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Die schwarze Rose (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
608 Seiten
Paul Zsolnay Verlag
978-3-552-07301-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die schwarze Rose -  Dirk Schümer
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'Man kann kaum etwas Vergnüglicheres, Erbaulicheres tun, als in diesem Sommer die Schwarze Rose zu lesen.' Nils Minkmar, Süddeutsche Zeitung
Als Ketzer denunziert, muss sich im Jahr 1328 der berühmte deutsche Prediger Eckhart von Hochheim am Hof des Papstes in Avignon der Inquisition stellen.
In Begleitung seines Novizen Wittekind wird Meister Eckhart Zeuge eines blutigen Raubüberfalls. Als Wittekind selbst angegriffen wird, ahnen die beiden, dass sie in einen Finanzbetrug von europäischem Ausmaß hineingezogen werden. Im Schatten des Papstpalasts ist auch der geheimnisvolle Franziskaner William von Baskerville den Tätern auf der Spur.
Dort, wo Umberto Ecos 'Der Name der Rose' aufhört, setzt Dirk Schümers packender historischer Roman an. Wir erleben eine finstere Metropole der Religion, in der nur ein Credo gilt: Gold.

Dirk Schümer wurde 1962 in Soest geboren und studierte Germanistik, Philosophie und mittelalterliche Geschichte in Hamburg und Paris. Er arbeitet seit Anfang der 1990er Jahre als Redakteur und Kulturkorrespondent der F. A. Z. in Venedig und Wien und seit November 2014 in gleicher Funktion für die Welt-Gruppe. Zuletzt erschienen bei Zsolnay sein erster Roman Die schwarze Rose (2022) sowie Die schwarze Lilie (2023).

"Ein monumentaler Mittelalterkrimi um Macht und Geld in Zeiten der Kirchenspaltung.“ Clementine Skorpil, Presse am Sonntag, 13.02.22

Kapitel 2


Wir stiegen die Böschung hinauf und gingen ein Stück die Rhone entlang. Die Subburgi, die hier verstreut lagen, gaben ein wunderliches Bild. Hier eine Kardinalsresidenz mit hohen Steinmauern und bewachtem Tor. Dort ein paar Fachwerkstraßen, die von einem Holzzaun umgeben waren. Dann in den Wiesen am Stadtrand viele mit Schilf gedeckte Hütten. Wir gingen an den Mauern unseres Konvents vorbei, denn der Meister hatte nicht vor, sich am späten Nachmittag bereits unter die Kontrolle des Priors zu begeben. Aber ich fürchtete, dass uns auch draußen stets ein paar Mitbrüder im Blick behielten. Der Meister war ein angeklagter Häretiker unter der Gewalt der Inquisition. Und die Dominikaner, unsere Mitbrüder, waren verantwortlich dafür, dass er vor seinem Prozess nicht davonlief.

Hinter dem Kloster, dem größten und reichsten von ganz Avignon, lag das nicht minder prächtige Anwesen des päpstlichen Kämmerers Gasbard de Laval. Eine Festung mit zwei Türmen, Stallungen und Wohngebäuden für die Schreiber und Boten. Das ist der Mann, hatte mir Bruder Ramon, der Gärtner, gleich nach unserer Ankunft im November gesagt, der dem Papst das Geld beschafft. Gasbard de Laval kam wie fast alle wichtigen Leute am Hof von Joan aus dem Quercy. Kaum jemand hier in der Stadt hatte gewusst, wo das liegt, ja dass es so etwas wie das Quercy überhaupt im französischen Königreich gab. Heute kannte jeder die Stadt Cahors, aus der Papst Joan stammte. Hunderte Kleriker, Händler, Bankiers, Söldner aus dem Quercy waren dem Ruf ihres Patrons nach Avignon gefolgt. Sie hielten zusammen, und sie waren bei den Provenzalen verhasst für ihre Geldgier.

Die Kleriker aus Cahors scheißen Geld, sagte Bruder Ramon, und sogar ihre Scheiße horten sie. Darauf wachsen Bäume, an denen neues Gold hängt. Damit stopfen sie sich voll und tragen das Gold in ihre Heimat. Die Menschen von Avignon bleiben arm, und das Quercy wird immer reicher.

Die Nachbarschaft zum päpstlichen Kämmerer hatte unserem Konvent nicht geschadet. Die Straßen wurden regelmäßig mit Rhonekieseln geplättet, von Dreck gesäubert und waren sogar abends noch sicher. Gasbard de Laval war gut organisiert. Sogar in der Sänfte, in der er sich jeden Tag zum Papstpalast hinübertragen ließ, so hieß es, las er auf seinem Schoß noch in Rechnungsbüchern. Ich hatte ihn in den mehr als fünf Monaten unserer Anwesenheit noch nie zu Gesicht bekommen.

Daneben, am äußersten Stadtrand, stand die kleine Mirakelkapelle, die Gasbard gestiftet hatte. Hier hatte vor einigen Jahren ein Scheiterhaufen gebrannt. Doch der Verurteilte — er soll es mit der eigenen Mutter getrieben haben — wurde von der Muttergottes durch einen Regenguss gerettet. Ein Wunder. Seither pilgerten viele Leute aus Avignon hierher, um zur Madonna zu beten. Gasbard de Laval hatte ein Herz für Sünder. Und er hatte einen vollen Geldbeutel. Er finanzierte gleich neben seinem Anwesen den Konvent der Repenties mit einer eigenen Kapelle. Vierzig bekehrte Huren mussten hier in strenger Klausur den ganzen Tag beten und büßen für ihr sündiges Leben.

Was sollen das für Huren sein?, fragte Ramon, als er mir den Orden erklärte. Natürlich sind es alte, hässliche, die auf der Straße keinen Sou mehr verdienen. Da bekehrt es sich leichter. Aber sie haben ein hartes Leben, knien stundenlang auf Holzbänken, murmeln ihre Litaneien und geißeln einander mit Lederriemen. Eine Aufseherin hat es mir erzählt. Für solche Frömmigkeit haben die reichen Herren aus dem Papstpalast gerne Almosen übrig. Vierzig Huren — was für ein Witz! Tausende von Huren gibt es in Avignon, für jeden Kleriker mehr als eine.

Ramon, bei dem ich in diesem langen Winter bei der Gartenarbeit die provenzalische Sprache erlernt hatte, war zugänglicher als die strengen Dominikanerprediger, die auf seinesgleichen als Laienbruder und Gärtner nur verächtlich herabsahen, während sie sein Gemüse aus dem Frühbeet und seinen Salat verzehrten. Mit ausländischen Ketzern wie uns redete außer den Arbeitern sowieso niemand.

Anders als meine ummauerte westfälische Stadt war Avignon von keinem Wall umgeben. Den morschen Ring um die innere Stadt hatte man vor zwei Jahren erst geschleift. Seither mussten sich die Menschen in ihren Häusern und Nachbarschaften, mussten sich auch die Mönche in ihren Klöstern und die Leute in den freistehenden Subburgi verbarrikadieren. Hier draußen waren nachts Ketten über die Gassen gespannt, aber nur die reichen Kardinäle konnten sich Mauerwerk und Wächter leisten. Der Papst lockte die Menschen zu sich nach Avignon. Aber er schützte sie nicht.

Der Meister und ich waren am Rand der Bebauung angekommen. Hier lagen die großen Fischteiche des Papstes. Kinder mit langen Stangen liefen herum, um Reiher und Kormorane zu verscheuchen. In der Fastenzeit hatte ich von meinem Fenster im Konvent beobachten können, wie Karpfen und Hechte für die Tafel des Papstes herausgefischt und in Kübeln zum Palast getragen wurden. Die Bestände hatten sich gelichtet. Nun streuten die Aufseher mehrmals täglich Schafmist ins Wasser und mästeten die Fische für den Winter.

Unser Ziel lag im Wiesengrund des Flussufers. Die windschiefe Kapelle hatte einst Pilgern in Richtung Santiago zu einem letzten Gebet gedient, bevor die Reicheren auf Booten die Rhone hinunterfuhren — oder die Ärmeren zu Fuß ihren Weg nach Spanien fortsetzten. Nun gab es eine bequemer gelegene Jakobskapelle in der Stadt, hier draußen wurden keine Messen mehr gelesen. Die Kapelle mit ihrem bröckelnden Putz und ihren zerbrochenen Fenstern fiel in Vergessenheit. Gerade darum kam der Meister gerne hierher. Er liebte die Einsamkeit, wenn sie auch in Avignon noch schwerer zu finden war als eine reuige Hure.

An der Weggabelung neben den Schuppen der Teichwärter hockte ein blinder Bettler und leierte monoton seine Botschaft herunter: Ich habe das Ende der Welt gesehen. Ich sehne mich nach Trost. Tut Buße! Ich habe das Ende der Welt gesehen.

Wir näherten uns. Der Mann stank. Wohl bei einem Brand hatte er sich das Gesicht versengt, die Haut war mit lauter Narben wie aus brüchigen Rotziegeln wieder zusammengewachsen, aber die Augenhöhlen starrten leer. Was wollte der Bettler hier, wo kaum jemand vorbeikam? Hatte er sich verlaufen? Konnte er überhaupt laufen?

Ich habe das Ende der Welt gesehen, leierte der Mann.

Der Meister beugte sich hinunter und reichte ihm ein Stück Brot aus demselben Beutel, in dem er auch seine Verteidigungsschrift mit sich trug. Schneller, als wir schauen konnten, hatte der Blinde das Brot verschlungen. Danach segnete ihn der Meister und wollte ihm die Hand auf den Kopf legen. Aber der Bettler zuckte zurück, stieß den Meister weg und brüllte: Der Teufel hat diese Welt erschaffen. Hütet euch vor der Welt! Tut Buße!

Ein verlorenes Gotteskind, sagte der Meister und schüttelte den Kopf. Vor dem Holzportal fragte er mich, ob ich mit ihm beten wolle: Es ist sehr lange her, seit ich dich zuletzt beten sah, Wittekind.

Was willst du?, fragte ich. Schließlich bin ich Schüler eines Ketzers.

Der Meister schaute mich traurig an. Gott ist überall, und er ist immer bei dir. Das solltest du wissen.

Dann muss ich ihn nicht in der Kapelle suchen.

Mit einem Mal schien wieder die Sonne. Hier in der Provence hatte sie Ende Mai so viel Kraft wie daheim in Deutschland im Hochsommer. Ich streckte meine Glieder aus, in denen ich noch die Kälte des Klosters spürte. Schwalben jagten knapp über dem Wasser nach Mücken; auf der Rhone trieben zwei Boote mit Reisenden, die lauthals Lieder sangen. Wäre nicht das Geschrei des Bettlers gewesen, man hätte für einen Augenblick an eine Welt voller Frieden und Geborgenheit glauben können.

Plötzlich wurde hinter mir das Portal aufgerissen. Wittekind, komm her, schnell!

Ich sprang auf und lief in die Kapelle. Es schien alles verwaist. Der Meister wies stumm zur linken Wand, wo ein Haufen Gerümpel herumlag, eine alte Kirchenbank, Stühle, Bretter. Von irgendwo kam ein Wimmern. ...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2022
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 14. Jahrhundert • Avignion • Der Name der Rose • Frankreich • Franziskaner • Inquisition • Ketzer • Kloster • Mittelalter • Papst • Patrick Süskind • Religion • Umberto Eco
ISBN-10 3-552-07301-9 / 3552073019
ISBN-13 978-3-552-07301-2 / 9783552073012
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