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Sturmfluch (eBook)

Ostfriesland-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Aufl. 2019
441 Seiten
beTHRILLED (Verlag)
9783732555185 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sturmfluch - Heike van Hoorn
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Mord auf ostfriesisch

Sommerflaute in der Mordkommission! Stephan Möllenkamp und seine Kollegen schreiben Berichte und sortieren Akten. Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse: Während eines Fußballspiels des FC Weener bricht auf einmal ein junger Familienvater tot auf dem Platz zusammen. Kurz darauf wird auch noch die Reederswitwe Engelke Terveer entführt- nur um Tage später verwirrt auf einer Landstraße wieder aufzutauchen. Zunächst scheinen die beiden Ereignisse nichts miteinander zu tun zu haben. Aber dann liefert Lokalreporterin Gertrud Boekhoff den entscheidenden Hinweis, der die beiden Fälle miteinander verbindet. So kommen Möllenkamp und sein Team einem Verbrechen auf die Spur, das auch noch Jahre später seine Opfer fordert ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!



<p>Heike van Hoorn wurde 1971 in Leer/Ostfriesland geboren. Die promovierte Historikerin war Referatsleiterin in der Hessischen Staatskanzlei und ist Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrsforums. Sie ist außerdem Mutter von Zwillingen und begeisterte Hobbygärtnerin. Durch die Recherchen zu ihren Ostfriesland-Krimis hat sie ihre Heimat neu kennen und lieben gelernt. Heike van Hoorn lebt mit Mann und Kindern in Berlin.<br><br></p>

Heike van Hoorn wurde 1971 in Leer/Ostfriesland geboren. Die promovierte Historikerin war Referatsleiterin in der Hessischen Staatskanzlei und ist Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrsforums. Sie ist außerdem Mutter von Zwillingen und begeisterte Hobbygärtnerin. Durch die Recherchen zu ihren Ostfriesland-Krimis hat sie ihre Heimat neu kennen und lieben gelernt. Heike van Hoorn lebt mit Mann und Kindern in Berlin.

20. November 1984, Karibik


Er friert, während er sich an der Reling festhält und das Wasser heftig gegen den Schiffsrumpf klatschen hört. Vor ein paar Tagen stand er schwitzend an derselben Stelle und sah auf die Lichter der Hafenanlagen von Ilhéus.

Jetzt sind sie nördlich von Grenada. Ein Sturm ist angekündigt, wie so oft in dieser Gegend. Auf dem Wasser schimmern die Schaumkronen in der Dunkelheit.

Gustav hasst Wasser. Er hasst das Meer. Er hasst die Karibik. Er hat keine Angst vor dem Meer, dafür ist er schon zu lange Seemann. Aber er traut dem Wasser nicht.

Am meisten hasst er das stille Wasser der Häfen. Unter der spiegelnden Oberfläche verbirgt sich eine schmuddelige Brühe aus Schlamm, Schrott, Einleitungen aus Industrie und Kanalisation, den sich zersetzenden Körpern von Möwen, betrunken hineingefallenen Seemännern und weiß der Teufel was noch.

In Ilhéus lagen sie fünf Tage im Hafen fest. Fünf Tage. Eine Folter für ihn. Einen Tag löschten sie Ladung, am nächsten Tag luden sie Container. Dann hätten sie ablegen können, aber sie legten nicht ab. Nach zwei weiteren Tagen kam noch mehr Ladung. Am Ende waren es 457 Container in vier Lagen.

Der Stau- und Zurrplan erlaubt drei Lagen von Containern übereinander.

Er hat nichts gesagt. Er hat schon nichts gesagt, als sie in Rotterdam die deutsche Mannschaft durch Philippinos ersetzt haben. Unter den Mannschaftsdienstgraden ist jetzt kein einziger Deutscher mehr.

Er ist zweiter Offizier. Er will irgendwann erster Offizier werden. Als erster Offizier kriegt er mehr Geld und kann vielleicht früher damit aufhören, zur See zu fahren. Darum hält er den Mund.

***

Als er den verqualmten Raum betritt, muss er sich räuspern: »Was spielt ihr denn?«

»Lütje un dicke Tuffels1. Setz dich hin, Gustav, sonst fangen wir ohne dich an«.

Man kann die Hand kaum vor Augen sehen. Natürlich ist Rauchen hier unten verboten, aber wer hält sich schon an Verbote, 7.000 km von zu Hause entfernt? Gustav nimmt einen tiefen Schluck aus der Bierflasche, dann hebt er den Knobelbecher und lässt die Würfel darin klappern.

»Wo ist eigentlich unser Kapitän?«

»Guck auf der Brücke nach. Da ist er doch immer.«

»Ach lass man. Wenn er meint, dass er da dauernd aufpassen muss, soll er halt oben bleiben.«

Das Schiff schaukelt heftig. Die leere Bierflasche fällt um und rollt vom Tisch. Gustav hebt sie auf und sieht nacheinander in die Gesichter seiner Mitspieler. Joke gähnt, Harald popelt sich etwas zwischen den Zähnen heraus, und Jorge sieht ihn mit zusammengekniffenen Augen an.

»Was ist? Willst du nun spielen oder nicht?«

»Der Sturm…«, beginnt Gustav. Er weiß nicht, wie er weitermachen soll und sagt dann: »Die Ladung macht mir Sorgen.«

»Klaus ist oben und hält die Ladung höchstpersönlich fest. Und wenn’s hart auf hart kommt, dann treibt Pietro uns schon auf unsere Posten, verlass dich drauf. Spielst du nun endlich?«

Gustav lässt den Becher auf den Tisch sausen und spürt sein Herz hämmern.

»Glück muss der Mensch haben! Zwei Dreier und eine Zwei«, nuschelt Harald und ergreift mit der Hand, die er gerade vom Mund gezogen hat, den Knobelbecher. Seine feuchten Finger hinterlassen dunkle Flecken auf dem speckigen Leder.

Jorge verliert den ersten Durchgang, Joke den zweiten. Dann müssen die beiden gegeneinander antreten. Harald holt die Zigarren hervor und steckt sich eine an. Sekunden später ist der kleine Raum in noch dichtere Rauchschwaden gehüllt.

***

»Wer wird denn gleich in die Luft gehen…« steht auf der Butterbrotdose, daneben ein fröhliches Männchen im gelben T-Shirt mit einer Zigarette in der Hand. Sein Sohn hat ihm vor langer Zeit den Aufkleber auf die Tupperdose gepappt. In der Dose liegt eine Plastiktüte, die mit einem Gummiband verschlossen ist, darin ein halbes Dutzend Schulhefte. Gustav schreibt nur Tagebuch, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Es ist ihm unangenehm. Er kennt keinen erwachsenen Mann, der sowas macht. Er hat die Taschenlampe so platziert, dass sie bei dem Geschaukel nicht herunterfallen kann und nur einen kleinen, hellen Kreis auf sein Heft wirft. Um ihn herum ist alles dunkel. Er sitzt oben auf der Doppelstockkoje und hört die Männer nebenan schnarchen, obwohl es draußen stürmt und grollt.

»Diese Reise ist merkwürdig, anders als andere«, schreibt Gustav. »Aus Brasilien sind wir kaum weggekommen, aber seit wir unterwegs sind, kann es nicht schnell genug gehen. Unser Kapitän Pietro ist ein netter Kerl. Er kommt aus Italien und spricht kein Deutsch. Wir sehen ihn kaum, weil er immer auf der Brücke ist. Jetzt machen wir wieder Tempo, als ginge es um unser Leben. Das Schiff fährt ständig unter Volllast. Wir haben viel zu viel Ladung an Bord, und ich mache mir Sorgen, dass die alte Anne einen Sturm nicht übersteht.«

Gustav kaut auf seinem Bleistift herum. »Den Sturm« müsste er schreiben, besser noch: »den Orkan«. Denn es wird ein Orkan werden.

Schon als kleiner Junge empfand er Unbehagen gegenüber dem Meer. Er nahm sich vor, niemals zur See zu fahren. Sein Vater, der stolz auf die Familientradition war, verstand ihn nicht. Gustav erinnert sich an die seltenen Telefonate. Wochenlang hatte er darauf hingefiebert, ihm von seiner Zwei in Mathe zu erzählen, von seinem ersten Sprung vom Dreier oder dass er freihändig Fahrrad fahren konnte. Und dann klingelte es, er hörte das Knacken und Rauschen in der Leitung und die blecherne Stimme seines weit entfernten Vaters. Wie es ihm ginge, fragte der. Gut, stammelte er. Was die Schule mache. Gut. Ob er seiner Mutter folge. Ja, sagte er. Dann fragte Vater nach Mutter, und er lief und holte sie ans Telefon. Niemals hat er es geschafft, seinem Vater zu erzählen, was ihm wirklich wichtig war.

In seinen Tagebüchern will er wenigstens seinen eigenen Kindern Bericht erstatten. Auch wenn sie sie erst viel später lesen werden.

Er schiebt das Heft zurück in die Plastiktüte. Es befindet sich auch eine Filmrolle darin. Er macht Fotos von seinen Reisen. Die Fotos sind ebenfalls für seinen Sohn. Er fühlt sich ihm nahe, wenn er für ihn dokumentiert, was er von der Welt sieht.

Er bindet sich die Schuhe auf, zieht sie aber nicht aus. Legt sich hin. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen starrt er in die Dunkelheit und horcht auf das Knarren des Schiffes und das Heulen des Sturms. Denkt an seine Familie und ob er noch einmal versuchen soll, einen Job bei VW in Emden zu kriegen.

In zwei Stunden muss er Klaus ablösen.

Dann schläft er ein.

***

Er schreckt auf, als das Telefon schrillt. Hat er die Ablösung verschlafen? Ein Blick auf die Uhr: viertel vor zwei.

Klaus ist dran. Er versteht ihn kaum: »Komm hoch … haben Probleme. Die Maschinen…«

Gustav springt aus dem Bett, stolpert los, fällt beinahe über seine offenen Schuhbänder. Als er sich die Schuhe zubindet, irritiert ihn etwas. Er kommt nicht gleich darauf, was es ist.

Dann begreift er: Die Maschinen, sie laufen nicht mehr. Das Schiff ist manövrierunfähig. Er reißt die Tür auf, macht zwei Schritte, rennt zurück zum Bett, greift seinen Seesack, wirft die Tupperdose hinein, läuft an Deck.

Die Tür schlägt hinter ihm zu. Wind und Regen peitschen ihm augenblicklich ins Gesicht, schütteln ihn hin und her. Der Kampf ums Gleichgewicht betäubt das klare Denken. Er hangelt sich an Zurrgurten und Seilen vorwärts und sucht nach Klaus. Dort hinten steht er, vor den Containern, hält sich mit einer Hand fest und fuchtelt mit der anderen in der Luft herum, um den Philippinos verständlich zu machen, was sie tun sollen.

Dass sie kein Deutsch verstehen, ist im Moment ohne Belang. Man hört ohnehin nur das Brausen und Zischen und ohrenbetäubende Platschen, wenn wieder eine Welle auf das Deck schwappt. Auch wenn sie etwas von der Seefahrt verstünden, würde es ihnen jetzt nicht mehr helfen. Wenn sie es nicht schaffen, das Schiff zu stabilisieren, wird die Anne Kuhlmann auf jeden Fall sinken, das steht fest. Ob sie das Schiff, das in einem karibischen Orkan hilflos herumtreibt, überhaupt stabilisieren können, ist ungewiss.

Er ist bei Klaus angekommen. »Wir müssen die Laschung kontrollieren und die Container stabilisieren«, brüllt der ihn an.

»SOS schon raus?«, schreit Gustav mit dem Kopf Richtung Brücke nickend zurück.

Klaus hebt den Daumen. Gustav kämpft sich zu den Containern durch und blickt an den Lagen empor. Beim Gedanken daran, die Leiter zu den...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2019
Reihe/Serie Ein Fall für Kommissar Möllenkamp
Ein Fall für Kommissar Möllenkamp
Ein Fall für Kommissar Möllenkamp
Ein Fall für Kommissar Möllenkamp
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Deich • Emden • Friesland • Geheimnis aus der Vergangenheit • Hendrik Berg • Klaus-Peter Wolf • Krimis • Küste • Leer • Nordseeküste • Ostfriesland • Philippinen • Reeder • Reederei • Rizin • Schiffsunglück • Tagebuch • Waffenschmuggel • Werft
ISBN-13 9783732555185 / 9783732555185
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