Zum Hauptinhalt springen
Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Die kleine Stadt (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 3., Überarbeitete Fassung
555 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-851-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die kleine Stadt - Heinrich Mann
Systemvoraussetzungen
0,99 inkl. MwSt
(CHF 1,00)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Eine kleine, italienische Stadt gerät aus den Fugen, als sie von einer illustren Theatergruppe heimgesucht wird, denn diese zieht in ihrem Spiel lustvoll und gnadenlos den Schleier von Bürgerlichkeit hinfort. 'Die Kleine Stadt ist mir von meinen Romanen der liebste ...' (H. Mann) Null Papier Verlag

Luiz Heinrich Mann (27.03.1871-11.03.1950) war ein deutscher Schriftsteller aus der Familie Mann. Er war der ältere Bruder von Thomas Mann. Seine Erzählkunst war vom französischen Roman des 19. Jahrhunderts geprägt. Sein erzählerisches Werk steht neben einer ebenso reichen Betätigung als Essayist und Publizist. Als früher Gegner der Nationalsozialisten wurde er bereits 1933 mit Sanktionen belegt. Mann stand auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933, er befand sich dort in illusterer Gemeinschaft mit Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und Philipp Scheidemann. Mann emigrierte nach Frankreich und später in die USA, wo er er zahlreiche Arbeiten, darunter viele antifaschistische Texte, verfasste.

Luiz Heinrich Mann (27.03.1871–11.03.1950) war ein deutscher Schriftsteller aus der Familie Mann. Er war der ältere Bruder von Thomas Mann. Seine Erzählkunst war vom französischen Roman des 19. Jahrhunderts geprägt. Sein erzählerisches Werk steht neben einer ebenso reichen Betätigung als Essayist und Publizist. Als früher Gegner der Nationalsozialisten wurde er bereits 1933 mit Sanktionen belegt. Mann stand auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933, er befand sich dort in illusterer Gemeinschaft mit Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und Philipp Scheidemann. Mann emigrierte nach Frankreich und später in die USA, wo er er zahlreiche Arbeiten, darunter viele antifaschistische Texte, verfasste.

Anmerkungen zur Bearbeitung
I.
II.
III.
IV.
V.

I.


Der Ad­vo­kat Be­lot­ti trat schwän­zelnd an den Tisch vor dem Café »Zum Fort­schritt«, wisch­te mit dem Ta­schen­tuch um sei­nen kur­z­en Hals und sag­te er­stickt:

»Die Post hat wie­der Ver­spä­tung.«

»Ja­wohl«, mach­ten Apo­the­ker und Ge­mein­dese­kre­tär; und da nichts Tat­säch­li­ches mehr zu sa­gen blieb, schwie­gen sie.

Der Rei­sen­de warf hin:

»Ihr wird doch nichts zu­ge­sto­ßen sein?«

Die an­de­ren stie­ßen un­wil­lig den Atem aus. Der Leut­nant der Ca­ra­bi­nie­ri leg­te mit Nach­sicht, weil es sich um einen Frem­den han­del­te, die große Si­cher­heit der Stra­ßen dar. Zwei sei­ner Leu­te be­glei­te­ten stets zu Pfer­de die Post, und nur ein­mal hat­ten sie ein­zu­grei­fen ge­habt. Da­mals woll­te ein Bau­er sei­nen Platz nicht be­zah­len und zog ge­gen den Kut­scher das Mes­ser.

»Sol­che Leu­te ha­ben we­nig Er­zie­hung«, er­klär­te der Leut­nant.

»Ein lang­wei­li­ges Hand­werk, das eure«, rief der Apo­the­ker Ac­qui­sta­pace mit sei­ner bra­ven Stim­me.

»Be­trun­ke­ne aus dem Gra­ben zie­hen und eine ent­lau­fe­ne Kuh zu­rück­scheu­chen. Als wir da­bei wa­ren, ging’s an­ders zu. Wie, Ge­vat­ter Achil­le?«

Der Wirt rief von drin­nen: »Zu­ge­gen.«

Er stampf­te her­aus, stütz­te die Last sei­nes Bau­ches auf eine Stuhl­leh­ne und war­te­te mit of­fe­nem Mun­de, worin die Zun­ge um­her­roll­te.

»Wie, mein Al­ter?« und der Apo­the­ker klopf­te ihn auf den Bauch, »vor un­se­ren Fü­ßen ist man­che Gra­na­te ge­platzt. In Bez­zec­ca war’s, als gleich bei uns bei­den der Ge­ne­ral Ga­ri­bal­di sel­ber stand. Die Gra­na­te platzt, wir sprin­gen zu­rück, ver­steht sich; der Ge­ne­ral aber rührt sich nicht; er sieht in den Dampf, als ob er sinnt. ›Kei­ne Furcht, Freun­de‹, sagt er zu uns, und, Achil­le, wir hat­ten kei­ne mehr.«

»Das ist die rei­ne Wahr­heit«, sag­te der Wirt; und mit Wucht: »Der Ge­ne­ral war ein Löwe.«

»Er war ein Löwe«, wie­der­hol­te der an­de­re Alte, fuhr mit der Hand durch sei­nen rie­sen­haf­ten Schnauz­bart und sah alle von oben an. Plötz­lich mach­te er sich klein und tat eine Ge­bär­de, als strei­chel­te er ein Kind.

»Aber auch ein En­gel war er: ja, un­wis­send in man­chem, wie ein En­gel. Man­ches ge­sch­ah, wie, Ge­vat­ter? was er nie er­fah­ren hat. Alle wuss­ten, dass je­ner Nino ein Weib war, nur der Ge­ne­ral nicht.«

Der Ad­vo­kat Be­lot­ti frag­te: »War er ei­gent­lich ein schö­nes Weib, je­ner Nino?«

Der Apo­the­ker zisch­te lei­se. »Sol­che Frau­en gibt es nicht mehr! Und als ihr Ge­lieb­ter ge­fal­len war, da kam’s her­aus, dass sie eine war. Aber sie ver­ließ uns dar­um nicht. Hat­te sie nun ihn nicht mehr, um des­sent­wil­len sie mit­ge­zo­gen war, hat­te sie doch uns alle. Und uns alle hat sie ge­liebt!«

Sei­ne brau­nen Hun­deau­gen ju­bel­ten in der Erin­ne­rung. Der Wirt lach­te laut­los, dass sein Bauch den Stuhl um­her­warf. Sein Sohn, der schö­ne Alfò, war her­zu­ge­tre­ten, der jun­ge Sa­vez­zo mit frisch ge­brann­ten Lo­cken vom Bar­bier her über den Platz ge­kom­men; – und alle, alle hat­ten, wie der Alte en­de­te, ein nei­di­sches Ge­sicht.

Gleich dar­auf er­in­ner­ten sie sich, dass die Ge­schich­te sehr alt war und dass sie alle, so­gar der Rei­sen­de, sie kann­ten, wie sie die Hüh­ner­lu­cia kann­ten. Ihre Stun­de war da: schon klap­per­ten ihre Holz­schu­he in der Gas­se ne­ben dem Café. Mit ih­rem Ge­ga­cker, das lau­ter war als das der Hen­nen, mit ih­rer Nase, die schär­fer war als die Hüh­ner­schnä­bel, flü­gel­schla­gend mit ih­ren lan­gen Ar­men, scheuch­te sie das Fe­der­vieh zum Brun­nen und ließ es aus der Pfüt­ze trin­ken. Die Kin­der kreisch­ten um sie her, stie­ßen sie, zupf­ten an ihr und spran­gen vor Lust, wenn die Alte in ih­ren bun­ten Lap­pen wie ein großes ma­ge­res Huhn kopf­los kreuz und quer flat­ter­te. Rings­um gin­gen Fens­ter­lä­den auf; an der Ecke schräg vor dem Café dräng­ten über den Ar­ka­den des Rat­hau­ses drei Be­am­te sich in eins der al­ten Pfei­ler­fens­ter; die di­cke Mama Pa­ra­di­si sah aus ih­rem Hau­se her­ab; da­hin­ten im Cor­so so­gar streck­te Rina, die klei­ne Magd des Ta­bak­händ­lers, den Kopf her­aus, und dem Ad­vo­ka­ten Be­lot­ti schi­en es, dass sie ein neu­es Hals­tuch tra­ge. Er über­leg­te nicht ohne Un­ru­he, wer ihr nun das wie­der ge­schenkt ha­ben kön­ne. In­zwi­schen schloss die Klei­ne ihr Fens­ter, Mama Pa­ra­di­si das ihre; die Hüh­ner­lu­cia und all ihr Lärm wa­ren bis mor­gen da­hin in die Gas­se; und der Platz schlief wei­ter in sei­ner wei­ßen Son­ne, wink­lig be­leckt von den Schat­ten. Der des Palaz­zo Tor­ro­ni, am Ein­gang des Cor­so, lief spitz hin­über zum Dom, und vor der buck­li­gen Kir­chen­front mal­ten die bei­den säu­len­tra­gen­den Lö­wen ihr schwar­zes Ab­bild aufs Pflas­ter. Wild­ge­zackt sprang der Schat­ten des Glock­en­tur­mes bis an den Brun­nen vor. Ne­ben dem Turm aber wich das Dun­kel zu­rück, tief in den Win­kel, worin man das Haus des Kauf­man­nes Man­ca­fe­de wuss­te. Kaum dass die Um­ris­se sei­ner Fens­ter zu er­ken­nen wa­ren; – hin­ter ei­nem stand aber si­cher auch jetzt, wie sie im­mer dort stand, die Un­sicht­ba­re, das Rät­sel der Stadt: Evan­ge­li­na Man­ca­fe­de, die nie­mals aus­ging und den­noch al­les wuss­te, was ge­sch­ah, es frü­her als alle wuss­te. In der Stadt tat je­der, was er tat, un­ter den Au­gen der Un­sicht­ba­ren. Durch alle Häu­ser am Plat­ze schi­en sie, aus ih­rem Schat­ten­win­kel her­vor, hin­durch­se­hen zu kön­nen: nur eins ver­deck­te ihr der Turm, den Palaz­zo Tor­ro­ni. Auch hieß es, dass sie von dort nichts wis­sen woll­te, dass ihr Va­ter und ihre Magd – denn sonst er­blick­te nie­mand sie – den Na­men des Barons vor ihr nicht nen­nen durf­ten, seit er, den sie ge­liebt hat­te, die an­de­re ge­hei­ra­tet hat­te. Seit­dem ging sie nicht mehr aus! Sie war da­mals vier­und­zwan­zig ge­we­sen und war jetzt drei­und­drei­ßig.

»Eine schö­ne Frau«, wis­per­te der Ad­vo­kat dem Rei­sen­den ins Ohr. »Vom Still­sit­zen soll sie ju­no­ni­sche For­men be­kom­men ha­ben.«

Sei­ne Hän­de, die die­se For­men nach­bil­den woll­ten, ließ er rasch wie­der sin­ken, denn zwei­fel­los sah sie ihn. Der Rei­sen­de frag­te:

»Ist sie, seit ich zu­letzt hier war, noch im­mer nicht aus­ge­gan­gen?«

»Was den­ken Sie!«

Alle be­ka­men ge­kränk­te Mie­nen.

»Sie ver­spricht es, so­oft der Alte es will, dann lässt er ihr schö­ne Klei­der kom­men, so­gar von Rom her, denn schließ­lich ist sie das reichs­te Mäd­chen hier und hät­te hun­dert­tau­send Lire mit­be­kom­men; lädt ihre ehe­ma­li­gen Freun­din­nen ein, be­stellt den Wa­gen zur Aus­fahrt … Die Stun­de ist da, der Wa­gen mit den Freun­din­nen steht vor dem Hau­se, Evan­ge­li­na in ih­ren schö­nen Klei­dern steigt die Trep­pe hin­ab. In der Mit­te aber hält sie an, sagt ›Nicht heu­te, ein an­de­res Mal‹ und geht zu­rück in ihr Zim­mer.«

Meh­re­re lug­ten aus den Au­gen­win­keln hin­über nach dem ge­heim­nis­vol­len Hau­se. Un­ten, wie in schwar­zer Höh­le, glomm ein Licht, und vor sei­nem La­den ging der Kauf­mann hin und her: lang­sam im­mer hin und her. Die Gäs­te des Cafés »Zum Fort­schritt« konn­ten ihm zu­se­hen und bei sei­ner Be­we­gung füh­len, dass die Zeit ver­ge­he.

Der...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2025
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Der Blaue Engel • Der Untertan • Diktatur • Kadavergehorsam • Kaiserreich • Kaiser Wilhelm • Marlene Dietrich • Thomas Mann • Weltkrieg
ISBN-10 3-96281-851-0 / 3962818510
ISBN-13 978-3-96281-851-7 / 9783962818517
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Iris Wolff

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
CHF 9,75
Radiosendungen nach Deutschland | Neuausgabe mit einem Vorwort und …

von Thomas Mann

eBook Download (2025)
Fischer E-Books (Verlag)
CHF 18,55