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Ich ritt Gaddafis Pferde -  Doris Luser

Ich ritt Gaddafis Pferde (eBook)

Abenteuer einer Grenzgängerin

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99129-292-0 (ISBN)
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Die Österreicherin Doris Luser lebte fünf Jahre in Libyen. Durch die Liebe zu einem Pferd, das dem damaligen Herrscher des Landes, Muammar al-Gaddafi gehörte, bekommt sie Seiten des Landes zu Gesicht, die Ausländern und vor allem Frauen normalerweise verschlossen bleiben. Dabei bringt sie sich in größere Gefahr, als ihr bewusst ist. (Die Reiterin)

Die ersten Tage

Guten Morgen, ein neuer Tag, und alles erscheint im Heute schon viel schöner, aufregender – es meldet sich sogar schon Abenteuerlust in mir. Nur das mit dem Wetter scheint nicht zu klappen: Vom warmen Doppelbett aus sehe ich den Regen auf das vergitterte Schlafzimmerfenster schlagen.

„Hilft nix, raus aus den Federn mit dir!“ Mit meiner inneren Stimme bin ich nie allein.

Brr, kalt ist es! Aber mit Musik geht ja bekanntlich alles besser, und so grabe ich das Radio aus der Wäsche … und welche Freude: Der Stecker passt in die Steckdose. Mal sehen, wie es hier mit den Sendern ausschaut. Nun, nicht so gut, diese Dudelei, der altgriechischen sehr ähnlich, geht mir jetzt schon auf den Geist. Darum will ich die kleinen Boxen aus dem Koffer holen für den CD-Player, um geliebte, gewohnte Lieder zu hören. Ich habe sie eingepackt, ich bin mir sicher. Aber wo sind sie? Wie kann es sein, dass die Boxen nicht mehr da sind, wo ich sie hin gepackt habe? Okay, vielleicht finde ich ja doch einen guten Sender … und die Blumen, wunderschön muss ich sagen, ziehen jetzt die Aufmerksamkeit auf sich. Im Begleitbrief steht, dass ich bald abgeholt werde, zur Arbeit. Weil ich so gut geschlafen habe und viel Zeit mit einer nicht vorhandenen Musik vertrödelt habe, spute ich mich ins Bad. Klitzeklein ist das, aber immerhin ein Trockner auf einer … einer … Waschmaschine! Iih, denke ich, da steht sie, und ich werde sie ab jetzt jeden Tag mindestens zweimal sehen. Dieses Ding, das ich bis heute sogar erfolgreich aus meinem Wortschatz verdrängt habe.

Und auch jetzt habe ich keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Auch keine Gedanken mache ich mir über die Badewanne und den mit blauem Packband zugeklebten Gully. Der Pyjama gleitet auf den Fliesenboden, ich rein in die Dusche und freue mich auf den heißen Regen … Duschgel und Badeschwamm in der Hand. Doch nicht mal ein klitzekleines Tröpfchen kommt aus der Brause. Na ja, dann eben ungeduscht ins neue Leben.

Was zieht man denn an in einem arabischen Land, wo immer die Sonne scheint? Oh, kurz retour, manchmal darf es auch regnen, tut sicher gut bei dem vielen Sand, und ich habe halt das kleine Pech, dass es das ausgerechnet an meinem ersten Tag hier tut. Macht nichts, es gibt Schlimmeres, und ich liebe meine Jeans, ein bisschen weiter geschnitten fürs neue Land, wo Jeans sogar mal verboten waren. Aber ohne die geht es nicht bei mir, man wird sie mir hoffentlich nicht übelnehmen. Außerdem sind weite Jeans jetzt in. Ob man es hier mit der Mode so genau nimmt? Beim Zähneputzen stelle ich dann fest, dass das Wasser aus dem Hahn des Waschbeckens auch nur tröpfelt. Ist ein bisschen braun, darum steht wohl auch die Plastikwasserflasche bereit – komische Schrift, denke ich und lese die lateinische Übersetzung noch mit der Bürste im Mund: „Bengashir“ steht da, und ich verschlucke mich fast, als ich zum ersten Mal den Muezzin höre. Sein „Allahuakbar“ sagt mir nichts, ähnelt nur der Dudelei im Taxi auf der Fahrt hierher.

Nun: „Was ich heute kann versprechen, kann ich morgen wieder brechen“ – wenn es mir zu blöd wird, fahre ich eben wieder heim.

Ein zukünftiger Kollege holt mich ab zur Arbeit. Vor der Tür steht zwar der VW Golf zu meiner Verfügung, doch der Kollege findet es besser, wenn ich heute mit ihm mitfahre. „Um dich an das Umfeld und vor allem an den hiesigen Fahrstil zu gewöhnen“, sagt er.

Ich kann aber bei Gott (oder bei Allah) keinen Fahrstil erkennen. Mir kommt es vor, als herrsche hier das Chaos, nicht nur auf der Straße, auch daneben, im bunten Gewimmel vermummter Menschen, die wie im Fasching verkleidet auf mich wirken, oder als hätten sie alle noch ihre Nachtgewänder an. Dann macht mein Kollege mich auf die nicht vorhandenen Kanaldeckel aufmerksam. Löcher, die man kennen müsse, um auch bei Regen (sprich blind) da nicht reinzufahren.

„Das mit deinem Motorrad herholen kannst du hiermit vergessen“, flüstert meine innere Stimme.

Am Parkplatz vor dem Bürogebäude angekommen, bin ich schon so voll neuer Eindrücke, dass ich nur noch stumm durch Pfützen und Lachen neben dem Kollegen herlaufe, der mir einen Schirm über den Kopf hält. Das wild gewordene Meer und die Möwen neben dem Parkplatz nehme ich nur nebenbei wahr. Mir ist kalt, ich ziehe meine Lederjacke enger um mich, und irgendwie ist mir ganz komisch zumute. Heimweh kann es doch jetzt noch nicht sein?

Das Gebäude besteht aus fünf Türmen, die aussehen wie kopfstehende Riesen-Whisky-Flaschen, auch originell die „Five Towers“ genannt. Überall herrscht geschäftiges Treiben, viele unverschleierte Frauen springen über Pfützen, ein Bettler sitzt auf dem Steinboden mitten im Regen, teilnahmslos lasse ich mich an ihm vorbeiziehen. Im Innenhof der Towers steht ein Springbrunnen, er funktioniert nicht.

„Wäre auch zu viel Wasser auf einmal“, schießt es mir stumpf durch den Kopf, denn der Regen und der Schirm, selbst der Kollege, stören mich mit einem Schlag immens. Aber da bin ich jetzt.

Ich sehe das Ganze einfach als Dienstreise, denke ich, um mich aufzumuntern.

„Und allein bist du auch nicht, denn du hast ja mich“, erinnert mich meine innere Stimme, dass ich immer auf sie zählen kann …

Freundlich lächle ich zu den Bemerkungen meines Begleiters: Er versucht mir zu erklären, wie viele und welche Firmen in den Towers sind, als würde mich das tatsächlich interessieren. Er erwähnt Austrian Airlines und Lufthansa, Repsol und Halliburton, Wintershall, Air Italia und eine Botschaft, aber warum erzählt er mir das?

Beim Aufzug sitzen ein paar dünne, rauchende Männlein um einen Plastiktisch herum auf Plastiksesseln und trinken aus Plastikflaschen. Was die hier tun, weiß ich bis heute nicht. Sie mustern mich versteckt von oben bis unten – ob das an den Jeans liegt?

Sie selbst haben welche an, denke ich unwillig, verboten ist es also nicht, und starre frech zurück in stoppelbärtige, ockerfarbige Gesichter mit gelverklebten Haaren obendrauf.

Wir fahren bis zum zehnten Stock, manchmal ruckt der Aufzug, und erschrocken schaue ich den Kollegen an, der das gar nicht zu bemerken scheint und mich angrinst mit seinen schlecht überkronten Zähnen.

Im Büro werde ich schon erwartet: Eine dicke Frau mit Kopftuch in ausgelatschten schwarzen Schuhen und wallendem, geblümten Rock, den ich von den Zigeunerinnen aus Griechenland kenne, hebt sich erstaunlich leicht aus ihrem Drehstuhl und kommt auf mich zu. Ehe ich mich versehe, geschweige denn wehren kann, schließt sie mich in ihre Arme und drückt mich an sich. Es strömt ein komisch gemischtes Gefühl aus Frieden und Angst durch mich, verwundert nehme ich das wahr – völlig macht- und willenlos bin ich an ihrem Riesenbusen.

„Hua, jetzt erstickt sie dich, gleich ist es aus mit dir“, sagt die Stimme in meinem Kopf trocken.

Die Kopftuchfrau zieht mich an ihrer Hand mit rostroten Tattoos ins Büro des Chefs, einem ruhig und freundlich wirkenden älteren Herrn mit weißem Haar, er reicht mir bis an die Schulter. Er setzt mich auf den Besucherstuhl und sich daneben, fragt nett und höflich nach meiner Reise und Ankunft. Ich sage ihm, dass ich mir irgendwie betäubt vorkomme, wie unter einem Glassturz, ich kann es gar nicht genau erklären, und er erwidert, dass ich wohl einen Kulturschock habe. Wie? Jetzt schon? Ich habe doch noch gar nichts gesehen von diesem Land! Huh, wie geht das denn weiter?

Ich rufe die Eltern an. Um sie zu beruhigen, schwärme ich ihnen erst einmal von den vielen neuen Eindrücken vor …

Beim Nachhausefahren versuche ich, die Pferde vor dem palmengesäumten Camp-Eingang genauer zu sehen. Warum stehen die bei strömendem Regen nicht in ihren Boxen?

Wieder vor meiner Wohnung, die ich ab jetzt „Alcatraz“ nenne, schaue ich betreten auf die verrammelte Eingangstür und überlege, warum das verdammte Schloss verkehrt herum aufgehen muss. Ich bemühe mich nun wirklich, meine Nerven zu behalten. Es gelingt mir einigermaßen, und als ich endlich die Türe entriegelt habe und die Wohnung zum ersten Mal bei Tageslicht betrete, fallen mir unendlich viele kleine Löcher in der weißlich gestrichenen Wand auf. Da hat mein Vorgänger sicher viele bunte Bildchen aufgehängt, um vom dominierend vorherrschenden tristen Grau- und Braunton abzulenken. Ich hasse grau, und nun habe ich einen grauen Spannteppich im gesamten Wohn-Schlafbereich. Ich lasse die Türe offen stehen, um den leichten Miefgeruch zu vertreiben. Es ist kalt hier drinnen, und so zerre ich den elektrischen Heizkörper von der Holzgarderobe zur Steckdose und schalte auf volle Leistung. Auf dem dunkelbraunen Couchtisch steht der geruchlose Blumenstrauß und die braun-grau-karierte Couch sieht eigentlich ganz gemütlich aus. Auf dem hellbraunen Esstisch im selben Raum, mit den fünf hellbraunen Stühlen drum herum, lauert ein schwarzes Bürotelefon auf mein erstes Telefonat.

„Nun, wenigstens sind die Sessel nicht aus Plastik“, murmle ich und...

Erscheint lt. Verlag 21.1.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-99129-292-0 / 3991292920
ISBN-13 978-3-99129-292-0 / 9783991292920
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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