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Charles Dickens - Die besten Geschichten (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
Anaconda Verlag
978-3-641-29845-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Charles Dickens - Die besten Geschichten - Charles Dickens
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Beim großen englischen Schriftsteller Charles Dickens denkt man zunächst an seine Romane. Doch wie David Copperfield oder Oliver Twist begeistern auch seine Erzählungen durch die einprägsamen Charaktere und pointierten Figurenzeichnungen. Besonders deutlich wird in ihnen aber die Vielseitigkeit des Autors: Denn neben gesellschaftskritischen Skizzen und Portraits stehen in dieser Ausgabe auch Kriminalerzählungen und einige seiner besten Geistergeschichten.

Charles Dickens (1812-1870), geboren in Landport bei Portsea, wuchs in Chatham bei London auf. Als er elf Jahre alt war, musste sein Vater wegen nicht eingelöster Schuldscheine ins Schuldgefängnis; seine Mutter folgte ihm mit Charles' Geschwistern dorthin. Charles, das zweitälteste Kind, musste währenddessen in einer Schuhwichsfabrik arbeiten. Erst als der Vater nach einigen Monaten entlassen wurde, besuchte Charles wieder eine Schule. Mit fünfzehn begann er in einem Rechtsanwaltsbüro als Gehilfe zu arbeiten, später wurde er Zeitungsreporter.

Seine schriftstellerische Karriere begann er mit seinen Skizzen des Londoner Alltagslebens, die unter dem Titel 'Sketches by Boz' 1836 in Buchform erschienen. Seine 'Pickwick Papers' folgten ein Jahr später und machten Dickens über England hinaus berühmt. Anschließend entstanden in rascher Folge die ersten Romane, u.a. 'Oliver Twist' und 'Nicholas Nickleby'. Dickens wurde Herausgeber der liberalen Londoner Zeitung 'Daily News', reiste in die USA und nach Italien und verfasste 1848/1849 'David Copperfield', der viel autobiographisches Material enthält.

Dickens' liebevolle Schilderungen menschlicher Schwächen, sein Kosmos skurriler und schrulliger englischer 'Originale' und die satirische Anprangerung sozialer Missstände machten ihn bereits zu Lebzeiten zu einem der beliebtesten Romanciers der Weltliteratur. Seine Bücher brachten ihm außerdem beträchtlichen Wohlstand ein. Seit 1860 lebte er auf seinem Landsitz Gad's Hill Place in Kent, wo er im Alter von nur 58 Jahren an einem Schlaganfall starb.

Auf den Straßen Londons – morgens

Eine Stunde vor Sonnenaufgang an einem Sommermorgen geben die Straßen von London ein bemerkenswertes Bild ab, auch für die Wenigen, denen diese Szenerie längst vertraut ist, weil sie vergeblich auf Vergnügen oder nahezu ebenso vergeblich auf Geschäfte aus sind. Die sonst so überfüllten Straßen, von denen wir dichtes Gedränge gewohnt sind, scheinen wie leer gefegt; und über die verlassenen, verbarrikadierten Gebäude, in denen bei Tag reges Treiben herrscht, legt sich eine triste, kalte Trostlosigkeit, die etwas äußerst Eindringliches an sich hat.

Der letzte Betrunkene, der vor Sonnenaufgang den Weg nach Hause findet, ist mit schweren Schritten vorbeigewankt, und das Trinklied vom Abend zuvor, das er dabei grölt, gerade erst verhallt. Der letzte obdachlose Vagabund, den Armut und Ordnungshüter der Straße überließen, hat sich frierend in einer Ecke auf dem Bürgersteig zusammengerollt und träumt von einer warmen Mahlzeit und einem Dach über dem Kopf. Volltrunkene, Nachtschwärmer und Verarmte sind nirgends mehr zu sehen. Der nüchternere Teil der Bevölkerung, der ein geordnetes Leben führt, ist noch nicht auf den Beinen, um den Weg zur Arbeit anzutreten; eine Totenstille senkt sich über die Straßen und scheint ­ihnen ihre Farbe zu verleihen – so kalt und leblos wie sie im grauen, düsteren Licht bei Tagesanbruch daliegen. Die Kutschenstationen an den zugänglicheren Straßen sind verlassen, die Nachtlokale geschlossen und die einschlägigen Meilen, wo man nachts dem lasterhaften Elend frönt, verwaist.

Ab und zu sieht man einen vereinzelten Polizisten, dessen gleichgültiger Blick sich in der verlassenen Umgebung verliert. Hier und da schleicht eine verwegen anmutende Katze verstohlen über die Straße und verlässt gleicher­maßen vorsichtig wie listig das eigene Terrain – indem sie zunächst auf eine Regentonne, von dort aus auf einen Abfalleimer und schließlich auf den Bordstein springt –, als sei ihr bewusst, dass ihr guter Ruf davon abhängt, ihr wagemutiges Unterfangen zu dieser vorgerückten Stunde vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen. Das eine oder andere halb geöffnete Fenster zeugt von der Sommerhitze in einem Schlafzimmer und dem unruhigen Schlaf seines Bewohners; das spärliche, unruhige Flackern von Kerzenlicht durch einen Fensterladen lässt ein Krankenzimmer oder eine Totenwache vermuten. Doch bis auf solche wenigen Ausnahmen regt sich in den Straßen ebenso wenig wie in den Behausungen.

Eine Stunde ist schnell vorüber. Die Kirchturmspitzen und die Dächer der imposanten Gebäude schimmern bereits im schwachen Licht der aufgehenden Sonne, und kaum merklich füllen sich die Straßen mehr und mehr mit Leben und Betriebsamkeit. Marktkarren rollen gemächlich vorbei, während der schläfrige Fuhrmann voller Ungeduld die noch trägen Pferde antreibt oder vergebens versucht, den jungen Gehilfen wachzurütteln, der es sich auf den Gemüsekörben bequem gemacht hat und in seligem Schlummer die Attraktionen Londons verpasst, denen er schon so lange voller Neugier entgegengesehen hatte.

Raue, schlaftrunkene Gestalten von befremd­lichem Erscheinen, die nach Stallburschen oder Droschkenkutschern aussehen, nehmen die Läden vor den Schankwirtschaften herunter, und an den gewohnten Orten werden kleine Tischchen aufgestellt, um die üblichen Vorbereitungen für ein Frühstück auf der Straße zu treffen. Scharenweise balancieren Männer und Frauen (zumeist Letztere) schwere Gemüsekörbe ab auf ihren Köpfen, um sie mit Mühe entlang des Parks von Piccadilly nach Covent Garden und von dort aus reihenweise hastig weiter zum Abzweig der Straße nach Knightsbridge zu schleppen.

Ab und zu trifft man auf einen Bauarbeiter, der auf dem Weg zur Arbeit schnellen Schritts sein täglich Brot in einem Taschentuch verschnürt vor sich herträgt; manchmal auch auf ein Grüppchen von drei oder vier Schuljungen, die unterwegs zu einem heimlichen Badeausflug munter über den Bürgersteig laufen und verständlicherweise um einiges fröhlicher erscheinen als der ebenso junge Kaminkehrer, der, nachdem er an die Tür klopfen musste, bis ihm der Arm schmerzt – dank eines gnädigen Gesetzes ist es ihm verboten, durch lautes Rufen seine ohnehin schon geschundenen Lungen überzustrapazieren – nun geduldig wartend auf der Treppe sitzt, bis das Hausmädchen aufzuwachen geruht.

Der Markt von Covent Garden und die breiten Straßen, die dorthin führen, wimmeln von Gefährten jeglicher Bauart, Größe und Bestimmung – von den schweren Fuhrwerken der Holzfäller mit vier stämmigen Gäulen bis zu den scheppernden Karren der Straßenhändler, vor die ein ausgezehrter Esel gespannt ist. Längst sind die Bürgersteige übersät mit welken Kohlblättern, aufgerissenen Heuballen und all dem unbeschreiblichen Abfall eines Gemüsemarkts. Männer rufen, Fuhrwerke setzen zurück, Pferde wiehern, Jungen raufen, Frauen mit Einkaufskörben schwatzen, Bäcker preisen ihre köstlichen Pasteten an und die Esel schreien. All diese und hundert andere Geräusche verschmelzen zu einer Kakophonie, die schon für Londoner Ohren zu viel und für die Gentlemen vom Land, die zum ersten Mal im nahe gelegenen Hummums Hotel nächtigen, kaum auszuhalten sein muss.

So vergeht eine weitere Stunde und dann fängt der Tag erst richtig an. Das Mädchen für alles, das tief und fest zu schlafen vorgab, um »Missis’« Läuten eine halbe Stunde lang geflissentlich zu überhören, wird vom Master persönlich (der, noch im Morgenrock, von Missis eigens zu diesem Zweck zum Dachgeschoss hinaufgeschickt wurde) ermahnt, es sei schon halb sieben, woraufhin es mit geübt vorgetäuschtem Erstaunen aufschreckt, mürrisch die Treppe hinuntersteigt und, während es mit dem Funkeneisen hantiert, wünscht, das Prinzip der Selbstentzündung würde auch für Kohle und Kochherde gelten. Sobald das Feuer entfacht ist, öffnet es die Tür zur Straße, um die Milch hereinzuholen, und stellt fest, dass durch den erstaunlichsten Zufall der Welt das Dienstmädchen von nebenan auch gerade die Milch hereinholt und durch einen mindestens ebenso großen Zufall der junge Geselle aus Mr Todds Bäckerei gegenüber gerade dabei ist, die Läden herunterzunehmen. Daraus folgt unausweichlich, dass unser Dienstmädchen schnell nach nebenan huscht, um Betsy Clark »Guten Morgen« zu sagen, und Mr Todds junger Geselle rasch die Straße überquert, um den beiden Mädchen ebenfalls einen »Guten Morgen« zu wünschen; und da besagter Geselle fast genauso gutaussehend und ­anziehend ist wie Bäckermeister Todd höchstpersönlich, wird die Unterhaltung sogleich interessant und wäre es sicher noch umso mehr geworden, hätte nicht Betsy Clarks ­Missis, die ihr ständig auf den Fersen ist, verärgert gegen ihr Schlafzimmerfenster geklopft, woraufhin Mr Todds Geselle lässig vor sich hin pfeifend schneller zur Bäckerei seines Dienstherrn zurückgeht als er von dort gekommen ist. Die beiden Dienstmädchen eilen zurück in ihre jeweiligen Häuser und schließen überraschend lautlos die Türen hinter sich, um kaum eine Minute später unter dem Vorwand, nach dem Postboten sehen zu wollen – der natürlich genau in diesem Moment vorbeikommt –, die Köpfe aus den zur Straßenseite gelegenen Wohnzimmerfenstern zu stecken und noch einen Blick auf Mr Todds jungen Gesellen zu erhaschen, der sich vordergründig zwar auch für den Briefträger interessiert, weit mehr allerdings für die Rockträgerinnen, sodass er der Post bloß einen flüchtigen, den beiden Dienstmädchen jedoch einen umso längeren Blick schenkt, was schließlich alle Beteiligten überaus zufriedenstellt.

Der Postbote selbst fährt pünktlich weiter zur Kutschenstation, und die Fahrgäste, die dort in die frühmorgend­liche Kutsche einsteigen, schauen verwundert auf die Reisenden, die aus der frühmorgendlichen Kutsche aussteigen. Denn Letztere geben ein kläg­liches Bild ab, ganz offenbar ergriffen von jenem befremdlichen Gefühl des Reisens, das die Ereignisse des gestrigen Morgens erscheinen lässt, als wären sie bereits vor sechs Monaten geschehen – sodass sich den Rückkehrern nun die gewichtige Frage aufdrängt, ob bei den Verwandten und Bekannten, von denen sie sich zwei Wochen zuvor verabschiedet haben, noch weitgehend alles beim Alten ist. An der Kutschenstation herrscht gehöriger Trubel, denn um die Kutschen, die im Begriff sind loszufahren, drängen sich wie üblich die Straßenhändler, die – weiß der Himmel warum – die Ansicht vertreten, als Reisender könne man keinesfalls eine Kutsche besteigen, ohne nicht zumindest ein günstiges Netz Orangen, ein Taschenmesser, ein Notizbuch, das letzte Jahresmagazin, ein Federmäppchen, einen Schwamm und eine kleine Karikaturen-­Sammlung bei sich zu haben.

Eine halbe Stunde später strahlt die Sonne schon auf die noch halb leeren Straßen, und sie scheint mit solcher Kraft, dass der Lehrling immer träger wird und beim Ausfegen des Ladens und Schrubben des Bürgersteigs vor dem Eingang ein um die andere Minute Pause macht, um dem Lehrling von nebenan, der mit der gleichen Aufgabe betraut worden ist, zu sagen, wie heiß dieser Tag noch werden wird; oder mit einer Hand zum Schutz gegen die Sonne über die Augen gelegt und der anderen auf den Besen gestützt der »Wunderwelt« oder der »Hallali« oder der »Nimrod« oder sonst einer schnellen Kutsche hinterherstarrt, bis sie außer Sicht ist; und während er in den Laden zurückgeht, denkt er, wie gut es doch die Reisenden in diesen schnellen Kutschen auf dem Weg aus der Stadt hinaus haben – wobei er sogleich das alte Backsteingebäude auf dem Land vor Augen hat, in dem er einst zur Schule ging: Die bittere Armut mit Milch und Wasser und dicker Brotsuppe gerät in...

Erscheint lt. Verlag 25.1.2023
Übersetzer Heike Holtsch, Bernd Samland
Sprache deutsch
Original-Titel The Great Stories
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2023 • David Copperfield • Detektivgeschichte • Dickens neue Übersetzung • eBooks • Englische Klassiker • Englische Literatur • englischer Schriftsteller • Erzählungen von Charles Dickens • Gesellschaftskritik • Gesellschaftssatire • Gespenstergeschichten • Kurzgeschichten • Neuerscheinung • Oliver Twist • viktorianisches England • Weihnachtsgeschichte
ISBN-10 3-641-29845-8 / 3641298458
ISBN-13 978-3-641-29845-6 / 9783641298456
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