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Liebe und Tod in Leipzig -  Harry Gmür

Liebe und Tod in Leipzig (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
250 Seiten
Europa Verlag GmbH & Co. KG
978-3-95890-390-6 (ISBN)
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(CHF 15,60)
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Ein wiederentdeckter Jugendroman aus der Zeit von Tucholsky und Brecht Der Schweizer Professorensohn und Gymnasiast Rudolf Steinberg ist gerade 19 Jahre alt, als er sich Hals über Kopf in die schöne Agnes Klinger verliebt. Doch das Glück des jungen Paares wird schnell getrübt, denn Rudolfs lang geplanter Umzug in seinen zukünftigen Studienort Leipzig steht kurz bevor. Und auch Agnes Familie lehnt den jungen Mann an der Seite ihrer Tochter ab. Trotz der Distanz versichern sie sich in innigen Briefen ihrer gegenseitigen Hingabe und Treue und planen ihre gemeinsame Zukunft. Als sich Agnes Eltern endgültig zwischen das junge Paar stellen, verlassen Agnes und Rudolf heimlich ihre Heimatstadt. Unverheiratet und ohne klare Perspektiven ziehen sie gemeinsam nach Leipzig, wo sich alles zum Guten zu fügen scheint. Doch ihr hart erkämpftes Glück gerät erneut ins Wanken, als die jüdische Schauspielerin Esther Löwenthal in ihrem Leben auftaucht. Bei der Premiere von Rudolfs erstem Bühnenstück entfacht sich sogar ein tödliches Handgemenge um die schöne Esther, bei dem Rudolf nicht unbeteiligt ist. Harry Gmürs Jugendroman im Stil von Goethes Werther ist im wahrsten Sinne ein Debüt: Zu Lebzeiten des Autors unveröffentlicht, ist sein Werk eine Perle der romantisch dramatischen Literatur, die über 80 Jahre nach ihrem Entstehen nun erstmals veröffentlicht wird.

Harry Gmür, 1908 in eine großbürgerliche Familie in der Schweizer Hauptstadt Bern hineingeboren, schrieb das bislang unveröffentlichte Manuskript von Liebe in Leipzig vermutlich 1929 im Alter von 20 oder 21 Jahren. Seit den 30er-Jahren folgten viel beachtete Reportagen, u.a. für die Ostberliner Weltbühne. Durch sein Engagement in der deutschsprachigen kommunistischen Szene blieb Gmür nach dem Zweiten Weltkrieg u.a. in der DDR beliebt - dort schrieb er unter dem Pseudonym Stefan Miller. Sein packendes Werk Am Stammtisch der Rebellen, welches bis zum Tod von Gmür 1979 unveröffentlicht blieb, wurde 2015 im Europa Verlag Zürich erstmals aufgelegt und u.a. von der NZZ hochgelobt.

Harry Gmür, 1908 in eine großbürgerliche Familie in der Schweizer Hauptstadt Bern hineingeboren, schrieb das bislang unveröffentlichte Manuskript von Liebe in Leipzig vermutlich 1929 im Alter von 20 oder 21 Jahren. Seit den 30er-Jahren folgten viel beachtete Reportagen, u.a. für die Ostberliner Weltbühne. Durch sein Engagement in der deutschsprachigen kommunistischen Szene blieb Gmür nach dem Zweiten Weltkrieg u.a. in der DDR beliebt – dort schrieb er unter dem Pseudonym Stefan Miller. Sein packendes Werk Am Stammtisch der Rebellen, welches bis zum Tod von Gmür 1979 unveröffentlicht blieb, wurde 2015 im Europa Verlag Zürich erstmals aufgelegt und u.a. von der NZZ hochgelobt.

Vorwort


Liebe und Tod in Leipzig ist der zweite postum veröffentlichte Roman des Schweizer Politikers, Publizisten und Schriftstellers Harry Gmür (1908–1979). Nach Am Stammtisch der Rebellen (Europa Verlag Zürich 2015) aus den 1950er-Jahren handelt es sich hier um einen sehr frühen Text: Gmür hat ihn 1929 als 21-jähriger Student verfasst.

Zusammen mit der Gmür-Biographie von Markus Bürgi und Mario König (Chronos Verlag 2009), den zahlreichen politischen Zeitungsartikeln (Vorwärts, ABC) und Reportagen (Weltbühne) sowie den in der zweiten Lebenshälfte veröffentlichten Erzählungen (Die weiße Hündin, Die Azalee) vervollständigt sich mit den Romanen aus dem Nachlass Stück für Stück ein Gesamtbild von Harry Gmürs Schaffen.

Liebe und Tod in Leipzig wirft einen Blick auf die Anfänge: Der adoleszente Autor ist noch auf der Suche nach seinem eigenen schriftstellerischen Ausdruck, seine literarischen Vorbilder sind immer wieder zu erkennen, und er hat noch keine gefestigte politische Einstellung gefunden, respektive ist noch seinem großbürgerlichen, aber liberalen Elternhaus verhaftet. Trotzdem erkennt man schon in dieser frühen Phase Elemente, die später verstärkt wiederkehren: die Auflehnung gegen gesellschaftliche Konventionen etwa – das Scheitern dieser Bemühungen inbegriffen – oder aber eine Faszination für exotische Frauenfiguren und gesellschaftliche Außenseiter. In seinem literarischen Schaffen offenbarte Gmür zudem ein romantisches Gemüt, das man bei ihm in den journalistischen Texten, die von einer nüchternen Sachlichkeit und einer naturalistisch anmutenden Tonalität gekennzeichnet sind, aber auch im täglichen Umgang nicht wahrnahm.

In erster Linie aber spricht die Geschichte selbst für eine postume Veröffentlichung. Einerseits schildert Gmür die zeitlosen Nöte, Irrungen und Wirrungen in der Bewältigung der Adoleszenz, andererseits die gesellschaftlichen Verhältnisse und Konventionen der Zwischenkriegszeit in der Schweiz und in Deutschland, die uns heute nicht mehr vertraut sind.

Mario Gmür, Herausgeber

B., den 10. Mai 1929

Geliebtes Mädchen!

Tausendmal Dank für die schöne Stunde, die letzte, die ich mit Dir verbringen durfte! Was ich empfand, während Du so hold, so bescheiden an meiner Seite gingst, heiter in mein wolkenloses Geplauder einstimmend, welche Schauer der Seligkeit mein Herz durchbebten, als wir aus dem leise flüsternden Buchenhain hinaustraten an den rauschenden Fluss und Du so herrlich, so unsäglich rein und schön dastandest – ich vermöchte es nicht in Worten zu sagen! Glücklich schied ich von Dir; übervoll von froher Liebe sah mich der meinen Heimweg sanft beleuchtende Mond. Ein Gedichtchen floss mir aus der Seele, klein und anspruchslos, aber jauchzend bis in die Höhen, wo die Englein hausen. Dabei hatte ich zwar nicht vergessen, dass ich Dich nun nicht mehr sehen würde während langer Wochen; aber der Gedanke blieb Gedanke, ich fühlte ihn nicht. In solcher Stimmung ging ich zu Bett.

Und heute? Als ich morgens, kaum erwacht, mein Fenster öffnete und mein Blick auf die graue Stadt zu meinen Füßen fiel, die ein feiner, schweigender Regen wie mit einem Gewebe unendlichen Grams beschwerte, da überkam es mich plötzlich, das namenlose Elend. Da wusste ich: Du bist fort, und ich bin nun allein, ganz allein. »Aber«, höre ich Dich einwenden, »du hast doch Deine Freunde. Wenn Du auch nur wenige als Deines Umganges würdig erachtest, so sind diese Dir doch umso treuer und liebenswerter.« Ja, gewiss, ich liebe sie, meine Freunde, und keinen von ihnen würde ich ohne Schmerz entbehren. Aber sieh, es ist nicht einer darunter, dem ich mein ganzes volles Herz zu öffnen vermöchte. Jeder mag einen Teil meines Ichs besitzen, jeder mir auf seine Weise Anregung bieten; doch um mich ganz zu erfassen, sind sie alle, auch Wagner – ich sage ungern zu klein, denn edel sind sie und durchaus keine durchschnittlichen Menschen – aber zu wenig groß. Und: Freundschaft ist Freundschaft, Liebe ist Liebe. Der Freund ist stets ein Wesen außer mir; mein Mädchen – und wohl mir, dass Du es bist! – bildet einen Teil meiner Persönlichkeit, ohne den ich ewig halb, ewig ruhelos bleibe. Von den frühesten Tagen meiner Kindheit an, Du weißt es, ist die Leidenschaft für das fremde Geschlecht meine ständige Begleiterin gewesen. Mein viertes Jahr sah meine erste glühende Liebe. Etliche Male hat sie sich seither wiederholt, doch immer war ich unglücklich dabei; hoffnungslos schmachtete ich in verzehrender Ferne, denn niemals wäre ein Wort des Geständnisses über meine Lippen getreten, ja beinahe feindlich konnte ich dem vergötterten Mädchen begegnen aus lauter Scheu, ich möchte meine Gefühle verraten. Da sah ich Dich, und lawinengleich brauste meine Leidenschaft über alle Schranken hinweg, bis sie versank und Labung fand in Deiner Seele wie des Wanderers ermatteter Leib im stillen, friedlichen Blau des Bergsees. Ja, ich war glücklich in Deiner Nähe. Ich will Dich nicht schelten, ich darf nicht. Die freundliche Neigung, die Dich dem fast abenteuerlichen Gesellen verbindet, konnte Dir nicht Grund sein, Dich der wohlmeinenden Bestimmung Deiner Eltern zu widersetzen. Auch sage ich mir, dass es Dir nur vorteilhaft sein kann, wenn Du die träge Stadt mit der munteren Geschäftigkeit des Pensionslebens vertauschst, und tröste mich etwas damit. Aber gleichwohl habe ich schwer zu tragen.

Für heute soll es genug sein. Morgen und übermorgen unternehme ich einen Ausflug mit Wagner, ich werde also erst am Montag wieder schreiben können. Gute Nacht, mein liebes Mädchen. Ich gehe fast glücklich zu Bett, so wohl tut es mir, mit Dir zu plaudern, wenn es auch nur schriftlich sein kann. Von wem ich träumen werde, brauche ich Dir nicht zu sagen. Ich habe ihn auch nötig, diesen lieblichen Himmelstraum. Nicht zum ersten Mal mache ich die Erfahrung, dass der sinnliche Eindruck eines Wesens, dessen man häufig gedenkt, allmählich verblasst. Die Nacht soll mir Dich wiederbringen, Deine sanften Züge, Deine lächelnden Lippen, das Köpfchen, das so süß sich neigt, das so zart errötet, wenn der feurige Junge sich vergisst in überschwänglichen Beteuerungen der Liebe, und, o Kind!, deine tiefen, blauen Augen! Schlafe wohl!

Dein Rudolf

B., den 13. Mai 1929

Herrliche Agnes!

Endlich, endlich darf ich wieder Dir allein gehören. Während zweier langer Tage habe ich mich ununterbrochen auf diese heimliche Stunde gefreut. Und jetzt ist sie da, jetzt kann ich den Schleier lösen, der mein Herz umfangen hält, kann Dir alles ohne Rückhalt enthüllen, was mein Inneres schmerzt und beseligt. Ich bin eine verschlossene Natur, die sich ungern in die Seele schauen lässt. Aber Du, Du gehörst ja zu mir, so unzertrennlich. Vor Dir muss ich nichts verbergen. Mit Dir verbindet mich ein grenzenloses Vertrauen.

Aber ich wollte erzählen. Unser Ausflug war vom Wetter nicht eben begünstigt. Den ganzen Samstag regnete es, sodass wir in einer Sennhütte liegen blieben, wo mir Wagner viel von seiner unglücklichen Liebe berichtete und ich Muße fand, an Dich zu denken. Heute habe ich dann zum letzten Mal meine Tragödie durchgesehen und sie kurzerhand an das Theater von F. geschickt.

Und jetzt muss ich Dir von Wichtigem sprechen, herzliebes Mädchen. Ich tat es nicht eher, weil ich bis jetzt selbst nicht so eigentlich darum wusste. Aber die letzten Tage hat es mich mehr beschäftigt als irgendetwas, und so darf ich es auch Dir nicht länger verbergen. Ich habe Dir gleich zu Beginn unseres Bündnisses gesagt, dass Du, obwohl meine Liebe so groß und glühend sei, als sie überhaupt ein Mensch zu ertragen vermöge, doch auf ihre Dauer nicht zählen dürfest. Viel zu leicht entzündet sich mein Herz, viel zu gewaltig sind seine Ausbrüche, und eine Pflicht mir aufzubinden, die ich vielleicht nicht erfüllen kann, bin ich nicht leichtsinnig genug – auch heute nicht. Und doch beginne ich oftmals leise mit dem Gedanken zu spielen an eine innigere Verbindung zwischen uns. Kein halbes Jahr dauert es mehr, bis ich fortziehe aus der ausgekosteten Heimat in die mir noch junge Fremde. Und ich sollte Dich lassen? So fern von mir? Tränen wollen sich mir in die Augen drängen, denke ich daran. Ach, Agnes, wenn ich Dich nur mitnehmen könnte! Schon sind es ja zwanzig Monate, dass mein Herz Dir angehört, fester noch als zuvor, seit sich das Glück meiner Liebe verbunden hat. Sollte sich nicht das Band zu einem ewigen gestalten lassen? Ich weiß es nicht; meine Seele sehnt und zweifelt.

Was ich hier ausspreche, ist also kein Wunsch, vielmehr ein höchst ungewisser, schwankender Zustand. Dabei habe ich Dich, Deinen Willen noch nicht in Betracht gezogen. Ich bilde mir durchaus nicht ein, Du wärest so ganz ohne Umschweife mit mir einverstanden, sollte sich das Spiel in mir eines...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Coming-of-Age-Roman • Leipzig • Liebesroman • romantische Literatur • Zukunftsangst
ISBN-10 3-95890-390-8 / 3958903908
ISBN-13 978-3-95890-390-6 / 9783958903906
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