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Schreib das auf, Kisch! (eBook)

Das Kriegstagebuch
eBook Download: EPUB
2025 | 4., Überarbeitete Fassung
408 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-678-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schreib das auf, Kisch! - Egon Erwin Kisch
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Fassung in aktueller Rechtschreibung Kisch, der 'rasende Reporter', wie er auch genannt wurde, schildert buchstäblich und hautnah, wie es ihm zwischen Schützengräben, Feuergefechten und Märschen ergangen ist. Wer das liest, versteht, warum der Erste Weltkrieg auch 'Urkatastrophe' Europas genannt wird. Niemals zuvor war der Mensch so sehr seiner Würde beraubt, wurde er ein Spielball der Mächtigen: geschunden, ermordet und als Kanonenfutter missbraucht. Die Tagebuchaufzeichnungen beginnen am 31. Juli 1914 und enden am 22. März 1915 mit Kischs Rückkehr aus dem Krieg. Dazwischen erlebt und berichtet er von Gewaltexzessen, sinnlosen Gefechten, Schikanen und Materialschlachten um wenige Meter Frontgewinne. Null Papier Verlag

Egon Erwin Kisch (eigentlich Egon Kisch; 1885-1948) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, Journalist und Reporter. Er gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Nach dem Titel eines seiner Reportagebände ist er auch als 'der Rasende Reporter' bekannt.

Egon Erwin Kisch (eigentlich Egon Kisch; 1885-1948) war ein deutschsprachiger Schriftsteller, Journalist und Reporter. Er gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Nach dem Titel eines seiner Reportagebände ist er auch als "der Rasende Reporter" bekannt.

›Schreib das auf, Kisch!‹
Juli 1914
August 1914
September 1914
Oktober 1914
November 1914
Dezember 1914
Januar 1915
Februar 1915

Juli 1914


Frei­tag, den 31. Juli 1914.

Als zehn­jäh­ri­ger Jun­ge habe ich ein Ta­ge­buch zu füh­ren be­gon­nen. Wenn ich heu­te, da ich zwan­zig Jah­re äl­ter bin und an­de­re Mög­lich­kei­ten be­sit­ze, mich zu äu­ßern, wie­der die Füh­rung ei­nes Ta­ge­bu­ches auf­neh­me, so be­stim­men mich dazu meh­re­re Grün­de: das Ge­fühl, eine his­to­ri­sche Zeit zu er­le­ben, die Un­mög­lich­keit, die wich­tigs­ten mei­ner Er­leb­nis­se der­zeit pu­bli­zis­tisch preis­zu­ge­ben, die per­sön­li­chen Er­eig­nis­se, die, im Zu­sam­men­hang mit der po­li­ti­schen Lage, in den letz­ten Ta­gen mich ge­trof­fen ha­ben und die in mir die Er­war­tung we­cken, dass ih­nen wei­te­re fol­gen wer­den.

Al­ler­dings sind die Er­leb­nis­se die­ser letz­ten Tage größ­ten­teils nur von schmerz­haft ero­ti­scher Na­tur, wo­durch die Ein­lei­tung mei­ner Kriegs­no­ti­zen so­zu­sa­gen den Me­moi­ren ei­nes Ca­sa­no­va von trau­ri­ger Ge­stalt äh­neln wird.

Ich bin auf Grund der alar­mie­ren­den Nach­rich­ten aus Binz auf Rü­gen am Diens­tag, dem 28. die­ses Mo­nats, nach Ber­lin ab­ge­reist. Am Mitt­woch be­kam ich einen Ex­press­brief mei­nes Bru­ders, dass ich so­fort zum Re­gi­ment ab­zu­ge­hen habe. Ich hol­te mir im k. k. Kon­su­lat mei­ne Be­glau­bi­gung für die Frei­fahrt und eine Weg­zeh­rung von ei­ner Mark und fünf­und­fünf­zig Pfen­ni­gen. Mei­ne Freun­din Tru­de sag­te mir zum Ab­schied, sie habe mir noch et­was zu beich­ten, sie möch­te nicht, dass zwi­schen uns eine Lüge sei, wenn ich in den Krieg zie­he. Sie woll­te lan­ge nicht mit der Spra­che her­aus, dann ge­stand sie mir, sie habe ein­mal einen Ein­griff an sich vor­neh­men las­sen.

Um 11 Uhr 13 Mi­nu­ten abends fuhr ich vom An­hal­ter Bahn­hof nach Prag. Auf dem Bahn­steig Tau­sen­de von Men­schen, die Deut­schen san­gen die Wacht am Rhein. Nach vie­len Irr­we­gen, Sto­ckun­gen und Ver­schie­bun­gen kam der Zug end­lich am Don­ners­tag um 11 Uhr vor­mit­tags in Prag an. Schon in Bo­den­bach hat­te ich die gel­ben Pla­ka­te ge­le­sen, dar­auf stand, dass sich je­der zum 8. Korps ge­hö­ri­ge Re­ser­vist bei sei­nem Trup­pen­kör­per zu mel­den habe. Bis jetzt hat­te ich ge­glaubt, dass man auf die Ein­be­ru­fung war­ten müs­se; auch im Ber­li­ner Kon­su­lat war mir das ge­sagt wor­den. Nun brach­ten mir die Pla­ka­te dop­pel­te Post: ich wer­de also je­den­falls in den Krieg zie­hen, mög­li­cher­wei­se aber noch be­straft wer­den, weil ich nicht schon am Sonn­tag bei mei­nem Trup­pen­kör­per ein­ge­trof­fen war, dem k. u. k. In­fan­te­rie­re­gi­ment Nr. 11 in Pi­sek, bei wel­chem ich Re­ser­ve­kor­po­ral bin.

Vom Bahn­hof fuhr ich so­fort nach Hau­se und pack­te mei­ne Sa­chen. So viel, dass sie ein win­zi­ges Hand­täsch­chen füll­ten, das ich nur auf Aus­flü­ge mit­zu­neh­men pfle­ge. Eine Zahn­bürs­te, Kamm, Sei­fe, vier Ta­schen­tü­cher, drei Hem­den, zwei Un­ter­ho­sen. Mei­ne Mut­ter woll­te mir noch eine drit­te Un­ter­ho­se und ein Nacht­hemd ein­pa­cken, aber ich lehn­te ab: »Du glaubst wohl, dass ich in den Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg zie­he?«

Dann fuhr ich in die Vor­stadt Smi­chow zu Kla­ra. Ich hat­te sie schon sechs Mo­na­te nicht mehr ge­se­hen, aber statt freu­dig auf­zu­sprin­gen, als ich ein­trat, wur­de sie krei­de­bleich. »Wa­rum bist du so er­schro­cken?« frag­te ich sie. Sie war kaum im­stan­de, mir eine Ant­wort zu ge­ben, so muss­te ich von Neu­em fra­gen: »Warst du mir nicht treu?« Sie zeig­te mir, ohne mich an­zu­se­hen, einen Ring, den sie an der lin­ken Hand trug. »Du bist also ver­lobt?« Sie nick­te. Nach ei­ner Wei­le erst be­gann sie zu spre­chen: ich hät­te ihr so sel­ten ge­schrie­ben, ihr in mei­nen spär­li­chen Brie­fen im­mer nur zu­ge­re­det, dass sie tan­zen, sich un­ter­hal­ten, Aus­flü­ge ma­chen sol­le, so­dass sie längst den Ein­druck ge­won­nen habe, ich möge sie nicht mehr. Das war nun wahr und nicht wahr. Ich hat­te ihr al­ler­dings ab­sicht­lich so we­nig ge­schrie­ben, da­mit sie sich nicht an mich ge­bun­den füh­le, da­mit sie ihre Frei­heit habe, wenn ich mich in Ber­lin un­ter­hal­te. Aber ins­ge­heim hat­te ich doch ge­glaubt, sie wür­de mir auch treu blei­ben, wenn sie, an­de­re Leu­te ken­nen­ler­nen und an ver­schie­de­nen Ver­gnü­gun­gen teil­neh­men wer­de.

Um 6 Uhr 20 Mi­nu­ten abends ging mein Zug nach Pi­sek. Zu Hau­se aß ich zu Mit­tag und sprach mit mei­nen Brü­dern, die nicht ein­rücken, da sie zu je­nen Korps ge­hö­ren, die nicht mo­bi­li­siert sind. Wir mach­ten Wit­ze, um Be­sorg­nis­se der Mut­ter zu zer­streu­en, und dann fuhr ich zur Bahn. Dort dräng­ten sich Hun­der­te von Re­ser­vis­ten um die Kas­se, in ih­rer Mit­te ein hüb­sches Mä­del.

Ich bot mich an, ihr die Fahr­kar­te zu lö­sen, was sie gern an­nahm. Wir ka­men ins Ge­spräch, und wäh­rend wir im Ei­sen­bahn­zug zu­sam­men­ge­pfercht ne­ben­ein­an­der­sa­ßen, er­zähl­te sie, dass sie nach Pi­sek fah­re, wo mor­gen ihre Kriegs­trau­ung mit ei­nem ins Feld ab­ge­hen­den Re­ser­ve­of­fi­zier statt­fin­de. Sie heg­te nur die Be­fürch­tung, dass ihr Bräu­ti­gam sie nicht auf dem Bahn­hof er­war­ten wer­de, da man auf dem Post­amt die Ab­sen­dung ih­res Te­le­gramms ab­ge­lehnt hat­te und die Züge un­re­gel­mä­ßig ver­keh­ren. Ihre Be­fürch­tung stei­ger­te sich, als sie von den Mit­pas­sa­gie­ren er­fuhr, dass in Pi­sek die Züge in zwei Sta­tio­nen hal­ten, in »Pi­sek Hal­te­stel­le« und in »Pi­sek Stadt«, und dass es ganz aus­ge­schlos­sen sei, dort im Ho­tel ein Zim­mer zu be­kom­men, weil die Stadt voll von Of­fi­zie­ren und je­des Zim­mer mit sie­ben bis acht Per­so­nen be­legt sei. Nun war sie ver­zwei­felt, so spät abends dort ein­zu­tref­fen und viel­leicht al­lein in der Stadt die gan­ze Nacht um­her­ir­ren zu müs­sen, da sie doch das Haus Pi­sek 217 nicht fin­den und – fän­de sie es auch – ein frem­des Haus nicht alar­mie­ren kön­ne. Die Pas­sa­gie­re rie­ten ihr, in Při­bram die Fahrt zu un­ter­bre­chen, zu über­nach­ten und um 6 Uhr mor­gens wei­ter­zu­fah­ren. Ich nahm die­se An­re­gung auch für mich auf und er­klär­te, es eben­so ma­chen zu wol­len, um nicht die Nacht in den Stra­ßen Pi­seks zu­zu­brin­gen. In Při­bram sprang ich dann mit ihr aus dem Wag­gon. Wir gin­gen in das nächs­te Ho­tel und aßen Abend­brot. Sie ge­wann Ver­trau­en zu mir, er­zähl­te mir von ih­rer lang­jäh­ri­gen Be­zie­hung zu ih­rem Bräu­ti­gam, dem sie ziem­lich kri­tisch ge­gen­über­stand und den sie haupt­säch­lich des­halb hei­ra­ten wol­le, weil er pen­si­ons­be­rech­tigt sei. Im Üb­ri­gen ge­wann ich aus dem Ge­spräch, vor al­lem aus ih­rer Schil­de­rung der Ei­fer­suchtss­ze­nen und der Vor­wür­fe, die ihr der Bräu­ti­gam ge­macht habe, die Über­zeu­gung, dass sie selbst nicht all­zu ein­wand­frei sei. Ich ver­schob nun das Ge­spräch auf lus­ti­ge­re Ba­sis und be­stach drau­ßen den Kell­ner, dass er er­klä­re, nur ein ein­zi­ges Zim­mer mit zwei Bet­ten zur Ver­fü­gung zu ha­ben, aber kein ein­zi­ges Zim­mer mit ei­nem Bett.

Mor­gens um 6 Uhr fuh­ren wir nach Pi­sek. Ich be­gab mich so­fort in die Ka­ser­ne. Hun­der­te von Re­ser­vis­ten stan­den im Hof, teils ein­ge­klei­det, teils...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2025
Reihe/Serie Kisch bei Null Papier
Kisch bei Null Papier
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Bericht • Erich Maria Remarque • Ernest Hemingways • Im Westen nichts Neues • In einem anderen Land • Journalismus • Kurt • New York • Reportage • Reporter • USA
ISBN-10 3-96281-678-X / 396281678X
ISBN-13 978-3-96281-678-0 / 9783962816780
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