EinSpruch
Aphorismen
Seiten
2021
Edition Virgines (Verlag)
978-3-948229-21-4 (ISBN)
Edition Virgines (Verlag)
978-3-948229-21-4 (ISBN)
VorwortHeinrich von Kleist schrieb einst: "Besäßen wir keine Augensondern grüne Gläser, sähen wir die Welt grün. Und alle Bekenntnisse,daß noch andere Farben existieren, würden wir erstauntverneinen!"Natürlich nehmen wir nur selektiv war; das gesamte Spektruminfraroter und ultravioletter Strahlen bleibt uns verborgen. Selbstdas Sichtbare unterliegt unserer Subjektivität, und dies in einerZeit, die zu viel sieht und zu wenig betrachtet. Alles sehen zuwollen, bedeutet aber, nichts mehr zu erkennen.Ähnlich verhält es sich mit der Sprache. Grenzenlose Informationensind in ihrer Quantität unbeherrschbar. Darunter vieleWorte, denen der wesentliche Teil eines Gedankens fehlt. UnsereFilter sind überfordert und versagen.Der Aphorismus ist nur ein kleiner, unmaßgeblicher Versuch,dieser Kapitulation etwas entgegen zu setzen. Er ist keine Erfindungder Neuzeit. Das Wort Aphorismus ist griechischen Ursprungsund bedeutet so viel wie Abgrenzung. Als erster Aphoristikerüberhaupt gilt Heraklit, und der griechische Arzt Hippokratesverfasste seine medizinischen Grundsätze in aphoristischer Form.Die weltweite Liste großer Aphoristiker ist lang, war aber auchimmer eine Domaine der deutschsprachigen Literatur. GeorgChristoph Lichtenberg, Arthur Schopenhauer und FriedrichNietzsche seien hier neben Johann Wolfgang von Goethe, Novalisund Karl Kraus stellvertretend genannt, die sich mit dieser Kunstformeingehend und erfolgreich beschäftigten.Oft wird das Wort Aphorismus auch mit Gedankensplitterübersetzt. Aber ist der Aphorismus nicht das genaue Gegenteil?Form und Größe eines Splitters sind nicht vorauszusehende Zufallsprodukte.Der Aphorismus mag vieles sein, dies jedoch geradenicht.Seine Kürze konterkariert mit der Dauer des Gedankengangs,der zu ihm führt. Goethe leitet einmal einen Brief an Schiller wiefolgt ein: "Entschuldige, daß ich Dir einen langen Brief schreibe; füreinen kurzen hatte ich keine Zeit!" Vom Lyriker Gottfried Benn istverbürgt, dass ihm an einem abgeschlossenen Gedicht etwas nichtgefiel, er aber vergeblich nach der Ursache suchte. Er legte dieVerse zur Seite, und erst nach vielen Jahren fand Gottfried Bennein einziges, aber entscheidendes Wort, das er einfügte!Auch die Entstehung eines Aphorismus ist in aller Regel langwierig.Die Hürden vom Gedanken zur Idee, vom Spruch bis zumAphorismus sind hoch. Viele Überlegungen scheitern schon imVorfeld an der notwendigen gedanklichen Konsequenz des Inhaltsoder der Formulierung, die der Aphorismus einfordert. Mit derihm eigenen kurzen Sequenz versucht er, die Aufmerksamkeit derRezipienten zu gewinnen. Die radikale Attacke alter, verfestigterDenkmuster ist dabei seine schärfste Waffe.Der Aphorismus formuliert apodiktisch, in dem er manchmaldas Gegenteil bisher unumstößlicher Gewissheiten behauptetoder in Frage stellt. Gern geht er einen Schritt zu weit, Widerspruch,Zustimmung oder Gleichgültigkeit als mögliche Reaktioneneinkalkulierend und akzeptierend. Die Eisdecke, die er betritt,ist dünn, der Unterschied zwischen Mut und Wagemut verwischt.Er weiß um die Stärken und Schwächen seiner Totalität. Überheblich,vorlaut, unverfroren, taktlos und unbescheiden sind nureinige Adjektive, mit denen die Kritik ihn immer wieder belegt.Aphorismen strapazieren den Leser. Sie streicheln ihn nicht;subkutan suchen sie ihn heim. Ihm nicht die Hand reichend, reißenihn die Kurztexte wie ein Weberschiffchen hin und her.Gegen diese Zentrifugalkräfte gibt es möglicherweise ein Mittel:Aphorismen wollen gleichermaßen langsam und sparsam gelesenwerden. Während die Spannung eines Romans oder der Inhalteines Sachbuchs oft dazu führt, die Bücher nicht mehr aus derHand zu geben, sind Aphorismen - einer Medizin ähnlich - nur inkleinen Rationen bekömmlich. Bei allen Zumutungen des Aphoristikersgegenüber dem Leser bestehen vielleicht doch zwei Gemeinsamkeitenzwischen beiden während der Beschäftigung mitdieser Prosaform: die Konzentration und die Hingabe.Aphoris
Erscheinungsdatum | 11.03.2021 |
---|---|
Verlagsort | Düsseldorf |
Sprache | deutsch |
Maße | 140 x 210 mm |
Gewicht | 200 g |
Themenwelt | Literatur ► Aphorismen |
Schlagworte | Man empfindet nur das als schön, was man nicht ganz erfasst • Man liebt das Ungewöhnliche aber nicht den Ungewöhnlichen • Menschen verehren das Große - nicht das Größere |
ISBN-10 | 3-948229-21-X / 394822921X |
ISBN-13 | 978-3-948229-21-4 / 9783948229214 |
Zustand | Neuware |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Mehr entdecken
aus dem Bereich
aus dem Bereich
Janosch – Deutsch-Lektüre, Deutsche Klassiker der Literatur – 14321
Buch | Softcover (2023)
Reclam, Philipp (Verlag)
CHF 11,90