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Langeooger Mörder. Ostfrieslandkrimi -  Marc Freund

Langeooger Mörder. Ostfrieslandkrimi (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
220 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-96586-394-1 (ISBN)
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Erst ein Toter im Strandkorb, dann eine Leiche in der Badewanne. Ein Mörder treibt sein Unwesen auf der Ostfriesischen Insel Langeoog! Die Spur der Ermittlungen führt zur neuen Kunstgalerie am Dorfplatz und zu deren heimlichem Star Fabienne Hoffmann. Die junge, offenbar begnadete Künstlerin umgibt eine Aura des Geheimnisvollen, und für die Kommissare Rieke Voss und Gerret Kolbe besteht kein Zweifel: Fabienne ist der Schlüssel zur Lösung des Falls. Aber was genau geht hier vor sich? Weshalb befinden sich so viele Personen, die in Fabiennes Leben eine wichtige Rolle spielen, derzeit auf Langeoog? Die Inselkommissare beleuchten die bewegte Vergangenheit der schüchternen Malerin. Und ihnen läuft die Zeit davon, denn die Mission des Mörders ist keineswegs beendet...

Kapitel 1


 

Rot wie Blut. Der Pinsel mit den feinen Borsten, die zu lang geratenen Wimpern glichen, küsste die Farbpalette und bewegte sich ein Stück näher an das Gemälde heran, als würde er schweben. Er verharrte für eine Sekunde oder zwei in der Luft. Die getünchte Spitze glitzerte kurz im Sonnenlicht, das großzügig in das kleine Atelier unter dem Dach flutete, bevor sie sich mit einem satten, vor Kraft und frischer Farbe strotzenden Geräusch auf die Leinwand senkte.

Wenn sie malte, vergaß sie alles. Und es gab in ihrem Leben viel, was sich zu vergessen lohnte. Was sich geradezu aufdrängte, von der großen Festplatte gelöscht zu werden. Nur war das eben nicht so einfach, weil ein menschliches Gehirn nun mal nicht wie ein Computer funktioniert, der sich jederzeit an- und abschalten lässt.

Zwei Fischer mit krautigen Bärten, aus denen das Wasser tropfte, zogen ihr blutrotes Boot auf den Strand, während hinter ihnen die stürmische Nordsee toste. Das Gemälde war noch längst nicht fertig, aber es ließ bereits das Kunstwerk erahnen, in das es sich in wenigen Stunden verwandelt haben würde. Die Männer auf der Leinwand waren außer Atem, hatten sich vollkommen verausgabt, waren mit letzter Kraft dem Tod durch Ertrinken entronnen. Sie klammerten sich an das Boot, das sie aus der grauen See gerettet hatte. Ihre Blicke waren ziellos ins Nirgendwo gerichtet. Und doch waren sie nicht leer. Es befand sich noch Leben darin. Und die Gewiss­heit, dass sie wieder hinausfahren würden, irgendwann. Weil sie sonst sterben würden, nur auf eine andere Weise.

Der Betrachter würde ein beklemmendes Gefühl verspüren, wenn er in die ausgezehrten Gesichter sah, wenn er versuchte, die Blicke der Männer einzufangen, was ihm nie ganz gelingen würde.

Beklemmung, Unsicherheit, Angst.

Genau diese Mischung wollte sie bei den Menschen erzeu­gen. Sie wollte ein wenig von dem zurückgeben, was sie selbst in sich spürte. Es loswerden, bevor sie daran erstickte.

Die Pinselspitze touchierte die Leinwand und zog eine matt angedeutete Bootsplanke nach, bis auch sie in grellem Rot leuchtete. Die einzige farbige Insel in einem Meer aus Grau. Das Boot als ein Ort der Zuflucht. So wie diese Insel. So wie Langeoog.

Wenn sie ihren Blick an der Staffelei vorbei und aus dem Fenster lenkte, sah sie auf den Dorfplatz hinunter, der das Zentrum des Ortskerns markierte. Am liebsten malte sie in aller Frühe, wenn die Insel noch schlief und draußen am Horizont nur graue Schlieren erkennbar waren, die die Ankunft des neuen Tages lediglich vage andeuteten. Wenn die Natur ihre eigenen, ihre schönsten Gemälde schuf. Dann spürte sie, Teil von etwas Besonderem zu sein. Ein Gefühl, das nach und nach verblasste, in gleichem Maße, wie draußen der Tag erwachte. Die Sonne brachte vieles ans Licht. Auch sie, die Malerin, würde sich dann zeigen müssen, ob sie wollte oder nicht.

Es fiel ihr nicht schwer, solange sie es nur mit wenigen Personen zu tun hatte. Dem jungen Mann, der für die Bäckerei arbeitete und morgens mit seinem Fahrrad frische Brötchen ausfuhr, dem winkte sie zu, wenn sie gerade am Fenster stand und die Gardinen zurückzog. Meist hatte auch er einen Blick für sie übrig, sah zu ihr herauf, nickte oder winkte kurz. Eine kurze Begebenheit nur, die sofort und so schnell wieder verflog.

Inzwischen war die Sonne längst aufgegangen. Der Dorfplatz war bevölkert von Touristen, die scheinbar ziellos und vollkommen ohne Plan durcheinanderliefen. Sie trugen voluminöse Taschen, Picknickkörbe und Sonnenschirme zum Strand. Viele von ihnen hatten sich Fahrräder geliehen, die sie neben sich herschoben. Am Platz selbst hatten die Cafés geöffnet, die Eisdiele, die Bäckereien.

Sie hatte gelernt, all das auszublenden, selbst wenn sie für einen Augenblick nicht auf die Staffelei sah.

Langsam legte sie den Pinsel nieder und die Farbpalette. Dann trat sie ein paar Schritte zurück, um die Farbe und das Boot auf sich wirken zu lassen. Sie strich sich eine dunkle Locke aus der Stirn, stemmte ihre Arme in die Hüften und nickte mehrfach. Ja. Das war es. Das war die Wirkung, die sie erzielen wollte. Die Hoffnung, die das Boot ausstrahlte. Die Farbe, die den Betrachter anlockte, die ihn nähertreten ließ, bis er die Not und die Verzweiflung in den Blicken der Männer sah und erkennen musste, dass sie früher oder später dort draußen bleiben würden.

Dort draußen …

Sie schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Auf ihren vollen Lippen entstand ein Lächeln. Eines, das sich lange ankündigte, bevor es Gestalt annahm, und sich bis zu den Mundwinkeln ausbreitete.

Was jetzt noch fehlte, war der Geruch der See. Sie trat an das Fenster heran, um es zu öffnen. Ihre rechte Hand lag bereits auf dem Griff, als sie unten auf dem Dorfplatz das Gesicht in der Menge sah.

Ein Gesicht, das sie kannte. Nur allzu gut kannte.

Die Malerin stieß einen leisen, halb erstickten Schrei aus. Sie löste ihre Hand vom Fenstergriff. Ihre Schritte in das Zimmer hinein kamen eher einem Taumeln gleich, als hätte ihr jemand eine Kugel in den Leib gejagt. Möglich, dass es sich sogar ein bisschen so anfühlte, denn sie hatte plötzlich Probleme, Luft zu bekommen. Sie atmete flach und hektisch. Ihr Puls raste.

Und wenn es nur eine Einbildung gewesen war?

Mit einem Mal kam ihr die Luft im Atelier heiß und stickig vor. Abgestanden, schlecht und verbraucht.

Ein kurzer, scharfer Schmerz in ihrem linken Zeigefinger. Erst jetzt registrierte sie, dass sie ihre zur Faust geballte Hand zum Mund gehoben und mit den Schneidezähnen hineinge­bissen hatte. Eine Kurzschlussreaktion.

Der Schmerz holte sie in die Realität zurück. Es kostete sie große Überwindung, einen Schritt nach vorne zu tun. Aber es funktionierte. Sogar so gut, um gleich den nächsten zu wagen. Die Dielen knarrten leise unter ihren Füßen.

Zurück am Fenster. Ein Blick nach draußen, nach unten, auf den Dorfplatz.

Der andere war verschwunden. Dort, wo er eben noch gestanden und zu ihrem Fenster raufgesehen hatte, war jetzt eine junge Mutter damit beschäftigt, ihr schreiendes Kind in einer blau-weiß gestreiften Sportkarre zu beruhigen.

Die Welt und das Leben waren in der letzten Minute ein winziges Stück weitergezogen. Vielleicht traf das auch auf den Mann zu. Wenn er denn wirklich dort gewesen war.

Sie spürte, wie sich ihr Puls, ihr Atem allmählich wieder beruhigten. Alles wurde auf ein normales Maß zurückge­fahren. Ein dünner Schweißfilm lag auf ihrer Stirn, und sie spürte, wie sie unter ihrem verwaschenen T-Shirt transpirierte.

Eine Hand legte sich von hinten auf ihre Schulter.

»Fabienne?«

Sie kreischte auf, wirbelte auf der Stelle herum und erhob ihre linke Hand, um zuzuschlagen.

Ihr Gegenüber zuckte leicht zusammen und blinzelte sie gegen das einfallende Sonnenlicht an.

»Fabienne«, wiederholte er, »ich habe dich gerufen, aber anscheinend hast du mich nicht gehört. Was ist denn los? Ist alles in Ordnung mit dir?«

»Entschuldige.« Fabienne Hoffmann ließ langsam die Hand sinken. »Alles okay.«

An ihrem linken Zeigefinger lief Blut herunter. Ein dicker Tropfen sammelte sich an der Kuppe.

Sie sah hin, für einen kurzen Augenblick nur.

Auch Uthoff hatte ihre Verletzung bemerkt, die ihre gerade geäußerte Beteuerung irgendwie ad absurdum führte. Er hatte sich vor ihr aufgebaut, allerdings nicht bedrohlich, in keiner Weise. Harm Uthoff hatte sie aufgefangen, in mancher Hinsicht. Hatte ihr ein neues Zuhause gegeben, eine neue Aufgabe, ein neues Leben. Die Eröffnung der Kunstgalerie auf Langeoog war das Beste, was ihr hatte passieren können. Zum ersten Mal seit Langem hatte sie wieder aufatmen und sich frei fühlen können.

Niemand wusste, wo sie war. Und daran durfte sich auch nichts ändern.

Für einen Moment stand sie einfach nur da und sah ihn an, während sie sich geistesabwesend das Blut vom Finger leckte.

»Ich habe dir in den letzten Wochen vielleicht ein bisschen zu viel zugemutet«, sagte Uthoff in ruhigem Tonfall. Dabei sah er sie noch immer aus seinen hellblauen Augen an, die mitunter einen leicht silbrigen Glanz bekamen. Sein Haar war dunkel, fast schwarz und von den ersten grauen Strähnen durchzogen, die ihn auf einige Frauen umso attraktiver wirken ließen. Doch es waren nicht sein Charme, seine Freundlichkeit, sein Lächeln oder der Glanz seiner Augen gewesen, die sie sein Angebot hatte annehmen lassen.

Es waren ihre Fluchtgedanken, die durch ihn endlich Gestalt angenommen hatten. Seit ihrem ersten zufälligen Treffen in Bremen war so viel passiert. Er hatte einen Blick für Talent, und ihres hatte er sofort erkannt. Es war, als ob sich die beiden gesucht und gefunden hatten.

Und schließlich waren sie zusammen auf Langeoog gelandet. Ob Uthoff ebenfalls auf der Flucht vor etwas oder jemandem war? Fabienne wusste es nicht, wenngleich sie doch die Antwort auf diese Frage sehr interessierte.

Langeoog war ein Traum, der einfach nicht zu Ende gehen durfte.

»Du solltest dir eine Pause gönnen, Fabienne«,...

Erscheint lt. Verlag 11.6.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-96586-394-0 / 3965863940
ISBN-13 978-3-96586-394-1 / 9783965863941
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