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Ruf des Lebens – Zeit der Veränderung (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 2. Auflage
311 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2468-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ruf des Lebens – Zeit der Veränderung - Evelyn Prentis
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'Wir lernten schnell, mit dem Krieg zu leben. Wir wurden sehr geübt darin, die Patienten, die laufen konnten, rasch in die Schutzräume zu bringen, wenn die Sirenen ertönten. Ebenso geübt waren wir darin, denjenigen, die nicht laufen konnten, einzureden, dass sie dort wo sie waren, sicher wären. Einige glaubten uns, andere nicht.'

Evelyn schließt ihre Ausbildung zur Krankenschwester erfolgreich ab und überrascht damit nicht nur die anderen Schwestern und ihre Mutter, sondern auch sich selbst. Nie hätte sie sich diese harte Ausbildung zugetraut. Beflügelt von ihrem Erfolg fasst sie den mutigen Entschluss von Nottingham nach London zu ziehen, um dort in ihrem neuen Beruf weiterzuarbeiten. Doch der Krieg hat London bereits fest im Griff und schon bald prägen Bombenhagel, Luftschutzbunker und unzählige Verletzte den harten Alltag der Krankenschwestern ...

Die ergreifenden Memoiren der englischen Krankenschwester Evelyn Prentis als deutsche Erstausgabe. Für alle Fans von Donna Douglas und der TV-Serie 'Call the Midwife'. Alle Titel der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.



Evelyn Prentis, geboren 1915, wuchs in Lincolnshire auf. Mit achtzehn Jahren verließ sie ihr Elternhaus, um eine Ausbildung zur Krankenschwester zu absolvieren. Während des Zweiten Weltkrieges zog sie nach London, heiratete und gründete eine Familie. Sie starb 2001 im Alter von fünfundachtzig Jahren. Über ihr Leben als Krankenschwester hat sie mehrere Bücher geschrieben.

Kapitel 1


Ich stand mit schwitzigen Händen im Büro der Oberschwester auf der Matte und scharrte nervös mit den Füßen – wie schon so oft seit dem ersten Tag meiner Ausbildung. Es war eine schäbige, abgewetzte Matte, vor allem in der Mitte abgenutzt, dort, wo vor mir schon Generationen verunsicherter Krankenschwestern unruhig mit den Füßen gescharrt hatten. Dieselbe schäbige Matte, auf der ich bäuchlings gelandet war, als ich das erste Mal zur Oberschwester zitiert worden war. Die Stufe zu verfehlen und auf die Nase zu fallen war meinem Start in die Ausbildung nicht gerade förderlich gewesen.

Damals hatte die Oberschwester mich ebenso eisig gemustert wie sie es heute tat, ohne den leisesten Hauch von Belustigung. Und so wie heute hatte auch damals der fette Scottish Terrier auf seinem Platz neben dem Schreibtisch verächtlich die Zähne gefletscht. Wie damals fühlte ich mich unbehaglich unter dem inquisitorischen Blick und durch den übelriechenden Atem des Tiers. Es kam mir vor, als hätte sich seit damals nichts geändert. Als würde sich nie etwas ändern.

Dabei hatte sich sehr wohl einiges getan! Ich war keine Lernschwester mehr mit einer Haube, die die Ohren verdeckte und mit einem Dutzend Haarklammern befestigt werden musste. Ich hatte meine Abschlussprüfung bestanden und war jetzt eine examinierte Krankenschwester, und auf dem Kopf trug ich nun eine neue Haube, die von wenigen Haarklammern und zwei spitzenbesetzten Schleifen gehalten wurde. Erst an diesem Morgen hatte ich meinen Namen auf der Liste derjenigen gelesen, die die Prüfung bestanden hatten, woraufhin ich auf mein Zimmer gerannt war, um die Schleifen aus der Schublade zu holen, zu bügeln und stolz anzulegen. Obwohl ich sie erst kurze Zeit trug, scheuerten die gestärkten, steifen Bänder bereits unter meinem dicken Kinn. Aber noch waren sie so neu, dass die Freude überwog, vermittelten sie mir doch ein völlig überzogenes Gefühl meiner eigenen Wichtigkeit.

Die Oberschwester schaffte es jedoch sehr schnell, mir dieses erhebende Gefühl wieder auszutreiben. Sie warf nur einen Blick auf die Schleifen und zog missbilligend die Brauen hoch.

»Guten Morgen, Schwester«, sagte sie dann. »Aus Ihren Schleifen schließe ich, dass Sie die Abschlussprüfungen bestanden haben.« In ihrer Stimme schwang ein eisiger, ungläubiger Unterton mit, als wäre sie hiervon ebenso verblüfft, wie ich es gewesen war. Tatsächlich grenzte es an ein Wunder. Es war nicht leicht gewesen. Bei der mündlichen Prüfung hatten die Prüfer und ich uns in mehreren Punkten nicht einigen können, und auch mehrere meiner schriftlichen Antworten hatten Anlass zur Diskussion geboten. Hinterher war ich zutiefst deprimiert gewesen und überzeugt davon, nie den Status einer examinierten Krankenschwester zu erreichen. Dementsprechend war es nicht verwunderlich, dass es der Oberschwester schwerfiel zu glauben, dass ich mich über Nacht von einer Lernschwester, die ihre Haube mit unzähligen Haarklammern befestigte, zu einer echten examinierten Krankenschwester gemausert hatte, die ihre Haube mit Bändern unter dem Kinn fixieren durfte. Zweifellos betrachtete sie mich immer noch als faul, nachlässig und mit mangelnder Liebe zum Detail und ebenso mangelndem Talent für den Krankenschwesternberuf ausgestattet – alles Dinge, die mir in den vergangenen drei Jahren immer wieder Strafpredigten in eben diesem Büro eingebracht hatten. Jede meiner Verfehlungen war in meiner Personalakte vermerkt worden und wurde offenbar jedes Mal gegen mich verwendet, wenn ich – so wie jetzt wieder – auf der kleinen Matte stand.

Ich schwieg eisern und tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich selbst als geborene Krankenschwester – die ich zweifellos nicht war –, als Verkörperung von Effizienz und als zweite Florence Nightingale in makelloser blau-weiß gestreifter Uniform nicht herzlicher empfangen worden wäre. Die Oberschwester behandelte alle mit derselben kühlen Herablassung. Sie war die ewige Oberschwester. Ihre Schleifen waren größer, die Spitze edler und der Stoff steifer als bei jeder anderen Schwester an diesem Krankenhaus. Die Bänder ruhten zwischen ihrem zweiten und dritten Kinn und die Schleifen wackelten, wenn sie sprach. Das war das Metronom, nach dem unsere Hoffnungen und Ängste getaktet waren: Bewegten sie sich langsam, blieben auch wir einigermaßen entspannt, aber mit zunehmendem Tempo gerieten wir ins Schwitzen.

Die Oberschwester war der Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens, gefürchtet von allen Schwestern unabhängig von ihrem Rang, sogar die dienstältesten Ärzte zollten ihr Respekt. Solange sie an ihrem Schreibtisch saß, ungerührt und weitgehend regungslos, fühlten wir uns sicher in der Gewissheit, dass das Krankenhaus mitsamt Inventar und Personal fortbestehen würde, ganz egal was außerhalb des Geländes vor sich gehen mochte. Doch schon bald sollte sich herausstellen, dass nicht einmal sie von den Ereignissen des Jahres 1938 unberührt bleiben sollte.

Ihre Schleifen zuckten wieder. Sie senkten sich erwartungsvoll herab, als sie den Mund öffnete, und ruckten abrupt nach oben, als sie schroff ihre Meinung kundtat.

»Sie haben sich in den vergangenen Jahren nicht besonders positiv hervorgetan, Schwester«, sagte sie und wartete, dass ich ihr zustimmte. Sie brauchte nicht lange zu warten. Ich war dahingehend erzogen worden, ältere Menschen zu respektieren und höhergestellte Personen zu fürchten. Niemals hätte ich es gewagt, ihr zu widersprechen.

»Ja, Oberschwester«, sagte ich artig. »Nein, Oberschwester«, verbesserte ich mich gleich darauf hastig.

Ihr Blick glitt über meine verknitterte, aber saubere Schürze, verweilte kurz auf meinem glatten, aber schmutzigen Kragen, streifte meine Haube und verharrte schließlich bei den Schleifen, die längst ihre Bedeutung verloren hatten.

»Ich hoffe, dass Sie als examinierte Krankenschwester mehr Beflissenheit an den Tag legen als in der Zeit Ihrer Ausbildung«, fuhr sie kalt fort und ließ mir einen Moment Zeit, darüber nachzudenken, dass sie mir mangelnden Arbeitseifer unterstellte. Ich dachte darüber nach. Sie hatte recht. Ich strotzte nicht eben vor »Beflissenheit«. Das war die letzten drei Jahre so gewesen, und daran würde sich wahrscheinlich auch in Zukunft nichts ändern.

»Ja, Oberschwester. Danke, Oberschwester«, hauchte ich und verließ das Büro.

Drüben in dem tristen, unmöblierten Raum, den wir als Bibliothek bezeichneten, obwohl dort kein einziges Buch zu finden war, stieß ich auf Baker, Weldon, Davies und die Irin. Sie alle qualmten bereits, war die besagte Bibliothek doch der einzige Raum im ganzen Krankenhaus, in dem das Rauchen erlaubt war. Sie hatten mich in den vergangenen drei Jahren durch Mühen, Stress und Entbehrungen begleitet und die Lehrjahre viel erträglicher gemacht, als ich zu Beginn unserer Ausbildung zu hoffen gewagt hatte. Sie hatten ebenfalls das Examen bestanden und bereits vor mir auf der Matte im Büro der Oberschwester mit den Füßen gescharrt. Jetzt konnten wir mit billigen Zigaretten unseren glorreichen Sieg über die feindlichen Prüfer feiern. Wie ich brauchten sie dringend eine Dosis Nikotin, um nach der Ansprache der Oberschwester ihre strapazierten Nerven zu beruhigen.

Ich nahm von Baker eine Woodbine an und zündete sie am glühenden Ende der Park Drive der Irin an. Es war Monatsmitte und der letzte Zahltag nur noch eine ferne Erinnerung, während der nächste noch in ebenso ferner Zukunft lag. Keine von uns konnte sich die luxuriöseren Zigarettenmarken leisten. Bei vielen reichte es kaum für den billigsten Tabak. Weldon gab ihr Monatsgehalt von dreißig Pfund fast vollständig für irgendwelchen modischen Schnickschnack aus, der in der untersten Schublade verschwand, um uns dann lange vor dem nächsten Zahltag um Kippen anzuschnorren, und Davies mit ihrer legendären walisischen Vorsicht zahlte jeden Monat brav einen Teil ihres Gehalts auf ihr Sparkonto ein – als Sicherheit fürs Alter. Mir war Sparsamkeit fremd. Ich war zu einem Alter in Armut verdammt. Und ich besaß auch keine Schublade voller frivoler Unterwäsche. Außerdem hatte ich mich mit einundzwanzig damit abgefunden, dass ich wohl nie heiraten würde.

Weldon nahm sich meine letzte Reszke Minor, brach sie in der Mitte durch und reichte eine Hälfte an Davies weiter.

»Und? Was hat sie gesagt?«, fragte sie mich und warf die leere Zigarettenpackung aus dem Fenster, damit ein Gärtner sich fluchend danach bücken musste. Sie und Davies wussten, dass ich ihnen meine letzte Zigarette nicht vorenthalten hätte. Nicht solange Baker noch welche hatte, die sie mit mir teilte. Zwischen uns hatte sich schon ganz früh eine besondere Freundschaft entwickelt. Die anderen hatten mir – auch ungefragt – in jeder Lebenslage mit Rat und Tat zur Seite gestanden und mich immer aufgerichtet, wenn ich deprimiert gewesen war. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, waren wir uns zumindest darin einig, dass die Menschen nun einmal verschieden waren, und ich war definitiv anders als sie oder Baker. Ich besaß keine der unbestimmbaren Eigenschaften, die sie in geborene Krankenschwestern verwandelt hatten, aber das tat unserer Freundschaft keinen Abbruch.

Zwar hatten sie sich zuweilen bemüßigt gefühlt, mich für meine wilderen Ausschweifungen zu tadeln, aber ihre Kritik war nie allzu destruktiv gewesen. Auf jeden Fall hatten sie die vergangenen Jahre viel erträglicher gemacht.

Ich wartete, bis alle Zigaretten glommen, und berichtete ihnen dann, wie überrascht die Oberschwester davon gewesen war, dass ich die Abschlussprüfungen bestanden hatte. Ich imitierte lebhaft die Bewegung ihrer Brauen, ihre kritische Musterung und legte...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2021
Reihe/Serie Die Krankenschwestern von Notting Hill
Die Krankenschwestern von Notting Hill
Übersetzer Cécile Lecaux
Sprache deutsch
Original-Titel A Nurse in Action
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2.Weltkrieg • Call the midwife • Carmen Korn • Donna Douglas • Frauen • Freiheit • Geburt • Hebammen • Krankenschwester • Lazarett • Lesley Pearse • London • Notting Hill • Saga • Säugling • Unabhängigkeit • Wochenbett
ISBN-10 3-8412-2468-7 / 3841224687
ISBN-13 978-3-8412-2468-2 / 9783841224682
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