Mondlichtfrauen (eBook)
512 Seiten
Piper ebooks (Verlag)
978-3-492-60258-7 (ISBN)
Barbara Davis war mehr als ein Jahrzehnt lang Führungskraft in der Schmuckbranche, bevor sie beschloss, ihrer lebenslangen Leidenschaft für das Schreiben nachzugehen. Sie stammt aus New Jersey, ist aber im Süden der USA aufgewachsen und lebt jetzt in Rochester, New Hampshire, mit ihrem Mann Tom und ihrem geliebten rot getigerten Kater Simon.
Barbara Davis war mehr als ein Jahrzehnt lang Führungskraft in der Schmuckbranche, bevor sie beschloss, ihrer lebenslangen Leidenschaft für das Schreiben nachzugehen. Sie stammt aus New Jersey, ist aber im Süden der USA aufgewachsen und lebt jetzt in Rochester, New Hampshire, mit ihrem Mann Tom und ihrem geliebten rot getigerten Kater Simon.
Eins
16. Juli
Althea Moon war tot.
So stand es in dem Brief. Gestorben in ihrem Bett. An einem Sonntagmorgen. Gestorben nach langer, schwerer Krankheit. Gestorben und eingeäschert, ihre Asche verstreut unter dem Vollmond, wie es ihr Testament vorsah.
Um Lizzy herum verschwamm alles, als sie durch einen Tränenschleier hindurch den Brief überflog. Die knappen Zeilen bildeten Schlieren auf dem Papier. Da der aktuelle Aufenthaltsort Ihrer Mutter nicht bekannt ist, wurde Ihnen der alleinige Besitz von Moon Girl Farm übertragen. Ich sende Ihnen gemäß dem letzten Wunsch Ihrer Großmutter dieses Paket zu.
Am Briefende fand sich eine Unterschrift: Evangeline Broussard. Der Name sagte ihr nichts, aber diese fremde Frau wusste eindeutig mehr über Altheas letzte Tage als sie selbst. Sie hatte ja nicht einmal gewusst, dass ihre Großmutter krank gewesen war.
Lizzy schluckte die Tränen hinunter, und der salzige Geschmack mischte sich auf ihrer Zunge mit Schuldgefühlen und Trauer. Sie griff nach dem Paket, das zu dem Brief gehörte. Es war in braunes Papier eingeschlagen und wirkte mitgenommen. Sie starrte die Worte an, die in roter Farbe auf das Paket gedruckt worden waren: Zurück an den Absender. Offenbar hatte man es an ihre alte Adresse gesandt und dann retour geschickt, bevor man es an ihr Büro weitergeleitet hatte.
Sie hatte Althea ihre neue Adresse mitteilen wollen, aber wie so vieles in letzter Zeit war es ihr entfallen. Mit angehaltenem Atem riss sie das Packpapier auf und atmete scharf ein, als sie das geprägte schwarze Leder erblickte. Dieses Buch kannte sie. Es war das Tagebuch, das Althea ihr zu ihrem sechzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Das Tagebuch, das alle Moon-Töchter an ihrem sechzehnten Geburtstag erhielten.
Mit zitternden Fingern strich sie über den Deckel, den gerippten Buchrücken und die Seiten aus Büttenpapier mit ihrem rauen Rand. Sie wusste genau, wie sie sich anfühlten. In Salem Creek standen im Lesezimmer ihrer Großmutter – verschlossen in einem Bücherschrank – acht weitere Bücher genau wie dieses, alle benannt nach ihrer Autorin. Das Buch von Sabine. Das Buch von Dorothée. Das Buch von Aurore. Eines für jede Generationen. Das neunte, das Buch von Althea, hatte jetzt vermutlich seinen Platz unter ihnen eingenommen.
Es war eine Tradition der Moon-Familie, ein Initiationsritus für jede, die sich dem Pfad verschrieb. Gewissenhaft geführte Bände voller Heilmittel und Rezepte, Segnungen und Fragmenten weiblicher Weisheit, all das sorgsam für künftige Generationen aufbewahrt. Nun hielt sie ihres in der Hand, ungewollt und so leer wie an dem Tag, an dem sie es bekommen hatte.
Vorsichtig schlug sie es auf und las die Widmung: Für Elzibeth. Es ist an der Zeit, dass Du Deine Geschichte schreibst.
Nicht Elizabeth. Elzibeth. Nicht einmal ihr Name war normal.
Mit sechzehn hatte sie nichts mit der Tradition oder mit dem seltsamen Erbe ihrer Familie zu tun haben wollen. Sie hatte normal sein wollen. Deshalb hatte sie das Tagebuch in ein Schubfach gelegt und ignoriert.
Jetzt lag es nach all den Jahren in ihren Händen, als würde es sie anklagen – eine Erinnerung daran, dass sie all den Dingen den Rücken gekehrt hatte, an die ihre Großmutter geglaubt, die sie durchlebt und gelehrt hatte. Althea zuliebe hätte sie es vortäuschen können, hätte machen können, was man von ihr erwartete: das Tagebuch mit albernem Gekritzel füllen. Selbst normale Mädchen führten Tagebücher, rosa Dinger mit Herzen auf dem Einband und zierlichen Schlössern, um andere vom Schnüffeln abzuhalten. Aber sie war zu stur gewesen, um mitzuspielen, sie wollte um jeden Preis mit der Moon-Tradition brechen und ihre eigene Zukunft gestalten. Was ihr, dem glänzenden, neuen Schild an ihrer Tür nach zu urteilen, auch gelungen war. Noch als Studentin an der Dickerson University hatte sie bei Worldwide ein Praktikum gemacht und es danach innerhalb von acht Jahren beim Kosmetikkonzern Chenier Fragrances, Ltd. zur Creative Director gebracht.
Selbst sechs Monate nach ihrer Beförderung hatte sie sich noch immer nicht in ihrer neuen Position und den vielen Veränderungen in ihrem Leben zurechtgefunden. Ihr hatte die Zeit gefehlt, Althea Bescheid zu sagen. Zumindest hatte sie sich das eingeredet. Die Wahrheit war jedoch, dass sie in den letzten Jahren immer seltener miteinander geredet hatten. Nicht, weil sie zu bequem gewesen wäre, sondern wegen ihrer Schuldgefühle. Es hatte sich falsch angefühlt, sich mit den eigenen Erfolgen zu brüsten, während ihre Großmutter zusehen musste, wie ihre geliebte Farm – ihr Lebenswerk – unterzugehen drohte. Deshalb hatte sie sich eingeredet, dass die Schecks, die sie Althea schickte, ihre achtjährige Abwesenheit ebenso aufwiegen würden wie die unbeantworteten Briefe oder die viel zu seltenen Anrufe. Natürlich hatten sie nicht ausgereicht. Nichts hätte ausgereicht. Und jetzt war es zu spät.
Lizzy versuchte, es zu begreifen – eine Welt ohne Althea Moon –, aber es gelang ihr nicht. Wie könnte diese weise Frau voller Leben und Liebe fort sein? Eine Frau, die der Erde, die sie geliebt und um die sie sich gekümmert hatte, entsprungen zu sein schien.
Althea hatte ihr nicht gesagt, dass sie krank war. Nicht ein einziges Mal in all den langen Briefen mit den unzähligen Neuigkeiten. Evangeline Broussard hatte jedoch in ihrem Brief eine lange Krankheit erwähnt. Warum hatte Althea das vor ihr verheimlicht?
»Da bist du ja endlich!«
Lizzy blinzelte die Tränen weg, erschrocken, dass Luc Chenier in der Tür zu ihrem Büro stand. Er hatte sich die Haare schneiden lassen und wirkte in seinem maßgeschneiderten schwarzen Anzug von Brioni noch umwerfender als sonst. Das wusste er, was sie früher, als sie noch zusammen gewesen waren, genervt hatte, jetzt aber nicht mehr kümmerte.
Sie schluckte die Tränen runter. Dass der Mann, der gerade erst grünes Licht für ihre Beförderung gegeben hatte, sie dabei erwischte, wie sie an ihrem Schreibtisch saß und heulte, war das Letzte, was sie jetzt brauchte. Schlimmer wären nur noch die Fragen, mit denen er sie löchern würde, sollte er den Eindruck haben, sie würde etwas vor ihm verbergen. Sie sah zu ihm hoch und hoffte inständig, gelassen zu wirken, als sie das Tagebuch in ihrem Schoß versteckte.
»Brauchst du etwas?«
Er setzte ein strahlendes Lächeln auf. Wie es schien, hatte er vor Kurzem seine Zähne bleichen lassen. »Ich wollte mit dir in die Mittagspause, aber man hat mir gesagt, du hättest ein Meeting.«
»Ich war in der Marketingabteilung, um mir die Entwürfe für die nächste Werbekampagne anzusehen. Wir sind zwar noch nicht so weit, sollten aber …«
Luc unterbrach sie mit einer Geste. »Lass uns nach der Arbeit zusammen essen gehen. Ein Abendessen wäre sogar noch besser als ein gemeinsamer Lunch, meinst du nicht auch?«
Das tat sie nicht, allerdings überraschte es sie nicht, dass er es annahm. Er war daran gewöhnt, zu bekommen, was er wollte. Und wie sollte es auch anders sein? Dem Mann strömte der Charme aus den Poren. Außerdem sah er aus wie Johnny Depp ohne Eyeliner und sprach mit dem Akzent seiner französischen Mutter, beides ebenfalls nicht zu verachten. Nur hatte all das für sie rasch seinen Reiz verloren.
Sie waren bemüht gewesen, ihre Geschichte unter Verschluss zu halten. Sie hatten nicht am Arbeitsplatz geflirtet oder öffentlich ihre Zuneigung zur Schau gestellt. Sie hatten sich nie ohne Spreadsheet oder PowerPoint-Präsentation zum Mittag getroffen. Aber nachdem Lizzys Beförderung verkündet worden war, hatten sie im Daniel gefeiert und waren Reynold Ackerman in die Arme gelaufen, einem Anwalt aus der Rechtsabteilung, der zufällig anlässlich seines zwanzigsten Hochzeitstages mit seiner Frau da gewesen war. In dem Moment hatte sie gewusst, dass sie eine Entscheidung treffen musste: Entweder sie beendete die Sache, oder sie führte eine typische Büro-Affäre.
Am nächsten Tag hatte sie Luc den Laufpass gegeben. Er hatte es ganz gut...
| Erscheint lt. Verlag | 1.12.2022 |
|---|---|
| Übersetzer | Bettina Ain |
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Schlagworte | Alice Hoffman • cottagecore • Familiengeheimnis • Familienroman • Fantasyelemente • Frauenroman • geheimes Tagebuch • Kräuterheilkunde • Liebe • Liebesroman • Magischer Realismus • Mutter-Tochter-Beziehung • Neuanfang • Neuengland • Nora Roberts • Parfüm • Starke Frauen • Zweite Chance |
| ISBN-10 | 3-492-60258-4 / 3492602584 |
| ISBN-13 | 978-3-492-60258-7 / 9783492602587 |
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