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Lebendige Stunden (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
98 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7541-8835-4 (ISBN)

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Lebendige Stunden. Vier Einakter ist ein Einakterzyklus von Arthur Schnitzler, der 1902 bei S. Fischer in Buchform erschien. Die Uraufführung fand am 4. Januar 1902 am Deutschen Theater in Berlin statt. Verbindendes Element der Stücke sind das Verhältnis von künstlerischem Schaffen und der Bedeutung von Leben.

Arthur Schnitzler war ein österreichischer Arzt, Erzähler und Dramatiker. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Wiener Moderne.

Arthur Schnitzler war ein österreichischer Arzt, Erzähler und Dramatiker. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Wiener Moderne.

II. Die Frau mit dem Dolche



Schauspiel in einem Akt.


Pauline.


Leonhard.


Remigio.


Kleiner Saal einer Bildergalerie mit Werken der italienischen Renaissance. An der Rückwand ein Bild, das eine sehr schöne Frau in weißer Gewandung vorstellt, etwa in der Manier des Palma Vecchio. Die Frau hat einen Dolch in der erhobenen Rechten und sieht zu Boden, als läge dort einer, den sie ermordet hat. In der Mitte des kleinen Saals ein Diwan. Zuerst Stille; dann geht langsam ein Diener vorbei. Pauline tritt ein – elegante Pelzjacke, Katalog in der Hand – von rechts, geht quer durch den Saal, betrachtet ein Bild an der linken Wand. Einige Sekunden dar auf tritt Leonhard ein – eleganter junger Mann in schwarzem Überzieher –; er bleibt hinter Pauline stehen.


LEONHARD. Guten Morgen, gnädige Frau.

PAULINE wendet sich um und lächelt. Guten Morgen. Ich bin eben erst gekommen. Saal neun – es stimmt doch?

LEONHARD. Inwiefern?

PAULINE. Nun, wir haben das letztemal bei Numero acht aufgehört.

LEONHARD. Richtig. Ich wußte nicht, daß Sie das so genau nehmen. Ich wagte kaum zu hoffen, daß Sie heute kommen würden.

PAULINE. Ich hab' es Ihnen doch versprochen.

LEONHARD. Sie blieben gestern abend noch lange alle zusammen?

PAULINE. Bis gegen Morgen. Ja. Sie sind früh verschwunden schade. Es war ein schönes Fest.

LEONHARD. Man hat ihn sehr gefeiert.

PAULINE. War Ihnen das etwa unangenehm?

LEONHARD. Die ganze Welt mag ihm zu Füßen liegen, das kümmert mich wenig. Aber Sie, Pauline, Sie haben ihn gestern abend mehr geliebt als je – Sie waren stolz auf ihn.

PAULINE. Hab' ich keine Ursache dazu? Bewundern Sie ihn nicht selbst? Waren Sie nicht in der tiefsten Seele ergriffen und haben Sie nicht wie wahnsinnig applaudiert, als der Vorhang zum letzten Male fiel?

LEONHARD. Sie haben es bemerkt?

PAULINE. Ich hab' ja oft genug zu Ihnen hinuntergeschaut.

LEONHARD küßt ihr die Hand.

PAULINE ihm die Hand leicht entziehend. Wollten Sie mir nicht heut ein Bild zeigen, das mir so ähnlich sein soll?

LEONHARD. Ganz recht. Da ist es. Dieses hier.

PAULINE vor der Frau mit dem Dolch. Dieses. – Ja, es hat entschieden einen Zug von mir.

LEONHARD. Ah, mehr als das – es gleicht Ihnen geradezu. Abgesehen von dem Dolch.

PAULINE. Warum »abgesehen«? Lächelnd. Man kann nicht wissen ... Im Katalog blätternd. Numero siebenhundertsechsundzwanzig – »Frau mit dem Dolch« – unbekannter Maler – starb um 1530 ....

LEONHARD. Es sind Ihre Augen.

PAULINE. Sind –? Es könnten meine Augen sein. Bleiben wir doch ein wenig in diesem Saal; ich fühle mich hier sehr wohl.

LEONHARD. Pauline –

PAULINE. Ich glaube – nicht um Ihretwillen. Da drüben bei den alten Deutschen und Niederländern neulich war mir gar nicht so behaglich, aber hier hab' ich eine Art von Heimatgefühl. Wahrhaftig, diese Leute muß ich alle schon einmal gesehen haben. Sehen Sie doch, wie bekannt mich zum Beispiel Auf ein Bild an der rechten Wand weisend. dieser Herr dort anblickt. Es würde mich nicht wundern, wenn er mich grüßte.

LEONHARD. Wahrscheinlich hat er zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts in Ihrem Hause verkehrt.

PAULINE. Warum nicht? Meine Mutter stammt aus Florenz. Jedenfalls hat man sich damals schöner getragen als heut, – womit ich nichts gegen Ihren neuen schwarzen Überzieher sagen will, der Ihnen vortrefflich steht.

LEONHARD verbeugt sich.

PAULINE. Aber trotzdem, es ist nicht zu leugnen –

LEONHARD. Was?

PAULINE lächelnd. Wenn Sie mir in solch einer Tracht begegnet wären, ja dann –

LEONHARD. Ich bin untröstlich, daß ich damals nicht das Vergnügen hatte.

PAULINE. Was wissen Sie denn? – wir erinnern uns vielleicht nicht.

LEONHARD. Ich versichere Sie, gnädige Frau, das hätt' ich nicht vergessen.

PAULINE nachdenklich werdend. Vielleicht gehört nur ein fester Wille dazu.


Pause, in der sie ihre Blicke von einem Bild zum andern schweifen läßt.


LEONHARD. Sie wissen wohl, daß man heute überall von Ihrem Gatten spricht.

PAULINE wieder in der Gegenwart. Das kann ich mir denken.

LEONHARD mit Bedeutung. Und von Ihnen.

PAULINE. Nun ja. Sie will weitergeben.

LEONHARD. Pauline!

PAULINE sich wieder zu ihm wendend, etwas zerstreut. Nun, was wollen Sie?

LEONHARD. Wie konnten Sie's ertragen, Pauline?

PAULINE sieht ihn sonderbar lächelnd an.

LEONHARD. Jeder im Theater wußte, was für ein Schauspiel man aufführte. Es war einfach die Geschichte –

PAULINE ihn rasch unterbrechend. Von der Prinzessin Maria, denk' ich.

LEONHARD. So hieß es.

PAULINE. Ja. Wer gestattet Ihnen zu vermuten, daß es ein anderes war?

LEONHARD. Ich gestatte mir zu wissen, was die ganze Stadt weiß. Nur weiß ich noch etwas mehr.

PAULINE. Das wäre?

LEONHARD. Daß es gestern abend einen Augenblick gegeben hat, in dem Sie ihn haßten.

PAULINE. Wen?

LEONHARD. Den, für den Sie und Ihr ganzes Schicksal nichts anderes zu bedeuten hat, als eine Gelegenheit, seinen Witz oder meinethalben sein Genie zu zeigen.

PAULINE. Vielleicht hat mein ganzes Leben gar keinen andern Sinn gehabt.

LEONHARD. Und auch das gehört zum Sinn Ihres Lebens, daß seine Geheimnisse vor den Pöbel hin geworfen werden? Nicht pathetisch. Prinzessin Maria! und jeder wußte, es ist die, die da oben in der Loge sitzt. Meister Gottfried! und jeder wußte, der hat das Stück geschrieben. Und alle Worte und Küsse unten auf der Bühne – und sein Verrat – und ihre Verzweiflung – und seine Rückkehr und ihr Verzeihen – und alle Erbärmlichkeit und alle Glut – alles wahr – und Herr Gottfried hatte daraus ein Stück gemacht – und Prinzessin Maria saß in der Loge und sah der Komödie zu. Ah Pauline, mir war gestern immer, als müßt' ich zu Ihnen – Sie holen, Sie befreien, Sie retten. Denn wie eine Sklavin kamen Sie mir vor, wehrlos und erniedrigt. Mitleid hatt' ich mit Ihnen und habe mich zugleich geschämt.

PAULINE. Sie haben sich geschämt – Sie? warum?

LEONHARD. Weil ich Sie liebe, Pauline.

PAULINE sieht ihn ruhig an.

LEONHARD. Zürnen Sie mir nicht, Pauline. Ich weiß ja, daß mein ganzes Recht, so mit Ihnen zu reden, nur darauf beruht, daß mich nichts auf der Welt kümmert als Sie, daß ich bereit wäre, für Sie zu sterben, und daß ich jung bin.

PAULINE. Das ist vielleicht nicht so wenig. Aber lassen wir das. Und gehen wir endlich weiter. Kommen Sie. Abwehrend. Nichts mehr, nichts mehr, ich bitte Sie.

LEONHARD dringender. Warum, Pauline, sagen Sie selbst, warum sind Sie heute gekommen? Warum waren Sie vorgestern hier, warum vor acht Tagen? Warum, Pauline, hat gestern, als ich schweigend neben Ihnen saß, Ihr Knie das meine berührt und gebebt? Warum werden Ihre Blicke feucht, während ich zu Ihnen rede, und warum verlangen Ihre Lippen nach den meinen, während wir hier ruhig nebeneinander stehen?

PAULINE. Was sollen diese heftigen Fragen, Leonhard? Ich leugne nichts ab; denn das find' ich widerwärtig und feig. Aber die schlimmste von allen Lügen wäre doch, wenn ich Ihnen sagte, ich liebe Sie. Es hat keinen Augenblick gegeben, in dem ich es selbst glaubte; und doch gab es einen Augenblick, in dem ich bereit war, Ihre Geliebte zu werden. Sie haben ihn versäumt und er wird nicht wiederkommen. Nie werden Sie erraten, wann das war. Ja, es ist nun einmal so. Das ist keine Schande für mich und keine Ehre für Sie. Es ist millionenmal dagewesen. Nur sagen andere Frauen in meinem Fall: Ich hege für Sie die Liebe einer Schwester, einer Freundin – verlangen Sie keine andere. Ich, Leonhard, sage Ihnen, daß ich so ziemlich alles für Sie fühle, was Sie sich nur wünschen könnten, nur Freundschaft nicht, bei Gott, nein. Hält inne, wie verloren. Hab' ich Ihnen nicht das schon ein mal ...?

LEONHARD aufflammend. Nein! so haben Sie nie zu mir geredet!

PAULINE. Sonderbar – mir war doch ganz ...

LEONHARD. Warum schweigen Sie plötzlich?

PAULINE. Was ist mir ...? wo bin ich ...? Verloren. Ich schweige. Allmählich erwachend. Nun ja, was ist noch weiter zu sagen? Leben Sie wohl.


LEONHARD befremdet. Was bedeutet das?

PAULINE. Wir sehen uns heut zum letztenmal, das ist alles.

LEONHARD. Zum letztenmal?

PAULINE. Ja. Morgen früh reise ich mit meinem Gatten nach Italien.

LEONHARD. Wann kommen Sie zurück?

PAULINE. Ich weiß es nicht. Für Sie niemals.

LEONHARD. Sie scherzen, Pauline! Davon war doch nie die Rede.

PAULINE. Es konnte davon nicht die Rede sein. Ich weiß es selbst erst seit heute früh.

LEONHARD. Pauline, was ist geschehen? Warum das alles?

PAULINE. Warum? – Weil ich keine Lust habe, für – wie heißt das doch? für eine selige Stunde meine Ruhe, mein Lebensglück, vielleicht mein Leben selbst hinzugeben.

LEONHARD. Und Ihr Gatte – was sagt er zu diesem plötzlichen Entschluß, nach Italien ...?

PAULINE. Mein Gatte? Ich hab' ihn selbst gebeten, mit mir fortzufahren.

LEONHARD. Unter welchem Vorwand?

PAULINE. Unter keinem Vorwand. Ich hab' ihm die Wahrheit gesagt wie immer.

LEONHARD. Wie immer?

PAULINE. Ich hab' ihm am ersten Tag geschworen, ihm jede Regung meiner Seele einzugestehen, wie er...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7541-8835-6 / 3754188356
ISBN-13 978-3-7541-8835-4 / 9783754188354
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