An deinen rauen Klippen (eBook)
289 Seiten
Tschök & Tschök GbR (Verlag)
9783754661710 (ISBN)
»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden - man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.« Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.
»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.« Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.
2: VISCOUNT ZOMBIE
Grimmiger Regen peitschte Cameron ins Gesicht. Er hegte die leise Befürchtung, dass die nächste Sturmböe ihn über das Kliff in das wütende Meer stoßen würde. Die Regenjacke schützte ihn kaum vor den himmlischen Wassermassen; seine Hose war bereits völlig durchtränkt und aus seinen Schuhen schwappte Wasser, weil er einmal zu viel in eine Pfütze getreten war.
Grauenhaft.
Und gar kein schöner Start in den Tag. Er hätte seine Mutter um das Auto bitten sollen, aber als er losgelaufen war, hatte es längst nicht so stark geregnet wie jetzt und er war sicher gewesen, trockenen Fußes auf Cairnroch Estate anzukommen. Dort konnte er wenigstens in seine trockene Kochkleidung schlüpfen, wenn auch ohne Unterhose, denn die fühlte sich auch schon klamm an. Es passte irgendwie zu seiner miesen Stimmung. Das Telefonat gestern mit Finlay war eher anstrengend als aufbauend gewesen; sein Freund hatte ihn mit Vorwürfen überschüttet, weil er sich nicht gemeldet hatte. Zur Wiedergutmachung hatten sie sich heute Abend zum Joggen verabredet, aber heimlich hoffte Cameron, dass das Wetter zu schlecht bleiben würde, um rauszugehen.
Und zur Krönung des Tages reiste der Lord heute an. Deshalb durfte Cameron auf keinen Fall zu spät zur Arbeit kommen. Er legte noch ein wenig an Tempo zu, lief patschend durch Pfützen, denn nasser konnte er sowieso nicht mehr werden, stemmte sich gegen den Wind, fest entschlossen, nicht ins Meer zu purzeln, und kämpfte sich durch die undurchsichtige, stahlgraue Welt. Der Winter war zweifelsohne da, drinnen wurde es gemütlich, draußen zuweilen äußerst ungemütlich. Endlich erreichte er das Anwesen, holte mit kälteklammen Fingern den Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Tür.
Kaum, dass er eingetreten war, warf der Wind die Tür wieder ins Schloss. Erschrocken machte Cameron einen kleinen Satz vorwärts, aber dann atmete er auf. Endlich im Warmen, Trockenen. Jetzt hieß es raus aus den nassen Klamotten, rein in die Kochkleidung und dann an die Arbeit. Der Pisscount hatte sich einen wirklich stürmischen Tag ausgesucht, um hier anzureisen, aber andererseits passte das Wetter zu seiner grimmigen Miene.
»Wie siehst du denn aus?« Ellen schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er die Küche betrat.
»Wetter kaputt«, murmelte er.
»Du hättest doch etwas sagen können, dann hätte Frederick dich bestimmt abgeholt.«
»Ich hab mich verschätzt«, erwiderte Cameron zerknirscht. »Als ich losgelaufen bin, war der Regen noch nicht so schlimm. Außerdem wusste ich gar nicht, dass Fred schon hier ist.«
»Aye, du wohnst ja erst dein ganzes Leben hier, da kann man sich schon mal verschätzen, was Wind und Regenfälle angeht ...« Ellen rollte mit den Augen. »Frederick ist schon seit gestern Abend hier. Ich geh dir ein Handtuch holen.«
Sie verschwand aus der Küche und kehrte kurz darauf mit einem großen Handtuch zurück, das Cameron, der sich inzwischen bis auf die Unterhose ausgezogen hatte, dankbar entgegennahm. Er genierte sich nicht vor Ellen; die robuste, grauhaarige Frau kannte ihn schon seit seiner Kindheit.
»Was zum Geier bewegt unseren Pisscount wohl, zu dieser Jahreszeit hier Urlaub machen zu wollen?«, fragte er, während er sich abfrottierte.
»Brüll halt noch lauter Pisscount, damit’s auch alle hören.« Ellen verdrehte erneut die Augen und wandte sich ab, damit Cameron auch noch seine klamme Unterhose loswerden konnte, ehe er in seine Kochhose schlüpfte. »Um Urlaub geht’s weniger.«
»Dann vermutlich ein neuer Skandal in der Presse?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nae. Er ist krank.«
»Was hat er?«
»Das weiß ich nicht.« Sie drehte sich wieder um und reichte Cameron sein weißes Shirt und seine Kochjacke. »Das hat man uns nicht mitgeteilt. Es hieß nur, er sei krank und müsse sich hier erholen und wir sollen dafür sorgen, dass er Ruhe hat, isst und ab und zu mal vor die Tür geht.«
»Klingt, als wäre er drei Jahre alt und wir seine Nannys«, bemerkte Cameron und rieb sich die immer noch kalten Hände.
»Tja.« Ellen zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe, er lässt die Gewitterwolken zu Hause, die immer über seinem erlauchten Haupt schweben. Danach, hier wochenlang einen alten Griesgram zu beherbergen, steht vermutlich niemandem der Sinn.«
»Ich hoffe, er ist nicht so mäkelig wie seine Alten. Beim letzten Mal dachte ich, ich muss dem Earl an die Gurgel springen. Wie kann ein einzelner Mensch nur so unglaublich mäkelig sein?«
»Das ist wohl so, wenn man mit dem goldenen Löffel im Hintern geboren wurde. Hast du noch nicht in die Liste mit den Präferenzen des Viscounts geschaut? Die erscheinen mir im Vergleich zu seinem Vater recht harmlos: kein Dijonsenf, viel Soße und lieber ein süßes Frühstück.«
»Ach, das ist ja wirklich harmlos.« Cameron wandte sich seinen Küchenmessern zu und sortierte sie neu, weil irgendjemand sie falsch eingeräumt hatte. »Wann wird seine Lordschaft erwartet?«
»Aufgrund des Wetters wohl erst gegen Mittag«, gab Ellen zur Auskunft.
»Gut.« Cameron schaute auf die Uhr. Es war kurz nach acht Uhr morgens. »Dann mache ich uns erst mal ein schönes, deftiges Frühstück.«
Das Wetter passte hervorragend zu Ruperts Stimmung. Dunkel, verregnet, sturmgepeitscht. Ein Tag, den niemand haben wollte, weil er alles erschwerte.
Zu seiner Rechten türmten sich felsige Landschaften, links tobte das Meer unter dräuenden Wolken. Er sollte gar nicht hier sein. Aber dieser Ort war vermutlich besser als alle anderen, und letztendlich war er nur eine Zwischenstation. In Schottland würde er Ruhe finden. In irgendeiner Form.
Sie überquerten die Skye Bridge, die die Insel Skye mit dem Festland verband. Das bedeutete, dass sie nur noch etwas mehr als eine Stunde vom Ziel entfernt waren. Es musste mindestens zehn Jahre her sein, dass Rupert zuletzt hiergewesen war, er konnte sich jedenfalls kaum noch an das kleine Anwesen erinnern. Er fühlte sich schläfrig und legte eine Hand auf den Kennel, der neben ihm auf dem Rücksitz stand.
Monty. Mein einziger Trost.
Der flauschige Kater war sein treuester Gefährte und hatte stets ein Gespür dafür, wie es ihm ging. Rupert hatte ihn nicht in seiner Wohnung in London lassen wollen, er musste ihn einfach mitnehmen. Monty kam in die Jahre und dieser Gedanke machte Rupert noch mehr Angst vorm Leben, als er ohnehin schon hatte. Ein Leben ohne Monty war unvorstellbar. Und manchmal in den letzten Tagen, so wie gerade eben, überkamen ihn Gewissensbisse. Monty brauchte ihn. Oder redete er sich das nur ein? Wäre sein Kater ohne ihn vielleicht besser dran? Was hatte er ihm schon zu bieten, außer eine träge, kraulende Hand? Mit einem erschöpften Seufzen sah er auf das schlafende Tier, das sein Maunzkonzert schon vor geraumer Zeit aufgegeben hatte. Rupert war müde und die Fahrt schien endlos. Aber dann fuhren sie doch auf Cairnroch Estate ein.
Jetzt kam auch die Erinnerung wieder, zusammen mit der Feststellung, dass sich hier kaum etwas verändert hatte. Das zweistöckige Gebäude war immer noch weiß gestrichen, hatte ein graues Dach und graue Fensterrahmen. Unter der überdachten Terrasse vor dem Haus waren leere Blumentöpfe vor dem stürmischen Wetter in Sicherheit gebracht worden. Und gleich davor, vielleicht fünfzig Schritte und nur von einer Mauer gezähmt, lag die Meerenge, die Little Minch, die die Insel von den Äußeren Hebriden trennte. Rupert erinnerte sich, dass man manchmal den Rueval auf der Insel Benbecula sehen konnte, wenn man vom Haus über die Meerenge blickte, aber jetzt war alles in undurchdringliches Grau gehüllt. Er verspürte keine Lust, aus dem Auto auszusteigen. Gar keine.
Der Fahrer parkte so nahe wie möglich am Eingang und kämpfte mit der Autotür, die ihm der Wind gleich wieder zuschlagen wollte. Die Haustür wurde geöffnet und zwei Männer traten heraus, begannen geschäftig, das Gepäck aus dem Kofferraum auszuladen. Schließlich öffnete einer Ruperts Tür. Eine feuchte Böe wehte hinein und ließ ihn zurückweichen.
»Willkommen auf Cairnroch Estate, Mylord«, begrüßte er ihn. Es war Frederick, ein Butler, der für seine Familie arbeitete und schon vorher angereist war.
»Ja«, murmelte Rupert. Noch immer verspürte er keinen Drang, auszusteigen. Am liebsten würde er gerade für immer in diesem Auto sitzen bleiben.
»Ich würde Ihnen ja einen Schirm aufspannen, Mylord«, fuhr Frederick fort, »aber ich fürchte, der flöge gleich davon und ich mit ihm.«
»Schon in Ordnung.« Unmotiviert schnallte sich Rupert ab und griff nach dem Kennel mit Monty.
»Soll ich Ihnen das abnehmen, Mylord?«, erkundigte sich der Butler eifrig.
Rupert schüttelte stumm den Kopf, gab sich einen Ruck und stieg aus. Der eisige Regen, der ihm sofort ins Gesicht peitschte, sorgte für die nötige Motivation und er rannte so schnell wie möglich ins Haus. Der Butler und der andere Kerl folgten ihm und schlossen die Tür. Rupert atmete auf. Hier drinnen war es warm und heimelig auf eine etwas altmodische Art, mit niedrigen Decken und dicken, karierten Teppichen, ganz anders als in seiner modernen, Londoner Wohnung, die aus jeder Menge Glas und Edelstahl bestand. Aber es war gut. Jetzt war er erschöpft und wollte sich einfach nur ins Bett legen und schlafen. Leider gab es da etwas, was ihn davon abhielt, genau das sofort zu tun: Die Reihe von Bediensteten, die in der Eingangshalle standen und ihn neugierig beäugten.
»Der Viscount of Bainbridge«, verkündete der Butler ihnen wichtigtuerisch. »Mylord, darf ich Ihnen die guten Geister...
| Erscheint lt. Verlag | 4.6.2022 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | age gap • Depression • Depressionen • Enemies Lovers • gay romance • hurt comfort • Schottland • Scotland |
| ISBN-13 | 9783754661710 / 9783754661710 |
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