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Goldene Morde -  Thomas Tradigist

Goldene Morde (eBook)

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2021 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99125-506-2 (ISBN)
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Eigentlich möchten sie nur die Kirche besichtigen und geraten zufällig in die Feierlichkeiten eines Goldenen Hochzeitsjubiläums. Dabei werden Dottie und ihre Schwester Cissy Zeugen einer Tragödie: Der Jubilar erleidet einen Herzinfarkt und stirbt. Dottie zieht den Schluss, dass der reiche und unbeliebte Unternehmer vergiftet wurde. Entgegen allen Zweifeln ermitteln die Schwestern auf eigene Faust im Umfeld einer hoffnungslos zerstrittenen Familie, die nicht einmal um ihr Oberhaupt zu trauern scheint. Denn wer würde bei einem millionenschweren Erbe nicht über Leichen gehen?

Thomas Tradigist, geboren in Wien, lebt und schreibt in einem kleinen, idyllischen Dorf im Südburgenland. Ursprünglich arbeitete er als Ingenieur für Hochbau und Architektur, später in einem Krankenhaus als Krankenpfleger. Seine Liebe zu guten Krimis ließ ihn zur Feder greifen. Er wollte es quasi selbst einmal ausprobieren, den perfekten Mord zu begehen. Natürlich nur zwischen Buchdeckeln, versteht sich ...

Teil 1 Alfred Abl


1 Die Feier


I


Schöner könnte das Wetter an diesem 21. September nicht sein, obwohl es extrem heiß ist. Der Himmel ist von einem leuchtenden Blau und die Sonne strahlt auf die mittelalterliche Pfarrkirche in Mariasdorf herab – das ist ein kleines Dorf unweit des Kurorts Bad Tatzmannsdorf.

Vor dem Gotteshaus hat sich eine kleine Gruppe festlich gekleideter Menschen versammelt, versunken in Small Talk und teuren Champagner schlürfend.

Es ist zehn Minuten vor zwei Uhr nachmittags, als zwei Frauen die Stiege zum Kirchhof hinaufsteigen. Die eine flott, beinahe sportlich, die andere aber plagt sich, weshalb sie prompt außer Atem und ins Schwitzen gerät. Oben angekommen, steuern sie auf das Portal des Gebäudes zu.

»Sie können jetzt nicht in die Kirche gehen!«

Der Mann, der sich den Damen in den Weg stellt, ist in fortgeschrittenem Alter und von kleiner, stämmiger Statur. Sein Gesicht ist von der Hitze stark gerötet. Er hat buschige Augenbrauen, die wie sein dünnes Haar weiß sind, und so viele Wülste im Gesicht, dass er einem Shar-Pei ähnlich sieht. Er trägt einen Cutaway, der ihm nicht wirklich gut steht, obwohl er maßgeschneidert ist.

Die jüngere der beiden Frauen – sie heißt Dorothée Parotti – sieht den Shar-Pei mit großen Augen an.

»Aha!«, sagt sie verblüfft. »Wir sind hierhergekommen, weil wir die gotische Kirche besichtigen möchten.«

»Kommen Sie in zwei Stunden wieder!«, blafft der Alte zurück.

»Entschuldigen Sie!«, insistiert Frau Parotti, »aber das ist nicht akzeptabel. Darf ich fragen, wer Sie sind?«

»Alfred Abl, Industrieller. Sie müssen es akzeptieren. Ich feiere meinen fünfzigsten Hochzeitstag in dieser Kirche. Das heißt«, brummt er, »wenn sich meine Frau dazu entschließt, endlich aufzutauchen.«

»Meinen Glückwunsch zu Ihrem Jubiläum, Herr Abl. Im Übrigen werden wir bei der Besichtigung leise sein und Ihre Feier nicht stören. Das versichere ich Ihnen.«

»Sie haben mich nicht verstanden. In der Kirche findet eine geschlossene Feier statt. Also gehen Sie gefälligst auf einen Kaffee, im Dorf gibt es ein Gasthaus. Oder nein, warten Sie!« Er dreht sich um, schnippt mit den Fingern und ruft einer jungen Frau zu, die an einem kleinen Pult Getränke kredenzt: »Zwei Drinks für die Damen!« Wieder ihnen zugewandt, sagt er: »Heute ist mein Festtag und ich will nicht, dass Sie denken, ich wäre nicht spendabel! Also trinken Sie Champagner, so viel Sie wollen! Aber warten Sie gefälligst mit Ihrer Besichtigung, bis die Feier zu Ende ist.« Er zeigt auf eine Parkbank, die in einiger Entfernung unter einer Linde steht.

»Sie können uns doch nicht den Zutritt zu einer Kirche verwehren!«, empört sich Cäcilie Vinzenz. Sie ist die weniger agile Frau. Auch ihr Gesicht ist gerötet, und an ihren Schläfen kleben feuchte Haarsträhnen.

»Und ob ich das kann! Einen schönen Tag noch!« Alfred Abl kehrt zu seinen Gästen zurück. »Gott, ist das eine Hitze! Wo bleibt Kat?«, fragt er, greift sich ein Glas vom Buffet und kippt das Getränk in einem Zug hinunter. »Jemand soll sie anrufen.«

Die beiden Frauen setzen sich mit ihren Drinks unter die Linde. Dorothée Parotti – ihr Kosename ist Dottie ist schlank und zierlich, hat ein rundes Gesicht, braune Augen und einen rotblonden, exakt frisierten Pagenkopf. Sie hat dezent Lippenstift aufgetragen, sonst kein Makeup. Sie trägt ein schwarzweißes Sommerkleid im Stil der Sechziger und hat eine teure Designerhandtasche über die Schulter gehängt. Dottie ist dreiundvierzig.

Cäcilie Vinzenz ist ihre ältere Schwester. Sie wird Cissy gerufen, ist neunundvierzig Jahre alt und hat die gleichen Gesichtszüge wie Dottie, nur sind ihre Wangen gerötet und rundlicher, die braunen Augen kleiner. Ihr Haar ist lockig, schlecht gefärbt und zerzaust. Cissy ist größer als Dottie und ziemlich korpulent, weshalb sie bequeme Kleidung bevorzugt, an diesem Tag ein geblümtes Blusenkleid. Mit einem Strohhut fächelt sie sich Luft zu.

Dottie ist die intellektuelle und resolute, beinahe unterkühlte, Cissy die stets fröhliche und gut gelaunte Schwester. Dottie verfügt über einen sonoren Alt, Cissys Stimme klingt hell.

»Herr Abl ist ein unangenehmer Mensch!«, konstatiert Dottie.

»Na ja, irgendwie kann ich ihn verstehen«, sagt Cissy. »Seine Frau lässt ihn am fünfzigsten Hochzeitstag warten. Es ist logisch, dass er nervös ist. Wenigstens haben wir etwas zu trinken bekommen. Zum Wohl!«, kichert sie und nippt an ihrem Glas. »Außerdem können wir die Kirche ja wirklich etwas später besichtigen.«

»Nervosität mag ein Grund für sein Benehmen sein, aber keine Entschuldigung. Nein, wir werden nicht warten. Wenn die Feier begonnen hat, gehen wir in die Kirche, egal, ob es dem kleinen Mann nun passt oder nicht.« Cissy fasst Dottie am Unterarm und zeigt zu der Stiege, die vom Dorf heraufführt und über die eine elegante ältere Dame aufrecht emporschreitet. »Schau! Die Jubilarin erscheint.«

II


Seit gut zehn Minuten sitzen die beiden Schwestern in der letzten Reihe in der Kirche und verfolgen die Feier. Plötzlich tippt Cissy ihre Schwester am Unterarm an.

»Dottie!«, sagt sie.

»Ja?«, flüstert die andere. »Was ist?«

»Sag, möchtest du noch lange hierbleiben?« »Eigentlich schon, ja! Spricht etwas dagegen?« »Nein, aber wir könnten dem Kurcafé einen Besuch abstatten, anstatt hier zu sitzen.«

»Du möchtest dem Kurcafé immer einen Besuch abstatten«, sagt Dottie. »Nein, wir bleiben! Schon deshalb, um der Impertinenz dieses Mannes zu trotzen. Und sei leise! Ich möchte nicht, dass er auf uns aufmerksam wird.«

Im Presbyterium, dem Altarraum, steht der Priester in einem goldenen Ornat. Er ist ein kleiner alter Mann mit einem krummen Rücken. Soeben hat er aus dem Evangelium jene Stelle vorgelesen, die von der Unauflöslichkeit der Ehe handelt. Mit zittrigen Händen hält er nun die Bibel in die Höhe. Die Ministranten lassen die Schellen erklingen und schwingen den Weihrauchkessel. Dichter weißer Nebel breitet sich im kühlen Kircheninneren aus.

Cissy niest.

»Das ist eine eigenartige Feier«, sagt sie und putzt sich die Nase. »Findest du nicht auch?«

»Wie meinst du das?«

»Es sind so wenige Gäste hier. Niemand, der Fotos macht oder die Feier filmt. Nicht einmal Musikanten gibt es. Die Kirche ist so gut wie menschenleer. Unseretwegen hätte der alte Grantscherben nicht so ein Aufhebens machen müssen.«

»Stimmt. Ich vermute, dass das Paar ihr Jubiläum nur im Kreis der eigenen Familie feiern möchte.«

»Trotzdem ist es komisch! Er hat doch gesagt, dass er ein Industrieller wäre. Er kennt bestimmt viele Leute. Das ist in diesen Kreisen doch üblich. Aber wo sind sie?« »Ich kenne die Jubilarin!«, sagt Dottie nachdenklich.

»Ach ja?«, erwidert ihre Schwester.

»Ja! Ich bin ihr in Wien begegnet. Ich weiß auch, wo, es war beim Friseur. Sie ist Kundin bei Herrn Gerhard, so wie ich. Wir sind schon einige Male nebeneinander gesessen. Sie ist mir aufgefallen, weil sie so eine elegante, zurückhaltende Erscheinung ist.«

»Das ist ja ideal!«, freut sich Cissy. »Dann wird uns nachher ihr Mann keine Scherereien machen, wenn du mit seiner Frau bekannt bist.«

»Keine Sorge! Wir werden rechtzeitig gehen. Noch bevor es zu einem Disput kommt.«

»Schau dir das Kleid der Jubilarin an. Ein echtes Designerstück. Sehr chic. Es hat bestimmt ein Vermögen gekostet. Ich glaube, es ist von Eva Poleschinski.«

»Ich habe doch gesagt, dass sie auffallend elegant ist.« »Sag, weint sie?«

Dottie zuckt mit den Schultern.

»Schwer zu sagen«, sagt sie. »Wir sind zu weit weg.« Cissy fasst ihre Schwester am Unterarm. »Doch, sie weint. Sie hält sich ein Taschentuch unter die Nase. Ist das nicht rührend?«

»Ich finde es übertrieben. Die Frau ist bestimmt schon über siebzig. In diesem Alter muss man sich nicht mehr wie ein junges Püppchen benehmen.«

Cissy gibt Dotties Arm frei.

»Sei nicht so streng!«, widerspricht sie. »Es gibt im Leben einer Frau viele Momente, die ihr zu Herzen gehen. Der fünfzigste Hochzeitstag ist ein solcher Moment.«

Die Jubilare erneuern das Ehegelöbnis, danach küssen sich die beiden. Das wirkt eigentümlich, denn Frau Abl ist bedeutend größer als ihr Mann und muss sich zu ihm hinunterbeugen. Entsprechend kurz und unromantisch fällt der Kuss aus, und auch der Applaus der Festgäste klingt wenig herzlich und verebbt, kaum dass er eingesetzt hat.

Die Eucharistiefeier beginnt und die Ministranten bringen die liturgischen Utensilien zum Altar.

»Ich habe gelesen«, sagt Dottie, »dass der Mariasdorfer Kelch, den der Priester verwendet, recht wertvoll ist. Er ist aus purem Gold gefertigt und stammt aus dem Mittelalter.«

Nach dem Hochgebet hält der Geistliche eine Hostie in die Höhe und murmelt seine Gebete.

»Das ist aber eine große Hostie«, stellt Cissy fest. »Das sieht man häufig«, erläutert Dottie. »Die großen

Hostien sollen an das Brot erinnern, das die Urchristen zur Eucharistie verwendet haben. Es gibt sogar Priester, die echtes Brot zur Kommunion verwenden.«

»Das ist eine gute Idee. Diese Oblaten kleben einem stets am Gaumen fest, und das mag ich gar nicht.«

»Du kannst mit dem Messwein nachspülen.« »Wann darf man den schon kosten?«

Der Priester spendet die Kommunion und reicht dem Paar den goldenen Kelch mit dem Wein. Die Eheleute trinken davon, zuerst die Jubilarin, dann ihr Mann, nachdem sie mit ihrem Taschentuch den Rand des Kelchs gereinigt hat. Er kippt den...

Erscheint lt. Verlag 18.2.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99125-506-5 / 3991255065
ISBN-13 978-3-99125-506-2 / 9783991255062
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