Kadesh III (eBook)
696 Seiten
Books on Demand (Verlag)
9783756251568 (ISBN)
Olaf Ehlerding, geboren 1968, studierte Betriebswirtschaft in Flensburg und arbeitet seit 1995 im Vertrieb/Marketing der Baumaschinenbranche. 2014 entschloss er sich, seine Buchideen zu verwirklichen und in Schriftform zu verfassen. Heute lebt er mit seinen zwei Kindern und seiner Ehefrau in der Nähe von Hannover.
Die Ausgeburten des Zwielichts
Der Hofalchemist rührte geistesabwesend im Bronzetopf herum. Seine knöchernen Finger ließen den Kochlöffel nur in eine Richtung kreisen. Auch sein Kopf kreiste im monotonen Takt mit. Darüber, in der aufsteigenden Hitze des Ofens, pendelte an einer dünnen Kette eine gehäutete Trockenkatze. Ihr Maul weit geöffnet, die weißen Reißzähne böse schimmernd, die Krallen gespreizt, als würde sie auf das lauern, was sich in der siedenden Brühe bewegte.
Den Alchemisten konnte nichts aus der Ruhe bringen. Selbst die lästigen Fliegen nicht. Diese naschten mit ihren filigranen Saugrüsseln unablässig den wässrigen Schleim an seinen Nasenlöchern. Es war mehr als genug für alle da. Das, was die Fliegen nicht verspeisten, tropfte auf den Herd und verdampfte mit einem leisen Zischen. Manche Tropfen verirrten sich auch in die gelbrote Brühe, wo graue Krötenbeinchen, Ziegenaugen, Skarabäen und Schlangenköpfe getrieben durch den Löffel einen brodelnden Reigen tanzten.
Schmierig und schulterlang hing Deremteps grauer Haarkranz herab. Am Hals blühte frisch der rote Ausschlag und sein bleiches, eingefallenes und faltiges Gesicht ließ die verlebten Jahre deutlich erkennen. Genauso alt musste seine mit Flecken und Flicken übersäte purpurne Robe sein. Alles an ihm war eigentlich wie sonst, abgesehen von den Veränderungen in seinem Gesicht. Aus irgendeinem Grund wurde Deremteps starrer Blick von einer milchigen Substanz auf seinen Augen getrübt. Außerdem waren die Ohren verschwunden und die Lippen zugenäht.
Keine frische Luft konnte in die geschlossene und fensterlose Kammer eindringen. Ein paar Ölfunzeln flackerten in der Düsternis, weshalb es stark nach Ruß stank. Dieser mischte sich mit dem von toten Tieren und Schimmel. Nur das Knistern im Ofen war zu hören, dazu das Brodeln der Brühe im Topf sowie das permanente Rühren des Kochlöffels. Mehrere Regale standen an den Wänden. Darin lagerten allerlei getrocknete tierische und pflanzliche Zutaten, Pilze, Mineralien, leere sowie gefüllte Phiolen und sogar Mumienteile. Schaben, Tausendfüßler und andere Insekten krabbelten dazwischen herum, von denen sich manche in Spinnennetzen verfangen hatten und zappelten.
Der Hofalchemist war heute allerdings nicht allein. Noch jemand verweilte in seiner Kammer, eine Gestalt mit vollen weißen Haaren und einem gepflegten Vollbart, der das alte Gesicht einrahmte. An dem schmutzigen Tisch mit seinen vielen Kerben und Schnittspuren schien er auf etwas zu warten. Ungeduldig klopfte er mit den Fingern darauf herum.
Als die Tür knarrte, blickte der besorgt dreinschauende Alte auf. Ein Mann mittlerer Jahre und mit dunklen Haaren trat ein. Dessen makelloses Gesichts wies Unrast und eine Spur von Zorn auf. »Wo ist er? Jedes Mal kommt er zu spät.« Zu einer netten Begrüßung ließ sich der Ankömmling nicht herab.
»Einen schönen guten Tag, Argwöhnischer! Du warst in deiner Jugend vor unendlich langer Zeit auch nicht pünktlicher«, erwiderte der ältere Mann und legte seine Hände gefaltet auf den Tisch.
»Und deine Zeit läuft bald ab!«, gab der Argwöhnische unfreundlich zurück. Laut schlug er die Tür zu, um seiner steten Unrast Luft zu verschaffen. Dann sah er sich im Raum um und rümpfte die Nase. »Es stinkt hier widerlich! Hast du keinen besseren Ort für unsere Zusammenkunft finden können?«
Der Alchemist schien die beiden Männer nicht zu bemerken und rührte mit dem Löffel in Gedanken versunken weiter.
»Es gibt immer bessere Orte«, entgegnete der Alte. »Aber hier sind wir nah am Geschehen und zugleich abgeschieden.«
Abfällig blickte der Argwöhnische zum Alchemisten hinüber.
»Deine Sinneszauber wirken also immer noch.«
In diesem Moment erschien aus dem Nichts eine Lichtkugel mit wirbelnden Blitzen und metallischem Scheppern. Obwohl die Kugel unbeschreiblich grell strahlte und laut tönte, löste sie weder bei dem Besorgten noch beim Argwöhnischen ein müdes Augenzucken aus. Der Alchemist am Ofen bekam von dem schallenden Getöse immer noch nichts mit.
Eine Gestalt in dunkler Kutte stieg nun aus dieser Lichtkugel und warf ihre Kapuze nach hinten. Seine blondgelockten Haare schimmerten beinahe so hell wie die Blitze, die weiterhin um die Kugel zuckten. »Entschuldigt meine Verspätung. Ich hatte noch zu tun.« Sein junges, strahlendes Lächeln konnte fast alle in den Bann ziehen. Der Besorgte und vor allem der Argwöhnische ließen sich jedoch nicht beeindrucken.
»Was gibt es denn noch Wichtigeres als unsere regelmäßige Zusammenkunft?«, beschwerte sich der Argwöhnische über die Unpünktlichkeit des Freundlichen. »Es ist immer dasselbe mit dir!«
»Doch, es gibt Wichtigeres, mein Bester. Menschen glücklich zu machen ist das Wichtigste schlechthin«, konterte er mit breitem Grinsen. »Aber davon verstehst du ja genauso viel wie ein Esel von der Schreibkunst.« Ohne erst eine borstige Gegenreaktion des Argwöhnischen abzuwarten, setzte sich der Freundliche zum Besorgten Mann an den Tisch und fragte: »Ist es endlich so weit?«
»Ja, es ist wieder so weit!«, sagte der Alte. »Und diesmal wird es uns gelingen.«
»Wer weiß, wer weiß?«, wandte der Argwöhnische ein, der an einem Regal lehnend die Arme verschränkte.
Der Besorgte blickte schroff zu ihm hoch. »Nur, weil du es vor zwei Generationen nicht geschafft hast, muss es bei mir ebenfalls fehlschlagen? Nein! Es wird so geschehen, wie es geplant war. Davon bin ich felsenfest überzeugt.«
»Solltest du aber genauso versagen wie der Argwöhnische, dann schlägt meine Stunde. Denn nur mit Liebe und Glück, mit Freundlichkeit und einem Lächeln auf den Lippen lässt sich die Zukunft in die richtige Spur bringen«, behauptete der Freundliche in seiner galanten Art und schmunzelte den Besorgten mit einem Augenzwinkern an.
»Mag sein! Dennoch kommt deine Zeit erst in ferner Zukunft und diese ist sogar auch für uns ungewiss«, erwiderte der Besorgte Mann.
Nun trat der Argwöhnische einen Schritt auf den Tisch zu. »Ich habe versagt, wohl wahr! Aber der Kelch ist nun bei dir. Das ist jetzt unsere zweite Chance. Wenn diese fehlschlägt und der Freundliche in ferner Zukunft ebenso scheitert, habe ich die verdammte Pflicht, den letzten Feuersturm in dieser Welt zu entfachen. So lautet der Auftrag. Da geht kein Kamel durchs Nadelöhr.«
»Das ist nichts Neues!«, ermahnte ihn der Besorgte. »Wie häufig willst du uns noch belehren? Erzähl mir lieber, wie weit du mit dem Kaskäer bist!«
Die Gesichtszüge des Argwöhnischen wurden noch bissiger, als stünde er nicht nur davor, die Kammer des Alchemisten mit einer Explosion in die Luft zu jagen, sondern die ganze Welt in Schutt und Asche zu legen. Doch dann beruhigte er sich.
»Ich habe ihm in Tarhuntassa einen Besuch abgestattet. Es ist schwierig, ihn auf unsere Seite zu ziehen. Er ist von widerspenstiger Natur. Aber er hat Einfluss in Hatti und bei seinen Landsleuten, den Kaskäern. Wenn es gelingt, ihn auf unseren Weg zu führen, kann jeder Bedrohung aus dem Norden getrotzt werden.«
Der Besorgte musterte nun den Freundlichen. »Wie steht es bei dir?«
»Keine Sorge, alter Mann. Den Maatermittler aus Theben habe ich im Archiv der Akademie ordentlich durcheinandergebracht. Momentan versucht er dem Wein abzuschwören. Außerdem ist er hoffnungslos verliebt. Sie heißt Anemina und ...«
»Diese Details interessieren mich genauso wenig wie ein kackender Hund an der Jerichoer Mauer!«, unterbrach ihn der Besorgte Mann gereizt.
»Schade! Denn gerade diese Alltagskleinigkeiten entscheiden nicht selten den Weltenlauf«, fuhr der Freundliche fort. »Aber gut! Ich fasse mich kurz. Hadit ist gerade in Pi-Ramesse angekommen. Es läuft alles nach Plan. Außer ...«, zögerte er weiterzusprechen.
»Außer was?«, fragte der Argwöhnische skeptisch.
Der Blondgelockte lächelte verschmitzt. »Nun, eine Agentin des Ausgestoßenen begleitet Hadit. Shantai ist ihr Name.«
»Shantai! Das ist nicht gut! Dieser gelbgesichtige Bastard hat mit ihr seine schärfste Waffe gezogen.« Die Sorgenfalten des Besorgten gruben sich tiefer ein.
»Ja, das ist wirklich nicht gut.« Diesmal offenbarte sich ein leichter Hauch von Unsicherheit in dem ansonsten strahlenden Gesicht des Freundlichen. »Du aber hast von uns allen die heikelste Aufgabe. Bekommst du Ramses wieder auf die Beine?«
»Ich weiß es nicht«, gab sich der Besorgte nachdenklich.
»Seinen Schädel hat es hart getroffen. Es ist überaus fraglich, ob wir ihn überhaupt noch für unsere Zwecke einsetzen können. Ich brauche auf jeden Fall mehr Zeit.«
»Die hast du aber nicht!«, warnte ihn der Argwöhnische. »Der Ausgestoßene...
| Erscheint lt. Verlag | 25.4.2022 |
|---|---|
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
| ISBN-13 | 9783756251568 / 9783756251568 |
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