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'BOM CAMINHO' -  Jürgen Steyrer

'BOM CAMINHO' (eBook)

Was hab ich mir da nur gedacht?
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
120 Seiten
Morawa Lesezirkel (Verlag)
978-3-99093-450-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
3,49 inkl. MwSt
(CHF 3,40)
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Georg, der sich nach einigen Schicksalsschlägen gerade in so etwas wie einer Sinnkrise befindet, und Clemens, ebenfalls in einer momentanen Lebenskrise, schmieden den Plan, einen Jakobsweg zu gehen, um ein neues Ziel vor Augen zu haben. Besonders Georg hat nicht die geringste Ahnung, worauf er sich da einlässt und was ihn erwartet. In seinem Reisetagebuch beschreibt er von humorvoll über ernst bis hin zu traurig und mit einem Hauch Selbstironie sehr anschaulich und ehrlich die emotionalen Berg- und Talfahrten, mit denen er entlang des portugiesischen Jakobsweges konfrontiert war. Vielleicht kann es ja dem einen oder anderen helfen, sich ebenso wie er für oder eben gegen diesen wunderschönen Wanderweg zu entscheiden.

Jürgen Steyrer wurde 1984 in Österreich geboren und verbrachte sein Leben bis 2014 in einer Gemeinde in Niederösterreich. Als zweites von drei Geschwistern wuchs er noch in einer Generation ohne Smartphone auf. Neben einer Ausbildung in der Gastronomie fühlt er sich nun im Gesundheitswesen sehr wohl. Und obwohl Kurzgeschichten immer schon eines seiner Hobbys waren, veröffentlicht er erst 2019 sein erstes Buch.

Wie alles begann ….

Mein Name ist Georg und die letzten paar Jahre waren nicht gerade einfach für meine Familie und mich. Wir sind noch die Sorte Familie, wo man zusammen hält, für einander da ist und sich immer gegenseitig aus der Patsche hilft. Egal ob die engste Familie oder die große ganze, so mit Cousins, Cousinen, Onkeln, Tanten und sogar einige enge Freunde. Dagegen ist auch überhaupt nichts einzuwenden. Ich bin froh, ein Teil dieser Familie zu sein.

Ihr alle kennt doch sicher diese Familien aus dem Fernsehen. Schreckliche Schicksalsschläge über die dann in den Medien berichtet wird. Aber sowas passiert immer nur den anderen. Niemand denkt auch nur im Traum daran, dass einem das auch selbst mal passieren könnte. So ging es auch mir. Krank werden nur Leute in anderen Familien. Krebs bekommen nur Mitglieder anderer Familien. Demenz kommt nur in anderen Familien vor. Sterben tun nur Angehörige anderer Familien.

Jetzt verrate ich euch ein Geheimnis.

Das alles passiert in den besten Familien und es passiert Jedem. Jeden Tag! Klar es ist der Lauf des Lebens. Man wird geboren, man lebt und irgendwann stirbt man. Das ist mir auch durchaus bewusst. Vielleicht sogar noch bewusster als anderen. Schließlich arbeite ich als Pfleger in einem Krankenhaus. Das heißt, ich werde täglich mit kranken Menschen, alten Menschen, schwerst pflegebedürftigen Menschen und so weiter konfrontiert. Damit konnte ich auch immer gut umgehen. Schließlich waren es ja meist Fremde für mich. Denn sowas passiert ja nur in anderen Familien.

Irgendwann aber betrifft es einen selbst.

Wenn Schicksalsschläge in einem „normalen“ Rahmen auftreten, kann man meist auch angemessen damit umgehen. Die Anführungszeichen sind hier sehr bewusst gesetzt, da in diesem Zusammenhang das Wort NORMAL für jeden etwas anderes bedeutet. In meiner Familie starben beispielsweise meine Oma, Tante und ein Onkel in einem Zeitraum von etwa zwanzig Jahren. Natürlich haben sie mir gefehlt, aber ich hatte die Möglichkeit zu trauern und somit war das für mich normal und ich konnte trotzdem meinen Job gut und gewissenhaft machen, ohne das Gefühl zu haben, überfordert zu sein. Bis zu dem Tag, an dem mich meine Tante anrief und mir erzählte, dass sie nicht zur Weihnachtsfeier kommen kann, weil sie im Krankenhaus ist und man bei ihr wohl Krebs gefunden hat, sie aber noch nicht sicher ist und ich mir keine Sorgen machen soll. Zu der Zeit arbeiteten wir zufällig beide für eine Organisation, die Menschen zu Hause betreut und unterstützt. Vorwiegend alte Menschen, bei denen die Angehörigen Hilfe oder mal eine kurze Auszeit benötigen oder auch Menschen, die keine Angehörigen haben, aber ihr gewohntes Umfeld nicht verlassen möchten. Sprich nicht in ein Pflegeheim ziehen möchten. Natürlich hat sie das Gespräch an eine Schweigepflicht geknüpft und so konnte ich meine Gedanken oder Sorgen auch nicht mit unseren Kolleginnen und Kollegen besprechen. Ich machte an diesem Abend also ein freundliches Gesicht und erklärte jedem, der mich nach dem Verbleib meiner Tante fragte, dass sie sich wohl eine Grippe eingefangen hat. Einige Tage später zeigte sie mir den ärztlichen Entlassungsbrief und ich fiel aus allen Wolken. Sie hatte also tatsächlich Krebs in einem sehr fortgeschrittenen Stadium inklusive Metastasen. In dem Schreiben war nur noch die Rede von einer palliativen Chemotherapie. Sowas wird zur Schmerz und Symptomkontrolle eingesetzt, aber nicht zur Heilung. Da es aber immer wieder Wunder gibt, hat auch meine Familie auf ein solches gehofft. Ihr Leidensweg von Diagnose bis zum Tod dauerte ziemlich genau ein Jahr. Ein Jahr, in dem unsere Familie mehr Fürsorge und Zusammenhalt zeigte als jemals zuvor. Meine Oma hielt sich trotz ihrer diversen Gebrechen und ihrer Demenz ganz tapfer und obwohl sie selbst Hilfe gebraucht hätte stand in diesem Jahr meine Tante im Vordergrund. Sie lebte rückblickend gesehen, dieses Jahr sehr bewusst und sog alle Eindrücke, so banal sie auch erschienen, förmlich in sich auf. Nicht zuletzt deswegen hat sie mir ob nun bewusst oder unbewusst enorm viel für meinen weiteren Lebensweg mitgegeben. Im November verlor sie dann aber leider ihren Kampf gegen den Krebs und starb am Geburtstag meines Vaters. Das war ein äußerst schwerer Schicksalsschlag für die ganze Familie. Hier mein ich aber nicht nur meine engste Familie, sondern die ganze Großfamilie. So mit Onkeln, Tanten, Cousinen und Cousins sowie enge Bekannte und Nachbarn. Wir verloren mit ihr eine Mutter, eine Ehefrau, eine Tochter, eine Schwester, eine Tante, eine Schwägerin und eine Freundin. Alle kannten und mochten sie.

Da ich in dieser Zeit auch meinen Job gewechselt habe, weil es aufgrund der Tatsache, dass wir nicht nur verwandt waren, sondern auch Kollegen, für mich eine ungeahnte Belastung war, ständig mit ihr in Verbindung gebracht zu werden und natürlich auch immer nach ihr gefragt zu werden. Schließlich war sie sowohl bei den Kollegen, als auch bei den Kunden äußerst beliebt. Nicht zuletzt um dem ganzen aus dem Weg zu gehen, habe ich begonnen, wieder im Krankenhaus zu arbeiten. Mir war bis zu ihrem Tod nicht bewusst, wie sehr mich ihr Leidensweg und ihr Ableben gezeichnet haben. Jetzt aber fiel auch mir auf, dass ich es vermied, Angehörigengespräche zu führen, schwerstkranke und vor allem an Krebs Erkrankte zu betreuen und auch Verstorbene zu versorgen. Bei diesen Dingen fiel mir auf, dass ich immer ein komisches Gefühl bekam, das ich nicht einordnen konnte und auch einen Kloß im Hals hatte, der einfach nicht verschwinden wollte.

Zu Hause war die Stimmung natürlich auch nicht gerade auf ihrem Höhepunkt. Keiner von uns hatte die Trauer bewältigen können obwohl das keiner zugeben konnte. Bei meiner Oma führte der Verlust zu einer rapiden Verschlechterung ihres Zustandes wodurch sie nun auf mehr Hilfe angewiesen war. Meine Mama, die in einem Pflegeheim gearbeitet hat und seit kurzem in Pension war, übernahm einen Großteil der Betreuung. Meine Schwester, die auch eine ganz besondere Verbindung zu meiner Tante hatte, und ich übernahmen den Rest. Da wir aber beide Vollzeit und im Schichtdienst arbeiten gehen, sie ist auch Krankenpflegerin, ließ es sich nicht immer so vereinbaren, dass einer von uns da war. Hierbei war uns der mobile Dienst, für den ich früher gearbeitet habe, eine große Unterstützung. Meine Oma war eine sehr beeindruckende Person, aber keineswegs einfach. Erst im Nachhinein wünsche ich mir heute noch an so manchen Tagen ein Gespräch mit ihr.

Da ihr Gesundheitszustand fast täglich schlechter wurde und meine Oma vermehrt professionelle Hilfe brauchte für Verbandwechsel und dergleichen, war es für mich fast unmöglich geworden, nach dem Dienst den Kopf frei zu bekommen. Denn kaum außer Dienst, ist man zu Hause wieder mit pflegerischen Problemen konfrontiert. Zudem kamen diverse Ambulanztermine wegen ihren Durchblutungsstörungen, bei denen immer einer von uns mit anwesend war. Obwohl ich mir vor einiger Zeit schon eine Wohnung kaufte, war ich aufgrund der Situation zu Hause nur selten dort. Falls doch, dann nur um zu schlafen oder zu renovieren. Also von einer so genannten work-life-balance weit entfernt. Der weitere Leidensweg meiner Oma dauerte nur bis knapp eineinhalb Jahre nach dem letzten Todesfall in der Familie. Da sie oft und starke Schmerzen hatte, die nur schwer in den Griff zu bekommen waren, war es für sie eine Erlösung. Für den Rest der Großfamilie ein weiterer Schicksalsschlag mit dem man fertig werden muss. Es folgte eine Zeit des Umbruchs. Meine Oma war immer die Seele des Hauses. Immer gut gelaunt und sehr gastfreundlich. Außerdem war sie immer da.

Jetzt muss man erst mal mit dieser Stille im Haus umgehen lernen. Das gestaltet sich aber ganz und gar nicht einfach. Irgendwann aber war es an der Zeit, ihre Sachen zu sichten und aus zu sortieren. Hierbei kamen mir viele religiöse Texte unter die Augen. Ich wusste natürlich, dass meine Oma gläubig war, wie sehr, wurde mir aber erst jetzt bewusst. Immer mal wieder las ich Textpassagen, die mir in den jeweiligen Augenblicken ein wenig Trost spendeten, da sie so zutreffend waren. Ich selbst bin kein übermäßig religiöser Mensch. Klar, ich wurde katholisch erzogen, wie fast jeder in der entlegenen Ecke der Welt, die ich meine Heimat nenne. Ich gehe auch in die Kirche, selten, aber doch. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die katholische Kirche statt die Kirchensteuer einzutreiben, für einen Gottesdienst Eintritt nehmen sollte. Aber das ist lediglich meine Meinung und eine andere Geschichte. Mein Glauben beschränkt sich eher darauf, zu glauben, dass es nach diesem Leben etwas gibt und dass da noch was ist, was die Wissenschaft bisher nicht erklären kann. Ich bete eigentlich nur, wenn ich um Hilfe für einen geliebten Menschen bitte und nur selten für mich selbst. Das auch nur dann, wenn mir kein Ausweg einfällt, der logisch nach zu vollziehen ist. Aber ob man es nun Schicksal oder Vorsehung oder sonst irgendwie nennen mag, es half. Die Texte waren oft nur sehr kurz, regten aber zum Nachdenken an und gaben mir in dieser Situation Trost. Eine wunderbare Eigenschaft von...

Erscheint lt. Verlag 10.10.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-99093-450-3 / 3990934503
ISBN-13 978-3-99093-450-0 / 9783990934500
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