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Heiliger Bimbam (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
288 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
9783841217721 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Heiliger Bimbam - Edmund Crispin
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England in den 40er Jahren.

Englischprofessor und Teilzeitdetektiv Gervase Fen verbringt gerade seine Ferien in dem kleinen Städtchen Tolnbridge, als es mit der Erholung schlagartig ein Ende hat. Auf den örtlichen Organisten wurde ein Mordanschlag verübt. Der Mann hat weder Feinde, noch kann seine völlig harmlose Musik der Auslöser gewesen sein. Als Ersatz für den Organisten beordert Fen einen befreundeten Musiker in die Provinz, den prompt ein Drohbrief erreicht. Eins ist klar, hinter der kleinstädtischen Idylle verbirgt Tolnbridge ein Geheimnis. Bald machen Gerüchte die Runde. Von Spionage und sogar einem seit dem 17. Jahrhundert in der Stadt aktiven Hexenzirkel ist die Rede. Es scheint, als könnte nur Gervase Fen die Stücke dieses faszinierenden Puzzles zusammenfügen ...



Edmund Crispin, geboren 1921, war das Pseudonym des englischen Krimiautors und Komponisten Robert Bruce Montgomery. 1944 erschien der erste Band seiner Reihe um den Ermittler Gervase Fen, Professor für englische Literatur in Oxford. Crispins Kriminalromane zeichnen sich durch ihren humoristischen Stil, der bis ins Absurde reicht, und gleichzeitig einen hohen literarischen Anspruch aus. Er verstarb 1978. Alle neun Romane der Krimireihe um Gervase Fen sind bei Aufbau Digital verfügbar.

Kapitel 2
Reise nicht zum Vergnügen


A crowd is not company, and faces are but a

gallery of pictures, und talk but a tinkling

cymbal where there is no love.

Francis Bacon

 

Denn eine Menge ist noch keine Gesellschaft,

und Gesichter sind nur eine Bildergalerie, wie

Gespräche nur eine klingende Schelle, wo die Liebe fehlt.

 

Nach der halbdunklen, weitläufigen Halle von Waterloo wirkte Paddington wie eine Höllengrube. Hier herrschte nicht die Ordnung, die strenge Einteilung und Trennung von Maschinen und Menschen wie in dem größeren Bahnhof. Lokomotiven und Passagiere bildeten ein unentwirrbares Gewühl, und die Barrieren, die für deren Trennung gedacht waren, wirkten nur noch wie die störenden Hürden eines Hindernislaufes. Die Menschenmengen, gewaltig, unruhig und dicht gedrängt, schienen eher auf die Rücken der Züge zu klettern, wie Kinder, die sich auf der Strandpromenade auf einen Esel drängeln, als auf die normale Weise einzusteigen. Die Lokomotiven schnauften und ächzten wie Igel, die vorzeitig ihr Leben aushauchen, weil sie von Horden räuberischer Ameisen überrannt werden; jeder Versuch abzufahren, so meinte man, musste unweigerlich Tausende dieser Insekten zerquetschen und zermalmen – sie hätten keine Chance, sich rechtzeitig von den Puffern und Kurbelstangen zu befreien.

Inmitten des Menschengewühls war die Hitze unerträglich, sodass man meinte, sich ziellos immerzu weiter bewegen zu müssen, auch wenn das kaum möglich schien. Vielleicht ließen sich gewisse Hauptströme ausmachen, zwischen den Bars, dem Bahnsteig, den Fahrkartenschaltern, den Toiletten und den Haupteingängen; aber auch die hatten nur die schablonenhaften Grenzen von Wasserläufen auf einer Landkarte – bei den lediglich Teilnahmslosen, die in melancholischer oder hoffnungsloser Haltung an den Kreuzungen ihrer Zusammenflüsse standen, traten sie über die Ufer. Auf ebener Erde wies diese Menschenmasse in ihrem Bemühen, sich hierhin und dorthin zu bewegen, erstaunliche Abweichungen von der Horizontalen auf; Menschen drängten ihren Zielen entgegen und neigten sich dabei im gefährlichen Winkel nach vorne, oder wenn sie um die Körper derjenigen herumspähten, die vor ihnen waren, sahen sie aus wie halb enthauptete Kriminelle. Scharen von Soldaten, die schwere, weiße, offenbar mit Blei gefüllte Zylinder trugen, drängelten sich entschuldigend durch das Gewühl oder saßen auf Seesäcken und ließen sich von allen Seiten anrempeln. Eisenbahnbedienstete kontrollierten die Szene mit der nervösen Autorität von Lehrern, die ihren Schülern kurz vor den Ferien noch höfliche Aufmerksamkeit abzuringen versuchen.

»Großer Gott«, sagte Geoffrey, während er sich vorwärtskämpfte und mit seinem Koffer immer wieder unfreiwillig die Knie anderer Leute malträtierte, »ob wir es wohl jemals schaffen, in den Zug zu gelangen?«

Fielding, der noch immer unpassenderweise die Berufskleidung seiner letzten Arbeitsstelle trug, schnaubte nur; die Hitze schien zuviel für ihn zu sein. Nachdem sie zerrend und schubsend zwei Meter weiter gelangt waren, sagte er:

»Um wie viel Uhr soll er abfahren?«

»Erst in einer Dreiviertelstunde.« Doch der entscheidende Teil des Satzes ging in einem plötzlichen dämonischen Heulen und Pfeifen unter. Er wiederholte es aus vollem Halse. »In einer Dreiviertelstunde«, brüllte er.

Fielding nickte und verschwand dann überraschend, rief noch eine Erklärung, von der nur das Wort »Kleidung« hörbar war. Ein wenig verwirrt, wühlte Geoffrey sich zum Fahrkartenschalter durch. Der Fahrkartenkauf nahm gut zwanzig Minuten ja Anspruch, doch der Zug würde anscheinend ohnehin mit Verspätung abfahren. Er schwenkte seinen Koffer optimistisch fragend in Richtung eines Kofferträgers, der in Erfüllung irgendeines unbekannten Auftrages gemächlich vorbeitrottete, und wurde ignoriert.

Dann entschloss er sich, ein wenig traurig über die Qualen sinnierend, die unsere Nachsicht uns aufnötigt, etwas trinken zu gehen.

Das Restaurant war mit Vergoldungen und Marmor verziert, eine unangemessene Pracht, die das Geschehen in eine eigentümliche Tristesse tauchte. In weiser Voraussicht hatten diejenigen, deren Verantwortung es war, dass die Leute rechtzeitig im Zug saßen, die Uhr zehn Minuten vorgestellt, ein Trick, der häufig zu panikartigen Aufbrüchen bei denjenigen führte, die der Annahme waren, dass sie die richtige Zeit zeigte. Sie wurden augenblicklich von anderen beruhigt, deren Uhren nachgingen. Sobald die genaue Uhrzeit festgestellt wurde, kam es erneut zu einer noch größeren Panik. Durch die gesetzlich geregelten Restriktionen in Kriegszeiten wie beispielsweise strenge Sperrstunden war die Bevölkerung darauf konditioniert, bis zur allerletzten Minute in Bars und Pubs zu verweilen.

Geoffrey stellte seinen Koffer an einer Säule ab (sogleich stolperte jemand darüber) und kämpfte sich zur Theke durch, an die er sich mit der Entschlossenheit eines schiffbrüchigen Matrosen klammerte, der das rettende Ufer erreicht hat. Die dahinter lauernden Sirenen erfreuten sich relativer Bewegungsfreiheit und führten gerade eine freundliche Unterhaltung mit Stammgästen. Aufmerksamkeit heischende, bohrende Blicke und verzweifelte Rufe blieben meistenteils erfolglos. Manche spielten auffällig mit Münzen, in der Hoffnung, dass die Zurschaustellung von Wohlstand und Zuversicht diese Gestalten in Bewegung setzen würde. Geoffrey stand neben einem zwerg-wüchsigen Handelsvertreter, der eines der Barmädchen in den Genuss einer weitschweifigen Geschichte über die Nachteile früher Vermählung kommen ließ, wobei er offenherzig sich selbst und viele Freunde und Verwandte als Beispiel anführte. Indem Geoffrey ihn rüde beiseite schob, gelang es ihm schließlich, etwas zu trinken zu ergattern.

Fielding tauchte so unvermittelt wieder auf, wie er verschwunden war, in Sportsakko und Flanellhose gekleidet und mit einem Koffer in der Hand. Er erklärte ganz außer Atem, dass er rasch in seine Wohnung gefahren war, und verlangte ein Bier. Erneut wurde das Ritual des inbrünstigen Flehens inszeniert. »Reisen«, sagte Fielding nachdrücklich.

»Ich hoffe, wir müssen nicht in ein Abteil, wo kleine Kinder sind«, sagte Geoffrey düster. »Wenn sie nicht gerade kreischen und auf mir herumklettern, müssen sie sich garantiert übergeben.«

 

Es waren kleine Kinder da – zumindest eines –, aber das Erste-Klasse-Abteil, in dem es sich befand, war das einzige mit zwei freien Plätzen – einer davon in der äußersten Ecke, auf den Geoffrey sogleich zum Zeichen, dass er besetzt war, sein Gepäck warf. Dann machte er sich daran, mit Hilfe von Fielding und unter den interessierten Blicken der anderen Leute im Abteil, Fens Schmetterlingsnetz auf das Gepäcknetz zu befördern. Es war einfach zu lang. Geoffrey beäugte es mit Abscheu: Es wuchs in seinen Augen zu einem monströsen Symbol für die Lästigkeit, Schande und Absurdität dieses grotesken Unternehmens.

»Lehnen Sie’s doch aufrecht ans Fenster«, sagte der Mann, der Geoffrey in der Ecke gegenübersaß. Er war noch dicklicher und rotgesichtiger als Fielding. Als Geoffrey ihn betrachtete, kam er sich vor wie ein Mann, der stolz mit seiner Amati angibt und plötzlich eine Stradivari vor die Nase gehalten bekommt.

Sie befolgten seinen Rat; jedes Mal, wenn einer die Füße bewegte, fiel das Netz um.

»Wie kann man nur so ein Ding mit in den Zug bringen«, sagte die Frau mit dem Kind sotto voce.

Schließlich wurde beschlossen, dass Netz quer durchs Abteil zu legen, von einem Gepäcknetz zum anderen. Alle standen auf – nicht gerade mit Begeisterung, da es so heiß war –, um diese Idee in die Tat umzusetzen. Eine Frau, die in einer anderen Ecke saß, mit einem Gesicht so weiß und pockennarbig wie eine gerupfte Hühnerbrust, schob nörgelnd ihr Gepäck beiseite, um Platz zu machen. Dann nahm sie wieder Platz und schirmte sich unnötigerweise gegen die Menschen um sich herum mit einer wollenen Reisedecke ab, sodass Geoffrey allein schon vom Hinsehen ins Schwitzen geriet. Mit einer gehörigen Portion teils unverständlichen gegenseitigen Aufmunterungen und Ermahnungen wie »Rauf damit« und »Jetzt ganz vorsichtig« hievten Geoffrey, Fielding, der dicke Mann und ein junger Geistlicher, der den letzten Eckplatz in Beschlag genommen hatte, das Netz an Ort und Stelle. Das Kind, das bis dahin ruhig gewesen war, wachte auf und begann, einen laufenden Kommentar aus Schnaufern und Gekreische von sich zu geben; es grunzte wie das Ferkel-Baby in Alice im Wunderland, bis sie schon damit rechneten, dass es vor ihren Augen seine Gestalt ändern würde. Die Mutter rüttelte es unbarmherzig durch und funkelte die Unruhestifter böse an. Leute auf der Suche nach einem Platz spähten in das Abteil und versuchten die Zahl derjenigen abzuschätzen, die an dem Durcheinander beteiligt waren. Einer öffnete sogar die Tür und fragte, ob noch ein Platz frei sei, ging aber weiter, als er mit Missachtung gestraft wurde.

»Unmöglich!« sagte die Frau mit dem Kind. Sie schaukelte es noch heftiger auf und ab und verstärkte dessen Geräusche noch, indem sie beruhigende Gurrlaute machte.

Das Netz...

Erscheint lt. Verlag 31.10.2019
Reihe/Serie Professor Gervase Fen ermittelt
Professor Gervase Fen ermittelt
Übersetzer Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Sprache deutsch
Original-Titel Holy Disorders
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2. Weltkrieg • Agatha Christie • Carola Dunn • Cosy Crime • Cosy Krimi • Edmund Crispin • England • england krimi • Geheimdienst • Gervase Fen • Kirche • Komponist • Krimiklassiker • Michael Innes • Musiker • Provinz • Scotland Yard • Spionage
ISBN-13 9783841217721 / 9783841217721
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