Die blaue Brille, eine zauber-hafte Brille (eBook)
296 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-46866-5 (ISBN)
Schon als junge Erwachsene zog es mich (*1964 in Nürnberg) in ferne Länder, bald lebte ich dann auch im Ausland. Was mich antreibt ist, das Lebens zu studieren und das Dasein des Menschen zu begreifen. Meine Liebe zu Geschichten, Gedichten und zum Wort im Allgemeinen brachte mich irgendwann auf die Idee, mich selbst am Schreiben zu probieren und meine Gedanken in Geschichten zu verpacken. Da ich gerne experimentiere, sind denn auch im Laufe der Zeit ganz verschiedene Bücher entstanden. Neben dieser Geschichte über eine Frau, die einen inneren Wandel erfährt, habe ich eine Reihe Kriminalromane und zwei Jugendbücher geschrieben, in deren geheimnisvollen und spannenden Geschichten es letztendlich um die eigentlichen Themen der Menschen geht, um inneren Wachstum und die Art, wie man das Leben begreift. Ich lebe mit meiner Familie in Costa Rica.
Schon als junge Erwachsene zog es mich (*1964 in Nürnberg) in ferne Länder, bald lebte ich dann auch im Ausland. Was mich antreibt ist, das Lebens zu studieren und das Dasein des Menschen zu begreifen. Meine Liebe zu Geschichten, Gedichten und zum Wort im Allgemeinen brachte mich irgendwann auf die Idee, mich selbst am Schreiben zu probieren und meine Gedanken in Geschichten zu verpacken. Da ich gerne experimentiere, sind denn auch im Laufe der Zeit ganz verschiedene Bücher entstanden. Neben dieser Geschichte über eine Frau, die einen inneren Wandel erfährt, habe ich eine Reihe Kriminalromane und zwei Jugendbücher geschrieben, in deren geheimnisvollen und spannenden Geschichten es letztendlich um die eigentlichen Themen der Menschen geht, um inneren Wachstum und die Art, wie man das Leben begreift. Ich lebe mit meiner Familie in Costa Rica.
Die Entdeckung
Die Sonne war gerade untergegangen und hatte das Licht des Tages mit sich genommen. Das tagsüber so quirlige Treiben in der Stadt war längst abgeklungen und einer abendlichen Atmosphäre von Dämmerung und Stille gewichen.
Nur noch wenige Menschen eilten durch die Straßen und Gassen. Anscheinend wollten sie nach Hause kommen, bevor es endgültig dunkel wurde.
Ein Junge von etwa vierzehn Jahren war auch in einer der Gassen unterwegs. Allerdings eilte er nicht, vielmehr sah es so aus, als ob er recht konzentriert etwas suchte. Es wirkte, als würde der schlanke, dunkelhaarige Bursche die Gasse einer richtiggehenden Prüfung unterziehen. Manchmal bückte er sich, hob etwas auf, ließ es aber im nächsten Moment gleich wieder fallen.
Die anderen Menschen waren so mit sich selbst beschäftigt, dass ihnen gar nicht auffiel, dass der Vierzehnjährige um diese Uhrzeit noch unterwegs war.
Wieder bückte er sich nach etwas. Diesmal untersuchte er genauer, was er aufgehoben hatte. Dann steckte er es in eine Hosentasche. Er schien gefunden zu haben, was er gesucht hatte, denn er beendete die Suche jetzt und eilte davon.
Als er ein paar Straßen entfernt in eine Gasse einbog, war sein Zuhause nicht mehr weit. Gleich in dem hellgelben Fachwerkhaus mit der großen Holztüre und dem spitzen Giebel, da wohnte er.
Er klopfte an die Haustüre, die seine Mutter schon verschlossen hatte. Gleich kam die Mutter an die Türe.
Leicht verärgert begrüßte sie ihn: „Na endlich kommst Du nach Hause! Wo warst Du denn schon wieder so lange, Emil?“
Emil betrat das Haus und meinte: „Es ist noch Sommer, Mutter, da ist es doch viel länger hell!“
„Aber ich mache mir Sorgen, wenn Du um diese Uhrzeit noch unterwegs bist“, erwiderte die Mutter. „Hast Du Hunger?“
„Oh ja, was gibt es denn Leckeres?“, wollte Emil wissen.
„Kartoffeln mit Spinat und Spiegelei. Ist natürlich kalt inzwischen“, murrte die Mutter.
„Das macht mir nichts, ich esse das so und so gerne“, sagte Emil unbekümmert. Dann fügte er hinzu: „Weißt Du denn überhaupt schon, was ich gefunden habe?“
Seine Mutter schüttelte den Kopf. Sie war schon nicht mehr sauer; sie konnte Emil sowieso nicht wirklich böse sein.
„Zeig mal, was Du da hast!“, rief seine Schwester Klara, die gerade in die Küche gekommen war. Klara war etwa zwei Jahre älter als Emil. Sie war schon ziemlich erwachsen – nicht zuletzt deshalb, weil sie schon in jungen Jahren viel Verantwortung hatte übernehmen müssen. Doch wenn sie mit Emil zusammen war, ließ sie sich von seiner Unbeschwertheit anstecken und es machte ihr viel Spaß, mit ihm herumzualbern.
Flink versteckte Emil den kleinen Gegenstand hinter seinem Rücken.
„Ich habe erst Mama gefragt“, sagte er mit gespielt kindlichem Ton.
„Also gut“, meinte die Mutter, „sagen wir mal … es ist … ein fünfzig Pfennig Stück?“
„Nnnein, viel besser“, frohlockte Emil. „Rate nochmal!“, forderte er seine Mutter auf.
„Ein … eine Mark Stück?“, fragte die Mutter erneut.
Klara wollte auch mitraten: „Oder etwa ein zwei Mark Stück?!“
„Nein, nein, nein!!“ Emil genoss diesen Moment der Spannung. Gleich würde er den anderen seinen Fund zeigen.
Er platze triumphierend heraus: „Es ist eine … Taschenuhr! … und zwar sogar eine aus echtem Silber!“
Die Mutter erschrak ein wenig und sagte sogleich: „Aber die müssen wir doch zurückgeben!“
Klara rief neugierig: „Lass sie mich mal sehen!“
Stolz zeigte Emil der Mutter und der Schwester die Uhr.
„Ich wüsste nur nicht, wem ich sie zurück geben sollte“, sagte Emil verteidigend. „Wenn ich sie nicht gefunden hätte, würden sie morgen früh eh die Straßenkehrer mitnehmen. Da wette ich!“
Da hatte er freilich recht.
Emil hatte sich eine Art Spiel daraus gemacht, abends die Gehsteige und Gassen abzusuchen. Er war absolut überzeugt, dass es sich lohnte. Meist waren es nur ein paar Pfennige, aber hin und wieder war tatsächlich auch ein Markstück dabei. In jener Zeit war das nicht wenig Geld für einen Jungen in Emils Alter. Die Leute verloren alles Mögliche, und nur selten kam Emil ganz ohne Beute nach Hause. Er fand auch immer wieder kleine Anhänger, Broschen oder Schmucksteine. Diese Funde liebte er besonders. Er brachte sie zur Ansicht zu Herrn Spezzini, dessen Laden er nur allzu gerne aufsuchte. Die Leute nannten Armando Spezzini auch den „Italiener“ oder den „Signore“. Sein Antiquitäten- und Pfandladen war ganz in der Nähe der Nürnberger Burg. Herr Spezzinis Laden war vor allem aber kein gewöhnlicher Laden. Es waren dort unendlich viele Dinge zu sehen und viele Schätze zu entdecken. Es gab bizarre Leuchter und Lampen, ausgestopfte Vögel, antiken Silberschmuck, uraltes Spielzeug und vieles mehr.
Was allerdings den Laden so besonders machte war, dass Herr Spezzini zu fast allen Dingen in seinem Ladens eine Geschichte kannte.
Der Vogelkäfig zum Beispiel hatte einer alten Dame gehört, die ihr Leben lang einen Papagei besessen hatte. Als die alte Dame starb, war der Papagei sehr einsam und kurze Zeit danach starb auch er.
Oder die schöne, rotbraun glänzende Violine, der man ansehen konnte, dass sie aus edelstem Holz gefertigt war. Sie hatte einst einem Mann gehört, der eine vielversprechende Zukunft als Geigenspieler gehabt hätte, ein wahres Talent. Aber er war unglücklich verliebt und begann zu trinken; so musste er seine wunderbare Geige versetzen, um sich eine billigere zu kaufen. Er fing nach einer Zeit wieder ernsthaft zu spielen an, hörte das Trinken auf und wurde ein ausgezeichneter Musiker. Aber er kaufte seine edle Violine nie zurück, die ihm in seinen Augen Unglück gebracht hatte.
Der Signore hatte so viele und so spannende Geschichten, dass Emil oft vorbei kam, um sich bei ihm aufzuhalten, seine vielen Besitztümer zu bestaunen und um ihm zuzuhören.
Am nächsten Tag also ging Emil voller Vorfreude in Spezzinis Laden. Die Glöckchen über der Eingangstüre klingelten, als er eintrat, und das matt-dunkle Licht des Innenraumes hallte ihm entgegen. Emil versuchte, durch die vielen herumstehenden und herumhängenden Dinge hindurch zu erhaschen, ob der Signore hinter seinem Tisch saß. Er tat es.
„Aaah, Emilio! Komm herein, mein Freund!“, rief ihm Herr Spezzini sogleich zu.
Der Signore war ein freundlicher, älterer Herr mit langen, lockigen Haaren, deren schwarze Farbe inzwischen weitgehend allerlei Grautönen gewichen war.
Aufgeregt zeigte Emil ihm seinen neuen Fund.
„Oh, das ist aber ein hübsches Stück“, meinte Spezzini und pfiff leise durch die Zähne. Er fragte: „Wo hast Du denn die gefunden?“
„Vorne in der Nähe vom Burgbrunnen“, antwortete Emil und begann nebenbei, seine Brille ein wenig mit einem Hemdsärmel zu säubern. Er war sehr gespannt, was sein Freund noch dazu sagen würde.
Der Signore hielt eine spezielle Lupe vor sein rechtes Brillenglas und betrachtete die Uhr genauer, dann sagte er anerkennend: „Weißt Du, das war ein ziemlicher Glücksgriff, mein Sohn.“
Er nannte Emil meist „mein Freund“, „amico mio“ oder „Emilio“, manchmal aber sagte er auch „mein Sohn“.
Emil mochte jede dieser Anreden, in seinen Ohren klangen sie alle wie Kosenamen – das lag wohl vor allem an der Art, wie der alte Herr diese Worte aussprach.
Herr Spezzini hegte fürsorgliche, väterliche Gefühle für Emil, der Halbwaise war. Er selbst hatte seinen eigenen Sohn verloren, als der im Alter von dreiundzwanzig Jahren im Krieg gefallen war.
Somit verband die beiden zum einen Zuneigung, zum anderen auch eine Verwandtschaft im Schicksal.
Der Signore zwirbelte an seinem Schnurrbart, was er sehr gerne tat, und sagte dann: „Die ist gut und gerne ihre fünfundzwanzig Mark wert, amico mio. So viel habe ich noch gar nicht im Laden … wenn Du willst, machen wir es einfach so: Du lässt mir die Uhr da, und wenn sie verkauft ist, bekommst Du Dein Geld. Einverstanden?“
Fünfundzwanzig Mark, was für eine Überraschung! Emil nickte erfreut. Das war sehr viel Geld, mit so viel hatte er bei weitem nicht gerechnet. Aber was würde er damit anstellen? Ohne langes Zögern entschied er sich, seiner Mutter fünfzehn Mark zu geben, die konnte das Geld gut für den Haushalt brauchen. Die anderen zehn waren nach wie vor ein üppiges Taschengeld für ihn selbst. Davon könnte er zum Beispiel an seinem fünfzehnten Geburtstag seine zwei Freunde Kurt und Paul zu einem großen Eisbecher einladen. Danach wäre sogar immer noch etwas übrig.
Herr Spezzini bot Emil...
| Erscheint lt. Verlag | 30.3.2023 |
|---|---|
| Verlagsort | Ahrensburg |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
| Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre | |
| Kinder- / Jugendbuch ► Vorlesebücher / Märchen | |
| Schlagworte | Anders sein • Freundschaft • Liebe • Schein und Sein • Sinnfrage • Suche nach sich Selbst • Unsicherheit • Zweifel an sich selbst |
| ISBN-10 | 3-347-46866-X / 334746866X |
| ISBN-13 | 978-3-347-46866-5 / 9783347468665 |
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