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Verfolgung -  Joyce Carol Oates

Verfolgung (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
220 Seiten
Osburg Verlag
978-3-95510-221-0 (ISBN)
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Als Kind quält Abby Nacht für Nacht ein immer wiederkehrender Traum, in dem sie über ein Feld, übersät von Schädeln und Knochen, wandelt. Später, als Erwachsene ist sich Abby sicher, diesen Traum hinter sich gelassen zu haben. Bis zum Abend vor ihrer Hochzeit, an dem der schreckliche Traum zurückkehrt und sie mit den dunklen Geheimnissen konfrontiert, die sie bislang vor Willem, ihrem künftigen Ehemann, verborgen hat. Am folgenden Tag - Abby ist weniger als 24 Stunden verheiratet - tritt sie auf die Straße und wird von einem Bus erfasst. Während seine Frau halb im Koma, halb im Wachzustand im Krankenhaus liegt, versucht Willem herauszufinden, ob der Unfall ein bloßes Missgeschick oder eine absichtliche Tat war, und stößt dabei auf rätselhafte Hinweise, auf das, was seine Frau möglicherweise verbirgt. Warum zum Beispiel hat sie einen ausschlagähnlichen roten Abdruck um ihr Handgelenk? Was wühlt sie in ihren Träumen derart auf, dass sie durch ihre eigenen Schreie erwacht? Allmählich öffnet sich Abby ihrem Ehemann und erzählt ihm, was sie bislang noch niemandem anvertraut hat. In Verfolgung lassen uns Gedankenfragmente von einer Erzählebene zur anderen, von einem Kapitel zum nächsten springen, sie spiegeln die Zerrissenheit der Protagonistin in Gegenwart, Vergangenheit und Traum wider. Realität und Albtraum sind kaum voneinander zu trennen, treiben die Handlung atemberaubend bis zum Finale.

Joyce Carol Oates, geboren 1938, schrieb mehrere US-Bestseller, wie 'We were the Mulvaneys' (dt. Wir waren die Mulvaneys, 1996), 'Blonde' (dt. Blond, 2000) und 'The Falls' (dt. Niagara, 2004). Oates studierte Englisch und Philosophie und lehrt seit 1978 in Princeton. Für ihre Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke erhielt sie zahlreiche Preise, u. a. den National Book Award und mehrmals den O'Henry-Preis.

Joyce Carol Oates, geboren 1938, schrieb mehrere US-Bestseller, wie "We were the Mulvaneys" (dt. Wir waren die Mulvaneys, 1996), "Blonde" (dt. Blond, 2000) und "The Falls" (dt. Niagara, 2004). Oates studierte Englisch und Philosophie und lehrt seit 1978 in Princeton. Für ihre Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke erhielt sie zahlreiche Preise, u. a. den National Book Award und mehrmals den O'Henry-Preis.

Die Braut


Ein blendend-greller Aprilmorgen eines verlorenen Jahres. Ist sie erst einen Tag verheiratet?

Genau genommen ist sie zu dieser Zeit (elf Minuten nach acht) gerade einmal einundzwanzig Stunden verheiratet.

Diese Erkenntnis raubt ihr den Atem. Ein Schock.

Nein, ist das wirklich mir passiert? Verheiratet.

Im Raritan-Avenue-Bus, der sie ins Stadtzentrum von Hammond bringt, hoffte sie inständig, ganz allein in der hintersten Reihe sitzen zu können. Dem wundersamen Gefühl, verheiratetEhefrau … zu sein, ohne Störung nachzusinnen.

Doch mit zwanzig hat sie ein süßes, unschuldiges, sommersprossig-leuchtendes Gesicht, das bei Fremden den Wunsch auslöst, sie anzusprechen. Sie anzulächeln. Hal-lo! Verdammt kalt heute Morgen, was? – und sie ist zu höflich, um sich abzuwenden, zu schüchtern, nicht zu antworten, und schon ist es passiert: ihr großes Bedürfnis, im Bus allein zu bleiben, verwehrt.

Der erste Morgen als verheiratete Frau, so wertvoll. Furcht vor Eindringlingen.

Fahren Sie oft mit diesem Bus, Miss? Ich glaube, ich habe Sie schon mal gesehen …

Nein. Nein.

Vielleicht im Kino? Gehen Sie manchmal ins Kino? Letzten Freitag – waren Sie da im Kino? Ich könnte schwören, ich hätte Sie gesehen … Also wirklich: Sie sehen aus, als ob Sie Schauspielerin wären, wie die … wie heißt sie noch …

Nein. Sicher nicht.

Aber Sie sehen besser aus als die. Jünger.

Wie der glimmende Faden in einer Glühbirne – sie glüht. Innerlich. Ihre Glückseligkeit, mit einem guten, anständigen Mann verheiratet zu sein, den sie liebt, der sie verehrt.

Aber das ist ihr privates Glück. Sie möchte es mit beiden Händen umschließen. Eine Flamme vor dem Wind schützen.

Ist das ein Ehering? Hey – Sie sind eine verheiratete Frau?

Entschuldigen Sie, wenn ich neugierig bin – aber – Sie sehen viel zu jung aus, um verheiratet zu sein … Oder?

Sehen doch nicht älter aus als – ja, sagen wir – sechzehn?

Nervöses Lächeln. Immer höflich. Augenkontakt vermeiden. Unbewusste Gewohnheit, ihr linkes Handgelenk zu reiben.

Um ihr linkes Handgelenk herum zieht sich ein roter, ausschlagähnlicher Ring. So als ob ihr Handgelenk festgebunden gewesen wäre, ganz fest. Als ob ein Seil oder ein Band ihre empfindliche Haut dort gerieben hätte, wundgerieben an einigen Stellen.

(Als junges Mädchen lernt man, Fremde nicht durch strikte Zurückweisung zu kränken. Vor allem nicht Männer. Fremde nicht, aber auch Vorgesetzte nicht. Als sie noch Schülerin war, scheinbar unendlich lange her, auch Lehrer nicht. Lächeln, freundlich wirken, man ist ja ein hübsches, nettes Mädchen, nur wenn man etwas Falsches sagt, nicht so strahlend lächelt wie erwartet, dann kann ein Mann ganz schön unangenehm werden. Sehr schnell.)

Na dann – einen schönen Tag noch, mein Mädchen! Hier muss ich raus.

Zwei freie Plätze in der hinteren Reihe, sodass sie sich, klug wie sie ist, auf den äußeren Platz setzt und den inneren, direkt am Fenster, frei lässt. So ist es unbequem für jemanden, über ihre Füße hinwegzusteigen, um zu dem freien Fensterplatz zu gelangen. Wenn also jemand neben ihr sitzen möchte, muss er sie bitten, hinüberzurutschen, was sie (natürlich) machen wird, jedoch mit einem zerstreuten Gesichtsausdruck, der zeigt, dass sie mit den Gedanken ganz woanders ist.

Noch ungeübt im Verheiratetsein, denn noch ist kein ganzer Tag vergangen, dass sie Mrs. Willem Zengler ist, doch geübt darin, Augenkontakt mit Fremden in der Öffentlichkeit zu meiden. Selbst mit freundlich wirkenden Frauen.

Entschuldigen Sie Miss – ist der Platz da besetzt?

Muss sagen: Nein. Nicht besetzt.

Muss rüberrutschen, ans Fenster. Steifes Lächeln, zum Fenster hindrehen, die linke Hand mit dem silbernen Ehering verstecken.

Kalt heute Morgen, was? Verdammter Wind, wenn man auf den verdammten Bus wartet …

So tun, als höre man das nicht. In der örtlichen Sozialbehörde trifft man immer mal wieder schwerhörige oder taube Menschen, auch Teenager, Kinder. Ist nichts Ungewöhnliches, hörgeschädigt zu sein.

Sie hat auch schon mit blinden Menschen gearbeitet. Sehgeschädigt.

Sie fragt sich, ob es noch weitere Kategorien gibt – seelengeschädigt.

Noch immer spricht die Person neben ihr mit ihr, oder besser gesagt, redet auf sie ein. Der alte Elmer Fudd aus Bugs Bunny. Spricht mit sich selbst, klagt, doch mit Humor, in der Hoffnung, dass das hübsche sommersprossige Mädchen neben ihm irgendetwas Interessantes aufschnappt und mit einem Kichern reagiert, mit einem flirtenden Blick von der Seite.

Sie hat gar nicht geschaut, wer er ist. Sie wird sich ihm auch nicht zuwenden, nicht einmal mit einem Seufzer der Verzweiflung, obwohl er (verdammter Kerl) angefangen hat sich auszubreiten, sein ganzes Gewicht, seine Masse in den harten Plastiksitz zu quetschen, und sich dann ganz unauffällig in ihren Sitz hinüberdrängt, so als ob er vorher die Luft angehalten hätte und sie jetzt rauslässt.

Zu dumm, dass ihr großer, starker junger Ehemann heute Morgen nicht bei ihr ist. Nah bei ihr. Ihre Hand mit seiner umschließt. Willem würde sein Leben für sie geben. (Das wusste sie.)

Niemand hätte sich neben sie setzen können, wenn Willem da gewesen wäre. Niemand hätte in ihr privates Glück eindringen können.

Aber Willem hat einen anderen Bus genommen, fährt in einen anderen Teil der Stadt. Willem ist auf dem Weg zur Uni.

Also jetzt, der erste Morgen als Mrs. Willem Zengler! Ihr neues Leben.

Die Neuvermählten haben nicht genügend Geld für Flitterwochen oder Ähnliches, jetzt noch nicht. Sie müssen beide arbeiten und Willem hat auch noch seine Uni. Am frühen Samstagmorgen werden sie nach Norden fahren, zum Lake George, wo sie einen Caravan gemietet haben, von einem Freund von Willems Vater, und Sonntagabend wieder zurück. Falls es bald mal ein langes Wochenende gibt, vielleicht zu den Niagara-Fällen, die sind nur fünf Stunden entfernt.

Und irgendwann werden sie eine richtige Hochzeitsreise machen, an einen romantischen Ort, so wie Miami Beach oder Paris. Willem hat es versprochen.

Neben ihr drückt der Oberschenkel des schwergewichtigen Fremden gegen ihren. Selbst durch mehrere Schichten Kleidung und ihren Mantel darüber spürt sie seinen aufdringlichen Druck.

Weicht zurück. Unauffällig.

Möglich, dass der massige Mann sich unabsichtlich in ihren Sitz hinein ausbreitet. Er ist schließlich ein Schwergewicht. Und alt. Sie hört ihn laut atmen, ein asthmatisches Schnaufen.

Vielleicht ist er gekränkt, weil sie so zurückhaltend ist. Das penetrante Reden hat aufgehört.

Doch die Anspannung hat sie ängstlich gemacht. Sie ist extrem sensibel gegenüber der Stimmung Erwachsener, vor allem erwachsener Männer.

Wie rasch eine Stimmung sich ändern kann. Im Nu kann sich die Stimmung ändern. Das erste Signal dazu ist ein steifer Kiefer. Die Sehnen im Nacken. Das Luftholen.

Hör mal. Wo fährst du eigentlich hin?

Hier. Genau hier. Sagte ich –

(Aber warum diese aufwühlenden Gedanken? An diesem besonderen Morgen!)

Sie wollte mit ihrem neugewonnenen Glück so gern allein sein. Der erste Morgen als verheiratete Frau. Der erste Morgen vom Rest ihres Lebens – Mrs. Willem Zengler.

Wie Zengler einfach Hayman geschluckt hat. So wohltuend!

Jeder hier im Bus hätte Mrs. Zengler zugelächelt, hätten sie es gewusst. Wie wäre sie errötet, wenn die Leute um sie herum es gewusst hätten. Witze über Flitterwochen, die Hochzeitsnacht – überhört sie, findet sie einfach nicht lustig, solche Witze.

Dieser kostbare Morgen, im Verborgenen gepriesen, als der rumpelnde Raritan-Avenue-Bus sie in die Stadtmitte zur Sozialbehörde fährt. Wenn der Mann neben ihr sich endlich dazu durchringt, sie in Ruhe zu lassen, dann kann sie gefahrlos wieder in ihrem Glücksgefühl schwelgen.

Schwindelerregender Freudentaumel, Erleichterung, Dankbarkeit. Ihr Hochzeitstag.

(Ehrlich gesagt, hatte sie gar nicht erwartet, dass er stattfinden würde. War sich sicher gewesen, dass irgendetwas Schreckliches dazwischengekommen wäre.)

(Das Schlimmste, was jetzt in ihrem Leben passieren könnte, wäre Willems Tod. Sie...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2020
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Bestsellerautorin • Erzählung • frauenlesen • Frauenliteratur • Gewalt • JCo • Joyce Carol Oates • ländliche USA • Literaturnobelpreis • Meistererzählerin • Missbrauch • Protagonistin • Psychothriller • Spitzentitel • Suspense • toxische männlichkeit • USA • US-amerikanische Literatur
ISBN-10 3-95510-221-1 / 3955102211
ISBN-13 978-3-95510-221-0 / 9783955102210
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