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Ein freies Weib (eBook)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
266 Seiten
Musaicum Books (Verlag)
978-80-7583-904-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein freies Weib -  Johannes Schlaf
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In 'Ein freies Weib' widmet sich Johannes Schlaf der Geschichte einer unkonventionellen Frau im späten 19. Jahrhundert. Der Roman erkundet die Konflikte zwischen Tradition und persönlicher Freiheit, während er eine intensive Charakterstudie präsentiert. Schlaf's literarischer Stil ist realistisch und detailliert, was dem Leser erlaubt, tief in die Psyche der Hauptfigur einzutauchen. Als Vertreter des Naturalismus zeigt Schlaf das Leben der arbeitenden Klasse in der deutschen Gesellschaft seiner Zeit. Die Darstellung von sozialen Umständen und individuellen Entscheidungen steht im Zentrum des Romans. Johannes Schlaf, ein Zeitgenosse von Theodor Fontane und Gerhart Hauptmann, war ein produktiver Schriftsteller und Übersetzer. Sein Interesse an den gesellschaftlichen Realitäten seiner Zeit spiegelt sich in 'Ein freies Weib' wider, das als eines seiner bekanntesten Werke gilt. Der Autor vermittelt in diesem Buch eine kraftvolle Botschaft über Selbstbestimmung und die Suche nach persönlicher Identität. 'Ein freies Weib' ist ein fesselnder Roman, der sowohl literarisch anspruchsvoll als auch faszinierend ist. Leser, die an historischen Romanen und an der sozialen Realität des 19. Jahrhunderts interessiert sind, werden von Schlafs Werk begeistert sein.

Robert hatte Cäcilie veranlaßt, ihre Stellung aufzugeben; und in einem Ehrgeiz, der vielleicht vor allem von dem Eindruck, den ihre künftige Schwiegermutter auf sie geübt, einen besonderen Antrieb erfahren hatte, benutzte sie jetzt die viele Zeit, die ihr übrigblieb, dazu, nach der Ollendorff-Methode ihren französischen und englischen Selbstunterricht weiterzutreiben und auch sonst nach Möglichkeit ihre »Bildung« zu vervollständigen.

So sympathisch ihr Roberts Vater war, es blieb etwas in Frau Voges' Wesen oder vielleicht auch nur in ihrer äußeren Erscheinung, das Mieze unzugänglich war und ihr so etwas wie ein Gefühl gab, sie werde niemals auf einen ganz vertrauten Verkehrsfuß mit ihr kommen.

Doch machte sie sich darüber keine besonderen Gedanken, zumal Frau Voges ihr in ihrer Weise freundlich entgegenkam.

Ein Zusammentreffen aber, gelegentlich dessen Mieze der Frau Justizrat Mitteilung von ihrer Verlobung gemacht, hatte bis zu einem gewissen Grad zu einer Entfremdung geführt, was für Mieze gleichbedeutend war mit einem Bruch mit der extremeren Frauenbewegung.

»Ei, seht doch unsere Kleine!« hatte die Frau Justizrat ausgerufen. »Hat sie sich da so über Nacht einen der reichsten Männer der Stadt geholt! Das nenn' ich doch noch Glück haben!«

Sie hatte das sicher im Scherz gemeint, aber sie hatte zugleich während des ganzen Zusammenseins keine weitere, besonders ernstere und anteilnehmendere Auffassung zu erkennen gegeben, und das hatte Mieze befremdet.

Doch auch darüber machte sie sich keine weiteren, tieferen Gedanken.

Sie verkehrte im übrigen im Hause Voges jetzt regelmäßiger, wo sie mit dem Leben im Hause vertraut wurde und, nach Frau Voges' Auffassung, in deren, wenn auch diskret geübten, Schulung stand ...

Dann war die Verlobung öffentlich bekanntgegeben worden. Robert und Cäcilie hatten ihre Besuche gemacht, und zwischen Neujahr und Ostern hatte dann die im engeren Kreise gefeierte Hochzeit stattgefunden.

Das junge Ehepaar wohnte in einer Villa mit schönem Garten, die in der östlichen Vorstadt, auf der anderen Seite des Stromes, gekauft und eingerichtet worden war.

Robert hatte die Absicht gehabt, mit Cäcilie eine Reise nach dem Süden anzutreten, doch sie hatte ihn gebeten, davon Abstand zu nehmen und ihm vorgeschlagen, im Sommer mit ihr eine Nordlandreise zu machen.

Sie hatte dabei eine lebhafte Sehnsucht nach dem Meer und der Natur des Nordens verraten.

Der Umstand, daß sie diese Wahl getroffen und auf eine sofortige Hochzeitsreise verzichtet hatte, ja sie sogar gegen ihr Gefühl gefunden zu haben schien, hatte nicht nur die Schwiegereltern, sondern auch Robert selbst verwundert.

Man hatte geglaubt, daß eine solche Reise nach dem Süden für sie etwas ganz besonders Anziehendes und Verlockendes sein müßte. Dem alten Herrn hatte ihre Entscheidung übrigens gefallen; auch Frau Voges hatte sich von ihr etwas beirrt gefühlt, ohne daß sie allerdings aus einer gewissen Zurückhaltung, die sie der Schwiegertochter gegenüber nach wie vor zeigte, so besonders herausgetreten wäre ...

Während draußen in der Welt der Frühjahrssturm brauste, im Garten den Schnee um die Christrosen und die Schneeglöckchen forttaute und auf dem Strom, der bis zu dem unteren Teil des Gartens heraufgeschwollen war, über die großen treibenden Eisschollen hinfegte, lebten Robert und Cäcilie das warme Gefriede ihres jungen Eheglücks.

Es war ein restloses Glück. Ein Glück, das ihre nächsten Angehörigen fast verwunderte.

Denn es fehlten ihm ganz jene Trübnisse und Mißverständnisse, unter deren Zerwürfnissen und um so wärmeren Versöhnungen ein junges Ehepaar sich gerade in dieser Zeit erst recht aneinander anzupassen, sich erst ganz zu finden pflegt und die meist gerade eine auf die Dauer glückliche Ehe einzuleiten pflegen.

Wenn man nun auch weiter keinen Anlaß zu einer Besorgnis für die Zukunft nahm – denn es kommen ja auch solche Ehen vor und können sogar einen dauernd ungetrübten Fortgang nehmen –, so geschah es doch, daß man gelegentlich über die so völlige Eintracht des jungen Paares seinen Scherz machte.

Besonders aber auf Kosten Roberts. Während man sich des Gefühls, das einem Cäcilie erweckte, nicht ganz sicher war.

Cäcilie zeigte, eigentlich in einigem Widerspruch zu ihrem sonstigen zu Munterkeit und Mutterwitz geneigten Charakter, ein stilles, in sich selbst ruhendes Wesen.

Doch war dies Wesen keineswegs gleichbedeutend mit Sentimentalität oder einer gewissen Zudringlichkeit von Leidenschaft und Liebe.

Robert hatte nicht zuviel gesagt, wenn er ihr gelegentlich seiner Mutter gegenüber Klugheit, hausfrauliche Tugend und einen ausgeprägt praktischen Sinn nachgerühmt hatte.

Auch der alte Herr äußerte jetzt zuweilen, wenn er ihr Wirken in der jungen Wirtschaft wahrnahm:

»Die Cäcilie ist ein Kerl! Sie wird Robert noch gründlich in den Sack stecken!«

Obgleich es ihn im übrigen nachdenklich stimmen und ganz eigen berühren konnte – er wurde freilich damit nicht recht fertig, hatte kein rechtes Verständnis dafür –, daß Cäciliens Neigung zu Robert eine so schlichte, fast wortlos starke und unbedingte war.

Auch er wurde aus dieser Cäcilie doch nicht so recht gescheit.

Doch meinte er, es würde sich mit den Honigwochen schon noch ändern, und sie würde dann um so munterer und geselliger auslegen und den neuen Lebensverhältnissen, in die sie eingetreten war, und die für sie doch so anziehend sein mußten, um so gründlicher Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Vorläufig aber führte das junge Paar, selbst wenn man in Betracht zog, daß sie den Anfang ihrer Ehe lebten, ein zu eingezogenes und mit sich selbst zufriedenes Leben ...

Dessen getröstete sich der alte Herr, der ein für allemal seinen Narren an Cäcilie gefressen, auch sein Teil von ihr hätte haben mögen und eine besondere Neugier darauf hatte, sie sich in dem größeren gesellschaftlichen Verkehr bewegen und entwickeln zu sehen.

Jedenfalls fühlte sich der Junge ja aber glücklich. Wetter! – der alte Herr schmunzelte – sehr glücklich sogar! ...

Tatsächlich bot Robert einen sehr guten Eindruck.

Vor allem – was nicht nur seinen Vater, sondern auch seine Mutter erfreute – zeigte er keine Spur von dem unzufriedenen und oft bis zur nervösen Zerrissenheit unsteten Wesen mehr, das ihm in der Periode seiner »Wolkenkuckucksheimereien« und »Sozialismen«, wie der alte Herr das zu nennen pflegte, angehaftet und das ganz besonders Mama oft recht gründlich auszukosten bekommen hatte ...

»Alles was recht ist: es scheint ja doch, als ob er Mann geworden wäre!« sagte er jetzt manchmal.

Während er für sein Teil aber mehr aus dem allgemeinen Eindruck, den Robert bot, sein Urteil zog, wurden Mama, nach wie vor seiner besonderen Vertrauten, Roberts Aussprachen.

»Mama,« hatte er gelegentlich etwas in der Tonart seiner früheren Periode gesagt, »selbst wenn sich das Unglaubliche ereignen sollte, daß das Glück, das ich jetzt mit Cäcilie lebe, nicht von dauerndem Bestand wäre – fast ist es mir manchmal zu tief, als daß ich es ganz verstehen und erfassen könnte, fast überwältigt es mich manchmal, macht es mich ... macht mich ... Ich weiß nicht, wie ich's sagen soll? – es ist nicht richtig, wenn ich so sage, es ist natürlich noch anders,« fuhr er ein wenig unruhig fort, »... aber fast kann es mich manchmal – bangmachen: – Aber selbst, wenn es also nicht von Bestand wäre, und selbst, wenn das Unerhörte sich ereignen könnte, daß Cäcilie mir, ich ihr fremd würde: ich werde ihr nie, nie, ewig nicht vergessen, was sie mir jetzt ist und was sie mir gibt! Es wäre genug, genug und übergenug, um ein ganzes Leben damit zu fristen.«

»Aber lieber Junge! – Nu, du – Philosoph! – Genug: du bist doch glücklich!«

Wieder hatte sich Frau Voges, wie damals, von ihrem Sitz aus gegen ihn vorgebeugt, ihm mit einem kurzen, vertraulichen Druck die Hand auf den Unterarm gelegt und wieder hatte unter hochgezogenen Brauen um ihre sein gekniffenen, kühlen, grauen Augen mit den vielen Fältchen in die Schläfen hinein jenes etwas seltsame Lächeln gespielt ...

Cäciliens Liebe aber, so ganz reines, so ganz erstes Erlebnis, war anderer Art.

Sie wußte nichts von sich, war nur ganz Hingabe.

Sie hatte niemand, zu dem sie sich aussprach. Doch sie bedurfte auch keiner Aussprache.

Sie bedurfte, dachte, sann, wußte nichts außer Robert und Roberts Glück.

Ihr innerstes Wesen und Schicksal hatte sich aufgetan – von jenem Augenblick an, wo sie Robert damals im Park auf so eine eigene Art geküßt hatte – mit einer Macht, die über jeder Überlegung stand und wahrhaftig nichts so wenig als das Straucheln irgendwelcher intellektuell abwägenden Bewußtheitlichkeit kannte ...

Robert hatte völlig recht gehabt, wenn er sie ein Ausnahmeweib genannt.

Sie entfaltete das wundersame Genie des liebenden Weibes im vollsten Ausmaß. Und das betätigte sich auch darin, daß ihre Liebe schlicht und gehalten war; daß ihr jener Takt eignete, dem jedes Übermaß fremd ist und der die Liebe niemals lästig, trüb, gemein werden läßt.

Sie hatte nichts so wenig als die Eigenschaft des »Frauchens«. Sie war keine Plauderin, wußte nichts von jenen Tändeleien, Liebkosungen und Kosenamen, die sich so bald ins Läppische verlieren.

In ihrer Liebe war keine Spur von Sentimentalität oder Empfindlichkeit, wie sie miteinander Hand in Hand zu gehen pflegen. Und am allerwenigsten haftete ihr auch nur das mindeste von Hysterie an.

Das...

Erscheint lt. Verlag 6.7.2017
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anna Todd • Brontë • Charakterstudie • Colette • deutscher Naturalismus • Dickens • Dramatische Spannung • emotionale Introspektion • Ende des 19. Jahrhunderts • Erzählkunst • Eugenie Marlitt • Familienkonflikte • Gesellschaftskritik • Jane Austen • Jane Eyre • Jojo Moyes • Little Women • psychologischer Realismus • Tolstoi • Walt Whitman
ISBN-10 80-7583-904-8 / 8075839048
ISBN-13 978-80-7583-904-6 / 9788075839046
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