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Marktplatz der Sensationen (eBook)

eBook Download: EPUB
2025 | 4., Überarbeitete Fassung
561 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-709-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Marktplatz der Sensationen - Egon Erwin Kisch
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Fassung in aktueller Rechtschreibung Kisch, der Rasende Reporter, kehrt zurück zu seinen Prager Wurzeln. In 33 Reportagen berichtet er über die Stadt seiner Jugend: Prag. Die Stadt ist noch nicht angekommen, sie trauert sichtlich dem k.u.k nach, während sich ihre Bewohner von den furchtbaren Schrecken der Weltkriege (mal des Ersten, mal des Zweiten) erholen müssen. Eben noch hatten Sie einen Kaiser, nun sind sie eine Republik. - Wer soll sich denn da noch zurechtfinden? So führen manchmal komische, manchmal tragische Ereignisse nicht selten zu Ergebnissen, die heute oftmals grotesk erscheinen. Wenn bspw. die ehemals jungen Journalisten der Tageblätter nun zu Greisen geworden davon schwafeln, dass ja eh schon »alles einmal da gewesen« sei, dann kann der Leser nicht umhin, ihnen auch zähneknirschend recht zu geben. Lernt der Mensch also doch nicht aus der Geschichte? Mit 62 Fußnoten Null Papier Verlag

Egon Erwin Kisch (eigentlich Egon Kisch; 1885-1948) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, Journalist und Reporter. Er gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Nach dem Titel eines seiner Reportagebände ist er auch als 'der Rasende Reporter' bekannt.

Egon Erwin Kisch (eigentlich Egon Kisch; 1885-1948) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, Journalist und Reporter. Er gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Nach dem Titel eines seiner Reportagebände ist er auch als "der Rasende Reporter" bekannt.

Von den Balladen des blinden Methodius
Im Innern von »S. Kisch & Bruder«
Wirklich gedruckt
Das tätowierte Porträt
Vorträge und Theater
Deutsche und Tschechen
Die alten Herren
Kämpfe um die Lokalnotiz, speziell um Selbstmorde
Vom großen Zorn dieser Reporter
Sonnenthal im letzten seiner Tode
Debüt beim Mühlenfeuer
Weihnachtsbescherung
Die unabsehbaren Konsequenzen
Die Mutter des Mörders
Die Wasserkatastrophe von Konopischt
Zyankali gegen den Generalstab
Tötet der Buchstabe?
Die zusammengewachsenen Schwestern
Die Himmelfahrt der Galgentoni
Der Mordversuch und der Mord an meinem Onkel
Magdalenenheim
Ein Mädchen, das des Mörders harrt
Wie ich erfuhr, dass Redl ein Spion war
Von der Reportage
Perverses Vorspiel
Ein Reporter wird Soldat
Kriminalfall wie keiner
Ausgangsstation
Gesungene Lokalchronik
»Auswärtige« Berichterstattung
Kaiserlich-Königlich Allzumenschliches
Vom Papst persönlich
Verrat der Ordre de Bataille

Von den Balladen des blinden Methodius


Mag es auch klin­gen wie eine Ge­schich­te aus der Zeit der Ro­man­ti­ker, so muss doch da­mit be­gon­nen wer­den, dass der blin­de Metho­di­us in un­se­rem Hof eine Art von Bal­la­den singt. Der Flur, der in die­sen Hof mün­det, ist breit und ge­wölbt und den­noch vol­ler Dun­kel­hei­ten, Ei­sen­tü­ren rechts und links ver­schlie­ßen vier nie be­tre­te­ne Ver­lie­se. Am Kel­lerein­gang bau­melt ein Ei­sen­ring mit dem Rest ei­ner ge­heim­nis­vol­len Ket­te, und im Kel­ler selbst wis­sen wir einen Rit­ter­saal mit Ne­ben­räu­men, aus de­nen einst­mals zwei Gän­ge zum Rat­haus führ­ten und zur Tein­kir­che. Wenn wir er­wach­sen sind, wer­den wir die­se längst ver­schüt­te­ten Gän­ge wie­der frei­le­gen, sie be­waff­net durch­schlei­chen und et­was Gro­ßes voll­füh­ren, das ist si­cher.

Un­ser Hof ist in der Höhe des ers­ten Stock­werks von ei­nem Spa­lier ed­ler Säu­len aus dem sech­zehn­ten Jahr­hun­dert um­ge­ben. Über die Ba­lus­tra­de ge­lehnt, lau­schen Frau­en und Jung­frau­en dem Sang des blin­den Metho­di­us, und zwi­schen den Säu­len hän­gen Lam­bre­quins.

Aber die­se Tep­pi­che sind kei­nes­wegs zum Schmuck der Fassa­de aus­ge­legt, son­dern zwecks Ent­stau­bung eben aus den Woh­nun­gen ge­bracht wor­den, und die lau­schen­den Frau­en soll­ten rech­tens die Tep­pi­che klop­fen, die Bett­pols­ter und Bett­de­cken lüf­ten oder Wä­sche zum Trock­nen auf­hän­gen, statt zu lau­schen.

Al­ler­dings singt der blin­de Metho­di­us wun­der­schön, sein Tre­mo­lo flat­tert das Flur­ge­wöl­be ent­lang, dringt si­cher­lich, der Ei­sen­tü­ren spot­tend, in die nie be­tre­te­nen Ver­lie­se, in den un­ter­ir­di­schen Rit­ter­saal hin­ab und in die ver­schüt­te­ten Gän­ge der böh­mi­schen Ver­gan­gen­heit und un­se­rer Zu­kunft. Gleich­zei­tig er­reicht sein Sin­gen die hö­he­ren Re­gio­nen, denn wie aus den Ar­ka­den des ers­ten Stock­werks leh­nen sich auch aus den Fens­tern des zwei­ten und drit­ten die Haus­frau­en und Dienst­mäd­chen.

Wenn ich von mir auf an­de­re schlie­ßen darf, so ist es nicht al­lein die schö­ne Stim­me des blin­den Metho­di­us, die ihm Au­di­to­ri­um ver­schafft, und eben­so­we­nig die Me­lo­die sei­ner Lie­der. Nein, der Text siegt über den Ton, die Li­te­ra­tur über die Mu­sik.

Wie schon im ers­ten Satz ge­sagt wur­de, ist es eine Art von Bal­la­den, was der blin­de Metho­di­us singt. Wor­te, die zu Be­ginn ei­nes Bu­ches ste­hen, sind ge­wöhn­lich dazu da, den künf­ti­gen Le­ser fest­zu­hal­ten, und man soll sol­che Wor­te nicht all­zu wört­lich neh­men. In un­se­rem Fall aber stimmt die Aus­sa­ge, dass der blin­de Metho­di­us eine Art von Bal­la­den singt, eben nur dann, wenn man sie wört­lich nimmt, das heißt, die Bal­la­de gleich­setzt ei­ner Be­ge­ben­heit in Ge­dicht­form. In die­sem Sin­ne ist der blin­de Metho­di­us so aus­schließ­lich Bal­la­den­sän­ger, dass er es ver­schmäht, et­was an­de­res zu sin­gen, etwa eine Arie, ein Lie­bes­lied, ein Cou­plet oder gar einen von den Schmacht­fet­zen des Ta­ges, ob­wohl er de­ren Me­lo­di­en ver­wen­det. Nie­mals rich­tet er an Dai­sy die Fra­ge: »Wann wird die Hoch­zeit sein?«, nie­mals for­dert er vom Glüh­würm­chen, Glüh­würm­chen, dass es flim­m’­re, nie­mals be­teu­ert er, er »hät­t’ ge­küsst die Spur von dei­nem Tritt, hät­t’ ger­ne al­les für dich hin­ge­ge­ben«. Sein Re­per­toire be­steht durch­weg aus Be­ge­ben­hei­ten, die mehr oder min­der Ge­schich­te wa­ren, Ge­schich­te sind oder Ge­schich­te sein wer­den, also aus Bal­la­den.

Nun könn­te je­mand ein­wen­den, dass die Bal­la­de ne­ben der In­halts­for­de­rung auch be­stimm­ten Form­ge­set­zen ge­recht wer­den müs­se und die Ge­sän­ge des blin­den Mentho­di­us dem­nach nur Bän­kel sei­en.

Ein sol­cher Ver­such, den blin­den Metho­di­us und sei­ne Tex­te auf ein tiefe­res Ni­veau zu ver­wei­sen, be­geg­net un­se­rem Veto. Wa­rum macht man ihm und sei­nes­glei­chen die Pri­mi­ti­vi­tät, die Nai­vi­tät, den Man­gel an Form zum Vor­wurf, wenn all das dem Volks­lied, so­weit es nur Ge­füh­le aus­drückt, als Vor­zug an­ge­rech­net wird? Wa­rum gel­ten jene Bal­la­den von Gott­fried Au­gust Bür­ger und Ed­gar Al­lan Poe am höchs­ten, die we­der ein ge­sche­he­nes Ge­sche­hen noch ein mög­li­ches Ge­sche­hen be­han­deln, son­dern Ge­s­pens­ter­spuk? Wa­rum pre­digt der Bal­la­den­dich­ter Fried­rich Schil­ler die Ir­rea­li­tät? Die Ant­wort lau­tet: Selbst in der Li­te­ra­tur ist eine kon­kre­te Aus­sa­ge ge­fähr­lich, denn jede Wahr­heit ent­hält po­ten­ti­el­le Kri­tik und Auf­leh­nung.

Wir aber set­zen dem Wort: »Was sich nie und nim­mer hat be­ge­ben, das al­lein ver­al­tet nie« ent­ge­gen: »Was sich stets und im­mer wird be­ge­ben, das al­lein ver­al­tet nie.«

Selbst­ver­ständ­lich wird die­se Ab­schwei­fung hier nicht um des blin­den Metho­di­us wil­len un­ter­nom­men, der die Wor­te »Bal­la­de« und »Bän­kel« wohl nie ge­hört hat und dem es egal sein mag, ob man sein Re­per­toire der Li­te­ra­tur zu­rech­net.

Den­noch hat er sei­ne Sän­ge­rei­tel­keit. Da er sein Pub­li­kum nicht se­hen kann, muss er sich auf an­de­re Wei­se ver­ge­wis­sern, dass ein sol­ches ver­sam­melt ist. »Die Stro­phe ist schön, nicht wahr?« fragt er nach je­der Stro­phe, und die Da­men vom ho­hen Bal­kon be­stä­ti­gen ihm durch Zu­ruf, dass die Stro­phe schön ist, so­gar sehr schön.

Mich muss der blin­de Metho­di­us nicht fra­gen, ob ich an­we­send bin. Ich ste­he den gan­zen Tag über ne­ben sei­nem Schleifrad. Wie­der­holt ruft mei­ne Mut­ter mir die Mah­nung her­un­ter, nicht so nah her­an­zu­ge­hen, sie be­fürch­tet, Fun­ken könn­ten mir ins Auge flie­gen.

Sein Name flö­ßt mir Be­wun­de­rung ein, ob­wohl in Prag ge­nug Kna­ben nach ei­nem der Sla­wen­apo­stel Cy­rill oder Metho­di­us hei­ßen. Auch sein Al­ter im­po­niert mir, er ist – vor al­lem am An­fang un­se­rer Be­kannt­schaft – sehr, sehr alt, wenn auch nicht so alt wie die Er­wach­se­nen, de­ren Al­ter über­haupt nicht mess­bar ist. Der Haar­wu­schel auf sei­nem Kopf ist von dem glei­chen Gelb wie die Uni­form­kra­gen der Sech­ser-Dra­go­ner, die in mei­nes Va­ters Ge­schäft ein­kau­fen. Der blin­de Metho­di­us ist Lehr­ling beim Mes­ser­schmied Ko­kosch­ka in un­se­rem Haus, aber er wohnt im Blin­den­in­sti­tut und trägt die di­cke, dun­kel­graue An­stalts­klei­dung mit den rie­si­gen Hirsch­horn­knöp­fen. Wenn er abends nach Hau­se geht, tappt er mit ei­nem arm­star­ken, zwei Me­ter lan­gen Bam­bus­stab vor sich her, an dem eine Glo­cke hängt. Die Drosch­ken hal­ten an, wäh­rend er die Fahr­bahn über­schrei­tet, und die Fuß­gän­ger se­hen ihm nach wie ei­nem Schwim­mer in ge­fähr­li­chem Was­ser, je­doch der blin­de Metho­di­us merkt nichts von der Be­ach­tung, die er er­regt.

Früh­mor­gens fegt er den La­den des Herrn Ko­kosch­ka, putzt das Schau­fens­ter und stellt sich dann an sein »Ve­lo­ci­ped«, um die vie­len brei­ten Sche­ren der Tuch­händ­ler aus dem Le­der­gäss­chen zu schär­fen, manch­mal auch Ra­sier­mes­ser, Ta­schen­mes­ser und...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2025
Reihe/Serie Kisch bei Null Papier
Kisch bei Null Papier
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Bericht • Erich Maria Remarque • Ernest Hemingways • Im Westen nichts Neues • In einem anderen Land • Journalismus • Kurt • New York • Reportage • Reporter • USA
ISBN-10 3-96281-709-3 / 3962817093
ISBN-13 978-3-96281-709-1 / 9783962817091
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