Letzte Messe in Benodet (eBook)
204 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7541-9111-8 (ISBN)
1947 geboren. Aufenthalte in USA, Frankreich, Deutschland und Luxemburg. Nach dem Studium der Biologie lange Jahre Tätigkeit in der Industrie. Seit der Pensionierung Autor von Kriminalromanen, Kinderbüchern und einem historischen Roman. Lebe und schreibe in Luxemburg und in der Bretagne. Aufnahme in das Verzeichnis der luxemburgischen Autoren und vertreten in den Nationalbibliotheken von Luxemburg und Deutschland.
1947 geboren. Aufenthalte in USA, Frankreich, Deutschland und Luxemburg. Nach dem Studium der Biologie lange Jahre Tätigkeit in der Industrie. Seit der Pensionierung Autor von Kriminalromanen, Kinderbüchern und einem historischen Roman. Lebe und schreibe in Luxemburg und in der Bretagne. Aufnahme in das Verzeichnis der luxemburgischen Autoren und vertreten in den Nationalbibliotheken von Luxemburg und Deutschland.
Kapitel 2
Die ersten Wochen vergingen wie im Fluge. Dank der Hilfe der Gemeindearbeiterin war sein winziges Pfarrhaus bewohnbar geworden. Die Gemeinde hatte ihm sogar einen neuen Kleiderschrank bewilligt.
Die Kirche war Sonntags nicht so leer, wie er in den ersten Tagen vermutet hatte. Erstaunlicherweise fanden sich auch junge Gläubige ein. Vielleicht lag es an seinem Alter, auch er gehörte nicht zur älteren Generation. Jedenfalls stellte er fest, dass viele Jugendliche sich in der Kirche zur Messe versammelten.
Zu seinen Aufgaben gehörte es, auch Religionsunterricht am freien Mittwochnachmittag anzubieten. Er wollte den Unterricht so gestalten, dass die jungen Menschen Freude an der Teilnahme hatten. Daher kam er auf die Idee, diesen Unterricht zu splitten. Die eine Zeit war der Kirchengeschichte und der Bibel gewidmet, die zweite den Freizeitinteressen der Jugendlichen. Dabei kam ihm sein musikalisches Talent zu Hilfe. Eozen war ein ausgezeichneter Musiker, der mehrere Instrumente famos beherrschte. Seine größte Leidenschaft gehörte dem Schlagzeug, was ihm bei vielen Jungs beträchtliche Anerkennung einbrachte und für reichlichen Zustrom zu seinem Unterricht sorgte.
Eozen hatte sich in nur einem Jahr den Ruf eines hervorragenden Seelsorgers erarbeitet. Seine bemerkenswerte Jugendarbeit und die erstaunlich schnell ansehnlich gewachsenen Teilnahmezahlen am Religionsunterricht erreichten die Bistumsverwaltung. Erste Überlegungen wurden angestellt, Pater Eozen in eine bedeutendere Gemeinde zu versetzen.
Diese Gedankenspiele blieben Eozen nicht verborgen. Zuerst gab es nur dezente Hinweise, dass seine Arbeit mit den Jugendlichen von Ernée aufmerksam vom Bistum verfolgt werde, später sprach man ihn offen auf seine eindrucksvolle Arbeit an. Der Höhepunkt war, dass er im dritten Jahr seiner Gemeindearbeit eine Einladung vom Bischof zu einem Gespräch über seine weitere berufliche Entwicklung erhielt.
Eozen hatte sich jeweils fünf Jahre für einen Karrieresprung vorgenommen. Wenn das Gespräch mit dem Bischof, jetzt bereits nach drei Jahren in der Gemeinde, einen Aufstieg bringen sollte, dann könnte er sich auf den nächsten Sprung vorbereiten.
Eozen führte das Gespräch mit dem Bischof in der erwarteten Demut. Der Bischof war von dem jungen Pater angetan und sagte ihm zu, dass er bereits im nächsten Jahr eine neue Aufgabe erhalten sollte. Er sollte Dekan werden. Eozen hüpfte innerlich vor Freude. Es war mehr als er erwartet hatte.
In Ernée bereitete man sich inzwischen auf den Sommer vor. In diesem Jahr hatte der Pater seinen besten Musikern angeboten, mit ihnen für einige Tage zu einem großen Musikfestival zu fahren. Die schon beinahe legendären Vieilles Charrues standen auf dem Besuchsplan und Eozen hatte versprochen, jedem Jungen einen Zuschuss zur Eintrittskarte zu bezahlen. Die Freude unter den Jugendlichen war riesig. Jeder wollte sich für die Teilnahme an dem Festival bewerben. Die Auswahl wollte nicht der Pater treffen, sondern, nach einem von ihm organisierten Konzert, sollten die Zuschauer die besten Musiker auswählen. Ein echtes Novum, die Entscheidung über den Erfolg oder Misserfolg lag nicht bei einer einzigen Person, sondern beim Kollektiv der Jugendlichen. Das brachte Eozen noch mehr Zuspruch ein. Für die jungen Musiker war Eozen inzwischen schon so etwas wie ein Guru oder ein Abgott geworden. Für ihn waren sie bereit, alles zu geben oder auch alles aufzugeben. Sie himmelten ihn regelrecht an und empfanden es als eine Ehre, wenn er ihnen über den Kopf strich.
Eozen spürte diese tiefe Zuneigung der jungen Burschen, interpretierte sie aber aus einem völlig anderem Blickwinkel. Seit einigen Monaten bereits verspürte er einen Hang zu den Buben unter den Jugendlichen. Ein Gefühl, das für ihn neu war und das sich bestimmt nicht mit seinem Priesteramt vertrug. Dieser Drang war stärker, stärker als sein innerer Kampf dagegen.
Die Reise zu den Vieilles Charrues stand bevor und die Organisation nahm eine Menge Zeit in Anspruch. Pater Eozen besorgte Unterkünfte für sich und die acht ausgewählten Jugendlichen, Unterkünfte, die bezahlbar waren und die die Familien nicht zu stark belasteten. Auch wenn er einen nicht unerheblichen Zuschuss zur Reise beitrug, so blieben doch noch Kosten an den Familien hängen. Lediglich für einen Jungen übernahm er den gesamten Betrag. Der Junge hatte keine Familie und wohnte im städtischen Waisenhaus.
Die Abreise kam näher. Am dritten Juli Wochenende, von Donnerstag bis Sonntag sollte das große Festival stattfinden. Man erwartete in diesem Jahr zum ersten Mal über 100.000 Besucher. Die Stadt Carhaix, im Finistère, war in eine Art von Ausnahmezustand versetzt. In jedem Jahr waren es mehr Besucher geworden. Die erste Veranstaltung 1992 in Landeleau, organisiert von einer Studentengruppe aus Brest, unter ihnen der spätere Bürgermeister der Stadt Carhaix, Christian Troadec, wurde von 500 Besuchern angenommen. Geplant war ein einfaches Fest, an dem Musik gemacht und etwas getrunken werden konnte. Jedes Gründungsmitglied sollte an die zwanzig Freunde einladen, um eine entsprechende Teilnehmerzahl zu garantieren. Sie nannten ihr Fest Vieilles Charrues. Bereits im zweiten Jahr hatte sich die Besucherzahl auf 3.000 erhöht. Im Jahr danach waren dann schon 5.000 gekommen. Die Zahlen verdoppelten sich schnell und 1997 waren es bereits 40.000 Besucher. Das größte Festival in Westfrankreich war geboren. In diesem Jahr nun rechneten die Veranstalter mit 100.000 Teilnehmern.
Die Jungen waren aufgeregt, keiner von ihnen hatte bis jetzt je an einer solchen Veranstaltung teilgenommen.
Pater Eozen hatte einen Kleinbus gemietet und war mit den acht auserwählten Burschen zu dem Fest gefahren. Die Reise war für den Pater ein voller Erfolg.
Für die teilnehmenden Jungen war am Ende des Festes klar, dass sie bestimmt nicht mehr mit Pater Eozen fahren würden. Jeder von ihnen hatte seine Erfahrung mit dem Pater gemacht. Schon am ersten Abend hatte er den ersten zu sich auf sein Zimmer gebeten, um mit ihm einiges zu besprechen, wie er sich ausdrückte. Anstatt ihre Freunde zu warnen, schwiegen sie aus Scham, wenn sie nach einer Stunde wieder zurückkamen und der nächste zur Besprechung gebeten wurde. Das Festival, die Musik und das fröhliche Miteinander verwandelten sich für die acht Buben, in ein Wochenende, das sie nicht mehr vergessen konnten. Traumatisierte Kinder kamen von dem Ausflug zurück. Überwog am Anfang noch der Stolz, vom Pater als etwas Besonderes betrachtet worden zu sein, so erwuchs daraus langsam aber beständig eine Angst, eine Phobie, bis hin zu einer Panik in bestimmten Situationen.
In den Wochen danach veränderten sich die Besuchszahlen des Religionsunterrichtes schlagartig. Alle Teilnehmer der Fahrt weigerten sich, zum Unterricht zu erscheinen. Sie versuchten, ihre Freunde und Klassenkameraden ebenfalls zu einem Verzicht des Unterrichts zu bewegen, aber keiner wollte oder konnte über die Gründe des schnellen Sinneswandels etwas sagen. Es dauerte Wochen, bis sich endlich ein Junge seinen Eltern offenbarte und ihnen von dem Aufenthalt bei den Vieilles Charrues erzählte. Zuerst wollten die Eltern das Gehörte nicht glauben. Zu ungeheuerlich erschien ihnen, was ihr Sohn ihnen berichtete. Der Vater des Jungen sprach daraufhin die Eltern eines zweiten an und berichtete über das, was sein Sohn ihnen gebeichtet hatte. Nach langen einfühlsamen Gesprächen, die die Eltern daraufhin mit ihrem Kind führten, bekamen sie die Bestätigung der Aussage. Die Eltern wandten sich daraufhin an den Bischof des Bistums und forderten die Entlassung von Pater Eozen und dessen Bestrafung.
Die Anschuldigungen trafen die Kirchenoberhäupter zu einer Zeit, in der man keine negativen Schlagzeilen gebrauchen konnte. Die Mitgliederzahlen zeigten einen negativen Trend, und die Einnahmen der Kirche hatten einen Tiefpunkt erreicht. Wenn jetzt auch noch pädophile Anschuldigungen die Berichterstattung dominierten, dann war abzusehen, dass der Abwärtstrend sich noch beschleunigen würde.
Der Bischof musste handeln. Er musste schnell handeln und konnte nicht abwarten, bis die Angelegenheit in Vergessenheit geriet. Pater Eozen wurde zum Rapport bestellt. Der vor einem Jahr noch gefeierte Pater, der kurz vor der Ernennung zum Dekan gestanden hatte, wurde mit den Vorwürfen konfrontiert. Zuerst stritt der Pater alles ab. Dann aber, als der Bischof ihn an sein Gelübde erinnerte und ihn eindringlich aufforderte, die Wahrheit zu sagen, da er ihm ansonsten nicht helfen könne und ihn dem weltlichen Gerichtswesen übergeben müsse, offenbarte er seine ‚fehlgeleitete Neigung‘, wie er sich ausdrückte.
Die Entscheidung des Bischofs war schnell getroffen. Pater Eozen sollte in ein Kloster gehen. Ein Pfarrer, der seine Verfehlungen gebeichtet hat und dem man die Absolution erteilte, war nach der kirchlichen Lehre von seinen Sünden erlöst. Er konnte daher aus der kirchlichen Sicht nicht weiter bestraft werden.
Der Bischof verbot ihm, weiterhin als Pfarrer tätig zu sein. Ein Kloster, das weit von Ernée entfernt war, sollte den Pater aufnehmen und ihn von Kindern fernhalten. Die Abbey de Landévennec erschien dem Bischof das richtige Kloster zu sein. Es lag im wahrsten Sinn des Wortes am Ende der Welt, im Finistère. Dort würde er bestimmt keine Möglichkeit bekommen, seinen abartigen Neigungen nachzugehen.
Pater Eozen packte seine wenigen Sachen ein und verließ die Stadt, ohne sich von den...
| Erscheint lt. Verlag | 1.5.2022 |
|---|---|
| Verlagsort | Berlin |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Benodet • Bretagne • Finistère • Kirche • Missbrauch • Quimper |
| ISBN-10 | 3-7541-9111-X / 375419111X |
| ISBN-13 | 978-3-7541-9111-8 / 9783754191118 |
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