Brave Mädchen schreien nicht (eBook)
275 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7394-5581-5 (ISBN)
Dania Dicken, Jahrgang 1985, schreibt seit der Kindheit. Die in Krefeld lebende Autorin hat Psychologie und Informatik studiert und als Online-Redakteurin gearbeitet. Mit den Grundlagen aus dem Psychologiestudium schreibt sie Psychothriller zum Thema Profiling. Bei Bastei Lübbe hat sie die Profiler-Reihe und "Profiling Murder" veröffentlicht, im Eigenverlag erscheinen "Die Seele des Bösen" und ihre Fantasyromane. Die Thriller-Reihe um die FBI-Profilerin Libby Whitman ist ihr neuestes Projekt.
Dania Dicken, Jahrgang 1985, schreibt seit der Kindheit. Die in Krefeld lebende Autorin hat Psychologie und Informatik studiert und als Online-Redakteurin gearbeitet. Mit den Grundlagen aus dem Psychologiestudium schreibt sie Psychothriller zum Thema Profiling. Bei Bastei Lübbe hat sie die Profiler-Reihe und "Profiling Murder" veröffentlicht, im Eigenverlag erscheinen "Die Seele des Bösen" und ihre Fantasyromane. Die Thriller-Reihe um die FBI-Profilerin Libby Whitman ist ihr neuestes Projekt.
Samstag. 31. Oktober
Während Miguel langsam von der Empire in die 5th Street einbog, ließ Libby ihre Blicke über eine Gruppe Jugendlicher am Straßenrand gleiten. Ein Skelett, ein Henker, Spiderman, ein Geist und eine Spinne standen vor einem Vorgarten und johlten laut. Konzentriert versuchte Libby zu erkennen, ob sie Bierflaschen oder Dosen in der Hand hielten. Spätschicht an Halloween – Thompson hatte es als puren Terror bezeichnet, aber noch war sie froh, jetzt Streife zu fahren. Es gab genug zu tun. Nichts war tödlicher als Langeweile.
Die Jugendlichen beobachteten die Officers im Streifenwagen skeptisch und unterbrachen ihre Unterhaltung für einen Moment.
„Alkohol?“, fragte Miguel knapp.
Libby schüttelte den Kopf. „Keiner, den ich sehen könnte.“
„Fünf Jugendliche und kein Alkohol? Glaub ich nicht.“ Miguel setzte den Blinker und hielt am Straßenrand. Ohne etwas zu erwidern, löste Libby ihren Gurt und stieg aus. An das Gewicht der kugelsicheren Weste hatte sie sich allmählich gewöhnt und stieg leichtfüßig aus dem Wagen. Die Geste, mit der sie den Sitz ihrer Waffe überprüfte, war inzwischen zur Routine geworden.
„Yo, Officer!“, rief der Henker. „Trick or treat?“
„Guten Abend“, begrüßte Miguel die Jugendlichen und nickte ihnen höflich zu. „Alles in Ordnung hier?“
„Alles bestens. Haben Sie heute schon jemanden festgenommen?“
„Bis jetzt nicht. Sollten wir?“
„Wir machen nichts“, sagte Spiderman. Libby musterte die Jugendlichen genau und entdeckte dann eine Flasche in der Hand des jungen Mannes, der sich als Skelett verkleidet hatte. Miguel schien sie im gleichen Moment entdeckt zu haben, denn er warf ihr einen gereizten Blick zu, während er zu dem kostümierten Jungen ging.
„Was hast du da?“, fragte er.
„Cola, wieso?“
„Ohne irgendwas anderes drin?“
„Ja, Mann. Wollen Sie probieren?“
Miguel nickte und nahm ihm die Flasche ab, um daran zu riechen. Schließlich reichte er sie dem Jungen zurück und musterte die anderen noch einmal, bevor er nickte und sagte: „Bleibt schön sauber. Viel Spaß noch.“
Libby verabschiedete sich ebenfalls von den Jugendlichen, bevor sie zu Miguel ins Auto stieg und sie der Straße weiter nach Süden folgten.
„Einer von ihnen hatte eine Flasche“, sagte Miguel streng.
„Ja, mit Cola“, erwiderte Libby unbeeindruckt.
„Du hast sie nicht gesehen.“
„Es gab auch nichts zu sehen.“
„Es hätte auch Whiskey beigemischt sein können.“
Erst erwiderte sie nichts, dann murmelte sie nur: „Ja.“
Er hatte Recht und es ärgerte sie auch, dass sie die Flasche nicht gesehen hatte, aber den Jugendlichen hatten sie ja nichts vorzuwerfen.
Sie fuhren weiter an Vorgärten vorbei, die mit Kürbissen, Geistern und anderen Gegenständen dekoriert waren. Nur vereinzelt waren noch kostümierte Kinder mit ihren Eltern in den Straßen San Josés unterwegs, um an Türen zu klingeln und mit Trick or treat Süßigkeiten zu ergattern. Jetzt kamen die Jugendlichen heraus, um zu trinken und Partys zu feiern.
„An alle Einheiten: 390 und 242 in der Almaden Avenue. Dem Notruf wurde eine Schlägerei in einer Bar gemeldet“, rauschte es aus dem Funkgerät. Noch bevor Libby reagieren konnte, griff Miguel nach dem Funksender und drückte die Taste.
„Die Officers Alvarez und Whitman sind unterwegs. Sind keine Meile entfernt.“
„Verstanden.“
Miguel hatte den Funksender kaum weggelegt, als er Blaulicht und Sirene einschaltete und Gas gab. Sie fuhren geradewegs auf die San José City Hall zu, bevor Miguel nach rechts abbog und der Santa Clara Street eilig nach Westen folgte.
„Und jetzt Augen und Ohren offen halten“, mahnte Miguel, während Libby im Funk noch hörte, dass weitere Einheiten zur Verstärkung unterwegs waren. Eigentlich musste Miguel ihr das nicht sagen, aber er nahm seinen Auftrag, sie noch ein bisschen zu schulen, verdammt ernst. Libby war nun seit dem Sommer bei der Polizei, Miguel aber schon seit fast fünf Jahren. Er wurde nächstes Jahr dreißig und seine Frau, die er vor zwei Jahren geheiratet hatte, erwartete gerade ihr erstes Kind. Viel mehr wusste Libby noch nicht über ihren Partner, obwohl sie schon seit vier Monaten mit ihm fuhr – nur eins hatte sie gleich aufgeschnappt: Police Officer Miguel Alvarez war verdammt gewissenhaft. Es regte ihn immer gleich maßlos auf, wenn eine ihrer Formulierungen in einem Bericht nicht ganz rund klang, sie ihre Berichte nicht überpünktlich abgab oder sie ihn nach den numerischen Codes fragen musste, die im Funk durchgegeben wurden. Natürlich wusste sie, dass 187 für Mord stand und sie wusste auch, dass 390 für Betrunkene stand und 242 für Körperverletzung. Vor kurzem hatte sie ihm jedoch nicht auf Anhieb sagen können, dass 374B für illegale Müllentsorgung stand, woraufhin er fast eine Grundsatzdiskussion mit ihr begonnen hatte.
Das konnte noch lustig werden.
Keine drei Minuten später parkten sie am Straßenrand vor der Bar und liefen eilig hinein. Libby folgte Miguel in die schummrig beleuchtete Bar. Im Neonlicht prügelten sich auf der Tanzfläche mehrere betrunkene Männer und wälzten sich durch Glasscherben.
„San José Police Department!“, brüllte Miguel in den allgemeinen Tumult. Die Prügelei lief dessen ungeachtet fröhlich weiter. Libby versuchte, erst mal einen Überblick zu gewinnen und zählte insgesamt fünf Männer. Brüllend versuchte Miguel, einen der prügelnden Männer zu fassen zu bekommen, als der sich aufrichtete. Daraufhin drehte der Mann sich um, weil er Miguel einen Faustschlag verpassen wollte. Zwar duckte Miguel sich darunter weg, aber er schaffte es nicht, den Mann unter Kontrolle zu bringen.
Bevor Libby etwas tun konnte, richtete sich ein zweiter Mann auf und wollte nun auf sie losgehen. Libby zögerte nicht lang und sie versuchte gar nicht erst, ihn auf Distanz zu halten, sondern ihm so nah wie möglich zu kommen und ihn zu Boden zu bringen. Sie war weder besonders groß noch kräftig gebaut und wirkte mit ihrem blonden Zopf erst einmal nicht einschüchternd. Sie hatte sich jedoch nie mit den Abwehr- und Zugriffstechniken zufrieden geben wollen, die sie an der Police Academy gelernt hatte, sondern hatte noch während ihres Studiums eine Kampfsportschule besucht.
Ihr Kontrahent war größer und mit Sicherheit stärker als sie, aber das schreckte sie nicht. Als er auf sie losgehen wollte, konzentrierte sie sich darauf, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und zu Boden zu werfen. Ihm entfuhr ein überraschter Schrei, während er auf dem Bauch landete. Libby packte ihn, verdrehte seinen Unterarm und bohrte ihm ein Knie in den Rücken, während sie mit der anderen Hand nach ihren Handschellen griff und sie ihm anlegte. Sie war kaum damit fertig, als ein zweiter Mann sie brüllend angreifen wollte. Sie kam nicht rechtzeitig hoch, um ihn auf Augenhöhe anzugreifen, aber es gelang ihr trotzdem, auch ihn zu Boden zu werfen und außer Gefecht zu setzen. Zwar hatte sie keine Handschellen mehr, mit denen sie ihn hätte fixieren können, doch ehe der Mann sie angreifen konnte, der sich zuvor mit Miguel angelegt hatte, hielt sie ihre Waffe in der rechten Hand und brüllte: „San José PD, keine Bewegung!“
Der Mann hatte eine zerbrochene Flasche in der Hand, aber er hielt inne, als sie ihn mit ihrem Blick schier aufspießte und die Waffe genau auf ihn richtete. In diesem Moment konnte Miguel ihn von hinten überwältigen und ihm Handschellen anlegen. Gleichzeitig erschienen hinter ihm zwei weitere Officers, die sofort zur Klärung der Lage beitrugen.
Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, die Prügelei zu beenden und die Beteiligten festzunehmen, ohne dass einer der Officers verletzt worden wäre. Libby zog denjenigen vom Boden hoch, dem sie zuerst Handschellen angelegt hatte, und führte ihn aus der Bar zum Streifenwagen. Er war fast zwei Köpfe größer als sie und wollte sich zu ihr umdrehen, um sie anzusehen. Es war, als könne er immer noch nicht glauben, dass sie ihn tatsächlich überwältigt hatte.
Inzwischen war auch ein dritter Streifenwagen eingetroffen, so dass sie alle Männer abtransportieren und zum Department bringen konnten. Allerdings sprachen sie zuerst noch mit Zeugen und nahmen einige Personalien auf, bevor sie sich auf den Weg zur Dienststelle machten.
Libby war froh, dass die Fahrt nur fünf Minuten dauerte, denn die beiden Männer auf der Rückbank stanken wie eine Kneipe und einer von ihnen pöbelte sowohl sie als auch Miguel aggressiv an. Es war der Mann, den sie als zweiten überwältigt hatte.
„Kaum zu fassen, dass jemand mit so einem sexy Arsch bei der Polizei arbeitet!“, lallte er und schlug mit dem Kopf gegen das Gitter.
„Ruhe da hinten“, grollte Miguel.
„Was denn, bist du etwa eifersüchtig, wenn ich deine Partnerin angrabe?“
„Sie wissen schon, was Beamtenbeleidigung ist?“
„Ich beleidige sie doch gar nicht, ich habe ihr ein Kompliment gemacht! Von so einer heißen Braut bin ich auch noch nicht festgenommen worden.“
„Werden Sie etwa öfter festgenommen?“, fragte Libby ihn, ohne sich umzudrehen.
Der Mann lachte schallend und fuhr fort, sie mit anzüglichen Witzen zu überziehen, bis sie endlich am Department waren. Libby ließ es sich nicht nehmen, ihn selbst aus dem Auto zu holen und in eine Zelle zu bringen. Unterwegs hielt sie ihn extra fest gepackt, so dass er schon jammerte und irgendwas von Polizeigewalt faselte. Unbeeindruckt stieß sie ihn in eine Ausnüchterungszelle, bevor sie ihm die Handschellen abnahm und die Gittertür hinter ihm ins Schloss warf.
„He, Süße, wie heißt du?“, fragte er und lehnte sich aufdringlich...
| Erscheint lt. Verlag | 27.12.2019 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Libby Whitman | Libby Whitman |
| Verlagsort | München |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Ermittler • Frauenleiche • Gefahr • Häusliche Gewalt • Krimi • Mord • Polizistin • Psychothriller • Sexuelle Gewalt • Spannung • USA |
| ISBN-10 | 3-7394-5581-0 / 3739455810 |
| ISBN-13 | 978-3-7394-5581-5 / 9783739455815 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich
