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Mord im Milieu (eBook)

Spektakuläre Kriminalfälle

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025
224 Seiten
Das Neue Berlin (Verlag)
978-3-360-50190-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord im Milieu - Ralf Romahn
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Authentische Kriminalfälle aus Berlin, erzählt vom Ermittler. März 1990, Berlin-Lichtenberg. Das Mädchen, das erdrosselt aufgefunden wird, ist gerade 18 Jahre. Der Fall scheint klar. Hier, an der Frankfurter Allee, wo um 1990 ein neuer Straßenstrich entsteht, herrscht ein Geschäft ohne Gnade. Gewalt gegen Frauen und Revierkämpfe sind an der Tagesordnung. Zwei Zuhälter aus Polen lassen sechs Mädchen für sich arbeiten und kommen der deutschen Konkurrenz in die Quere. Oder geschah dieser Mord doch aus Leidenschaft? Ralf Romahn, Chefermittler der Volkspolizei, ist einer der ersten am Tatort. In diesem Buch berichtet er von fünf authentischen Kriminalfällen aus den letzten Jahren der DDR und der Wendezeit. Fälle, deren Ermittlung er selbst geleitet hat. Sie alle sind auf die eine oder andere Weise Milieumorde - ein Pärchen, das Friedhöfe plündert und einen Raubmord begeht, ein Mann, der sich als Sporttrainer ausgibt und Jagd auf Mädchen macht, ein Eifersuchtsdrama zwischen Männern, das tragisch endet.

Ralf Romahn, geboren 1953 in Zwickau, begann seine Laufbahn als Streifenpolizist und wurde schließlich Leiter des Dezernats »Leben und Gesundheit« in Berlin-Mitte. Als Oberstleutnant bei der Volkspolizei befasste er sich auch mit Fällen nahe der deutsch-deutschen Grenze. Nach 1990 ermittelte er als Kriminaloberrat und lebt heute als Pensionär in Berlin. Zuletzt veröffentlicht: »Kremserfahrt in den Tod. Authentische Kriminalfälle« (2017) und »Kindstod. Mord in Berlin-Mitte und andere Kriminalfälle« (2019).

Ralf Romahn, geboren 1953 in Zwickau, begann seine Laufbahn als Streifenpolizist und wurde schließlich Leiter des Dezernats »Leben und Gesundheit« in Berlin-Mitte. Als Oberstleutnant bei der Volkspolizei befasste er sich auch mit Fällen nahe der deutsch-deutschen Grenze. Nach 1990 ermittelte er als Kriminaloberrat und lebt heute als Pensionär in Berlin. Zuletzt veröffentlicht: »Kremserfahrt in den Tod. Authentische Kriminalfälle« (2017) und »Kindstod. Mord in Berlin-Mitte und andere Kriminalfälle« (2019).

Holzkopf


Oberleutnant, du sollst zum Chef kommen, rief Krause durch die offene Bürotür. Offenbar kam er gerade von dort, denn sonst rief der Oberst immer selbst an, wenn er mich zu sprechen wünschte. Krause war älter als ich und auch länger dabei, und dass er sauer war, am 1. Juli nicht befördert worden zu sein, zeigte er bei jeder Gelegenheit. Ich war vor zwei Jahren erst von der VP-Schule in Aschersleben als Leutnant zurückgekehrt, während die meisten anderen das Studium als Unterleutnant beendet hatten. Und nun, zum diesjährigen Tag der Volkspolizei, war ich mit dem dritten Stern auf der Silberlitze bedacht worden. Mit Verlaub: Ich war dreißig, hatte vier Jahre bei der Volksmarine gedient und danach als Hilfsarbeiter im Wortsinne Dreck gefressen. Beim »Vau-E-Be Mörderkohle«, wie der VEB Elektrokohle Lichtenberg im Berliner Volksmund hieß. Dort wurde Graphit für die ganze Republik produziert mit einer Technik, die aus Kaisers Zeiten stammte. Laut, dreckig, ungesund und umweltschädlich … Ach, was wusste dieser Sesselfurzer Krause schon vom Leben.

Verstanden, rief ich hinaus auf den Flur und griff mein Notizbuch. Wie jeder Vorgesetzter sah es auch der Genosse Oberst gern, wenn man mitschrieb. Ich verschloss, wie vorgeschrieben, mein Dienstzimmer. Das fand ich insofern ein wenig albern, als es bis hierher nie ein Betriebsfremder schaffen würde. An der Wache unten im Dienstgebäude unweit des Alexanderplatzes kam niemand unbemerkt vorbei. Und was hätte ein Dieb hier schon groß klauen können? Akten, Zigaretten, die Tagespresse, die auf dem Tisch lag? Aber es war nun mal angeordnet, das Büro zu versperren, sofern niemand im Zimmer anwesend war. Und über Nacht wurde jeder Raum versiegelt: Zwei mit Knete gefüllte Kronkorken, in Tür und Rahmen verschraubt, wurden mit einem Faden verbunden. Dann presste man die Petschaft in die weiche Masse, und schon war das Büro gesichert. Hing anderentags der Faden lose herab, bedeutete dies, das nächtens einer im Büro gewesen sein musste. Und das war unzulässig und mithin ein Vorkommnis. Alles irgendwie albern. Aber man hatte sich daran gewöhnt.

Warum mich aber der Chef zu sehen wünschte und nicht der Arbeitsgruppenleiter, konnte ich mir nicht erklären.

Werner Gutzeit saß bräsig hinter seinem Schreibtisch, als ich sein Zimmer betrat. Auf dem Weg über den langen Flur, der nach Bohnerwachs und Stiefelwichse roch, hatte ich mir vergeblich das Hirn zermartert, was der Anlass für diese Einladung sein könnte. Wollte er mit mir die politische Groß- und Kleinwetterlage erörtern? Die Proteste gegen die Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles in Westeuropa nahmen seit Wochen zu, in der DDR gaben sich auswärtige Politiker die Klinke in die Hand und im Palast der Republik sollte es Ende des Monats ein Friedenskonzert geben, bei dem auch internationale Künstler auftreten würden – von Harry Belafonte bis Udo Lindenberg. Aber das tangierte wohl kaum die Kriminalpolizei von Berlin-Mitte. Ich war mir unschlüssig.

Der Oberst schaute nur kurz auf. Er schrieb irgendwas und wies mit einer leichten Kopfbewegung auf einen Stuhl am Tisch, der vor seinem Schreibtisch stand. Beide Tische bildeten ein T. Hinter Gutzeit in Uniform – ich trug meine nur dann, wenn es von uns verlangt wurde, und das waren gottlob nicht viele Tage im Jahr – hingen die Konterfeis des Staatsratsvorsitzenden und des Innenministers. Dickel war das schon seit zwanzig Jahren. Ich war ihm persönlich noch nie begegnet, er solle, so sagten jene, die schon mal mit ihm zu tun hatten, ein umgänglicher Typ sein. Gänzlich uneitel und bescheiden. Die offiziellen Fotos an der Wand machten den schmucklosen Raum zum Dienst- und Chefzimmer. Denn die Büsten, Medaillen, Teller und der andere Polittrödel, der sich im Laufe der Jahre im Regal gesammelt hatte, war Kitsch, nicht Kunst, und nicht unbedingt Indiz für ein von einem Musenfreund gehütetes Heiligtum in der Inspektion. Überall hinterließen Delegationen von Bruderorganen und Betriebsabordnungen die gleichen Souvenirs: bemalte Briketts aus der Lausitz, Gipsköpfe aus der Sowjetunion, Teller aus Kahla und Reliefs aus Bulgarien … An jedem Jahrestag kamen weitere geschmacklose Devotionalien hinzu.

Gutzeit steckte die Kappe auf den Füllfederhalter, schlug die Mappe zu und sagte: »So.« Dann musterte er mich, als hätte er mich seit Ewigkeiten nicht gesehen.

Ich grinste zurück. »Was gibt’s, Werner? Außer der Tatsache, dass wir mal wieder den Weltfrieden retten müssen.« Ich deutete auf die Zeitungen, die auf seinem Tisch lagen. Obenauf, wie es sich gehörte, das Zentralorgan. Honecker hatte am Vortag die Verteidigungsminister des Ostblocks empfangen und mit diesen »an die USA und ihre NATO-Verbündeten« appelliert, von den Stationierungsplänen für die neue Generation von nuklearen Mittelstreckenraketen Abstand zu nehmen.

Oberst Werner Gutzeit machte eine resignative Handbewegung. Was wird sein, sagte er. Die Russen werden bei uns und bei den Tschechen ihre SS-20 stationieren … Er schwieg. Ich sah, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. »Aber deshalb habe ich dich nicht rufen lassen.«

»Sondern?«

»Es gibt eine Diebstahlanzeige.«

Ich lachte kurz auf.

Gutzeit warf mir einen Blick zu, der meine Reaktion zu missbilligen schien. Nur ein Blick, kein Wort. Ich wähnte mich missverstanden und setzte zu einer Erklärung an.

»Nicht nötig«, sagte er. »Ich weiß, was du sagen willst.«

Natürlich, Gutzeit wusste selbst, dass Anzeigen dieser Art nicht unbedingt an diesem Tisch erörtert wurden, es sei denn, es handelte sich um etwas Gewichtiges. Aber augenscheinlich war es nicht einmal das, weshalb er so auffällig reagierte. Er war sich des Problems bewusst. Das erklärte seine unterschwellige Gereiztheit, die ich mir nicht erklären konnte.

Ich schwieg. Auch der Oberst blieb stumm.

Was für ein Diebstahl? Und wo? Hatte man den Volvo eines Politbüro-Mitgliedes geknackt? Blödsinn, das war ein Fall für die Staatssicherheit. Gut, im Stadtbezirk Mitte der Hauptstadt befanden sich alle wichtigen Institutionen der DDR: das Zentralkomitee der Partei, der Staatsrat, die Volkskammer, der Ministerrat, die Sitze der Blockparteien, die Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften, die meisten arbeiteten im Haus des Berliner Verlags an der Karl-Liebknecht-Straße. Die Humboldt-Universität, die Charité, diverse Ministerien … Über allem jedoch wachte das MfS, das war doch nicht unser Beritt. Und Karnickeldiebstähle gab es hier nicht. Wer hielt sich in Mitte schon Karnickel?

Werner Gutzeit räusperte sich.

Aha, dachte ich, gleich kommt’s.

Er beugte sich leicht über seinen Schreibtisch.

Ich tat es ihm nach. Zwischen unseren Köpfen schwand die Distanz bis auf wenige Zentimeter. Ich sah das Geflecht von Äderchen in seinen Wangen, was ein Hinweis auf den hohen Blutdruck war. Und Gutzeit war Raucher. Dazu das Übergewicht aufgrund mangelnder Bewegung und zu viel Alkohol: ein Kandidat für den Herzinfarkt im Amte. Vielleicht jedoch hatte er noch eine Chance, gefahrlos bis zur Rente zu kommen, die paar Jahre bis zu seiner Verabschiedung sollte er es wohl noch schaffen. Ich gönnte es ihm. Werner war ein gemütlicher Zeitgenosse, ein väterlicher Typ, ich hatte ihn noch nie cholerisch gesehen oder erlebt, dass er sich von irgendeiner Hysterie hatte anstecken lassen. Er war der sprichwörtliche Fels in der Brandung.

»Es geht um einen Diebstahl«, sagte er mit gedämpfter Stimme, als fürchtete er, ein Dritter könnte mithören, was er zu vermeiden wünschte.

»Das sagtest du bereits, Genosse Oberst«, flüsterte ich zurück.

Abrupt lehnte er sich auf seinem Bürostuhl zurück und kehrte zur normalen Tonlage zurück.

»Nichts Besonderes«, begann er. »Aus einem Kneipenkeller hat jemand ein paar Kaffeegedecke aus Silber mitgehen lassen.«

Ich lachte hell auf. »Das ist nicht dein Ernst?!«

Gutzeit verstand meine Reaktion, er war doch nicht blöd. Diebstähle unter 10.000 Mark – und um einen solchen handelte es sich ja wohl – waren Bagatellen und Tagesgeschäft für die Kriminalpolizei. Dafür gab es maximal eine Bewährungsstrafe für den Täter. In solche Geschichten hängte sich kein Inspektionschef rein, das war Arbeit für die Fußtruppen.

»Du feixt zu früh«, setzte er fort. »Da ist nämlich noch etwas.«

»Lass mich raten.« Die Sache begann mir Spaß zu machen. »Das Geschirr gehörte dem Kaiser oder Erich Honecker, was aufs selbe hinausläuft.«

Ich wusste, dass Gutzeit für solche Anspielungen und Scherze in kleiner Runde durchaus empfänglich war. Nur wenn der Kreis zu groß war, rief er zur Ordnung. In der Elektrokohle ging es noch...

Erscheint lt. Verlag 31.1.2025
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Authentische Kriminalfälle • Berlin-Krimi • Brutalität • DDR-Kriminalfälle • Ermittler • Gewalt gegen Frauen • Kapitalverbrechen • Kriminalität • Kriminalpolizei • Krimis • Kripo • Mord • Ost-Berlin • Polen • Prostitution • Ralf Romahn • Raubmord • Reale Kriminalfälle • Regionalkrimis • revierkämpfe • Rotlich-Milieu • Straßenstrich • True Crime • Verbrechen im Milieu • Wahre Kriminalfälle • Wendezeit • Wendezeit Berlin • Zuhälter
ISBN-10 3-360-50190-X / 336050190X
ISBN-13 978-3-360-50190-5 / 9783360501905
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