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Aufmarsch der Republikfeinde (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
287 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7541-8121-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aufmarsch der Republikfeinde -  Gunnar Kunz
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Berlin, 1931. Konkurse, Massenkündigungen, Straßenkämpfe. Reichskanzler Brüning und Reichspräsident Hindenburg erlassen eine Notverordnung nach der anderen, die 'nationale Opposition' formiert sich, um der Republik den Todesstoß zu versetzen. Deutschland ist ein Pulverfass. In dieser heiklen Situation wird der 'Wollbaron' erhängt aufgefunden. Selbstmord wegen drohender Insolvenz oder Mord? Kommissar Gregor Lilienthal, unterstützt von seiner Frau Diana und seinem Bruder Hendrik, untersucht den Tod und sieht sich dabei mit Lügen, Intrigen und der Verzweiflungstat eines entlassenen Arbeiters konfrontiert. Zudem gibt es einen entflohenen Sträfling, der ihm Rache geschworen hat. Und dieser Mann weiß genau, wo er Gregor am empfindlichsten treffen kann ...

Gunnar Kunz hat vierzehn Jahre an verschiedenen Theatern in Deutschland gearbeitet, überwiegend als Regieassistent, ehe er sich 1997 als Autor selbstständig machte. Seither hat er etliche Romane und über vierzig Theaterstücke veröffentlicht, außerdem Kinderbücher, Hörspiele, Kurzgeschichten, Musicals und Liedertexte. 2010 wurde er für den Literaturpreis Wartholz nominiert.

Gunnar Kunz hat vierzehn Jahre an verschiedenen Theatern in Deutschland gearbeitet, überwiegend als Regieassistent, ehe er sich 1997 als Autor selbstständig machte. Seither hat er etliche Romane und über vierzig Theaterstücke veröffentlicht, außerdem Kinderbücher, Hörspiele, Kurzgeschichten, Musicals und Liedertexte. 2010 wurde er für den Literaturpreis Wartholz nominiert.

2.



Sonntag, 21. Juni – Freitag, 17. Juli 1931



Brüning selbst hatte dem Lande nichts zu bieten als Armut, Trübsinn, Freiheitsbeschränkung und die Versicherung, dass etwas Besseres nicht zu haben sei. (…) Er warf keine Idee, keinen Appell ins Land. Er warf nur einen Schatten von Freudlosigkeit darüber.

Sebastian Haffner



19


Diana wird sich schwarz ärgern, dass sie nicht dabei sein kann, dachte Gregor, während er die Silhouetten der Bäume vor dem Fenster vorbeihuschen sah. Seit Tagen sprach sie von nichts anderem als von der Testfahrt des Schienenzeppelins. Dass er nun in den Genuss kam, die Fahrt mitzumachen, war einem Zufall zu verdanken, weil einer seiner Kollegen beim Kriminalistentreffen in Hamburg mit dem Konstrukteur Franz Kruckenberg befreundet war und den Mann überredet hatte, ihn mitzunehmen.

Gregor hielt sich im Nichtraucherabteil auf, während sich die anderen sechs Personen an Bord – der Konstrukteur und seine Frau, sein Mitarbeiter, der Zugführer und zwei Monteure – im Führerstand versammelt hatten. Frühmorgens um kurz vor halb vier waren sie von Hamburg-Bergedorf aus gestartet und sollten nach etwa anderthalb Stunden Berlin-Spandau erreichen, also doppelt so schnell wie mit dem schnellsten D-Zug. Um kein Risiko einzugehen, hatte man die Bahnübergänge gesperrt und den Güterverkehr umgeleitet, denn der silbergraue Eisenbahntriebwagen, ein Leichtgewicht aus Aluminium und Segeltuch, der von einem Flugzeugmotor über einen hölzernen Propeller am Heck angetrieben wurde, erreichte eine Geschwindigkeit von bis zu zweihundertdreißig Stundenkilometern. Und trotzdem war außer einem Surren nichts zu hören.

Technisch bewirken wir wahre Wunder, dachte Gregor, aber die Wirtschaft bekommen wir nicht in den Griff. Was natürlich auch an Reichskanzler Brüning lag. Seine neueste Notverordnung war genau so unsozial ausgefallen wie die letzte und verschärfte die Krise weiter. Im Grunde genommen war der Reichskanzler nichts anderes als der Geschäftsführer der Schwerindustrie. Während seiner Regierung war das Einkommen der Arbeiter und Angestellten um drei Milliarden gekürzt worden, während der angekündigte Preisabbau eine leere Versprechung blieb. Und jetzt? Eine neue Krisensteuer, die wieder vor allem die kleinen Leute traf, ansonsten das Übliche: Kürzung der Beamtengehälter, Kürzung der Kriegsbeschädigtenrenten, Kürzung der Arbeitslosenunterstützung. Die Erwartung, dass die Wirtschaftskrise dieses Jahr abebben würde, hatte sich nicht erfüllt. Einziger Hoffnungsschimmer war der Vorschlag von US-Präsident Hoover, einen einjährigen Zahlungsaufschub für die Reparationslasten aus dem Weltkrieg zu beschließen.

Fairerweise musste man zugeben, dass Brüning keine leichte Aufgabe hatte und sich nicht nur mit der Weltwirtschaftskrise auseinandersetzen musste, sondern auch mit den Radikalen im Land. Mit dem Stahlhelm beispielsweise, der Ende Mai in Breslau den Reichsfrontsoldatentag mit Aufmärschen begangen hatte; hunderttausend Mann waren dazu angereist. Am Vortag hatten sich Stahlhelmanhänger und Kommunisten in Berlin Straßenschlachten geliefert, bei denen Unbeteiligte verletzt und ein Wachtmeister getötet wurde. Und die Nazis blieben auch nicht still. Gerüchteweise wurden sie seit der Niederschlagung der Stennes-Revolte von Offizieren der Reichswehr unterstützt, die ihnen Truppenübungsplätze und Waffenlager zur Verfügung stellten.

Die großen Unternehmen jedenfalls taten alles, um von der Krise zu profitieren. Borsig drohte, seinen Betrieb stillzulegen, wenn ihm das Reich keine Subventionen gewährte. Die IG-Farbenindustrie machte Riesengewinne – die Dividende betrug wie in den Vorjahren unverändert zwölf Prozent –, setzte aber gleichzeitig einen siebzehnprozentigen Lohnabbau durch und hatte seit 1928 rund fünfunddreißigtausend Arbeiter entlassen. Der Klöckner-Konzern verlangte von seinen Arbeitern, einen Lohnabzug von fast zehn Prozent hinzunehmen; wer sich dazu nicht schriftlich bereit erklärte, dem wurde gekündigt. Wirtschaftsführer sprachen davon, dass man sich »dem Lebensniveau der uns umgebenden Völker« anpassen müsse. Und dann wurden auch noch ständig die Brotpreise erhöht.

Gregor warf einen Blick aus dem Fenster und entdeckte auf Zäunen oder in Baumkronen Neugierige, die sich entlang der Bahnstrecke eingefunden hatten, um zwei oder drei Sekunden lang den Schienenzepp zu bestaunen, die Schnellbahn der Zukunft, mit der die Verantwortlichen der Reichsbahn der Konkurrenz durch Auto und Flugzeug begegnen wollten.

Er freute sich nicht gerade auf Berlin. Dort musste er sich den Tatsachen im Fall Leopold Debus stellen und dem Scheitern seiner Untersuchung. Die meisten seiner Kollegen waren der Ansicht, dass der Fall gelöst sei. Die Schwester war’s, um mit einem gefälschten Testament an einen Teil des Erbes zu gelangen. Der Geiselnehmer war’s, aus Rache für seine Entlassung und den Tod seiner Familie. Kriminalrat Gennat glaubte sogar, es handele sich doch um Selbstmord. Was bewies schon ein nicht vorhandener Abschiedsbrief?

Es gab einfach zu viele andere Fälle, die ihre Aufmerksamkeit verlangten. Gregor hatte selbst genug zu tun: mit einem Kindsmord in Weißensee, einem Geldbotenmörder, einer zerstückelten Leiche in einem Koffer, der aus der Spree gefischt worden war. Und er konnte keine neuen Beweise präsentieren, weil er im Fall Debus feststeckte.

Trotzdem glaubte er nicht eine Sekunde lang an die Schuld der Schwester des Wollbarons. Zwei Ziffern in einem Testament zu ändern, war nicht dasselbe, wie einen Mord zu begehen. Er glaubte erst recht nicht an die Schuld von Harro Schulte. Wie hätte der in das Haus des Ehepaars Debus eindringen sollen, ohne Spuren zu hinterlassen? Der Fabrikbesitzer hätte ihn wohl kaum hereingebeten, nachdem der Arbeiter ihm damals bei seiner Entlassung gedroht hatte. Nein, dies war ein ungelöster Fall, ein nasser Fisch, wie es im Polizeijargon hieß.

Harro Schulte hatte gestern im Gefängnis Selbstmord begangen. Mit einer Scherbe. Wie er daran gekommen war, versuchte derzeit eine Untersuchung zu klären. Für Gregors Kollegen war dies ein Schuldgeständnis. Nicht für ihn. Er hatte den Mann kennengelernt. Er wünschte, er hätte ihm helfen können, trotz der Geiselnahme. Wenn er sich vorstellte, er hätte mit ansehen müssen, wie Diana und Lissi buchstäblich unter seinen Augen starben …

Im Stillen leistete Gregor einen Schwur. Wegen der anderen Fälle war er gezwungen, Leopold Debus’ Tod auf Sparflamme zu behandeln. Aber er würde ihn nicht zu den Akten legen. Noch war er nicht am Ende seiner Weisheit angelangt. Noch lange nicht.



20


So leicht konnte Gregor nichts erschüttern, doch diese Nachricht musste er erst einmal verdauen. »Sagen Sie das noch mal.«

»Franz Hasler ist ausgebrochen.«

Der Anrufer war ein Beamter im Zellengefängnis Moabit, der ihm einen Gefallen schuldete. Der Direktor der Anstalt hätte ihn sicher nicht benachrichtigt. Der war vermutlich damit beschäftigt, seinen Hintern zu retten und zu rechtfertigen, wie ein solches Desaster geschehen konnte.

»Wie?«

»Er hatte Helfer. Draußen und drinnen.«

»Wie viele?«

»Keine Ahnung.«

»Erzählen Sie mir, was Sie wissen.«

»Er hat sich eine Reflektorlampe gebastelt, mit Rizinusöl gespeist. Damit konnte er nachts seinen Kumpanen draußen Signale geben. Außerdem hat er sich aus Laken und anderem Leinenzeug einen Strick angefertigt. Den hat er ihnen wohl, mit einem Apfel beschwert, durchs Zellenfenster zugeworfen, sodass die einen Sack mit Ausbruchswerkzeug daran befestigen konnten, Stahlsägen und alles. Er hat das Zellengitter durchgesägt. Dann ist er aufs Dach und hat sich auf die Straße hinuntergelassen.«

»Und niemand hat etwas bemerkt?«

»Das ist die andere Sache. Zu der Zeit gab es einen Tobsuchtsanfall im Schlafraum der Irrenabteilung. Einer hat sein Feldbett auseinandergerissen und mit den Eisenteilen die Heizkörper zertrümmert. Andere haben sich davon mitreißen lassen. Wir hatten alle Hände voll zu tun, die Verrückten unter Kontrolle zu bringen.«

»Ablenkung.«

»Zweifellos. Die Sache war abgesprochen. Aber dieses Wissen nützt uns jetzt auch nichts mehr.«

»Ich danke Ihnen für die Information.«

»Wo er sich doch an Ihnen rächen will. Das hat er damals gesagt, als er eingeliefert wurde. Geschrien sogar. Ich habe es nicht vergessen. Seine Wandlung zum zahmen Mustergefangenen nehme ich ihm nicht ab.«

»Ich werde aufpassen. Nochmals danke.« Gregor legte auf.

Das zahle ich dir heim.

Irgendwie hatte er immer gewusst, dass einmal der Tag kommen würde, an dem er für seine Verfehlung büßen musste. Franz war ein Mörder, der sein Schicksal mehr als verdiente. Aber die Methoden, mit denen Gregor ihn ins Gefängnis gebracht hatte, waren nicht sauber gewesen.

Du bist auch nicht besser als ich!

Hatte Franz recht mit seinem Vorwurf?

Es klopfte; Hendrik kam herein. Geistesabwesend erwiderte Gregor dessen Gruß.

Sein Bruder warf einen flüchtigen Blick auf die Kakteen auf dem Fensterbrett, die eine ungesunde bräunliche Farbe angenommen hatten, und setzte sich ihm gegenüber. »Peter Kürten wurde hingerichtet, habe ich gelesen«, sagte er.

»Am Donnerstag.«

»Die Guillotine, scheußlich.« Unwillkürlich griff sich Hendrik an den Hals.

»Das waren Kürtens Verbrechen auch.«

»Zweifellos.«

Das zahle ich dir heim.

Hatte Franz Hasler einen Plan? Genug Zeit...

Erscheint lt. Verlag 7.1.2022
Reihe/Serie Kriminalroman aus der Weimarer Republik
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 30er • Berlin • Historischer • Jahre • Krimi • Kriminalroman • Republik • Weimarer
ISBN-10 3-7541-8121-1 / 3754181211
ISBN-13 978-3-7541-8121-8 / 9783754181218
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