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Apfelblütenjahre (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99965-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Apfelblütenjahre -  Katrin Tempel
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Der Duft von Apfelblüten und der Traum von Heimat ... Die erfolgreiche Bestsellerautorin Katrin Tempel erzählt in ihrem neuen atmosphärischen Generationenroman von drei starken Frauen, die im Schatten einer blühenden Apfelplantage nach Freiheit, Liebe und Heimat suchen. Nach dem Tod ihrer Mutter kehrt die amerikanische Modedesignerin Karen auf die elterliche Apfelplantage in der Pfalz zurück, um dort das Erbe zu regeln und die letzten alten Bäume zu roden. Dabei werden nicht nur Erinnerungen an ihre eigene bewegte Jugend wach, sondern auch an ihre freiheitsliebende Mutter und ihre Großmutter, die am Ende des Zweiten Weltkrieges mit ein paar kleinen Apfelreisern die Zukunft ihrer Familie vorbestimmte. Als Karen dann auch noch ihre alte Jugendliebe wiedersieht, kann sie sich bald vorstellen, vielleicht doch zu bleiben und nicht nur die alte Apfelplantage wieder aufblühen zu lassen. »Katrin Tempel verwebt Vergangenes und Zeitgenössisches so gefühlvoll, dass der Leser dieses Buch gar nicht mehr weglegen mag.« Ruhr Nachrichten über »Mandeljahre«

Katrin Tempel, geboren 1967 in Düsseldorf, studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Sie arbeitete als Journalistin und Chefredakteurin für mehrere Zeitschriften. Mit ihren Romanen gelangen ihr große Publikumserfolge. Sie lebt mit ihrer Familie in Bad Dürkheim an der Weinstraße.

Katrin Tempel wurde 1967 in Düsseldorf geboren und wuchs in München auf. Nach ihrem Geschichtsstudium in Münster und München arbeitete sie als Journalistin. Heute ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift "LandIDEE". Außerdem schreibt sie Drehbücher (den historischen ZDF-Zweiteiler "Dr. Hope") und bei Carlsen erscheinen ihre Jugendbücher. Mit ihren Romanen, unter anderem "Holunderliebe" und "Mandeljahre", gelangen ihr große Publikumserfolge. Unter dem Namen Emma Temple veröffentlicht sie bei Piper weitere Romane, zuletzt "Die Nebel von Connemara". Sie lebt mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter in Bad Dürkheim an der Weinstraße.

Eins


Sie sah ihn schon von Weitem.

Der schmale Traktor rumpelte mit seinem Anhänger auf dem Feldweg in Richtung Landstraße und bremste keine Sekunde, bevor er abbog und sich direkt vor ihr Auto setzte. Immerhin winkte der Fahrer ihr freundlich zu.

Durch das offene Fenster ihres Autos drang der süße, aromatische Duft in ihre Nase. Karen lächelte. Reife Trauben auf dem Weg zur Kelter. Der Geruch dieser Gegend, dieser Jahreszeit. Jetzt wurden die Trauben geerntet. Wahrscheinlich die letzten des Jahres. Spätlese.

Sie sah auf den Tacho. Bestimmt würde sie bis zum nächsten Ort hinter diesen überreifen Trauben herfahren. Rechts und links der Straße waren die Weinberge zu sehen, die sich bereits verfärbten, und dahinter die dunklen Wälder der Haardt – die Ränder des Pfälzer Waldes.

Ihre Heimat.

Falsch. Der Ort ihrer Kindheit.

Hier war Karen aufgewachsen – und von hier war sie damals aufgebrochen. Zu einem anderen Leben, mit anderen Freunden, in einer anderen Welt. Sie war gegangen, um nie mehr wiederzukommen. Und jetzt war sie doch hier. In der Ferne erkannte sie die Silhouette der Burg, die über dem Städtchen thronte.

Kurz entschlossen setzte sie den Blinker, verließ die Straße und den friedlich dahinfahrenden Winzer und bog nach links ab. Ein holpriger Feldweg zwang sie dazu, langsam zu fahren. Das hatte sich seit ihrer Kindheit offenbar nicht geändert.

Der Weg führte zwischen zwei abgeernteten Wingerten leicht bergauf und endete an einer wuchernden Hecke aus Weißdorn, Holunder und wilden Rosen.

Dahinter musste es sein.

Karen stellte den Motor ab, öffnete die Tür des Mietwagens und streckte sich. Der lange Flug von New York nach Frankfurt, dann die Autofahrt vom Flughafen bis zur Weinstraße – Rücken und Nacken sagten ihr überdeutlich, dass sie schon fünfzig war. Und nicht mehr das junge Mädchen, das vor über dreißig Jahren an dieser Stelle gestanden hatte.

Hinter dem großen Holunderbusch lag ihr Ziel. Oder?

Karen runzelte die Stirn. Hier hatten einst Apfelbäume gestanden. Ordentlich in Reih und Glied gepflanzt. Kleine tapfere Soldaten für eine perfekte Saftproduktion – so hatte sie damals über die Plantage gespottet.

Davon war jetzt nichts mehr zu sehen. Brombeeren hatten jedes freie Stück Erde zwischen den Bäumen überwuchert, dazwischen wuchsen hüfthohe Gräser, Blumen und allerlei Grünzeug, von dem sie noch nie gehört hatte. Die Bäume, die sie noch erkannte, waren inzwischen in die Höhe gewachsen, viel zu viele Triebe verknoteten sich in ihren Kronen. Zu wenig Licht für gute Äpfel, schoss es Karen durch den Kopf. Durch einen Apfelbaum musste man einen Hut werfen können, das hatte ihre Mutter immer gepredigt. Sonst bekommen die Früchte zu wenig Sonne, und der Baum wird anfällig für Pilze und andere Krankheiten.

Dieser Garten hatte bestimmt schon mehr als ein Jahrzehnt keine Pflege mehr erhalten. Eher noch länger. Die Bäume schienen mit ihren langen Trieben den wuchernden Brombeeren entfliehen zu wollen.

Wieso hatte ihre Mutter den Garten so verwahrlosen lassen? Hatte ihr schon länger die Kraft für die Pflege gefehlt? Karen stiegen die Tränen in die Augen. Sie hätte früher kommen sollen. Nachsehen, wie es ihrer Mutter ging, statt sich nur auf die fröhlichen Versicherungen am Telefon zu verlassen: Es geht mir gut, mir fehlt es an nichts, mach dir keine Sorgen. Bis zum nächsten Mal.

Hätte.

Sinnlose Vorwürfe, sie konnte die Zeit nicht zurückdrehen.

Karen machte einen Schritt nach vorne. Sofort verfing sich eine Brombeerranke in ihrer weiten Leinenhose.

Mit einem leisen Fluch wollte sie ausweichen, aber jetzt schien sich die lange Ranke erst ernsthaft an ihrem Hosenbein festzukrallen. Mit aller Geduld, die sie aufbringen konnte, bückte Karen sich und versuchte, vorsichtig die Ranke zu lösen. Ein Dorn fuhr ihr in den Finger, und sie zuckte zurück.

»Mist!« Sie steckte den blutenden Zeigefinger in den Mund. Wenigstens hatte die bösartige Ranke ihren Anflug von Sentimentalität schnell beendet.

Karen seufzte. Hätte ihre Mutter sich Hilfe geholt, dann würde es hier nicht so aussehen. Und das hätte sie sich doch finanziell leisten können, oder etwa nicht?

Beim nächsten Befreiungsversuch holte sie sich einen Kratzer auf dem Handrücken. Aber die Brombeere löste sich.

Mit einem wachsamen Blick auf aggressive Pflanzen und Kletten lief Karen an der Plantage entlang. Überall der gleiche Anblick. Ungepflegte Bäume, Gestrüpp, wilde Blumen und kleine Trampelpfade, die in das Innere der alten Apfelplantage führten und verrieten, dass sie heute Wildschweinen, Füchsen und Rehen Schutz bot. Doch an jedem einzelnen Ast hingen Äpfel. Rot, gelb, grün, gestreift, groß, klein …

Karen erinnerte sich, dass ihre Mutter immer über diese alte Plantage geschimpft hatte. Sie war das Herzstück des Apfelgutes, der älteste Anbau – und von den Sorten her komplett durchgemischt. Hier hatte Oma Marie, die Gründerin des Apfelguts, einst alles gepflanzt, was auch nur annähernd wie ein Apfelbaum aussah. Und so glich hier kein Apfel dem anderen. Jeder wurde zu einem anderen Zeitpunkt reif, immer wieder musste man ein paar Erntehelfer hierherschicken, um einen einzelnen Baum abzuernten. Eigentlich merkwürdig, dass ausgerechnet dieser aufwendige, unsortierte Apfelgarten als einzige Pflanzung von Adomeits Apfelgut übrig geblieben war. Alles andere war längst an die Winzer verkauft worden und inzwischen mit langen Reihen von Riesling, Spätburgunder und Co. bepflanzt. Wahrscheinlich war das einer sentimentalen Anwandlung ihrer Mutter geschuldet. Damit war jetzt aber Schluss: Wenn Karen dieses letzte Stück Land in den nächsten Wochen an einen der Winzer verkaufte, dann würde es sicher noch vor Ende Februar abgeholzt werden. Die Tiere müssten dann eben in die Hecken zwischen den Wingerten umziehen. Kein Problem, Wildnis gab es hier auch ohne den alten Apfelgarten mehr als genug.

Karen streckte ihre Hand nach einem besonders verlockenden, grünlich-rot gestreiften Exemplar aus und biss hinein. Der Geschmack verschlug ihr fast den Atem. Fruchtig, leicht säuerlich, knackig, vielleicht nach Grapefruit? So einen Apfel hatte sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gegessen. Er schmeckte nach Tagen voller Sonne, der Nähe von Trauben und Mandeln und irgendwie auch nach dem Leben, das sich in der Nähe seines Stammes abspielte. Unglaublich, dass sich die Geschmacksnerven irgendwann an den fad-süßen Geschmack der Supermarktäpfel gewöhnten. Sie biss noch einmal ab. Verlernte man, dass es diesen intensiven Geschmack gab? So etwas wie diesen Apfel gab es ganz bestimmt nicht in einem New Yorker Supermarkt – und wahrscheinlich auch nicht bei den hiesigen Discountern.

Sie streckte sich und pflückte einen zweiten Apfel. Dann schlenderte sie langsam zurück zu ihrem Auto. Es war später Nachmittag, ein sanfter Wind fuhr durch die Büsche und Bäume – und sie war nicht in Eile.

Hier wartete nichts und niemand auf sie.

Aber irgendwann ließ sich der Besuch ihres Elternhauses nicht mehr herauszögern. Wenn sie noch bei Tageslicht ankommen wollte, dann wurde es Zeit, die Apfelbäume und das weiche Licht des Nachmittags zu verlassen.

Von dem alten Apfelgarten bis zu ihrem Elternhaus waren es nur wenige Hundert Meter. Das gelbe Häuschen aus Sandstein lag klein und geduckt unter ein paar Bäumen am Ortsrand. Eine kurze Auffahrt, gesäumt von Apfelbäumen, führte bis direkt vor die Tür. Zögernd stieg Karen aus dem Auto. War das Haus schon immer so klein gewesen? Machte die Erinnerung wirklich alles größer?

Hoffentlich hatte ihre Mutter ihre Gewohnheiten nicht geändert. Karen ging zur Haustür, kniete sich hin und hob den Blumentopf mit den verblühten Hortensien an. Tatsächlich: Hier lag der Schlüssel, so wie damals vor dreißig Jahren. Langsam drehte sie den Schlüssel um und öffnete die Tür.

Das Haus war leer. Seit die Nachbarin vor zwei Tagen angerufen hatte, wusste Karen, dass hier niemand mehr auf sie warten würde. Ihre Mutter war gestorben. Mit neunundsiebzig Jahren, an einem Schlaganfall. Die Nachbarin hatte die Mutter im Garten liegen sehen, sofort den Krankenwagen alarmiert – und dann bei Karen angerufen.

Als Karen endlich einen Arzt im Krankenhaus erreichte, konnte er ihr nur noch den Tod ihrer Mutter bestätigen. Gestorben, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen. Und ohne noch einmal mit ihrer Tochter oder irgendjemand anderem zu reden.

Wie gelähmt war Karen mit dem Telefon in der Hand sitzen geblieben.

Wann war sie das letzte Mal in Deutschland gewesen? Das war Jahrzehnte her. Immer wieder war ihr etwas dazwischengekommen. Ferien mit den Kindern, eine neue Kollektion ihres Modelabels oder auch einfach nur die mangelnde Lust, einen langen Flug auf sich zu nehmen, um an einen Ort zu kommen, nach dem sie keinerlei Sehnsucht verspürte.

Sicher, ihre Mutter hatte immer wieder gefragt, ob sie nicht doch einmal nach Deutschland kommen wolle. Vor allem, seit ihr Vater vor drei Jahren in ein Pflegeheim gezogen war. Seine Demenz war so fortgeschritten, dass die Mutter nicht mehr mit ihm im Haus hatte leben können. Hin und wieder war sie offensichtlich so einsam gewesen, dass sie ihre einzige Tochter anrief und um einen Besuch bat. Karen hatte immer eine Ausrede gefunden. Erst jetzt war die Reise unvermeidlich geworden. Jetzt, wo niemand mehr auf sie wartete.

Jeff hatte Karen auf dem Sofa gefunden, den Telefonhörer noch in der Hand. Er hatte ihr sofort angesehen, dass etwas Schlimmes passiert war. Nach mehr als dreißig gemeinsamen Jahren konnte sie nichts vor ihm verbergen. Tröstend nahm er sie in den Arm, und sie fühlte sich in seiner Umarmung geborgen. Hier wollte sie bleiben, statt sich der...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alte Sorten • Apfelbäume • Apfelplantage • Bücher 2021 Neuerscheinungen • Familie • Familienroman • Frauenroman • Freiheit • Generationenroman • Liebe • Mutter-Tochter • Roman auf mehreren Zeitebenen • Starke Frauen
ISBN-10 3-492-99965-4 / 3492999654
ISBN-13 978-3-492-99965-6 / 9783492999656
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