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Ruf des Lebens – Zeit der Entscheidung (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 2. Auflage
325 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2469-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ruf des Lebens – Zeit der Entscheidung - Evelyn Prentis
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'Die Oberschwester lächelte. 'Glauben Sie, dass Sie von 9 bis 15.30 Uhr arbeiten können?' Einen Moment lang konnte ich mein Glück gar nicht fassen. Es schien mir nicht richtig zu sein, für so einen kurzen Arbeitstag bezahlt zu werden.'

Der zweite Weltkrieg ist zu Ende und der Alltag kehrt langsam wieder ein. Die Männer sind von der Front zurück und viele Frauen können zuhause bei ihren Kindern bleiben. Doch das Geld ist knapp und Evelyn merkt schnell, dass sie einen Teilzeitjob finden muss, um über die Runden zu kommen. Zu ihrem Erstaunen wird ihr tatsächlich eine Teilzeitstelle in ihrem ehemaligen Krankenhaus angeboten. Dort ist der Alltag nicht leichter geworden, doch aus dem jungen Mädchen ist eine selbstbewusste und starke Frau geworden, die nicht nur Krankenschwester, sondern jetzt auch Mutter ist. Energisch widmet sich Evelyn ihren neuen Herausforderungen und erkennt, dass sie statt Bombennächten und Kriegsverletzungen nun ganz neuen Feinden gegenübersteht: Keuchhusten, Masern und Kinderlähmung versetzen ganz England in einen Schockzustand ...

Die ergreifenden Memoiren der englischen Krankenschwester Evelyn Prentis als deutsche Erstausgabe. Für alle Fans von Donna Douglas und der TV-Serie 'Call the Midwife'. Alle Titel der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.



Evelyn Prentis, geboren 1915, wuchs in Lincolnshire auf. Mit achtzehn Jahren verließ sie ihr Elternhaus, um eine Ausbildung zur Krankenschwester zu absolvieren. Während des Zweiten Weltkrieges zog sie nach London, heiratete und gründete eine Familie. Sie starb 2001 im Alter von fünfundachtzig Jahren. Über ihr Leben als Krankenschwester hat sie mehrere Bücher geschrieben.

Kapitel 1


Der Krieg war vorbei. Nachdem er zweimal in die Verlängerung gegangen war, hatte er endlich ein Ende genommen, wobei das zweite Mal dramatischer und endgültiger gewesen war als das erste.

Als wir von der Hiroshima-Bombe erfuhren, war dieses Ereignis so weit weg, dass es uns weniger erschütterte, als es die Bomben hier getan hatten, deren Zerstörungskraft viele von uns aus nächster Nähe ausgesetzt gewesen waren. Es dauerte lange, bis das Entsetzen auch uns erreichte, und ich war nur eine von vielen, die sich insgeheim fragten, ob ein solches Ausmaß der Zerstörung gerechtfertigt gewesen sei. Über diese Frage dachten wir noch lange nach und diskutierten, ohne je zu einer auch nur ansatzweise befriedigenden Antwort zu gelangen. Aber wenigstens machte die Bombe dem Krieg ein Ende, und das war ein Segen, auch wenn mir gründlich missfiel, auf welche Art dieser Segen über uns gekommen war.

Der erste Tag des Sieges war großartig, ein Tag der Freude, den sich niemand von unterschwelligen Zweifeln, aussichtslosen Grübeleien oder schlafraubenden Schuldgefühlen verderben lassen wollte. Es war ein Tag der Befreiung von der Verdunkelung; ein Tag, getragen von der Hoffnung, dass der nächste Tag – und alle darauffolgenden – perfekt sein würde. Natürlich waren sie das nicht, aber der Gedanke, dass sie es immerhin sein könnten, veranlasste die Menschen, bis spät in die Nacht hinein in den Straßen zu tanzen und in Springbrunnen zu springen, als wollten sie im Zeitraffer das Grauen der vergangenen sechs Jahre wettmachen.

Kinder wurden in Kostüme gesteckt und man setzte ihnen lustige Papphüte auf. Fahnen wurden hervorgekramt und wie wild geschwenkt, und Süßigkeiten, die man lange Zeit gehortet hatte, wurden aus den hintersten Winkeln der Speisekammern hervorgekramt, um zu wackligen Figuren oder Burgen aufgetürmt zu werden, die für helle Farbtupfer auf den mit Union Jacks bedeckten Klapptischen sorgten und von Kindern mit großen Augen bestaunt wurden. Die meisten von ihnen hatten solch eine zügellose Völlerei noch nie erlebt und sollten auch hiernach für lange Zeit keinen solchen Überfluss mehr zu sehen bekommen. Obwohl der Krieg so gut wie vorbei war, wurde immer noch rationiert, Lebensmittelmarken waren fast ebenso kostbar wie Geld, und in den Schlangen vor der Kartoffelausgabe kam es regelmäßig zu Gezänk.

Ich hätte vielleicht auch einen Papierhut gebastelt oder Wackelpeter zubereitet, wäre meine Tochter nicht noch so klein gewesen, dass alles andere als eine Wollmütze auf ihrem seidigen Köpfchen verrutscht wäre, und mir nicht allein bei dem Gedanken daran, was ein Löffel Wackelpeter in ihrem kleinen Bäuchlein anrichten konnte, angst und bange geworden wäre. Vielleicht hätte sie die Süßigkeit sogar vertragen, aber ich war zu lange Krankenschwester gewesen, um ein solches Risiko einzugehen. Ich hielt mich strikt an die Regeln, die man mir im Krankenhaus beigebracht hatte, und ernährte mein Kind – und später beide Kinder – gesund, was Experimente mit Wackelpeter im Milchpulveralter schlichtweg ausschloss. Ich schaltete auch später beide Ohren auf Durchzug, wenn sie jammerten, sie hätten Hunger, wenn es bis zur nächsten Mahlzeit keine fünf Minuten mehr waren. Solch kindisches Aufbegehren musste man im Keim ersticken, wenn aus den Kindern ausgeglichene und verantwortungsbewusste Erwachsene werden sollten.

Meine Kinder waren beide schon fast zwanzig, als ich Dr. Spock entdeckte und durch seine Bücher erfuhr, wie gründlich ich mit meinen Erziehungsmethoden danebengelegen hatte. Indem ich ihnen verwehrt hatte, auf Verlangen etwas zu essen oder aufs Töpfchen zu gehen und sich frei und offen äußern zu dürfen, hatte ich ihrer emotionalen Entwicklung unwiderruflichen Schaden zugefügt. Aber diese Erkenntnis kam zu spät, die Zeit ließ sich nicht zurückdrehen.

Ich grübelte eines Morgens bei einer Tasse Tee darüber nach, stellte dann Spocks Buch zurück ins Regal und tröstete mich damit, dass Millionen von Müttern ihre Kinder recht erfolgreich ohne die klugen Ratschläge des Doktors großgezogen hatten und noch großzogen. Trotzdem hielt ich fortan Ausschau nach Hinweisen auf emotionale Schäden, die meine Kinder davongetragen haben könnten. Ich dachte an die Stunden, die sie auf dem Töpfchen hatten vergeblich ausharren müssen, bis tiefrote Ringe ihre kleinen Popos verunziert hatten.

Neben Papierhütchen und Wackelpeter verzichtete ich am ausgelassenen Siegestag auch darauf, in den Straßen zu tanzen oder mich in einen Springbrunnen zu stürzen, wenngleich ich doch ausnahmsweise gegen eine meiner eisernen Regeln verstieß.

Als meine Nachbarn bei mir anklopften und mich zu ihrer Party einluden, erklärte ich ihnen, ich würde keinen Alkohol trinken und nicht auf Partys gehen. Ich erwähnte nicht, dass der Hauptgrund, weshalb ich nicht auf Partys ging, der war, dass man mich nie einlud oder zumindest kein zweites Mal. Meine strikte Weigerung, Alkohol zu trinken, hatte mir des Öfteren im Wege gestanden bei Anlässen, bei denen man ruhig mal über die Stränge schlagen durfte. Da ich mich hierzu nur sehr schwer durchringen konnte, war ich nicht gerade ein Gewinn für Feierlichkeiten, bei denen Stärkeres gereicht wurde als Tee.

Aber die Nachbarn ließen nicht locker, und so wickelte ich schließlich wider besseres Wissen mein schlafendes Engelchen in mehrere Tücher, legte es in den Kinderwagen und ging nach nebenan, ein ungutes Gefühl im Bauch wegen der Ausschweifungen, die mich dort erwarten würden.

Wir stellten den Kinderwagen zu den anderen in die Küche und gingen hinüber ins Wohnzimmer, wo es bereits hoch her ging. Ich war zutiefst erleichtert, als mir jemand ein Glas Orangensaft anbot. Erst nachdem das Glas zweimal wieder aufgefüllt worden war, dämmerte mir, dass der Orangensaft anders schmeckte als jener, den wir jede Woche in der Wohlfahrtsklinik bekamen.

Die Kopfschmerzen, die mich am nächsten Morgen plagten, waren dann der letzte Beweis für meinen, wenn auch unfreiwilligen, Verstoß gegen meinen selbst auferlegten strikten Alkoholverzicht. Ich schwor mir, nie wieder mehr als zwei Gläser vermeintlichen Orangensaft zu trinken, wenn mir ein verdächtiger Beigeschmack auffiel.

Ich sollte das eine oder andere Mal gegen diesen Schwur verstoßen, aber immer in einem überschaubaren Rahmen, sodass ich die Fehltritte lediglich mit einem Kater am nächsten Morgen büßte. Und nachdem ich all die Jahre auf jeglichen Alkoholkonsum verzichtet hatte, musste ich doch zugeben, dass die Party am Tag des Sieges mit Abstand die lustigste gewesen war, die ich bis dahin erlebt hatte.

Kurz nach Abwurf der Bombe über Hiroshima stiegen buchstäblich Heerscharen von Soldaten mit ihren Entlassungspapieren in der Hand aus den Zügen und sahen sehr adrett aus in ihren zivilen Nadelstreifenanzügen.

Doch die Heimkehr verlief nicht immer so überschwänglich, wie sie sich das während ihrer Dienstzeit ausgemalt hatten. Ehemänner, die sich mit den Jahren an die Kameradschaft gewöhnt hatten, welche aus der ständigen Gefahr heraus entstanden war und die Soldaten zusammengeschweißt hatte, vermissten zuweilen die Kameradschaft oder sogar die Gefahr. Jene, die in der Ferne von einem normalen Leben geträumt hatten, stellten nun fest, wie langweilig der Alltag in einem kleinen Reihenhäuschen sein konnte. Wie furchterregend der Feind oder auch der Sergeant Major des Regiments gewesen sein mochte, verliefen die Begegnungen mit dem Sachbearbeiter auf dem Arbeitsamt häufig unerfreulicher, als man es den kriegsmüden Männern versprochen hatte. Zwar waren die Verletzungen, die manch einer dort erlitt, weniger offensichtlich als eine Schussverletzung, aber zuweilen nicht weniger schmerzhaft.

Auch die Frauen waren oft schon kurz nach der Rückkehr ihrer Männer ernüchtert. Sie hatten gelernt, allein zurechtzukommen, und konnten ruck, zuck einen Abfluss frei machen, sodass sie wenig Geduld aufbrachten mit einem Ehemann, der stundenlang auf allen vieren herumkroch auf der Suche nach dem Absperrhahn, vor allem wenn die Suche mit einer Pfütze auf dem frisch geschrubbten Küchenfußboden endete, während der Abfluss nach wie vor verstopft war. Viele Frauen hatten den Krieg ohne Sperrhahn überstanden, und die wenigsten wussten, dass es so etwas überhaupt gab. Eine Stricknadel, die lang genug war, um damit in der Verstopfung herumzustochern, etwas Soda und heißes Wasser taten es auch. Aber es war sinnlos, einem Heimkehrer erklären zu wollen, wie man so etwas machte. Er hatte in der Army, in der Navy oder in der Royal Air Force gedient und war Experte für verstopfte Abflüsse. Er wies den Eimer heißes Sodawasser abfällig zurück, ebenso wie die Stricknadel, auch wenn er mit seinen Expertenmethoden nicht weiterkam.

Auch die Kinder taten sich manchmal schwer mit der neuen Lebenssituation. Bei jenen, die gewarnt worden waren, was ihnen von ihrem Vater drohte, wenn sie sich nicht anständig benahmen und mucksmäuschenstill waren, wenn er wieder daheim war, hielt sich die Vorfreude auf ein Zusammenleben mit dem gestrengen Familienoberhaupt verständlicherweise in Grenzen.

Das Bild des Buhmanns mit dem Gürtel hatte sich in den Köpfen der Kinder eingegraben, sodass es ihnen schwerfiel, ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihrem Vater zu entwickeln, wie liebevoll dieser ihnen gegenüber auch sein mochte. Und nicht jeder Vater reagierte verständnisvoll und geduldig angesichts der Furcht oder Feindseligkeit, mit der seine Kinder ihm begegneten. Manch einer verlor die Geduld und verwandelte sich tatsächlich in den Buhmann mit dem Gürtel.

Sogar den Säuglingen fiel der Wechsel von Krieg zu Frieden schwer. Jene, die bislang...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2021
Reihe/Serie Die Krankenschwestern von Notting Hill
Die Krankenschwestern von Notting Hill
Übersetzer Cécile Lecaux
Sprache deutsch
Original-Titel A Nurse and a Mother
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2.Weltkrieg • Call the midwife • Carmen Korn • Donna Douglas • Frauen • Freiheit • Geburt • Hebammen • Krankenschwester • Lazarett • Lesley Pearse • London • Notting Hill • Saga • Säugling • Unabhängigkeit • Wochenbett
ISBN-10 3-8412-2469-5 / 3841224695
ISBN-13 978-3-8412-2469-9 / 9783841224699
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