dem Zielobjekt die Nadel in den Nacken. Gleichzeitig presste er mit Daumen und Mittelfinger das Gift aus seiner Prothese durch die Kanüle. In wenigen Momenten würde das Serum die Atmung des Opfers lahmlegen. Schon jetzt war es nicht mehr in der Lage zu schreien.
Elim trat auf den Mittelgang und schenkte dem Leibwächter den Anflug eines Lächelns. Der kaugummikauende Roboter lächelte nicht zurück. Ruhig ging Elim den Gang hinunter, bis er die Toilette erreichte. Nachdem er hinter sich abgeschlossen hatte, drehte er vor dem Spiegel seine Fingerkuppe nach rechts um die eigene Achse. Die Nadel fuhr zurück unter die Haut. Auftrag erledigt.
Als er pfeifend die Tür zum Gang öffnete, um wieder seinen Sitzplatz aufzusuchen, blieb ihm das Fis im Hals stecken. Ein Schraubstock umschloss seine Gurgel und quetschte sie zusammen, als wäre sie aus Teig. Der Leibwächter hob ihn mit einer Hand hoch und presste ihn gegen die Rückwand der Toilette, während die andere Pranke die Tür hinter sich zuzog. Zu argumentieren erschien Elim sinnlos. Darum entschied er sich, zu einem anderen Mittel zu greifen: Er rammte ihm das Knie in die Weichteile.
Der gezischte Fluch klang nach Schmerz. Nicht der Fluch des Leibwächters, sondern sein eigener. Das Teil, das Elim getroffen hatte, war nicht weich. Ein Metallschutz für Hoden. In Elims Augen noch unfairer als ein Kniestoß. Sein Gegenüber grinste. Vielleicht hatte er doch Humor. Elim bezweifelte, dass er lange genug leben würde, um dies herauszufinden. Im selben Moment geriet das Flugzeug in Turbulenzen und sackte in ein Luftloch ab. Der Druck auf seinem Hals ließ nach. Elim stieß den Arm mit der linken Hand zur Seite. Zeige- und Mittelfinger seiner künstlichen Hand schnellten vor und trafen den Hünen zu beiden Seiten des Kehlkopfs. Das tat weh. Vor allem weil die Prothesenhaut mit einer Metalllegierung versehen war. Der Leibwächter erstarrte und sah ihn ungläubig an. Elim setzte ihn mit einem weiteren Schlag außer Gefecht. Die Zwei-Meter-Masse aus tätowiertem Fleisch sackte zusammen. Blitzschnell packte Elim seinen Gegner und riss ihn herum, sodass sie die Positionen tauschten und der Hüne mit dem Hintern auf der Toilettenschüssel landete. Wieder gerieten sie in ein Luftloch. Der Oberkörper des Bodyguards fiel vornüber. Eine angemessene Haltung, um über seine Sünden nachzudenken, dachte Elim. Sofern man nicht ohnmächtig war.
Er überlegte, ob er dem Typ das Genick brechen sollte. Ein dummer Kommissar könnte zu dem Schluss gelangen, es würde sich um einen Unfall handeln. Dumme Kommissare waren allerdings selten. Option 2:...
| Erscheint lt. Verlag | 27.9.2022 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| ISBN-13 | 9783754199923 / 9783754199923 |
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