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Hetzjagd durch die Zeit (eBook)

Reportagen
eBook Download: EPUB
2025 | 3., Überarbeitete Fassung
329 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-713-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hetzjagd durch die Zeit - Egon Erwin Kisch
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Fassung in aktueller Rechtschreibung Egon Erwin Kisch gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Nach dem Titel eines seiner Reportagebände wurde er auch als 'der rasende Reporter' bekannt. 'Schreib das auf, Kisch!' wurde zum geflügelten Wort in den 1920ern. Lesen Sie hier 30 seiner gelungensten Reportagen und Essays. 'Reportage ist eine sehr ernste, sehr schwierige, ungemein anstrengende Arbeit, die einen ganzen Kerl erfordert. Kisch ist so einer.' [Kurt Tucholsky] Mit 153 Fußnoten Null Papier Verlag

Egon Erwin Kisch (eigentlich Egon Kisch; 1885-1948) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, Journalist und Reporter. Er gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Nach dem Titel eines seiner Reportagebände ist er auch als 'der Rasende Reporter' bekannt.

Egon Erwin Kisch (eigentlich Egon Kisch; 1885-1948) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, Journalist und Reporter. Er gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Nach dem Titel eines seiner Reportagebände ist er auch als "der Rasende Reporter" bekannt.

Schollenjagd und Haifischfang
Eilige Balkanfahrt
Im Wigwam Old Shatterhands
»Monna Vanna« auf der Hochzeitsreise
Verbrechen in den Hochalpen
Il Equilibrista
Werften und Docks
Es spukt im Mozarthaus
Gässchen der Unterröcke
Die Befreiung Orsovas
Was die Wöchnerinnen singen
Wilde Musikantenbörse
Mysterien des Hydrografischen Instituts
Erste und letzte Ausfahrt der Flotte
Der Naturschutzpark der Geistigkeit
Besuch beim Prager Schinken
Die Festung Bouillon
Prag – Wysotschan – Paris
Der Herr der Waggonvilla
Pistyaner Schwefel
Die Dame in Trouville
»Handeln mit alte Kleider …«
Zürcher Zuchthaus
Die Giftschränke der Deutschen Bücherei
Polizeiakten des Baumgartens
Sonntagsfahrt durch Nordseeland
Raubtiere fressen
Böhmisches Dorf in Berlin
Lenins möbliertes Zimmer
Die Geheimnisse des Salons Goldschmied

Eilige Balkanfahrt


Mai 1913

Hin­ter Szala­ria, nahe der Ser­pen­ti­ne Cat­ta­ro-Ce­t­in­je, wo die Schup­pen der Schmie­de und der Fuhr­leu­te (ihr Esel­stall ist im­mer­hin schö­ner als ihr Wohn­raum) und der Häus­ler ste­hen, spie­len schmie­ri­ge Kin­der mit Alo­eblü­ten, mit Py­ra­mi­den­glo­cken­blu­men und mit wil­den Ro­sen. Man fragt ei­nes der klei­nen Mäd­chen, möch­test du mir die Blu­men ge­ben, und ohne wei­te­res er­hält man den Strauß, aber den Kreu­zer, den man der Klei­nen da­für reicht, will sie nicht neh­men, schaut scheu die Mün­ze an, dann den Spen­der, dann die Spiel­ge­fähr­ten, dann läuft sie schnell und freu­dig mit dem Geld­stück da­von. Kommt man nach ei­ner hal­b­en Stun­de des­sel­ben We­ges zu­rück, lau­ern etwa drei­ßig Kin­der, stre­cken Blu­men ent­ge­gen, bet­teln und sind nicht ab­zu­schüt­teln. Man hat sie mit dem Kreu­zer ver­dor­ben – ein Mi­nia­tur­bild der Po­li­tik, die die Groß­mäch­te auf dem Bal­kan be­trei­ben.

Müt­zen­kun­de ist hier eine Wis­sen­schaft. Tür­ken sind ohne den ro­ten Fez mit schwar­zer Quas­te nicht denk­bar; die Kopf­be­de­ckung der Kroa­ten ist der Po­migl’o­ro, ein fla­ches ro­tes Mütz­chen; Bos­nia­ken sind am über­mä­ßig ho­hen, quas­ten­lo­sen Fez kennt­lich; die Czer­no­gor­zen schmückt ein schwar­zes flach­zy­lin­dri­sches Käp­pi mit ro­tem De­ckel, auf dem gold­ge­stickt die Ini­tia­len des Kö­nigs sind; der Fez der Her­ze­go­wi­ner ist von tief dun­kel­ro­ter Fär­bung, und dar­un­ter, auf dem Schei­tel­punkt, sitzt ein win­zi­ger »Ton­sur­de­ckel« aus kah­lem Lamm­fell; die Ma­lis­so­ren und die Mi­ri­di­ten krönt ein wei­ßer Lei­nen­fez. Ver­hei­ra­te­te Mon­te­ne­gri­ne­rin­nen tra­gen ein schmuckes schwar­zes Tuch, das aus ih­rem Haar­schopf über den Rücken rollt. Die Mäd­chen ziert ein schwarz­ro­tes Mütz­chen mit Sil­ber­sti­cke­rei, und man sieht Grei­sin­nen, die das Kopf­tuch nicht er­wor­ben ha­ben, mit der ko­ket­ten »Ka­pi­ca« der Jung­frau­en.

Zu den Märk­ten der dal­ma­ti­ni­schen Städ­te kom­men mon­te­ne­gri­ni­sche Frau­en und Mäd­chen mit Ei­ern, Grün­zeug, le­ben­den Läm­mern, Rei­sig­be­sen und Holz­bün­deln. Sie stri­cken auf dem Weg über den Küs­ten­karst, sie stri­cken vor ih­ren Kör­ben und set­zen die Na­deln auch wäh­rend des Feil­schens und Ver­kau­fens nicht au­ßer Be­trieb. Ein Arzt des Ro­ten Kreu­zes er­zählt von ei­ner Frau, die einen Ab­grund hin­un­ter­ge­stürzt war und sich den Ober­schen­kel ge­bro­chen hat­te; trotz ih­rer Schmer­zen strick­te sie bis zur An­kunft des Kran­ken­wa­gens, strick­te wäh­rend der Fahrt ins Spi­tal bis zum Be­ginn der Nar­ko­se.

Stei­gen auf den Hän­gen des Karst­mas­sivs Ne­bel­schwa­den und über den Gip­feln wuch­ti­ge Wol­ken auf, dann wirkt die Boc­che nicht mehr wie eine kit­schi­ge An­sichts­kar­te, die Adria nicht mehr wie ein süß­lich-blau­es Wäs­ser­chen, und es ist die bes­te Zeit zu ei­ner Boots­fahrt. Durch Ne­bel­ris­se blit­zen die Schnee­fel­der des Pes­tin­grad, die man von der Stadt aus nicht zu se­hen ver­mag, zwi­schen Fjor­den liegt schwarz und schwer das Was­ser. Im­mer­fort stößt des Schiff­chens Kiel auf Sco­gli­en,1 Fel­sen­in­seln, dass die Plan­ken zit­tern. Die wol­kig ver­schwim­men­den Bäu­me und Sträu­cher mit rau­chen­den Ran­ken und Zwei­gen ver­de­cken die Küs­ten­häu­ser; wenn ein Lust­schloss ver­fällt, wächst der Park umso wil­der em­por – die Häu­ser am Ran­de der See, die hier ein See ist, se­hen alle wie sol­che mor­bi­de Som­mer­re­si­den­zen aus. Fährt man hart am Ufer, wird die­ser Ein­druck be­kräf­tigt durch prunk­vol­le Stein­bal­ko­ne und Re­naissance­plas­ti­ken auf brü­chi­gen Fassa­den. Die Fes­tung mit ih­rem put­zi­gen Kam­pa­ni­le stammt gleich­falls aus der Ve­ne­zia­nerära, ei­ner Zeit, in der das Epi­the­ton »ge­bie­te­risch« das äs­the­ti­sche Mo­ment mit dem stra­te­gi­schen ver­ein­te. Ei­ner Gon­del­par­tie im Cana­le Gran­de gleicht die­ser Teil der Meer­fahrt. Aber nur Cas­tel­nuo­vo und Cat­ta­ro zei­gen Spu­ren ari­sto­kra­ti­scher Ver­gan­gen­heit, und die ver­schwin­den an den Orts­gren­zen – der ge­flü­gel­te Löwe und die mar­mor­nen Ve­du­ten ver­ber­gen sich un­ter sim­plen Fir­men­schil­dern der Krä­mer oder hin­ter der aus­ge­häng­ten Wä­sche ar­mer Fi­scher­fa­mi­li­en. Elen­der sind die Bau­ten der mo­der­nen Zeit. Wo die Ber­ge der Kri­voši­je di­rekt in die Adria ab­fal­len,2 ste­hen Dör­fer auf stei­lem Ber­grand und am Mee­res­rand zu­gleich. Mor­sche Bret­ter­bu­den. Als öf­fent­li­ches Ge­bäu­de ist eine ge­brech­li­che Hüt­te ge­kenn­zeich­net, die Ta­bak­tra­fik; au­ßer­dem ist sie »Pro­de­ja pica i je­di­va«,3 Schnaps­fla­schen mit Gläs­chen sind auf dem Pult grup­piert, von den Bal­ken der De­cke hän­gen Tü­cher, Bürs­ten, Stri­cke und Be­sen und ver­de­cken den Wirt, Kauf­mann und Tra­fi­kan­ten. Rechts in der Ecke ein Tisch, an dem ein paar Sol­da­ten sit­zen – die Grenz­ge­bir­ge ste­cken voll k. u. k. Trup­pen, hier­her­ge­schickt, ihr Le­ben zu op­fern, wenn Mon­te­ne­gro Sku­ta­ri nicht her­aus­gibt, wo­durch das aus­ge­zeich­net be­währ­te eu­ro­päi­sche Gleich­ge­wicht das Gleich­ge­wicht ver­lie­ren wür­de. Dar­über sind sich alle Re­gie­run­gen die­ses so glück­lich aus­ba­lan­cier­ten Kon­tin­ents ei­nig, die Sol­da­ten je­doch von der heh­ren Mis­si­on durch­aus nicht be­geis­tert. Die hier in den neu­en feld­grau­en Mon­tu­ren sit­zen, an den pa­pa­gei­grü­nen Auf­schlä­gen als Ein­und­neun­zi­ger kennt­lich, spre­chen tsche­chisch. Be­fragt, weh­kla­gen sie. So fern von Wr­scho­witz und der Kul­tur müs­sen sie ihr Da­sein ver­brin­gen. Kein Kino, kein Bier, kein Mä­del, fünf Tage nicht aus den Klei­dern ge­kom­men, sie schla­fen in Zel­ten zwi­schen Dorf­stra­ße und Meer, und die Wel­len pin­keln manch­mal nächt­lings auf die Fel­sen­ma­trat­zen. Ei­ner ist schon sie­ben Wo­chen von da­heim fort, von Weib und Kind, Sor­ge plagt ihn und Ei­fer­sucht. »Jung ist sie und hübsch.« Maulesel su­chen starr­köp­fig im kah­len Kalk­bo­den nach Gras. Durch Fah­nen­schwin­gen te­le­gra­fiert ein Ge­frei­ter, vom Grat si­gna­li­siert man die Ant­wort. Ein In­fan­te­rist hat den Kopf ver­bun­den. »Bin in ein Drahthin­der­nis ge­fal­len. Ein Mil­li­me­ter tiefer, und das Auge wär weg ge­we­sen.« – »Da­bei geht’s uns noch gut. Sechs Stun­den von hier, oben auf dem Kamm, sind Ba­tail­lons­ka­me­ra­den.«

Die Leu­te lang­wei­len sich, sie las­sen einen Be­su­cher nicht gern fort. Will man wie­der die Bar­ke be­stei­gen, so hört man Sol­da­tens­tie­fel lau­fen, ein Of­fi­zier, ein Feld­we­bel und ein paar In­fan­te­ris­ten, Ge­wehr in der Balan­ce, na­hen, zwei Sol­da­ten que­ren stra­te­gisch von der Land­stra­ße ab, ren­nen dia­go­nal auf das Boot zu und pa­cken das Lan­dungs­seil. Ei­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter sind auch die an­de­ren da. »Bit­te, sich zu le­gi­ti­mie­ren.« Bit­te, man le­gi­ti­miert sich. »Wo­her kom­men die Her­ren?« – Aus Cat­ta­ro. – »Und was ha­ben Sie hier ge­macht?« – Eine Spa­zier­fahrt...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2025
Reihe/Serie Kisch bei Null Papier
Kisch bei Null Papier
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Bericht • Erich Maria Remarque • Ernest Hemingways • Im Westen nichts Neues • In einem anderen Land • Journalismus • Kurt • New York • Reportage • Reporter • USA
ISBN-10 3-96281-713-1 / 3962817131
ISBN-13 978-3-96281-713-8 / 9783962817138
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