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Heinrich von Kleist - Der zerbrochne Krug (eBook)

Literaturklassiker Band 8
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
94 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7541-9771-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Heinrich von Kleist - Der zerbrochne Krug -  Heinrich von Kleist (hg. von Redaktion Müller)
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Kleists Krug ist als Band 8 der Reihe 'Literaturklassiker' - herausgegeben von der Redaktion Müller - erschienen. Das Vorwort stammt vom Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Manfred Müller. Die 'Literaturklassiker' erscheinen in zunächst 10 Bänden als ebook und wollen ausgewählte Texte zeitgenössisch und aktuell präsentieren und so wichtige Bücher vor dem Vergessen retten oder wieder in den Fokus einer Leserschaft stellen.

Kleist, geboren im Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder, sollte Offizier werden. Ihn aber zog es zur Jura und in andere Länder. So begann er Reisen durch die Schweiz und Frankreich. Neben seinen zahlreichen Werken gründete er auch die Zeitschrift 'Phöbus# in Dresden. Ende 1811 nahm er sich im Berliner Wannsee das Leben.

Kleist, geboren im Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder, sollte Offizier werden. Ihn aber zog es zur Jura und in andere Länder. So begann er Reisen durch die Schweiz und Frankreich. Neben seinen zahlreichen Werken gründete er auch die Zeitschrift 'Phöbus# in Dresden. Ende 1811 nahm er sich im Berliner Wannsee das Leben.

Erster Auftritt


Der zerbrochne Krug,

ein Lustspiel,

von

Heinrich von Kleist.



PERSONEN.

WALTER, Gerichtsrath.

ADAM, Dorfrichter.

LICHT, Schreiber.

FRAU MARTHE RULL.

EVE, ihre Tochter.

VEIT TÜMPEL, ein Bauer.

RUPRECHT, sein Sohn.

FRAU BRIGITTE.

EIN BEDIENTER, BÜTTEL, MÄGDE, etc.

Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorfe bei Utrecht.

Scene: Die Gerichtsstube.

Erster Auftritt.

ADAM (sitzt und verbindet sich ein Bein).

LICHT (tritt auf).



LICHT.

Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!

Was ist mit euch geschehn? Wie seht ihr aus?

ADAM.

Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Füße.

Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?

Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt

Den leid’gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

LICHT.

Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg’ jeglicher –?

ADAM.

Ja, in sich selbst!

LICHT.

Verflucht das!

ADAM.

Was beliebt?

LICHT.

Ihr stammt von einem lockern Aeltervater,

Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,

Und wegen seines Falls berühmt geworden;

Ihr seid doch nicht –?

ADAM.

Nun?

LICHT.

Gleichfalls –?

ADAM.

Ob ich –? Ich glaube –?

Hier bin ich hingefallen, sag ich euch.

LICHT.

Unbildlich hingeschlagen?

ADAM.

Ja, unbildlich.

Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

LICHT.

Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

ADAM.

Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett’

Entsteig’. Ich hatte noch das Morgenlied

Im Mund’, da stolpr’ ich in den Morgen schon,

Und eh’ ich noch den Lauf des Tags beginne,

Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

LICHT.

Und wohl den linken obenein?

ADAM.

Den linken?

LICHT.

Hier, den gesetzten?

ADAM.

Freilich!

LICHT.

Allgerechter!

Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt.

ADAM.

Der Fuß! Was! Schwer! Warum?

LICHT.

Der Klumpfuß?

ADAM.

Klumpfuß!

Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

LICHT.

Erlaubt! Da thut ihr eurem rechten Unrecht.

Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,

Und wagt sich eh’r auf’s Schlüpfrige.

ADAM.

Ach, was!

Wo sich der Eine hinwagt, folgt der Andre.

LICHT.

Und was hat das Gesicht euch so verrenkt?

ADAM.

Mir das Gesicht?

LICHT.

Wie? Davon wißt ihr nichts?

ADAM.

Ich müßt’ ein Lügner sein – wie sieht’s denn aus?

LICHT.

Wie’s aussieht?

ADAM.

Ja, Gevatterchen.

LICHT.

Abscheulich!

ADAM.

Erklärt euch deutlicher.

LICHT.

Geschunden ist’s,

Ein Gräul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,

Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich’s schätzen.

ADAM.

Den Teufel auch!

LICHT. (bringt einen Spiegel).

Hier! Ueberzeugt euch selbst!

Ein Schaaf, das, eingehetzt von Hunden, sich

Durch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen,

Als ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.

ADAM.

Hm! Ja! S’ ist wahr. Unlieblich sieht es aus.

Die Nas’ hat auch gelitten.

LICHT.

Und das Auge.

ADAM.

Das Auge nicht, Gevatter.

LICHT.

Ei, hier liegt

Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,

Als hätt’ ein Großknecht wüthend ihn geführt.

ADAM.

Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,

Das Alles hatt’ ich nicht einmal gespürt.

LICHT.

Ja, ja! So geht’s im Feuer des Gefechts.

ADAM.

Gefecht! Was! – Mit dem verfluchten Ziegenbock,

Am Ofen focht’ ich, wenn ihr wollt. Jetzt weiß’ ich’s.

Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam

Ertrunken in den Lüften um mich greife,

Fass’ ich die Hosen, die ich gestern Abend

Durchnäßt an das Gestell des Ofens hing.

Nun fass ich sie, versteht ihr, denke mich,

Ich Thor, daran zu halten, und nun reißt

Der Bund; Bund jetzt und Hos’ und ich, wir stürzen,

Und Häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr’ ich auf

Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock

Die Nase an der Ecke vorgestreckt.

LICHT (lacht).

Gut, gut.

ADAM.

Verdammt!

LICHT.

Der erste Adamsfall,

Den ihr aus einem Bett hinaus gethan.

ADAM.

Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was giebts Neues?

LICHT.

Ja, was es Neues giebt! Der Henker hol’s,

Hätt’ ich’s doch bald vergessen.

ADAM.

Nun?

LICHT.

Macht euch bereit auf unerwarteten

Besuch aus Utrecht.

ADAM.

So?

LICHT.

Der Herr Gerichtsrath kömmt.

ADAM.

Wer kömmt?

LICHT.

Der Herr Gerichtsrath Walter kömmt, aus Utrecht.

Er ist in Revisions-Bereisung auf den Aemtern,

Und heut noch trifft er bei uns ein.

ADAM.

Noch heut! Seid ihr bei Trost?

LICHT.

So wahr ich lebe.

Er war in Holla, auf dem Gränzdorf, gestern,

Hat das Justizamt dort schon revidirt.

Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon

Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.

ADAM.

Heut noch, er, der Gerichtsrath, her, aus Utrecht!

Zur Revision, der wackre Mann, der selbst

Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt.

Nach Huisum kommen, und uns cujoniren!

LICHT.

Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.

Nehmt euch in Acht.

ADAM.

Ach geht!

LICHT.

Ich sag’ es euch.

ADAM.

Geht mir mit eurem Mährchen, sag’ ich euch.

LICHT.

Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

ADAM.

Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.

Die Kerle unterscheiden ein Gesicht

Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.

Setzt einen Huth dreieckig auf mein Rohr,

Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,

So hält so’n Schubjak ihn für wen ihr wollt.

LICHT.

Wohlan so zweifelt fort, ins Teufels Namen,

Bis er zur Thür hier eintritt.

ADAM.

Er, eintreten! –

Ohn’ uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

LICHT.

Der Unverstand! Als ob’s der vorige

Revisor noch, der Rath Wacholder, wäre!

Es ist Rath Walter jetzt, der revidirt.

ADAM.

Wenn gleich Rath Walter! Geht, laßt mich zufrieden.

Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,

Und praktisirt, wie wir, nach den

Bestehenden Edikten und Gebräuchen.

LICHT.

Nun ich versichr’ euch, der Gerichtsrath Walter

Erschien in Holla unvermuthet gestern,

Vis’tirte Kassen und Registraturen,

Und suspendirte Richter dort und Schreiber,

Warum? ich weiß nicht, ab officio.

ADAM.

Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?

LICHT.

Dies und noch mehr –

ADAM.

So?

LICHT.

Wenn ihr’s wissen wollt.

Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,

Dem man in seinem Haus’ Arrest gegeben,

Und findet hinten in der Scheuer ihn

Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.

ADAM.

Was sagt ihr?

LICHT.

Hülf’ inzwischen kommt herbei,

Man lös’t ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,

Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.

ADAM.

So? Bringt man ihn?

LICHT.

Doch jetzo wird versiegelt,

In seinem Haus, vereidet und verschlossen,

Es ist, als wär er eine Leiche schon,

Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.

ADAM.

Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund war’s –

Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,

Ein Kerl, mit dem sich’s gut zusammen war;

Doch grausam liederlich, das muß ich sagen.

Wenn der Gerichtsrath heut in Holla war,

So ging’s ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub’ ich.

LICHT.

Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,

Sei Schuld, daß der Gerichtsrath noch nicht hier;

Zu Mittag treff’ er doch ohnfehlbar ein.

ADAM.

Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt’s Freundschaft.

Ihr wißt, wie sich zwei Hände waschen können.

Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,

Und ihr verdient’s, bei Gott, so gut wie Einer.

Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,

Heut laßt ihr noch den Kelch vorübergehn.

LICHT.

Dorfrichter, ich! Was denkt ihr auch von mir?

ADAM.

Ihr seit [seid] ein Freund von wohlgesetzter Rede,

Und euren Cicero habt ihr studirt

Trotz Einem auf der Schul’ in Amsterdam.

Drückt euren Ehrgeitz heut hinunter, hört’ ihr?

Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,

Wo ihr mit eurer Kunst euch zeigen könnt.

LICHT.

Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.

ADAM.

Zu seiner Zeit, ihr wißt’s, schwieg auch der große

Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.

Und bin ich König nicht von Macedonien,

Kann ich auf meine Art...

Erscheint lt. Verlag 21.8.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7541-9771-1 / 3754197711
ISBN-13 978-3-7541-9771-4 / 9783754197714
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