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Die Süße von Wasser (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
444 Seiten
Eichborn AG (Verlag)
978-3-7517-2898-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Süße von Wasser -  Nathan Harris
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Georgia in den Nachwehen des Amerikanischen Bürgerkriegs: Ein aus der Sklaverei befreites, aber mittelloses Brüderpaar verdingt sich auf einer Farm, deren Besitzer um seinen im Krieg gefallenen Sohn trauert. Zwischen den dreien entwickelt sich eine zarte, bis dahin undenkbare Freundschaft. Doch nicht alle Bewohner von Old Ox sehen solche neuartigen Allianzen gern. Nicht lange, und die Angst vor der neuen Welt bricht sich Bahn in blinder Raserei.

Mit großem psychologischen Feingefühl erschafft Nathan Harris unverwechselbare Figuren und beschwört die erbarmungslose Zeit des Wiederaufbaus herauf. So fesselnd wie berührend, grandios komponiert und sprachlich brillant - ein fulminantes Epos!



<p><i><strong>Nathan Harris, </strong></i>Jahrgang 1991, erhielt seinen Master am renommierten Michener Center for Writers an der University of Texas. <strong>DIE SÜSSE VON WASSER</strong> ist sein erster Roman und sorgte in den USA direkt nach Erscheinen für großes Aufsehen. Er stieg sofort auf die <i><b>NEW-YORK-TIMES</b></i>-Bestsellerliste ein und stand, neben vielen weiteren Auszeichnungen, auf der Longlist des Booker Prize 2021 sowie des Dylan Thomas Prize 2022. Die National Book Foundation ernannte Nathan Harris zu einem der »5 under 35«-Talente 2021. Er lebt in Seattle.</p>

Nathan Harris, Jahrgang 1991, erhielt seinen Master am renommierten Michener Center for Writers an der University of Texas. Sein Debütroman Die SüßE von Wasser sorgte in den USA direkt nach Erscheinen für großes Aufsehen und stieg sofort auf die New-York-Times-Bestellerliste ein. Neben vielen weiteren Auszeichnungen stand der Roman u. a. auf der Longlist für den Booker Prize 2021. Nathan Harris lebt in Seattle.

KAPITEL 1


Ein ganzer Tag war vergangen, seit George Walker mit seiner Frau gesprochen hatte. Am Morgen war er in den Wald aufgebrochen, um einem Tier nachzuspüren, das ihm seit seiner Kindheit immer wieder entwischte, und nun brach die Nacht herein. Er hatte das Tier vor seinem geistigen Auge gesehen, als er morgens erwacht war, und die Suche nach ihm versetzte ihn in solch eine beglückende Abenteuerstimmung, dass er den ganzen Tag lang nicht ans Heimkehren denken wollte. Dies war seit Frühlingsbeginn die erste seiner Exkursionen, und als er über zerbrochene Kiefernnadeln und vom Morgenregen aufgequollene Pilze wanderte, stieß er auf ein Stück Land, das er noch nicht vollständig erkundet hatte. Das Tier, da war er sich sicher, war immer nur einen Schritt davon entfernt, in sein Sichtfeld zu geraten.

Das Land, das sein Vater ihm vererbt hatte, maß über achtzig Hektar. Die großen Roteichen und Walnussbäume rings um sein Zuhause dämpften die Sonne zu einem weichen Flimmern am Himmel, das zwischen ihren Ästen hindurchfiel. Viele von ihnen vertraut wie Wegweiser, seit der Kindheit jahrelang oft betrachtet.

Das Gestrüpp, das George durchquerte, reichte ihm bis zum Bauch und war voller Kletten, die an seiner Hose hängen blieben. Seit einigen Jahren machte ihm seine Hüfte zu schaffen, was er darauf schob, dass er sich einmal beim Verlassen seiner Blockhütte auf dem Waldboden vertreten hatte; doch er wusste, dass er sich etwas vorlog: Die Schmerzen waren beharrlich und stetig wie das Alter selbst gekommen – etwas Natürliches, wie die Falten in seinem Gesicht, das Weiß in seinem Haar. Sie machten ihn langsam, und als er sich eine Atempause gönnte und die Umgebung in sich aufnahm, bemerkte er, dass sich Stille über den Wald gesenkt hatte. Die Sonne, noch vor wenigen Augenblicken hoch über seinem Kopf, hing nun als blasser Ball kaum sichtbar über dem anderen Ende des Tals.

»Na, so was.«

Er hatte keine Ahnung, wo er war. Seine Hüfte schmerzte, als wäre etwas darin gefangen, das zu entkommen versuchte. Sein Gaumen war so trocken, dass seine Zunge daran kleben blieb, und bald übermannte ihn das Verlangen nach Wasser. Er setzte sich auf einen kleinen Holzstamm und beschloss zu warten, bis es vollkommen dunkel war. Wenn die Wolken sich verzogen, würden die Sterne hervorkommen, und das war alles, was er brauchte, um nach Hause zu finden. Selbst die größte Fehlkalkulation würde ihn immer noch nach Old Ox bringen, und auch wenn ihm die Vorstellung zuwider war, diesen hoffnungslos jämmerlichen Gestalten in der Stadt zu begegnen, würde ihm zumindest irgendjemand ein Pferd borgen, mit dem er nach Hause zurückkehren konnte.

Einen Moment lang dachte er an seine Frau. Normalerweise kehrte er um diese Zeit nach Hause zurück, die letzten paar Schritte von der Kerze geleitet, die Isabelle auf die Fensterbank gestellt hatte. Oft verzieh sie ihm sein langes Fernbleiben erst nach einer langen wortlosen Umarmung, auch wenn die verschmierten Handabdrücke von schwarzem Baumsaft, die er auf ihrem Kleid hinterließ, sie erneut verärgerten.

Der Holzstamm unter George brach ächzend entzwei, und er fiel mit dem Hinterteil auf den nassen Waldboden dahinter. Erst als er sich aufrichtete, um seine Hose abzuklopfen, sah er sie vor sich sitzen. Zwei Schwarze, auf die gleiche Weise gekleidet: weiße, aufgeknöpfte Baumwollhemden, Hosen so zerlumpt, als steckten ihre Beine in zusammengenähten Jutesäcken. Sie standen reglos da, und hätte sich die Decke, die sie vor sich aufgehängt hatten, nicht im Wind bewegt wie eine Fahne, die ihre Anwesenheit verkündete, wären sie vielleicht ganz mit dem Hintergrund verschmolzen.

Der Näherstehende sprach ihn an.

»Wir haben uns verirrt, Sir. Kümmern Sie sich nicht um uns. Wir ziehen weiter.«

George konnte sie jetzt deutlicher erkennen, und es waren weniger die Worte des jungen Mannes, die ihm nahegingen, als die Tatsache, dass er im selben Alter war wie sein Caleb. Dass er und sein Begleiter sich auf seinem Grund und Boden befanden, war George vollkommen gleichgültig. Das nervöse Beben in der Stimme des Mannes, der umherhuschende Blick, wie bei einem Tier, das sich vor einem Raubtier versteckt, weckten Georges Mitgefühl – den vielleicht einzigen kleinen Rest, der in seinem gebrochenen Herzen übrig war.

»Wo kommt ihr denn her?«

»Wir gehören Mr Morton. Also, gehörten.«

Ted Morton war ein Dummkopf, ein Mann, der eine Geige eher auf seinem Kopf zerschmettern würde, um sie zum Klingen zu bringen, als den Bogen über die Saiten zu streichen. Sein Grundstück grenzte an Georges, und wenn irgendein Problem auftrat – meist in Form eines Ausreißers –, veranstaltete er ein so unangenehmes Spektakel mit bewaffneten Aufsehern, großschnäuzigen Hunden und Laternen, deren heller Schein den gesamten Haushalt wach hielt, dass George den Umgang mit dieser Familie meist Isabelle überließ und sich selbst die Tortur ersparte. Doch der Umstand, Mortons ehemalige Besitztümer auf seinem Land vorzufinden, barg eine erfreuliche Ironie: Wegen der Emanzipationsproklamation musste der Blödmann hilflos mit ansehen, wie sie fortzogen, und trotz all seiner zur Schau gestellten Macht stand es diesen beiden Männern nun frei, sich genauso zu verirren, wie George es gerade getan hatte.

»Entschuldigen Sie«, sagte der Mann jetzt.

Sie fingen an, ihre Decke einzurollen und ein kleines Messer, ein paar Streifen Rindfleisch und etwas Brot zusammenzupacken, hielten jedoch inne, als George auf sie zutrat. Sein Blick wanderte über den Boden vor sich, als würde er etwas suchen.

»Ich bin einem ziemlich großen Tier gefolgt«, sagte er. »Schwarz, soll angeblich auf zwei Beinen stehen können, aber ist meist auf allen vieren zu finden. Es ist Jahre her, dass ich es mit eigenen Augen gesehen habe, aber es erscheint mir oft, wenn ich aufwache – als wollte es mir zu verstehen geben, dass es ganz in der Nähe ist. Manchmal nicke ich auf meiner Veranda ein und die Erinnerung an das Tier ist so stark, so klar, dass sie wie ein Echo in meinem Kopf und in meinen Träumen nachhallt. Was meine Suche nach ihm angeht, so muss ich leider sagen, dass es bisher die Oberhand hat.«

Die beiden sahen einander an, dann wieder George.

»Das … Also, das ist verdammt merkwürdig«, sagte der näher stehende Mann.

Im letzten Rest des Tageslichts konnte George den anderen, größeren Mann erkennen, dessen sanfte Augen so wenig Emotionen verrieten, dass er George ein wenig einfältig erschien. Sein Unterkiefer klaffte weit offen, sodass die obere Zahnreihe zu sehen war. Das Reden übernahm weiterhin der andere, kleinere Mann.

George fragte sie nach ihren Namen.

»Das hier ist mein Bruder Landry. Ich bin Prentiss.«

»Prentiss. War das Teds Idee?«

Prentiss sah Landry an, als könne der mehr dazu sagen.

»Ich weiß es nicht, Sir. Ich wurde mit diesem Namen geboren. Entweder er war’s oder die Missus.«

»Ich denke mal, es war Ted. Ich bin George Walker. Ihr habt nicht zufällig ein bisschen Wasser dabei?«

Prentiss reichte ihm eine Feldflasche, und George war sich bewusst, dass von ihm erwartet wurde, sie zu befragen, herauszufinden, warum sie hier auf seinem Land waren, doch derlei Dinge nahmen so wenig Raum in seinen Gedanken ein, dass es ihm vorkam wie Verschwendung der wenigen Energie, die ihm noch blieb. Was andere Männer taten, interessierte ihn kaum, und diese Gleichgültigkeit war der Hauptgrund dafür, dass er fernab von jeglicher Gesellschaft lebte. Wie so oft war er mit den Gedanken woanders.

»Sieht aus, als wärt ihr schon länger hier. Ihr habt nicht – ihr habt nicht zufällig das Tier gesehen, von dem ich sprach?«

Prentiss sah George einen Moment lang an, doch dann wurde George klar, dass der Blick des jungen Mannes auf irgendetwas hinter ihm gerichtet war.

»Leider nicht. Mr Morton hat mich manchmal auf Jagdausflüge mitgenommen, da hab ich alles Mögliche gesehen, aber nie das, was Sie da beschreiben. Meist war’s nur Geflügel. Die Hunde sind mit den Vögeln im Maul zurückgekommen, die noch gezittert haben, und ich musste sie mit den anderen zusammenbinden und sie auf dem Rücken nach Hause schleppen. Das waren so viele, dass man mich vor lauter Federn nicht mehr gesehen hat. Die anderen Jungs waren neidisch, weil ich einen Tag lang rauskonnte, aber die hatten keine Ahnung. Wär lieber auf dem Feld geblieben, als diese Last auf dem Buckel zu schleppen.«

»Das ist nicht ohne«, sagte George, der sich das Bild vorstellte. »Wirklich nicht ohne.«

Landry riss ein Stück Fleisch ab und reichte es Prentiss, bevor er sich selbst eines nahm.

»Jetzt sei nicht unhöflich«, sagte Prentiss zu ihm.

Landry sah George an und deutete auf das Fleisch, doch George lehnte mit einem Kopfschütteln ab.

Sie saßen schweigend da, und George empfand ihre Wortkargheit als wohltuend. Abgesehen von seiner Frau waren dies die einzigen Menschen seit Langem, die einen Augenblick so stehen lassen konnten, wie er war, statt ihn mit überflüssigen Worten zu übertünchen.

»Das ist also Ihr Land«, sagte Prentiss schließlich.

»Früher gehörte es meinem Vater, heute gehört es mir, und eines Tages hätte es meinem Sohn gehören sollen …« Die Worte verhallten im Dunkel, und er begann noch mal von vorn. »Jedenfalls habe ich mich wohl verlaufen und kenne mich nicht mehr aus, und dann diese verdammten Wolken am Himmel.«

Er hatte das Gefühl, dass der Wald selbst ihn verhöhnte, und erhob sich wie aus Protest – mit dem Ergebnis, dass...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2022
Übersetzer Tobias Schnettler
Sprache deutsch
Original-Titel The Sweetness of Water
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerikanischer Bürgerkrieg • Colson Whitehead • Debütroman • die Farbe Lila • Esi Edugan • Gegenwartsliteratur • Georgia • Historischer Roman • OP • Sklaven • Sklaverei • Südstaaten • Underground Railroad • washington black • Yaa Gyasi
ISBN-10 3-7517-2898-8 / 3751728988
ISBN-13 978-3-7517-2898-0 / 9783751728980
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