Professor Zamorra 1180 (eBook)
64 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7325-8405-5 (ISBN)
Der Kopf der Kreatur
Frankreich, Lyon, 17. Oktober 1793
'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!'
Unter dem Geschrei der tobenden Menge wurde der Marquis Jean St. Clair aufs Schafott geführt.
Der in Lumpen gehüllte Körper des Hexers wies Spuren schwerer Folter und Misshandlungen auf. Nässende, schlecht verheilte Brandwunden übersäten den Rumpf, mehrere Fingerglieder fehlten.
Nur sein Kopf und das dazugehörige Gesicht mit den ebenmäßigen Zügen schienen völlig unberührt zu sein.
Dabei waren sie das häufigste Ziel der Fäuste, Gerten, Brandeisen und Zangen gewesen.
Dass das Antlitz des Schönen Jean dennoch aussah, wie das eines frisch gepuderten Engels, konnte nur eine Erklärung haben.
Er war mit dem Teufel im Bunde.
Das wussten auch der Scharfrichter und seine Knechte, die nicht gerade sanft mit ihm umsprangen. Der in Lumpen gehüllte Körper des Hexers wies Spuren schwerer Folter und Misshandlungen auf. Nässende, schlecht verheilte Brandwunden übersäten den Rumpf, mehrere Fingerglieder fehlten.
Nur der Kopf und das dazugehörige Gesicht mit den ebenmäßigen Zügen schienen völlig unberührt zu sein.
Dabei waren sie das häufigste Ziel der Fäuste, Gerten, Brandeisen und Zangen gewesen.
Dass das Antlitz des Schönen Jean dennoch aussah wie das eines frisch gepuderten Engels, konnte nur eine Erklärung haben.
Er war mit dem Teufel im Bunde.
☆
Allerdings schien der ihn nun verlassen zu haben.
Jean St. Clair wusste, dass es nichts gab, womit er den Henker und seine Knechte hätte bestechen können. Sie würden sich ohnehin nehmen, was sein gewesen war.
Zum Teufel auch, darum ging es schließlich bei dieser Farce.
Nach tagelanger Folter ertappte sich der Marquis, wie er den Tod herbeisehnte. Gewiss, der Satan hatte ihm die ewige Jugend versprochen, und er hatte sein Versprechen gehalten. Keinen Tag war er seit jener verhängnisvollen Nacht vor knapp zwanzig Jahren, als er den Pakt mit dem Leibhaftigen geschlossen hatte, gealtert.
Der Preis dafür war im Vergleich spottbillig gewesen.
Seine eigene Seele und einmal monatlich zum Neumond eine bis aufs Blut gefolterte Jungfrau.
Ein geringes Opfer, wenn Jean St. Clair bedachte, dass er praktisch unsterblich war.
In seiner grenzenlosen Überheblichkeit hatte er angenommen, dass Asmodis verdammt lange auf seine Seele warten musste.
Rückblickend betrachtet, hätte er vielleicht doch das Kleingedruckte in dem Kontrakt lesen sollen. Schließlich war der Teufel nicht für Ehrlichkeit und Zuvorkommenheit bekannt.
Von Unverwundbarkeit war nie die Rede gewesen.
»Wo ist dein Herr und Meister jetzt, St. Clair?«, erklang es dumpf hinter der Maske eines der Henkersknechte.
Das fragte sich Jean St. Clair schon geraume Zeit, und da er nicht wusste, was er darauf antworten sollte, schwieg er besser. Das hämische Gelächter, in das der Scharfrichter und seine Schergen daraufhin ausbrachen, brachte dem Marquis die Erkenntnis, dass seine Mörder ohnehin keine erwartet hatten.
Sie gewährten ihm auch keine letzten Worte, aber er hatte sowieso nichts mehr zu sagen.
Was brachte es, den Pöbel zu beschimpfen oder seine Henker zu verfluchen?
Asmodis hatte ihn verlassen und rieb sich vermutlich schon die Hände in Vorfreude auf die Seele des Marquis.
Wozu hätte er ihm also helfen sollen?
Unter dem Johlen der blutrünstigen Menge wurde Jean St. Clair bäuchlings auf das vertikale Brett gespannt und sein Hals in die halbmondförmige Ausbuchtung der Lunette gepresst. Einer der Henkersknechte schob das Gegenstück nach unten, damit der Schädel in Position gehalten wurde und der Schnitt möglichst sauber war.
Sein Blick war abwärts gerichtet, geradewegs in die hohe Weidenkiepe, aus der ihm die starren Augen seiner Vorgänger aus wächsernen, blutverschmierten Antlitzen entgegen glotzten. Ein süßlich-fauliger Gestank drang ihm in die Nase.
Das war der Moment, in dem St. Clair begriff, dass es kein Zurück mehr gab.
Er würde heute sterben!
Hier in Lyon, an diesem kalten Herbstnachmittag, der von einer dicken bleigrauen Wolkendecke verdunkelt wurde. Der Name Jean St. Clair würde bald vergessen sein. Nur einer unter vielen Girondisten, die der Revolution zum Opfer fielen.
Ohne es eigentlich zu wollen, riss der Marquis den Mund auf, um seine Angst und Enttäuschung hinauszuschreien.
Ein trockenes Schaben erklang, ehe er dazu kam.
Jean St. Clair erhielt einen Schlag in den Nacken. Die Welt begann sich zu drehen, und plötzlich war ihm, als läge eine eiserne Garotte um seinen Hals. Kein Laut drang ihm aus dem Mund, als er zwischen den bleichen Gesichtern seiner Vorgänger zu liegen kam.
Auge in Auge mit einem feisten Schweinsgesicht, dessen Babyspeck von einem struppigen Bart umwuchert wurde.
Vergeblich versuchte er, den Kopf zu drehen.
Nur die Augen vermochte er zu verdrehen, um einen letzten Blick in den Himmel zu erhaschen, dessen Zugang ihm auf ewig verwehrt bleiben würde.
Sein Sichtfeld trübte schlagartig ein. Ihm wurde schwindelig.
Das Letzte, was er hörte, war das Kreischen und Jubeln der Gaffer.
Dann starb der Schöne Jean – vorerst!
☆
Gegenwart
»Das ist wahrhaft eine Tragödie!«, sagte Pater Ralph und trank einen Schluck Wein.
»Wie meinst’n du das?«, fragte Gerard Fronton, genannt Malteser-Joe. Der Name war ein Überbleibsel aus seiner Zeit als Fremdenlegionär.
»Das würde ich auch brennend gern wissen«, sagte Professor Zamorra mit schwerer Zunge.
Der betagte Geistliche schaute seinen Gastgeber mit listig funkelnden Augen an. »Na, dass du als Gelehrter und Geisterjäger nichts Besseres zu tun hast, als dir an diesem Freitagabend mit uns die Hucke volllaufen zu lassen.«
Charlotte Mostache kicherte. Sie war die Wirtin des Etablissements »Zum Teufel«, deren Namen durch einen geschnitzten Teufelskopf gerechtfertigt wurde, der über dem Türsturz auf die eintretenden Zecher herabgrinste.
»Geleert hat er heute nur die Weinflaschen, auf deren Böden die einzigen Geister zu finden sind, die er heute gejagt hat.«
»Außerdem heißt es Dämonenjäger«, korrigierte Zamorra. »Geisterjäger nennen sich nur die Kollegen in England.«
»Ich dachte, das wären Dämonenkiller!«, gab jetzt auch Pierre Mostache, seines Zeichens staatlich beglaubigter Lebensgefährte von Charlotte, seinen Senf dazu.
»Geister werden gejagt, Dämonen werden gekillt. Das sind zwei völlig verschiedene Berufsgruppen«, erklärte Fronton mit todernster Miene. »Nicht wahr, Pater?«
Pater Ralph riss die Augen. »Woher soll ich das wissen? Ich bin ein Mann der Kirche. Wir treiben nur Teufel aus. Sorry, Pierre.« Er grinste und deutete auf Zamorra. »Dort sitzt der Experte.«
»Mit der Betonung auf ex«, rief dieser und leerte den Humpen in einem Zug.
»Und das alles nur, weil der Herr nicht wissen, was er mit seiner Zeit anfangen soll, wenn ihm keine Finsterlinge das Leben schwer machen und die Ungetraute auf Abwegen wandelt«, kommentierte Pater Ralph traurig und schüttelte den Kopf.
»Nici wandelt nicht auf Abwegen, sie verbringt mit April ein langes Wochenende in Lyon.«
»Zu schade«, murrte Fronton. »Für die April hätten wir auch noch ein Plätzchen gehabt. Zur Not hätte ich sie auf den Schoß genommen.«
»Lüstling«, rief Charlotte und schleuderte das Tuch, das sie über die Schulter gelegt hatte, auf den ehemaligen Fremdenlegionär.
»He, ich wollte doch bloß freundlich sein.«
Zamorra grinste und gähnte ausgiebig. Er fühlte sich pudelwohl inmitten seiner Freunde aus dem Dörfchen, knapp zwei Kilometer unterhalb des Château Montagne, in dem er gemeinsam mit seiner Lebens- und Kampfgefährtin Nicole Duval lebte. Die war tatsächlich spontan mit April Hedgeson aufgebrochen, um Lyon im Allgemeinen und die Boutiquen im Speziellen unsicher zu machen.
Die beide Freundinnen sahen sich viel zu selten und nutzen daher jede Gelegenheit, um Zeit miteinander zu verbringen. April war die Firmenchefin der Grym-Werft mit Sitz in Italien. Genauer gesagt am Gardasee. Aber sie war auch oft irgendwo im Ausland unterwegs, so wie Professor Zamorra und Nicole Duval, wenngleich aus gänzlich unterschiedlichen Gründen.
Zamorra wiederum kam seinerseits selten genug dazu, den Montagne-Stammtisch in der Gaststätte »Zum Teufel« zu nutzen.
»Du kannst dir die Freundlichkeit für dein Bett aufsparen«, meinte Charlotte. »Die letzte Runde geht aufs Haus, und danach schmeiß ich euch raus!«
»Jetzt fängt sie auch noch an zu reimen. Ich glaub, das halt ich nicht aus!«
Zamorra erschrak beim Blick auf die Uhr. Es wurde wirklich Zeit, um an der Matratze zu horchen, denn der von Pater Ralph erwähnte Freitagabend war lange vorbei. Mittlerweile war es schon längst Samstagmorgen, zwei Uhr in der Früh.
Der Parapsychologe und Dämonenjäger hatte gar nicht mitbekommen, wie schnell die Zeit verflogen war. Vor knapp sechs Stunden war die Kneipe noch brechend voll gewesen, jetzt war die Schankstube bis auf Pater Ralph, Malteser-Joe und seine Wenigkeit leer. Deshalb hatte es sich das Wirtsehepaar auch leisten können, sich kurzerhand zu den Gästen zu gesellen und selbst ein oder zwei Humpen Wein zu leeren.
»Wird auch Zeit«, murmelte er. »Bis ich im Bett liege, dauert es noch ein Weilchen.«
»Holt William dich nicht ab?«, fragte Charlotte verwundert.
Zamorra schüttelte den Kopf. »Er ist zwar unser Butler, aber nicht unser Leibeigener. Er hat sich seinen Feierabend redlich verdient.«
»Du kannst auch hier schlafen, wenn du willst«, bot die Wirtin an.
»Danke, aber ich komme schon zurecht. Die knapp zwei Kilometer hinauf zum Château schaffe ich gerade noch. Die ideale Gelegenheit, mir ein wenig Nachtluft um die Nase wehen zu lassen.«
»Du bist ja auch noch jung«, mischte sich Malteser-Joe ein. »Als ich noch in der Legion war, da …«
»Okay, das reicht«, rief Charlotte dazwischen. »Wenn du erst mit deinen alten Kriegsgeschichten anfängst, kommen wir heute überhaupt nicht mehr ins Bett. Und mit heute meine ich Samstag.«
Der Abschied fiel herzlich aus und endete, wie eigentlich immer bei...
| Erscheint lt. Verlag | 20.8.2019 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Professor Zamorra | Professor Zamorra |
| Verlagsort | Köln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
| Literatur ► Romane / Erzählungen | |
| Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • Deutsch • eBook • eBooks • Extrem • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • Lovecraft • Männer • Neuerscheinung • Neuerscheinungen • Paranomal • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Top • Walking Dead |
| ISBN-10 | 3-7325-8405-4 / 3732584054 |
| ISBN-13 | 978-3-7325-8405-5 / 9783732584055 |
| Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
| Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich