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Wozu wir da sind (eBook)

Walter Wemuts Handreichungen für ein gelungenes Leben

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlag Antje Kunstmann
978-3-95614-335-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wozu wir da sind -  Axel Hacke
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Ein Buch über die Suche nach dem, was man aus dem Leben machen könnte, geschrieben für Leute, die sich das gern selbst überlegen würden. Also ein Buch ohne Anweisungen, eher eines über Zweifeln und Fragen und natürlich über Glück und Pech, vor allem aber über das, was dazwischen liegt, also: das meiste. »Ich mache das normalerweise nicht, Geburtstagsreden. Mein Metier sind Nachrufe, also, wenn die Sache gelaufen ist, dann bin ich dran. Die Zeitung hat das eingeführt, eine eigene Seite nur für die Toten und für mich, einmal die Woche. Aber nicht nur für die berühmten Toten, auch für die ganz normalen Menschen?...« Seit dreißig Jahren schreibt Walter Wemut Nachrufe. Nun soll er die Rede zum 80. Geburtstag einer Freundin halten. Thema: das gelungene Leben. Da gerät er ins Sinnieren, und seine Gedanken schweifen: zu den Freunden, die er hat und hatte, zu Tarik, seinem Friseur, zum Zeitungshändler Kaczmarczyk und zu der Frau, die ihn grundlos auf der Straße beschimpft. Zum Studien­kollegen, der jung am Leben scheiterte, und zum Sportkameraden, den er aus den Augen verlor und in der Not wiederfand, ohne Wohnung und Job. Wann ist ein Leben gelungen, wann nicht? Wer entscheidet das? Wie kann man glücklich sein, wenn man kein Glück hat? Mit Neugier und seinem an Hunderten von Schicksalen geschulten Blick beleuchtet Wemut die vielen Lebensentwürfe, die ihm begegnet sind, zieht die Literatur zu Rate, macht sich Gedanken und mixt alles zu einem furiosen Monolog. Nach seinem Bestseller über den Anstand und das Zusammenleben der Menschen widmet Axel Hacke sich einem anderen großen Thema: Wie lebt man am besten mit sich selbst?

Axel Hacke lebt als Schriftsteller und Kolumnist des Süddeutsche Zeitung Magazins in München. Er gehört zu den bekanntesten Autoren Deutschlands, seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zuletzt erschien 'Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen' (Kunstmann 2017). Mehr unter www.axelhacke.de

Axel Hacke lebt als Schriftsteller und Kolumnist des Süddeutsche Zeitung Magazins in München. Er gehört zu den bekanntesten Autoren Deutschlands, seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zuletzt erschien "Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen" (Kunstmann 2017). Mehr unter www.axelhacke.de

Aber er spielte ein Spiel, er sah das Leben als Spiel, und ein Spiel kann man verlieren. Das musst du wissen, bevor du es spielst. Dann ist das Verlieren nicht so schlimm, vielleicht. Weil es dir gar nicht auf das Siegen oder Verlieren ankam. Sondern auf das Spiel.

War es so?

Lebte er nicht auch einfach in seinen Verhältnissen, in seinen inneren Umständen, aus denen er nie herausfand zu dem, was ihm das Leben vielleicht wirklich hätte bieten können?

Jedenfalls: Es sind ja diese Unterschiede zwischen den Menschen, die das Leben interessant machen, nicht wahr?

Diese ganz und gar verschiedenen Arten, mit dem Leben umzugehen, der eine verspielt und nicht an morgen denkend, der andere unentwegt planend, das ist doch das ungeheuer Interessante, davon kann man etwas lernen, wir können von unseren Unterschieden lernen. Wie wäre es – ich denke das so bisweilen bei meinen Nachrufen – mit dem Gedanken, dass jeder Mensch, von dir aus gesehen, ein Vorschlag ist, was man mit dem Leben auch machen könnte, hätte machen können?

Und deshalb hätte Eva, als Ferdi plötzlich doch im Gesichtsfeld auftauchte, einfach sagen können: Mein Lieber, es ist alles klar, wir verurteilen dich nicht, wir hätten uns sogar gewünscht, dass du ein bisschen länger durchkommst mit dieser Masche. Streng dich nicht so an! Für dich ist es jetzt blöd, für uns aber ist es kein Problem, jedenfalls: Mach wenigstens vor uns keine Geheimnisse mehr mit dieser Sache!

Haben Sie, nebenbei gesagt, eine Ahnung, was mein Zeitungshändler sonst noch macht? Können Sie nicht haben, aber ich sag’s Ihnen, hier, das ist wirklich toll.

Er nimmt jeden Abend die Zeitungen, die er nicht verkauft hat, und liest sie durch oder stöbert jedenfalls drin herum, und wenn er was findet, von dem er meint, dass es aufbewahrt werden sollte, schneidet er’s aus – immer nur eine Meldung oder ein Zitat pro Tag. Er klebt das in ein großes Album, und er hat mir mal einige dieser Alben für ein paar Tage ausgeliehen.

Sie interessieren mich sehr.

Tag für Tag macht er das.

Vorne auf das Album hat er geschrieben: Tagebuch des unbedeutenden Weltgeschehens.

Nichts von dem, was auf den Seiten klebt, hat je die Schlagzeilen erreicht, es sind alles Nebensächlichkeiten, hier sehen Sie, zum Beispiel: Eine Kuh fiel von einer Brücke und landete genau auf einem parkenden Auto – und so überlebte sie den Sturz, tatsächlich. Oder einer knackte einen Wagen und fuhr damit los, bis er bemerkte, dass auf der Rückbank ein Baby schlief; er brachte den Wagen wieder zurück, parkte ihn ein und lief davon. Aber dabei sah ihn dann der Besitzer, der gerade aus dem Supermarkt kam. Er alarmierte die Polizei, und am Ende hatten beide mit den Gendarmen zu tun, obwohl im Grunde nichts passiert war, denn der Wagen stand wieder an Ort und Stelle, und das Baby schlief immer noch. Aber der eine wurde der Entführung angeklagt, dem anderen warf man Vernachlässigung der Aufsichtspflicht oder so etwas vor.

Im Grunde war nichts passiert, trotzdem waren zwei Leute in Schwierigkeiten.

Und hier!

Damals, als ein Mann namens Brett Kavanaugh Richter am Obersten Gerichtshof der USA werden sollte (und dann auch wurde) und die Öffentlichkeit über Wochen der Frage nachging, ob er als siebzehnjähriger Schüler die fünfzehnjährige Christine Blasey Ford zu vergewaltigen versucht hatte, schnitt der Zeitungshändler einen größeren Artikel aus der Zeitung und unterstrich darin einen Satz: Kavanaugh beteuerte, er habe nie eine Frau belästigt – und dann hieß es: »Um genau zu sein, habe er während seiner Schulzeit und ›viele Jahre danach‹ überhaupt keinen Sex gehabt, erzählte er der Nation, und auch nichts getan, was so ähnlich wie Sex gewesen sei.«

Was ist denn so ähnlich wie Sex, überlegten wir damals gemeinsam im Zeitungsladen.

Da vorne den Playboy durchblättern?

Niesen?

Einen Fahrradreifen aufpumpen, bis er platzt?

Was ist so ähnlich wie Sex?, habe ich Agim, meinen Friseur, gefragt.

»Wenn ich dir die Haare schneide, dem ist so ähnlich wie Sex«, sagte er und lachte.

Unvergesslich ist mir ein Bild, auf dem ein Mann namens Dale Miller auf der Abfallkippe von Volusia County in Florida gesenkten Kopfes, mit Gummihandschuhen und Mundschutz ausgerüstet, den Müll durchwühlt, weil er seinen Lottoschein sucht – denn er weiß, er hat zehn Millionen Dollar im Lotto gewonnen (beziehungsweise eben nicht er, sondern der Schein!), diesen Schein aber hat der Mann vorher versehentlich weggeworfen – und nun sucht er ihn auf diesem Riesenmüllberg, aussichtslos, vermute ich, denn wie soll er in diesem Haufen Dreck einen Lottoschein finden, der zwischen Bananenschalen und Kaffeesatz wahrscheinlich sowieso unleserlich wäre?

Ich denke oft an das Bild und überlege immer wieder, wie der Mann damit wohl fertiggeworden ist, mit diesem Lottonichtgewinn.

Und ob überhaupt.

Komisch, nicht wahr?, dass man hier sitzt und an einen Mann da draußen denkt, den man nicht kennt, ein Mann irgendwo auf der Erde oder vielleicht schon längst unter der Erde. Da sind wir wieder bei den Billardkugeln, die ich vorhin mal erwähnte, erinnern Sie sich? (Das war, als es um die kleinen Gefühle ging, die man oft übersieht im Gegensatz zu den großen, und wie die Menschen im Leben manchmal so kurz, klick, aneinanderstoßen und sich dann wieder voneinander entfernen.)

Nur, dass die Kugel Wemut die Kugel Miller nie auch nur berührte, jedenfalls nicht physisch, sondern, ja …

Wie denn?

Ein Mann, der diese eine große Chance im Leben bekam und das Stück Papier verlor, das ihn aller materiellen Sorgen enthoben hätte …

Dale Miller.

Habe ich natürlich gegoogelt. Aber ich habe bloß gefunden, dass einer dieses Namens mal im lokalen Gefängnis eingebuchtet wurde, andererseits ein W. Dale Miller als zugelassener Rechtsanwalt in Florida arbeitet.

Ist ja nicht gerade ein seltener Name.

Irgendwie ist mir die Sache wichtig, warum eigentlich?

Ich sage Ihnen, was ich vermute: Weil ich vielleicht denke, wie wichtig es ist, sich immer klarzumachen, dass die Menschheit da draußen aus lauter Einzelnen besteht, zu denen zum Beispiel ein Mann gehört, der das verlorene Glück auf einer Müllhalde sucht.

Die Menschheit. Was soll’s?

Ein Mensch! Und noch einer. Dale Miller. Seine Frau. Sein Nachbar. Und die anderen.

Dale Miller, sind Sie da draußen irgendwo?

Wenn Sie eines Tages sterben, schreibe ich einen Nachruf auf Sie.

Ich müsste es gegebenenfalls nur wissen.

Jetzt mal dieses Buch hier, ja? Sehen Sie. Step Right Up!, heißt es.

Es ist voller Staub.

Von 1950.

Das Buch.

Der Staub ist natürlich jünger.

Staub von 1999, schätze ich.

Seitdem lag das Buch da unten in der Ecke, hinten im Regal, zwanzig Jahre lang. Ich habe einfach zu viele Bücher, man wird des Staubes nicht mehr Herr, ganz abgesehen davon, dass die Situation hier … dieses Durcheinander … eigentlich unwürdig ist für einen, der Bibliothekswissenschaften studiert hat.

Aber ich hatte andere Interessen in den vergangenen Jahrzehnten.

Step Right Up!, wie könnte man das jetzt übersetzen?

Kommen Sie näher, kommen Sie ran! vielleicht, so wie Schausteller auf dem Jahrmarkt die Leute locken.

1964 ist das Buch noch mal mit einem Zusatztitel erschienen, Memoirs of a Sword Swallower, das ist leicht ins Deutsche zu bringen, Erinnerungen eines Schwertschluckers.

Der Autor heißt Daniel P. Mannix, er war lange auf amerikanischen Jahrmärkten unterwegs. Hieß dort The Great Zadma. In dem Buch geht es um diese, also Mannixens Zeit auf den Carnivals: wie man Schwerter schluckt, zum Beispiel, darum geht es, und Feuer natürlich und lebende Ratten, bitte, auch noch ganz andere Sachen, ganze Frösche etwa, ob Sie es glauben oder nicht.

Wie ungeheuer schwierig vor allem Schwertschlucken sein muss, habe ich mal in aller Deutlichkeit mitbekommen, als ich eine Magenspiegelung machen musste, ich hatte Schmerzen hier, in der Körpermitte, hinter dem Solarplexus. Gut, ist nicht ganz die Mitte, die ist weiter unten, egal jetzt, ich wollte wissen, warum ich da Schmerzen hatte. Es wird dazu eine Sonde in die Speiseröhre praktiziert, die muss natürlich am Kehlkopf und dem ganzen anderen querliegenden Zeug im Hals vorbei, und weil ich eine Heidenangst vor jeder Betäubung hatte, dachte ich, das schaffe ich schon, ich schlucke diese Sonde irgendwie runter.

Wird schon gehen.

Ging auch.

Es war aber ein so schlimmes Gewürge, dass ich beim nächsten Mal, drei Jahre später, doch die Betäubung genommen habe, was übrigens im Gegensatz zu dem, was ich befürchtet hatte, eine großartige Sache ist, das Mittel heißt Propofol, das kann ich einerseits im Einzelfall nur empfehlen, im Dauerbetrieb andererseits nicht. Michael Jackson habe es, erzählte mir kürzlich jemand, über Wochen hinweg jeden Abend genommen, da kommt man natürlich ziemlich bald nicht mehr anders in den Schlaf....

Erscheint lt. Verlag 21.8.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Axel Hacke • Gelungenes Leben • Glück • Lebensentwurf • mit sich Selbst leben • Monolog • Nachrufe • Wozu wir da sind • Zweifeln
ISBN-10 3-95614-335-3 / 3956143353
ISBN-13 978-3-95614-335-9 / 9783956143359
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