Die Kinder der Sonne (eBook)
280 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7541-9506-2 (ISBN)
Janine Wurster ist Mutter, Buchliebhaberin und Logopädin. In genau dieser Reihenfolge. Seit ihrer Jugend schreibt sie Geschichten. In ihrem Debütroman 'Die Kinder der Sonne' hat sie ein sehr spezielles, fast schon exotisches, Thema verarbeitet und sich damit einen langjährigen Traum erfüllt. Geplant ist mindestens noch ein weiterer Band, der ebenfalls im Inka-Reich spielt.
Janine Wurster ist Mutter, Buchliebhaberin und Logopädin. In genau dieser Reihenfolge. Seit ihrer Jugend schreibt sie Geschichten. In ihrem Debütroman "Die Kinder der Sonne" hat sie ein sehr spezielles, fast schon exotisches, Thema verarbeitet und sich damit einen langjährigen Traum erfüllt. Geplant ist mindestens noch ein weiterer Band, der ebenfalls im Inka-Reich spielt.
Der Ayllu
In den letzten Jahrtausenden hat unsere Erde viele verschiedene Hochkulturen hervorgebracht. Eine sehr vielversprechende erhob sich in einem Land, das Tawantinsuyu, Reich der vier Weltgegenden, genannt wurde. Die größte Ausdehnung hatte dieses Reich etwa um 1530 unserer Zeitrechnung und reichte bis in Gebiete, die heute Ecuador, Chile und Argentinien heißen.
Das Zentrum dieser Hochkultur war Qusqu, der Nabel der Welt. Schon lange vor der Entdeckung Amerikas und der Zerstörung durch die Spanier regierten hier, im heutigen Peru, die Kinder der Sonne. An ihrer Spitze stand der Sapa Inka, der einzige Inka, der Sohn der Sonne, ein Gottkönig für sein Volk.
Jeder einzelne Herrscher dieses einzigartigen Volkes hatte Großes zur Festigung ihrer Macht geleistet. Doch einer von ihnen stach besonders hervor. Nach seinem Sieg über die Chanka auf der Yawarpampa, der Blutebene, wurde Cusi Yupanki zum neunten Sapa Inka und änderte seinen Namen in Pachakutiq Yupanki, der Weltenveränderer. Er hatte wie kein anderer durch die Erweiterung seines Herrschaftsgebietes ein Reich geschaffen, das voller Gegensätze war. Er vereinte nicht nur verschiedene Völker und Stämme, sondern auch unterschiedliche Klimazonen, Höhenlagen und Landstriche. Jede noch so karge Ödnis wurde der Natur abgetrotzt und vom Volk der Inka urbar gemacht, Hunger und Notstand herrschten zu der Zeit nicht.
Doch so gegensätzlich wie ihr Land, waren auch die Menschen. Den größten Anteil bildete das einfache Volk, bestehend aus Bauern und Arbeitern. Dem gegenüber stand die relativ kleine Gruppe der Inka-Elite, die Adelsfamilien, die von Qusqu und den Provinzstädten aus, die Geschicke des Tawantinsuyu lenkten.
Die Bauern lebten damals ausschließlich autark, Handel war vor allem unter der ländlichen Bevölkerung wenig verbreitet. Sie bestellten die Felder und nach den Abgaben für Götter und Adel lebten sie von dem, was sie anbauten. Je nach Region fingen sie Fische und hielten Lamas für die Wolle. Dabei bildete der Ayllu ihren Lebensmittelpunkt und den Grund für ein funktionierendes System.
Ein Bauer bewirtschaftete in der Regel mehrere Felder in verschiedenen Höhenstufen und baute so teilweise mehr als zwanzig unterschiedliche Nutzpflanzen parallel an. Somit hatte er das ganze Jahr zu tun. Es war der Ayllu, also die Familie oder die Sippe, der ihn dabei unterstützte, denn gearbeitet wurde auf den Feldern, auf denen Arbeit nötig war.
Im Monat Aymaray waren alle Bauern mit ihren Söhnen und oftmals auch ihren Frauen auf den Maisfeldern. Es war die Zeit der Maisernte, die traditionell am letzten Tag mit dem Fest der Mama Sara beendet wurde.
Das Volk der Sonne feierte viele Feste. Sie waren eine Einteilung des Jahres und den Bauern und Arbeitern eine Motivation und Belohnung. Sie wurden in Qusqu genauso gefeiert wie im hintersten Winkel des Tawantinsuyu. An den Enden der Sonnenstrahlen vielleicht nicht ganz so groß, pompös und mächtig, aber mit nicht weniger Inbrunst und Heißblütigkeit.
Qusqu war dabei das Zentrum allen Lebens, die Sonne, die sein Volk wärmte. Der Einfluss der Hauptstadt reichte weit über die Landesgrenzen hinaus. Sie war Anziehungspunkt und Pilgerstätte, und selbst der einfachste Bauer hatte sein Leben verschenkt, wenn er nicht ein Mal die Sonne gesehen hatte.
Etwa fünf Tagesreisen südlich von Qusqu lag ein kleiner Gebirgssee. Für die Menschen, die dort lebten, war es der Große See, Hatun Qucha. Die Hänge um den See herum waren terrassiert und für den Anbau von Mais, Kartoffeln und Quinoa kultiviert. Dabei stellten kleine Gebirgsbäche eine natürliche Bewässerungsanlage dar. Zwischen den Feldern gab es immer wieder Siedlungen, die von verschiedenen Ayllus bewohnt wurden.
Am Nordufer des Sees hatten sich die Mitglieder eines Ayllus ihre Häuser auf einem natürlichen Plateau errichtet. Über Treppen, die sie rechts und links zwischen ihrer Siedlung und den Feldern ins Gebirge geschlagen hatten, waren sie sowohl mit dem See, als auch mit dem Qhapaq Ñan, dem Königsweg, verbunden, welcher Reisende durch das gesamte Tawantinsuyu trug.
Es war ein sehr kleiner Ort, der von einer einzigen Familie bewohnt wurde. Vier Gebäude waren um eine Art Dorfplatz herum gruppiert. Ein weiteres befand sich noch im Bau. Durch die Ortsmitte floss einer der Gebirgsbäche, die in den See mündeten, und versorgte Menschen und Tiere mit Wasser. Außerdem war hier auch der Platz, an dem der ganze Ayllu jeden Abend zusammenkam.
Die Anlagen der einzelnen Familienmitglieder bestanden aus einem Wohnhaus, einem Lagerhaus und einem Innenhof, welcher mit einer niedrigen Mauer eingefasst war. Hier gab es ein Gehege für Quwis, also Meerschweinchen, und eine kleine Feuerstelle. Während sich abends der ganze Ayllu zusammenfand, wurde die Morgenmahlzeit im Kreis der engsten Familie eingenommen und der Innenhof als Zentrum alltäglicher Rituale genutzt. Und hier in diesem kleinen Dorf, inmitten des einfachen Volkes, beginnt unsere Geschichte.
Es war dunkel als aus dem Haus, das dem Ufer am nächsten lag, ein Mann herauskam. Er trat über die Türschwelle, streckte sich und wirkte in diesem Moment gleich doppelt so groß wie ein normaler Mann.
Guanca sog die feuchte Nachtluft tief in sich auf. Früh morgens in der Zeit zwischen Nacht und Tag, in der alles dieselbe Farbe hatte, fühlte er sich von der Welt und den Göttern verstanden. Mit wenigen Schritten durchquerte er den Hof und ging auf die Rückseite seines Hauses zu. Er kniete sich an den Rand des Wasserlaufes und schöpfte sich das eiskalte Wasser über sein Haupt. Dann wusch er sich Hände und Füße und ging barfuß und mit nacktem Oberkörper zurück in die Mitte seines Innenhofes. Er setzte sich in die Asche des vergangenen Tages und ließ eine Hand voll über seinen Scheitel rieseln.
„Oh Viracocha, Schöpfer der Erde, Dank sei dir, der du uns so fruchtbaren Boden bescherst. Oh Viracocha, Erbauer der Welt, unser Lob gilt dir, der du uns mit Nahrung und Wasser versorgst. Wache über uns, auf dass wir nicht müde werden in unserem Streben, dir zu dienen.“
Guanca verharrte in seiner andächtigen Haltung mitten im Aschekreis, und der heller werdende Himmel ließ seinen Scheitel glänzen.
Als die ersten Sonnenstrahlen über die Bergkämme traten, war auch der Rest seiner Familie im Innenhof und gemeinsam begrüßten sie den Tag.
„Oh Inti, Sonnenvater, Herr über Licht, Wärme und Leben, lass die Schatten weichen und die Trauer verschwinden. Erhelle unseren Tag und segne unsere Ernte.“
Sie erhoben sich, wandten mit geschlossenen Augen ihre Gesichter der Sonne zu und genossen einen Moment lang die wärmenden Strahlen. Dann löste sich, wie auf ein lautloses Signal hin, der Familienverband auf. Guanca holte seinen Poncho und zog ihn sich über den Kopf. Er schnürte sich seine Sandalen, ging ins Lagerhaus, schulterte Kiepe und Werkzeug und machte sich mit seinen Söhnen auf den Weg zu den Maisfeldern. Kein Laut durchdrang dabei die morgendliche Stille. Alles verlief routiniert und stillschweigend. Es hätte keiner Worte bedurft. Jeder kannte seine Aufgaben. Alle Männer des Ayllus waren auf den Feldern, alle Knaben ebenfalls. Nach der Morgenmahlzeit halfen sogar einige der Frauen mit. In dieser Zeit packte jeder mit an, denn zur Belohnung wartete auf jeden die Zeit der Rast.
Guancas Weib hieß Tamaya. Sie war eine kleine, rundliche Frau mit einem ebenso runden Gesicht, aus dem zwei große, ungewöhnliche Augen herausblitzten, deren grünlicher Schimmer wie ein Licht aus der Dunkelheit heraustrat. In ihrer Jugend besaß Tamaya feine, weiche Züge, die jetzt, nach Jahren der Mühsal von Furchen durchzogen waren wie die Felder vom Pflug.
Verstohlen sah sie ihren Söhnen hinterher, kleine, zierliche Welpen hinter einem Fels, der Guancas Rücken war. Selbstbewusst trugen sie ihre Köpfe hoch. Trotz der harten Arbeit halfen sie den Männern gern, denn damit galten sie in deren Kreis als gleichwertige Mitglieder.
Tamaya seufzte. Sie wusste nicht, was überwog, der Stolz auf ihre drei Jungen oder die Wehmut, sie so schnell dem Knabenalter entwachsen zu sehen. Dabei waren sie doch erst geboren. Sie hatte ihre kleinen Leiber im Arm gehalten, sie an ihrer Brust gesäugt und sie bei der Arbeit noch lange mit sich herumgetragen. Tamaya sah ihren beiden Jüngsten auch heute noch gerne dabei zu, wie sie, kleinen Chikus gleich, über die Wiesen und Felder sprangen und durch die Felsen kraxelten. Doch schneller als ihr lieb war, hatte sie sie nicht mehr für sich alleine gehabt. Und nun waren sie auf dem besten Wege, auch den Rest ihres Lebens selbstständig zu bestreiten. Nur mit stechenden Bauchschmerzen dachte sie daran, dass ihr ältester Sohn bald ein eigenes Heim gründete. Er arbeitete schon jetzt mindestens genauso hart wie alle anderen Männer ihres Ayllus, auch wenn er nie Guancas Statur und Kraft erlangen würde.
Tamaya ging ins Haus und machte sich an die Arbeit. Sie sammelte die Felle und Decken der Nachtlager ein und brachte sie hinaus in den Hof. Dort breitete sie eine nach der anderen über einen Ast des Ollantas aus, der am Rande des Innenhofes stand, und klopfte den Staub aus ihnen heraus. Zwei der Decken mussten ausgebessert werden. Sie holte ihr Nähzeug aus dem Haus und stopfte die Löcher, während die anderen auslüfteten. Dann legte sie alles penibel genau zusammen, brachte die Decken ins Haus und legte sie ins Vorratsregal, aus dem sie sie am Abend wieder holen würde, wenn man sie für die Nacht benötigte.
„Suyana?“
Sie sah sich um. Das Haus war leer. Im Hof quiekten ihr die Quwis aus ihrem Gehege entgegen.
„Suyana“, rief sie erneut.
Das Kind war nirgends zu sehen. Wie...
| Erscheint lt. Verlag | 4.7.2022 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
| Schlagworte | Angst • Gottvertrauen • Inka-Reich • Peru |
| ISBN-10 | 3-7541-9506-9 / 3754195069 |
| ISBN-13 | 978-3-7541-9506-2 / 9783754195062 |
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