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Der Untertan (eBook)

Geschichte der öffentlichen Seele unter Wilhelm II.

(Autor)

eBook Download: EPUB
2025 | 3., Überarbeitete Fassung
628 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-823-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Untertan - Heinrich Mann
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Mit der Besprechung von Kurt Tucholsky Diederich Hessling ist ein katzbuckelnder obrigkeitshöriger Opportunist, ganz so, wie es ihn zur wilhelminischen Zeit massenweise gab. Schon in der Jugend zeigt er sich feige und ohne jegliche Courage. Ob als Student, als Familienoberhaupt oder (schließlich sogar) als Fabrikbesitzer, immer zeigt er sich als kriecherischer Mann ohne Charakter. Er nutzt und verehrt die Macht aufgrund eigener Schwäche und ist damit jederzeit das passende Rädchen im Obrigkeitsstaat. Sein einziges Prinzip ist das der grenzenlosen Kaiserverehrung und der Huldigung eines deutschen Nationalismus. Er sieht das deutsche Kaiserreich unter Wilhelm Zwo als absolute Weltmacht. Auch dieses prophetische Buch landete bei den Nazis auf dem Scheiterhaufen. Kurt Tucholsky, dessen bekannte Rezension hier ebenfalls veröffentlich ist, lobte Manns Werk als ein 'Herbarium des deutschen Mannes', in dem er (der Mann) sich zeigt, in seiner 'Sucht, zu befehlen und zu gehorchen.' Der typische Deutsche Mann seiner Zeit dachte nur in Gewaltstrukturen: Gewalt von oben oder Gewalt nach unten. Für Tucholsky war Hessling nur ein 'Herrscherchen' Null Papier Verlag

Luiz Heinrich Mann (27.03.1871-11.03.1950) war ein deutscher Schriftsteller aus der Familie Mann. Er war der ältere Bruder von Thomas Mann. Seine Erzählkunst war vom französischen Roman des 19. Jahrhunderts geprägt. Sein erzählerisches Werk steht neben einer ebenso reichen Betätigung als Essayist und Publizist. Als früher Gegner der Nationalsozialisten wurde er bereits 1933 mit Sanktionen belegt. Mann stand auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933, er befand sich dort in illusterer Gemeinschaft mit Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und Philipp Scheidemann. Mann emigrierte nach Frankreich und später in die USA, wo er er zahlreiche Arbeiten, darunter viele antifaschistische Texte, verfasste.

Luiz Heinrich Mann (27.03.1871–11.03.1950) war ein deutscher Schriftsteller aus der Familie Mann. Er war der ältere Bruder von Thomas Mann. Seine Erzählkunst war vom französischen Roman des 19. Jahrhunderts geprägt. Sein erzählerisches Werk steht neben einer ebenso reichen Betätigung als Essayist und Publizist. Als früher Gegner der Nationalsozialisten wurde er bereits 1933 mit Sanktionen belegt. Mann stand auf der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933, er befand sich dort in illusterer Gemeinschaft mit Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und Philipp Scheidemann. Mann emigrierte nach Frankreich und später in die USA, wo er er zahlreiche Arbeiten, darunter viele antifaschistische Texte, verfasste.

Anmerkungen zur Bearbeitung
Besprechung von Kurt Tucholsky
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.

Besprechung von Kurt Tucholsky


A­ber es wäre un­nütz, euch zu ra­ten. Die Ge­schlech­ter müs­sen vor­über­ge­hen, der Ty­pus, den ihr dar­stellt, muss sich ab­nut­zen: die­ser wi­der­wär­tig in­ter­essan­te Ty­pus des im­pe­ria­lis­ti­schen Un­ter­ta­nen, des Chau­vi­nis­ten ohne Mit­ver­ant­wor­tung, des in der Mas­se ver­schwin­den­den Machtan­be­ters, des Au­to­ri­täts­gläu­bi­gen wi­der bes­se­res Wis­sen und po­li­ti­schen Selbst­kas­tei­ers. Noch ist er nicht ab­ge­nutzt. Nach den Vä­tern, die sich zer­ra­cker­ten und Hur­ra schri­en, kom­men Söh­ne mit Arm­bän­dern und Mo­no­keln, ein Stand von form­vollen Frei­ge­las­se­nen, der sehn­süch­tig im Schat­ten des Adels lebt …

Hein­rich Mann 1911

Die­ses Buch Hein­rich Manns, heu­te, gott­sei­dank, in al­ler Hän­de, ist das Her­ba­ri­um des deut­schen Man­nes. Hier ist er ganz: in sei­ner Sucht, zu be­feh­len und zu ge­hor­chen, in sei­ner Ro­heit und in sei­ner Re­li­gio­si­tät, in sei­ner Er­fol­gan­be­te­rei und in sei­ner na­men­lo­sen Zi­vil­feig­heit. Lei­der: es ist der deut­sche Mann schlecht­hin ge­we­sen; wer an­ders war, hat­te nichts zu sa­gen, hieß Va­ter­lands­ver­rä­ter und war kai­ser­li­cher­seits an­ge­wie­sen, den Staub des Lan­des von den Pan­tof­feln zu schüt­teln.

Das er­staun­lichs­te an dem Buch ist si­cher­lich die Vor­be­mer­kung: »Der Ro­man wur­de ab­ge­schlos­sen An­fang Juli 1914.« Wenn ein Künst­ler die­ses Ran­ges das schreibt, ist es wahr: bei je­dem an­de­ren wür­de man an My­sti­fi­ka­ti­on1 den­ken, so über­ra­schend ist die Se­her­ga­be, so haar­scharf ist das Ur­teil, be­stä­tigt von der Ge­schich­te, be­stä­tigt von dem, was die Un­ter­ta­nen als al­lein maß­ge­bend be­trach­ten: vom Er­folg. Und es muss im­mer­hin be­merkt wer­den, dass die al­ten Macht­ha­ber – ach, wä­ren sie alt! – die­ses Buch von ih­rem Stand­punkt aus mit Recht ver­bo­ten ha­ben: denn es ist ein ge­fähr­li­ches Buch.

Ein Stück Le­bens­ge­schich­te ei­nes Deut­schen wird auf­ge­rollt: Die­de­rich Hess­ling, Sohn ei­nes klei­nen Pa­pier­fa­bri­kan­ten, wächst auf, stu­diert und geht zu den Korps­stu­den­ten, dient und geht zu den Drücke­ber­gern, macht sei­nen Dok­tor, über­nimmt die vä­ter­li­che Fa­brik, hei­ra­tet reich und zeugt Kin­der. Aber das ist nicht nur Die­de­rich Hess­ling oder ein Typ.

Das ist der Kai­ser, wie er leib­te und leb­te. Das ist die In­kar­na­ti­on des deut­schen Macht­ge­dan­kens, das ist ei­ner der klei­nen Kö­ni­ge, wie sie zu Hun­der­ten und Tau­sen­den in Deutsch­land leb­ten und le­ben, ge­treu dem kai­ser­li­chen Vor­bild, gan­ze Herr­scher­chen und gan­ze Un­ter­ta­nen.

Die­se Par­al­le­le mit dem Staats­ober­haupt ist er­staun­lich durch­ge­ar­bei­tet. Die­de­rich Hess­ling ge­braucht nicht nur die­sel­ben Tro­pen und Aus­drücke, wenn er re­det wie sein kai­ser­li­ches Vor­bild – am lus­tigs­ten ein­mal in der An­tritts­re­de zu den Ar­bei­tern (»Leu­te! Da ihr mei­ne Un­ter­ge­be­nen seid, will ich euch nur sa­gen, dass hier künf­tig forsch ge­ar­bei­tet wird.« Und: »Mein Kurs ist der rich­ti­ge, ich füh­re euch herr­li­chen Ta­gen ent­ge­gen.«) – er han­delt auch im Sin­ne des Ge­wal­ti­gen, er beugt sich nach oben, wie der sei­nem Got­te, so er sei­nem Re­gie­rungs­prä­si­den­ten, und tritt nach un­ten.

Denn die­se bei­den Cha­rak­terei­gen­schaf­ten sind an Hess­ling, sind am Deut­schen auf das sub­tils­te aus­ge­bil­det: skla­vi­sches Un­ter­ord­nungs­ge­fühl und skla­vi­sches Herr­schafts­ge­lüst. Er braucht Ge­wal­ten, Ge­wal­ten, de­nen er sich beugt, wie der Na­tur­mensch vor dem Ge­wit­ter, Ge­wal­ten, die er selbst zu er­rin­gen sucht, um an­de­re zu du­cken. Er weiß: sie du­cken sich, hat er erst ein­mal das ›Am­t‹ ver­lie­hen be­kom­men und den Er­folg für sich. Nichts wird so re­spek­tiert wie der Er­folg; ein­mal heißt es gra­de­zu: »Er be­han­del­te Mag­da mit Ach­tung, denn sie hat­te Er­folg ge­habt.« Aber wie wird die­ser Er­folg ge­ach­tet! Wür­de er es mit nüch­ter­nem Tat­sa­chen­sinn, so hät­ten wir den Ame­ri­ka­nis­mus, und das wäre nicht schön. Aber er wird ge­ach­tet auf ganz ver­lo­gne Art: man schämt sich der al­ten Ver­gan­gen­heit und be­schwört die al­ten Göt­ter, die den wirk­li­chen Dich­tern und Den­kern von einst noch et­was be­deu­te­ten, zi­tiert sie, legt Me­ta­phy­sik in den Er­folg und don­nert voll Über­zeu­gung: »Die Welt­ge­schich­te ist das Welt­ge­richt!« Und ap­pel­liert an kei­ne hö­he­re In­stanz, weil man kei­ne an­de­re kennt.

Das gan­ze bom­bas­ti­sche und doch so klei­ne We­sen des kai­ser­li­chen Deutsch­land wird scho­nungs­los in die­sem Buch auf­ge­rollt. Sei­ne Sucht, Amü­sier­ver­gnü­gen an Stel­le der Freu­de zu set­zen, sei­ne Un­fä­hig­keit, in der Ge­gen­wart zu le­ben, ohne auf die Le­se­bü­cher der Zu­kunft hin­zu­wei­sen, und sei­ne Un­fä­hig­keit, an­ders als nur in der Ge­gen­wart zu le­ben, sei­ne Lust am rau­schen­den Ge­prän­ge – tiefer ist nie die Po­pu­la­ri­tät Wa­gners ent­hüllt wor­den als hier an ei­ner ›Lo­hen­grin‹- Auf­füh­rung, die voll wit­zi­ger Be­zie­hun­gen zur deut­schen Po­li­tik strotzt (»denn hier er­schei­nen ihm, in Text und Mu­sik, alle na­tio­na­len For­de­run­gen er­füllt. Em­pö­rung war hier das­sel­be wie Ver­bre­chen, das Be­ste­hen­de, Le­gi­ti­me ward glanz­voll ge­fei­ert, auf Adel und Got­tes­gna­den­tum höchs­ter Wert ge­legt, und das Volk, ein von den Er­eig­nis­sen ewig über­rasch­ter Chor, schlug sich wil­lig ge­gen die Fein­de sei­ner Her­ren«) –, und vor al­lem zeigt Hein­rich Mann, wo­nach eben das Buch sei­nen Na­men führt: die Un­frei­heit des Deut­schen.

Die alte Ord­nung, die heu­te noch ge­nau so be­steht wie da­mals, nahm und gab dem Deut­schen: sie nahm ihm die per­sön­li­che Frei­heit, und sie gab ihm Ge­walt über an­de­re. Und sie lie­ßen sich alle so wil­lig be­herr­schen, wenn sie nur herr­schen durf­ten! Sie durf­ten. Der Schutz­mann über den Passan­ten, der Un­ter­of­fi­zier über den Re­kru­ten, der Lan­drat über den Dör­f­ler, der Guts­ver­wal­ter über den Bau­ern, der Be­am­te über Leu­te, die sach­lich mit ihm zu tun hat­ten. Und je­der streb­te nur im­mer da­nach, so ein Amt, so eine Stel-lung zu be­kom­men – hat­te er die, er­gab sich das Üb­ri­ge von selbst. Das Üb­ri­ge war: sich du­cken und re­gie­ren und herr­schen und be­feh­len.

Die voll­kom­me­ne Un­fä­hig­keit, an­ders zu den­ken als in sol­chem Ap­pa­rat, der weit wich­ti­ger war denn al­les Le­ben, die Stu­pi­di­tät, zwi­schen Be­am­ten­miss­wirt­schaft und An­ar­chie nicht die ein­zig mög­li­che drit­te Ver­fas­sung zu se­hen, die es für an­stän­di­ge Men­schen gibt: sie bil­det den Grund­bass des Bu­ches. (Und of­fen­bart sie sich nicht heu­te wie­der aufs herr-lichs­te?) Sie kön­nen alle nur ihre Pf­licht tun, wenn man sie du­cken und ge­duckt wer­den lässt; un­zer­trenn­lich er­scheint Bil­dung und Skla­ven­tum, Be­sitz und Duo­dez­re­gie­rung, bür­ger­li­ches Le­ben und Un­ter­ge­be­ne und...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2025
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Der Blaue Engel • Der Untertan • Diktatur • Kadavergehorsam • Kaiserreich • Kaiser Wilhelm • Marlene Dietrich • Thomas Mann • Weltkrieg
ISBN-10 3-96281-823-5 / 3962818235
ISBN-13 978-3-96281-823-4 / 9783962818234
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