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World of Lehrkraft (eBook)

Ein Pädagoge packt aus

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eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
200 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2130-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

World of Lehrkraft -  Herr Schröder
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So komisch ist selten über den Schulalltag geschrieben worden: Comedian Herr Schröder feiert seine Schüler für ihre sprachliche Kreativität, wenn sie ihn als 'Korrekturensohn' verhöhnen. Beleidigungen auf dem Schulhof findet er völlig in Ordnung - solange sie im dreihebigen Jambus erfolgen. Und Metaphern wie 'Opferabo' und 'Eckenkind' wecken in ihm den Stolz des begeisterten Germanisten. Und sein Lieblings-Problemschüler glaubt, dass ein Kreiskrankenhaus rund ist. Beweis: Es ist ein Kreißsaal drin. Johannes Schröder war früher selbst Deutschlehrer. Zwölf Jahre lang hat er seine Schüler mit dem 'lyrischen Ich' und Gedichtinterpretationen gequält und dabei täglich tapfer die Sinnfrage unterdrückt. Bis er schließlich ausstieg und Comedian wurde ...

Johannes Schröder ist studierter Deutschlehrer und Comedian. Was wie ein Widerspruch klingt, ist letztlich eine humoristische Form der Selbstverteidigung. Nach zwölf Jahren Schuldienst tourte der Wahlkölner alias »Herr Schröder« mit seinem ersten Soloprogramm »World of Lehrkraft« durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und wurde in diversen Comedy-TV-Formaten immer berühmter. Zudem veröffentlichte der Comedian 2019 sein erstes Buch 'World of Lehrkraft - Ein Pädagoge packt aus', welches ein SPIEGEL-Bestseller wurde. Ab Sommer 2021 ist er mit seinem zweiten Programm »Instagrammatik« unterwegs durch die Republik.

Johannes Schröder ist studierter Deutschlehrer und Comedian/Kabarettist. Was sich wie ein Widerspruch anhört, ist letztlich eine humoristische Form der Selbstverteidigung. Nach 12 Jahren Schuldienst und dem Nebenjob als Pausenaufsicht befindet sich der Wahlkölner alias "Herr Schröder" gegenwärtig mit seinem ersten Comedy-Soloprogramm "World of Lehrkraft" auf großer Live-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Kapitel 6


Der Sportlehrer — die bildungsferne Spaßgurke aus der Turnhalle

Auf dem Weg zum Klassenzimmer schaue ich wie immer bei meinem Wahlplakat vorbei, das im Flur zum Lehrerzimmer neben den anderen hängt. Ich habe mich bewusst für eine klassische Bildsprache entschieden: ein großformatiges Porträtfoto. Für den Fototermin hatte ich mich akkurat zurechtgemacht. Wer weiß, was daraus wird? Hätte Che Guevara damals schon geahnt, dass sein Konterfei mal auf Abermillionen T-Shirts, Plakaten und Aschenbechern abgebildet sein würde, hätte er sich bestimmt auch vorher die Haare schneiden lassen.

Bei den Schülern kommt ein ordentliches Erscheinungsbild auch besser an. Keine Ahnung, wer mir das Hitlerbärtchen ins Gesicht gemalt hat, aber wer Großes vorhat, muss mit Gegenwind umgehen können. Bei meinem Wahlslogan habe ich mich selbstverständlich an einem großen deutschen Reformator orientiert: Hier stehe ich – ich kann auch anders!

Kuschel-Ursel ist aus meiner Sicht mit ihren ungelenken Wahlkampfversuchen ästhetisch komplett gescheitert. Das Foto zeigt sie, umringt von Oberstufenschülern, bei der Pflege des Urban-Gardening-Projekts, das sie mit ihrem Bio-Leistungskurs ins Leben gerufen hatte.

Darunter steht:

Ursula Fink – gebt mir eure grünen Daumen #aloe_lehrer_IN

Das Motto hat sie eigenhändig mit Filzstift – jeder Buchstabe eine andere Farbe – aufs graue Umweltpapier gemalt. Mir soll’s recht sein. Schwache Konkurrenz belebt das Geschäft. Dass Kuschel-Ursels Flyer alle schon weg sind und meine noch immer unangetastet vorm Lehrerzimmer liegen, hat gar nichts zu bedeuten. Meine Politik funktioniert über Inhalte, nicht über oberflächliche PR-Materialien. Natürlich wünsche ich der Kollegin nur das Beste. Auch nach ihrer Niederlage.

Dass Trillerpfeifen-Theo allerdings die Dreistigkeit besitzt, seinen Hut in den Ring zu werfen, finde ich unverfroren. Er hat erst in diesem Schuljahr an der HFG angefangen. Seitdem ist er hauptsächlich damit beschäftigt, regelmäßig sein Postfach zu leeren, den Kaffeeautomaten zu bedienen und mit den weiblichen Lehrkräften u30 zu flirten. Er ist jung, motiviert, gutaussehend. Und, jetzt kommt’s, angeblich beliebt im Kollegium und bei den Schülern.

Kurz gesagt: ein Riesenarschloch.

Ich nenne ihn heimlich »geistigen Kleingärtner mit Lehrerlaubnis«. Trillerpfeifen-Theos Zweitfach ist nämlich Stadt, Land, Fluss. Also Erdkunde. Er unterrichtet das bei vollen Bezügen der Besoldungsgruppe A13 und möchte darüber hinaus auch noch ernst genommen werden. Aber Sportlehrer sind nun mal die menschgewordenen Thermomixe unter den Lehrern: beliebt bei Frauen, geringe handwerkliche Anforderungen und intellektuelles Sanftgaren. Ich habe gar nichts gegen Sportlehrer. Aber warum bitte schön nennen die uns Deutschlehrer arrogant?! Wie wollen die das beurteilen? Wir reden doch seit Jahrzehnten nicht mehr mit denen.

Theo ist noch kein halbes Jahr an der Schule, aber er rechnet sich bereits reale Chancen aus, Lehrer des Jahres zu werden. Die Wörter Demut oder Selbstzweifel sind in seinem Wortschatz vermutlich nicht mal gelistet.

Sein Wahlmotto lautet: Theo? Logisch!

Auf seinem Plakat sieht man ihn mit einem Pokal in der Hand auf einem Siegertreppchen stehen. Im Hintergrund ein azurblauer Pool vor schneebedeckten Bergen. Photoshop lässt grüßen. Er könnte mir aber möglicherweise wirklich gefährlich werden. Denn seine Kernkompetenz ist social media. Sogar in seinen Fitnessvlogs auf YouTube macht er ordentlich Promo. Er empfiehlt mir auch immer ungefragt, dass ich mich auf Instagram anmelden soll. »Schrödi, ohne Scheiß, mach da mal was. Die Kids sind da alle unterwegs.«

Letztens fragt er mich im Kopierzimmer, ob ich mit seiner »Kandidierung« ein Problem habe. Ich erwidere, dass es mir besser gefiele, wenn er »kandiert« wäre. Und dass er sich mit der Teilnehmerurkunde gerne seine Hüpfburg tapezieren könne.

Danach muss ich ihm Hilfestellung am Kopierer leisten. Der ist wie immer kaputt. Kopiergeräte werden defekt und mit Papierstau an die Schulen ausgeliefert. Auch an diesem Tag blinkt die rote Lampe hektisch, und alle Papierfächer stehen offen. Irgendwer hat vermutlich wieder sechsmal die falsche PIN eingegeben. Obwohl dreimal völlig gereicht hätte. Während Theo und ich uns über das heiß gelaufene Gerät beugen, stößt die neue, hübsche Referendarin Lara zu uns.

Laminier-Lara: »Schon wieder Schrott? Soll ich euch schnell helfen? Meistens muss man nur die Klappe …«

Ich weiß nicht, woher diese jungen Nachwuchskräfte heute das Selbstbewusstsein nehmen, immer und überall mitreden zu wollen. Zu meiner Zeit war die Welt noch in Ordnung: Da warst du als Referendar mit Abstand das letzte Glied in der Nahrungskette Schule, weit hinter dem Reinigungspersonal und den Kaulquappen im Aquarium der Biofachschaft, die niemals jemand füttert. Geeignet waren Referendare nur für Vertretungsstunden, Kaffeefilter wechseln oder die Begleitung einer Erdkunde-Exkursion ins Ibbenbürener Steinkohlerevier.

Die ersten Tage an der Schule waren besonders demütigend. An einen Katzentisch im Lehrerzimmer gepfercht, warteten wir Referendare darauf, einer erfahrenen pädagogischen Lichtgestalt zugeteilt zu werden, um ihr beim Unterrichten über die Schulter gucken zu dürfen. Als es dann endlich so weit war, wurde man in der letzten Reihe platziert und durfte neunzig Minuten Stillarbeit beiwohnen. Dazu sollte man möglichst interessiert schauen und sich Notizen machen.

Im Anschluss gab es in der Regel eine Nachbesprechung. »Und, wie fanden Sie meinen Unterricht?« »Ja, sehr anregend. Wie lange bereiten Sie eigentlich so eine Stunde vor?« »Ach, mit der Zeit stellt sich Routine ein, das werden Sie merken. Ich sag nur: Kopiervorlage, Klett Lektürehilfe, Wochenende genießen. In der Seefahrt hat der Kapitän ja auch hauptsächlich drei Aufgaben: anlegen, ablegen, hinlegen. Ungefähr so ist das hier auch.«

Am Anfang ist jeder Referendar heillos übermotiviert. Bis an die Zähne bewaffnet mit Lochern, Tackern, Post-its, Leitz-Mappen, Methodenkoffern, Textmarkern, Scheren und Klebestiften okkupiert der orientierungslose Newcomer das Kopierzimmer. Das sichert einem sofort den Spott der älteren Semester: »Na, verehrter Bastelfreund, was macht ihr heute? Mandalas ausmalen, Servietten falten oder nur Prickel-Technik?« Heutzutage sind viele Referendare dem Laminiergerät verfallen, so auch die hübsche Lara. Wie der Ami alles frittiert, so laminiert sie alles, was ihr in die Finger kommt.

An der HFG löst die Begrüßung der neuen Referendare im Kollegium jedes Jahr eine Welle von widersprüchlichen Gefühlen aus. Das frische Blut wird gleichermaßen belächelt und gefürchtet. Die täglich wachsende Verzweiflung der Referendare zeigt uns: Wir Älteren sind bereits einen langen Weg gegangen und haben überlebt. Ich höre mir gern ihre Sorgen an und scheue mich nicht, den einen oder anderen unangebrachten Tipp von hoher Warte zu geben. Für einen Moment flammt dann so was wie pädagogisches Ethos in mir auf. Die Referendare erinnern uns jedes Jahr aufs Neue an unseren anfänglichen Idealismus. Sie spenden Hoffnung und leben uns unbewusst vor, warum wir seinerzeit Lehrer geworden sind, damit wir es dann bald gemeinsam wieder vergessen können.

Ich lächle Laminier-Lara über den Kopierer hinweg subtil an und versuche mit einem Auge zu zwinkern.

Herr Schröder: »Nee, lass mal, Lara. Wir starken Männer kriegen das schon hin.«

Trillerpfeifen-Theo: »Schrödiiiiiiii! Hol die Oma aus dem Koma, was geeeeht? Mal wieder am Flirten? 80 Prozent Ballbesitz und kriegst trotzdem keinen rein?«

Herr Schröder (ärgerlich zu Theo): »Was machst du eigentlich am Kopierer? Du kennst doch das gedruckte Wort nur vom Hörensagen. Was willst du überhaupt kopieren? Den Beipackzettel für deine Medizinbälle?«

Trillerpfeifen-Theo: »Nein, Schrödi, das Programm für die Projekttage. Lara, was bietest du bei den Projekttagen an?«

Laminier-Lara: »Interaktives Geocaching im Centerpark … Die Liste war schon voll, bevor ich sie aufgehängt habe. Und du?«

Trillerpfeifen-Theo: »YouTube Challenge in der Disziplin ›crosstraining‹, wird live ins Netz gestreamt. Die Schüler konnten sich online anmelden. Und, Schrödiiii, du?«

Herr Schröder: »Scrabble auf dem Schulhof. Die Liste ist fast … also ein paar Plätze sind noch … vakant. Es gibt aber bereits mehrere unverbindliche Vormerkungen …«

Trillerpfeifen-Theo: »Mensch, Scrabble! Echt hot! Wie viele Punkte gibt es denn für ›Waschlappen‹?«

Laminier-Lara (zwinkert Theo zu): »Diagonal, versteht sich.«

Herr Schröder: »Wir machen dieses Jahr nur mit Adjektiven …«

Trillerpfeifen-Theo: »Cool!!«

Herr Schröder: »Das wären jetzt zum Beispiel zehn Punkte. Obwohl ich noch nicht weiß, ob ich Anglizismen wirklich zulassen werde …«

Es klopft an der Tür.

Saskia: »Entschuldigung, wir wollten uns für die Projekttage anmelden und suchen die Listen.«

Herr Schröder: »Ahhhh, super! Scrabble?«

Saskia: »Äähhh, nein.«

Herr Schröder: »Die Liste ist sowieso schon...

Erscheint lt. Verlag 25.10.2019
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bastian Pastewka • Berufsschule • Comedy • Deutschlehrer • Eltern • Episoden • Faust • Frau Freitag • Gedichte • Gesamtschule • Goethe • Gymnasium • Herr Schröder • Humor • jambus • Kabarett • Kabarettist • Klassenzimmer • Kollegium • Korrekturensohn • Kreide • Lehrer • Lehrerzimmer • Pädagogik • Pädagogik Humor • Prosa • Pubertiere • Pubertierende • Realschule • RTL • Satire • Schiller • Schröder • Schulalltag • Schule • Schüler • Schülerantworten • Schulhof • Unterricht • Witzige Schule • World of Lehrkraft
ISBN-10 3-8437-2130-0 / 3843721300
ISBN-13 978-3-8437-2130-1 / 9783843721301
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