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Die Erwählte (eBook)

3. Auflage
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
475 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-7919-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Erwählte -  Alexander P. Dyle
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Alexander P. Dyle: Die Erwählte - Die Päpstin Johanna. Ein historischer Roman aus dem Frühmittelalter. Johanna, die Heldin der Geschichte, erlebt ein fulminantes Abenteuer, das sie von einem Dorf im fränkischen Reich über das Kloster Fulda bis nach Venedig führt. Um ihre Studien zu vertiefen, reist sie in das Reich von Byzanz, besucht Konstantinopel und studiert in Athen. Sie kehrt nach Italien zurück und macht in Rom eine beispiellose Karriere, doch ein Geheimnis überschattet ihr Leben. Und doch läuft alles fast perfekt - bis zum Tag der Volkswahl. Ein auf historischen Tatsachen beruhender Roman über den grössten Skandal des Mittelalters. Aktualisierte Auflage. Buchtrailer auf: https://www.youtube.com/@AlexanderPDyle

Alexander P. Dyle ist ein Pseudonym, gewählt für die historischen Romane. Er ist als Wissenschaftler und in der Geschichtsforschung tätig. https://www.alexanderdyle.com/

Die Prozession


Die päpstliche Messe zu Ostern des Jahres 858 war gut verlaufen, zumindest in Anbetracht der gesundheitlichen Verfassung, in der sich der Stellvertreter Christi befand. Nun war nur noch die Prozession zurück zum Lateranpalast zu überstehen…Der Papst zog sich zurück in die Sakristei, um dort die Priestergewänder gegen die Prunkgewänder auszutauschen. In der Sakristei angekommen, dachte der Pontifex Maximus bei sich:

„Wie gut, dass ich mir damals bei der Wahl ausbedungen hatte, mich in der Sakristei und auch sonst stets selber anzukleiden – als Zeichen der Demut.“

Der Papst zog die Kasel aus; sie war reich bestickt mit Goldfäden, die auf dem Rücken Christus am Kreuz darstellten, welchen der Papst den Gläubigen im Ritual während langer Zeit zugekehrt hatte. Doch dann hatte sich der Stellvertreter Christi umgedreht und das Kirchenvolk hatte die Vorderseite der Kassel gesehen, wie Jesus aus dem Grab auferstanden war. Die Auferstehung des Herrn wurde in der Stickerei bildlich vorgeführt.

Die Kasel war schwer wie eine Rüstung und fast so steif wie ein Schuppenpanzer der Karolinger… Der Papst legte sie auf den Tisch für den Diakon, der sie reinigen und verstauen würde.

Danach zog der Papst die Dalmatica aus, ebenfalls aus kostbarem Stoff, doch viel leichter, da aus wertvoll gewebten Stoffen gefertigt, die aus Konstantinopel stammten. Der Patriarch der Stadt hatte sie dem Heiligen Stuhl als Geschenk geschickt. Nun wechselte der Papst die Dalmatica und Albe aus. Der Pontifex maximus entschied sich für die Prozession für dickere Kleider, ebenfalls kostbar gearbeitet, denn das Wetter war im März des Jahres 858 noch recht frisch, daher wurde vom höheren Klerus eine Pluviale über den liturgischen Gewändern getragen.

Doch zunächst betrachtet sich der Stellvertreter Christi in einem Spiegel. Nur wenigen Menschen war dieses Privileg gegeben, sich in einem Spiegel betrachten zu können.

Der Griff zum Spiegel brachte eine Überraschung:

 „Ist es das viele Bleiweiss im Gesichtspuder oder die Facies hippocratica, das Zeichen des herannahenden Todes, die mich wie Blei erscheinen lässt?“

Das Spiegelbild war nicht hässlich, doch die letzten Monate hatten zunehmend ihre Spuren hinterlassen. Die Beschäftigung mit Spiegeln war in den vergangenen Monaten zu einer Obsession geworden.

„Warum habe ich mich damals, vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren, nicht rundweg geweigert, den Thron als Stellvertreter Christi zu besteigen? Man liess mir gar keine Wahl, die Masse des Volkes war so begeistert und die Abstimmung war so eindeutig, dass ich nicht ablehnen konnte.“ Bilder der Erinnerungen kamen an diesen schicksalhaften Tag vor das geistige Auge. Man sagte schon seit langem, der Tag an dem jemand zum Papst gewählt wurde, sei die grösste Veränderung im Leben eines Menschen. Doch wer wurde schon zum Papst erwählt – gerade im Begriff aus Rom zu fliehen? Zusammen mit Arnoldus und Lucia, welche eine Art Tochter geworden war…

Der Papst ergriff den Hirtenstab aus vergoldetem Silber und rief den Diakon herein, der die päpstliche Krone herbeibrachte.

Der Diakon sprach, als er die Krone auf das Haupt aufsetzte: „Empfange die Camelaucum und wisse, dass Du der Vater der Fürsten und Könige, der Lenker des Erdkreises und der Vikar Jesu Christi – unseres Erlösers auf Erden – bist.“

„Der Ostertag im März ist bislang erstaunlich gut verlaufen“, dachte der Papst, ein Wunder, war seine Gesundheit doch stark angeschlagen. Wiederholte Anfälle von Müdigkeit und leichter Verwirrtheit waren glücklicherweise von kaum jemandem bemerkt worden und vorbeigegangen.

Für die Rückreise von Sankt Peter zum Palast im Lateran war es üblich, dass der Papst und andere wichtige Würdenträger zu Pferd ritten. „Wie gut, dass ich diese Sitte geändert und mich dem Volk in einer Tragesänfte gezeigt habe.

Der Papst trat aus der Sakristei.

„Wir werden die Prozession in der offenen Sänfte absolvieren.“ sprach der Stellvertreter Christi zu den versammelten Kirchenführern, die vor der Sakristei warteten.

Anastasius, der Abt von Santa Maria in Trastevere und wichtiger Mitarbeiter in der päpstlichen Verwaltung, war da, ebenso Nikolaus, der Kardinaldiakon und ein wichtiger Mitarbeiter im persönlichen Stab und Hadrian, ein populärer Kardinalpriester, der schon zuvor mehrfach auf die Papstwahl verzichtet hatte. Als Grund hatte er jeweils seine Unwürdigkeit für das Amt angegeben. Hadrian hatte in seiner Jugend eine Frau namens Stephania geheiratet und war noch immer verheiratet gewesen, als er zum Priester geweiht worden war. Zudem hatte er eine Tochter. Weil sowohl das Sakrament der Ehe, als auch jenes der Priesterweihe heilig war, hatte Hadrian von Papst Sergius II. einen Dispens erhalten und konnte so wegen seiner Fähigkeiten in der Seelsorge dennoch Priester werden.

Auch Arnoldos war unter den engsten Mitarbeitern des aktuellen Papstes. Er war der Kämmerer seiner Heiligkeit.

„Wie gut, dass nur Arnoldus von den dunklen Geheimnissen in meiner Vergangenheit weiss.“ dachte der Papst bei sich.

Ein kurzes Reuegefühl stieg auf: „Ach, hätte ich damals alles offengelegt, dann wären mir das Amt und die Würde des Papsttums erspart geblieben.“ Doch unvermittelt setzte der gesunde Menschenverstand ein: „Meinen Fall hätte man nicht mit einem Dispens lösen können. Es blieb mir nichts anderes übrig, als zu Schweigen.“ Wenigstens teilte der Kämmerer, der auch als Beichtvater des Heiligen Vaters agierte, das Geheimnis. Kein Wunder, denn er war ja auch aktiv daran beteiligt gewesen.

Die Prozession zog los und überquerte die Brücke über den Tiber. Wie ein langer Tausendfüßler bewegte sich die Prozession der Priester und Gardesoldaten durch die Menschenmenge. In den früheren Jahren war der Papst aktiv beteiligt gewesen, hatte die Menge gesegnet, jedem zugelacht. Doch dieses Mal fiel dem Stellvertreter Christi es zunehmend schwer, sich auf das Kirchenvolk einzulassen.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dies sei ein endgültiger Übergang in eine andere Welt.“ dachte der Papst.

„Mitte Dreißig bin ich - und es gibt noch so viel zu tun. Der Kampf von Kaiser Ludwig gegen den Emir von Bari – Der Bau des Waisenhauses...“ Die Gedanken schweiften von der Prozession ab.

„Ich muss mich zusammenreissen und mich auf die Segnung des Volkes konzentrieren!“ ermahnte sich der oberste Kirchenfürst.

Doch schon kurz darauf waren die Gedanken wieder bei ganz anderen Dingen. „Was wohl aus meinem Bruder Johannes geworden ist? Warum bin ich heute nur so zerstreut?“

Die Prozession zog nun nach Süden, dem Tiber entlang und passierte in Sichtweite das Collegium Angelorum, die Niederlassung der Engländer in der heiligen Stadt. „Hier habe ich bei meiner ersten Ankunft in Rom gastfreundliche Aufnahme gefunden, wegen meines Namens, obschon ich im Norden des Frankenreiches geboren wurde…

Der Gedanke wurde durch einen stechenden Schmerz im Unterleib unterbrochen. Unbewusst legte der Pontifex die Hand auf die Stelle.

„Hoffentlich schaffe ich es bis zu meinen Privatgemächern, wo ich mich niederlegen kann.“

Die Prozession war schon recht nahe am Hügel zum Lateranpalast vorangekommen, die Strassen waren eng und das viele Kirchenvolk machte das Vorankommen schwierig. Die Sänfte schwankte daher heftig. Nun nahmen die Schmerzen zu, ebenso die Übelkeit. „Seltsam, ich sehe meine alte Kirche der Schola Graeca am Tiber vor mir. Zuvor habe ich sie bei den früheren Osterprozessionen nie sehen können. Vielleicht bilde ich mir es auch nur ein.“

Wieder stiegen Reuegedanken auf: „Hätte ich doch mit Arnoldus, meinem vertrauten Kämmerer die Flucht angetreten, so wie damals im Kloster in Fulda“. Dies war eine schöne Zeit gewesen, die Reise nach Griechenland, das Studium des Griechischen. „Doch hat es mich nicht nach Rom geführt und auf den Heiligen Stuhl gesetzt? Hätte ich kein Griechisch gekonnt, so wäre ein anderer Papst geworden. Vielleicht Anastasius, der es immer werden wollte, aber dem das Volk nicht zur Seite stand?“

„Alle meine Hoffnung ruht nun auf dem Arzt der mich bereits im Lateranpalast erwartet.“ Die Operation war bereits geplant und vorbereitet…

Erneuter Schwindel und Schmerzen im Unterleib unterbrachen die Gedanken. Ein Zucken durchfuhr den ganzen Körper. Der Stellvertreter Christi hoffte, niemand habe es bemerkt. Ein Lächeln, ein erneuter Segensgestus für die jubelnden Menschen.

Der Prozessionszug überquerte nun das Forum Romanum. Einst war hier das politische Zentrum eines Weltreiches gewesen, doch nun weideten oft Schafe auf den Ruinen des zerfallenen Römischen Reiches. Doch heute, am Tag der Osterprozession, kehrte für einen kurzen Zeitraum die Glorie der früheren Triumphzüge zurück. Das Kreuz des Herrn hatte über die Adler der Legionen triumphiert. Doch der Preis war hoch gewesen. Das Reich der Römer war trotz Christianisierung auseinandergebrochen und der westliche Teil untergegangen. Vieles war verlorengegangen. „Hier im Senatsgebäude hatte der Redner Cicero die Reden vorgetragen, mit denen ich mich befasst habe…“

Seltsame Gedanken kehrten zurück, als die Prozession das Forum verliess und sich durch den Triumphbogen des Kaisers Titus zum Kolosseum bewegte. „Habe ich wirklich das Leben gelebt, das ich wollte? Bin ich wirklich von Gott auserwählt worden, sein Stellvertreter auf Erden zu sein?“

„Wenn ich ehrlich zu mir bin, habe ich mein Leben so gelebt, wie ich es wollte – bis zu dem Tag, als ich...

Erscheint lt. Verlag 17.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Frühmittelalterroman • Johanna • Kirchenroman • Päpstin • Papsttum im Frühmittelalter
ISBN-10 3-7543-7919-4 / 3754379194
ISBN-13 978-3-7543-7919-6 / 9783754379196
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