Das Sissi-Feuerwerk (eBook)
370 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98556-7 (ISBN)
Jenna Theiss ist geboren und aufgewachsen, wo einst Kaiser Franz Joseph und die bis heute beliebte »Sissi« Sommerferien machten - in Bad Ischl im Salzkammergut, in unmittelbarer Nähe der Kaiservilla. In Salzburg studierte sie Psychologie, Pädagogik und Musik. Schließlich verschlug es sie nach Berlin, und sie arbeitete als Therapeutin, Dozentin und Musikerin. Heute lebt sie mit ihrem Mann und vielen Tieren auf einem alten Bauernhof im Berliner Umland. Neben Krimis schreibt sie - unter anderem Namen - auch Sachbücher und Artikel. Schauplätze der Kriminalromane sind die alte Heimat: Chefinspektor Paul Materna und die Psychologin Josi Konarek ermitteln in Bad Ischl, die Kriminalinspektorin mit Superrecognizer-Fähigkeiten, Dina Stassny, und Chefinspektor Adrian Billinger in der geschichtsträchtigen Mozartstadt Salzburg. Website: https://www.jenna-theiss-krimis.com/
Samstag, 15. Juli
21.30 Uhr
Die junge Kaiserin schwebte langsam nach oben. Das Licht brach sich in ihrem Haarschmuck und ließ die kristallenen Sterne in allen Farben des Spektrums aufblitzen.
»A geh, so a Blödsinn«, ließ sich eine gedämpfte männliche Stimme ein paar Reihen hinter Josi vernehmen. »Die Sissi – zuerst am Seil und dann auch noch auf’m Trapez!«
»No ja, aber fesch ist sie schon«, stellte ein anderer Theaterbesucher fest, vermutlich der Sitznachbar.
»Psst«, zischte eine Dame, die ebenfalls im mittleren Block vor der großen Freilichtbühne saß. »Jetzt seien S’ doch amal ruhig!«
Auch Josi war kurz davor gewesen, eine entsprechende Bemerkung loszulassen. Die kommentierenden Nervensägen hatten sie aus der Traumwelt gerissen, in der sie gerade noch versunken gewesen war. Dabei hatte sie gar nicht erwartet, dass sie von der Aufführung so fasziniert sein würde. Schließlich hatte sie die letzten Wochen über die beiden Sissi-Doubles Yvonne und Antonella bei den artistischen Proben beobachtet, unzählige Fehlversuche miterlebt, den Schweiß und den schweren Atem der Artistinnen hautnah mitbekommen. Aber das mystische blaue Licht, die fantasievollen Kostüme und die Musik verzauberten sie – wie wohl die meisten Besucher dieser ganz besonderen Open-Air-Version der Operette Das Feuerwerk. Der leicht morbide Charme des früheren kaiserlichen Sommersitzes, über dem der Duft des Juliabends hing, tat ein Übriges.
Fesch war sie wirklich, die Yvonne, wie sie da im hauchdünnen weißen Kleid auf der silbern glänzenden Stange sitzend nach oben glitt, während die bunte Gauklerschar zu ihren Füßen in alle Richtungen zerstob.
Die Musik wurde lebhafter. Yvonne-Sissi lachte laut auf, dann versetzte sie ihr Trapez in Schwung. Ihr langes Haar flog hinter ihr her.
Josi war die Nummer so vertraut, als hätte sie jede einzelne Bewegung inhaliert. Yvonne musste nervös sein, die Tricks wirkten nicht so leicht und fließend wie bei den Proben. Aber alles klappte.
Beifall brauste auf, einmal, noch einmal, bei jedem neuen Kunststück.
»Geh, wui!«, machte sich eine der Nervensägen erneut bemerkbar. Es folgte ein noch energischeres »Psssssst!« von der Dame, und diesmal auch ein giftiger Blick von Josi.
Yvonne war wieder zum Sitzen gekommen. Josi spürte ein Kribbeln in der Magengegend, das sich verstärkte, während die Schwünge immer weiter und kräftiger wurden.
Die Musik brach ab. Einen Augenblick lang war es so still, dass man sogar das leise Quietschen der Trapezaufhängung hören konnte. Dann setzte der Schlagzeuger zu einem Trommelwirbel an.
Josi ballte die Hände zu Fäusten, bis ihre Fingerknöchel weiß waren. Gleich würde Yvonne sich von der Stange lösen, um sich aus dem rasenden Flug heraus im letzten Moment mit den Füßen in den Seilen zu fangen.
»Jetzt!«, flüsterte Josi und hielt den Atem an.
Im selben Moment ließ die Artistin los.
Wie ein Geschoß ohne Ziel wurde ihr Körper durch die Luft katapultiert, klatschte auf der rechten Seitenbühne mit enormer Wucht auf den Bretterboden und blieb regungslos liegen.
»Yvonne! Nein!«, schrie Josi und rannte los.
Im Publikum brach nach einem Augenblick der Erstarrung Tumult aus. Zuschauer sprangen von ihren Sitzen hoch, einige kreischten laut auf.
Josi kämpfte sich zwischen den Menschen hindurch nach vorn.
»Dr. Roth, bitte«, hörte man eine Stimme von irgendwo aus dem Off. »Der diensthabende Arzt, Dr. Roth, bitte!«
Der Arzt war bereits unterwegs. Die Bereitschaftstasche unter dem Arm, nahm er die Stufen zur Bühne in zwei, drei kräftigen Sätzen.
Josi folgte ihm.
Einer der schwarz gekleideten Arbeiter trat ihr in den Weg. »Halt, hier können Sie nicht …«
»Ich kenne Yvonne. Lassen Sie mich bitte durch!«
Erstaunlicherweise trat der Mann zur Seite.
»He«, rief er einem Kollegen zu, der gerade an ihm vorbeiwollte. »Hilf mir mal.« Er deutete auf eine Kulisse, und die beiden schoben sie schnell vor die reglos auf dem Boden liegende Trapezakrobatin, sodass auch die ganz links außen sitzenden Zuschauer keinen Einblick mehr auf diesen Teil der Bühne hatten.
Wie erstarrt blieb Josi an der Seitenwand stehen. Alles, was hier passierte, kam ihr unwirklich vor, fast so, als betrachtete sie einen Film. Wie tot lag Yvonne da. Mit dem paillettenbesetzten Tüllkleid über den seidenen Leggings, dem stark geschminkten Gesicht und den Glitzersternen im Haar wirkte sie wie eine Puppe, die jemand fallen gelassen hatte.
Der Arzt hockte neben ihr auf dem Boden. Er fühlte ihren Puls an der Halsschlagader. Dann zog er ein Handy aus der Jackentasche und telefonierte.
Aus dem Backstage-Bereich stürzte der Jongleur Ben Benco auf die Seitenbühne. Auch er war im Kostüm. Er sank neben Yvonne auf den Boden und nahm ihre Hand in die seine.
»Nicht bewegen«, mahnte der Arzt. »Sie lebt, aber ihr Zustand ist kritisch.«
Ben, natürlich. Ben und Yvonne hatten vor drei Monaten geheiratet. Erst in diesem Moment erinnerte sich Josi, dass Antonella ihr davon erzählt hatte. Antonella … Wo war die überhaupt?
Nach einer kurzen Verständigung mit dem Arzt betrat Grunsky die Bühne. Er hielt ein Mikrofon in der Hand. »Bitte bewahren Sie Ruhe, meine Damen und Herren«, sprach er hinein. »Der Arzt kümmert sich bereits um die Artistin. Sie wird bestens versorgt. Bitte nehmen Sie wieder Ihre Plätze ein. Die Aufführung geht weiter.«
Seine Stimme klang in Josis Ohren wie durch Watte gedämpft. Natürlich, das Publikum musste beruhigt werden. The show must go on.
Das Orchester setzte mit einer flotten Nummer ein, und schon war Grunsky zurück. »Alina – raus!«, zischte er der Hula-Hoop-Künstlerin zu. Sie hatte bereits auf der Seitenbühne auf ihren Auftritt gewartet und verfolgte nun mit offenstehendem Mund die Bemühungen des Arztes.
Prompt, so als hätte man einen Schalter angeknipst, erstrahlte in ihrem Gesicht ein perfektes Showlächeln. Sie packte ihre Reifen und lief hinaus.
Die anderen Mitwirkenden standen hinter der Bühne in kleinen Grüppchen zusammen. Während Regisseur Bredow händefuchtelnd auf seine Darsteller einredete, kam von Grunsky bereits die nächste Anweisung an die Artisten – klar, sicher, konzentriert. »Alle auf die Bühne! Schnell!« Er wandte sich Bredow und der Darstellerin der jungen Sissi zu. »In drei Minuten Auftritt Valentina!«
Die junge Schauspielerin und Sängerin Valentina Greding sah ihn mit großen Augen an. Dann atmete sie tief durch, straffte ihre Haltung und nickte.
Zusammen mit dem Arzt und mit Ben wartete Josi auf den Rettungswagen. Yvonne war immer noch bewusstlos. Ben streichelte ihre Hand und redete leise auf sie ein, so als könnte sie ihn hören.
Für die Dauer eines Herzschlags öffnete Yvonne die Augen. »Ben«, flüsterte sie. Dann fiel sie zurück in die Bewusstlosigkeit.
Josi biss sich auf die Unterlippe. Es kostete sie ihre ganze Selbstbeherrschung, nicht auf und ab zu rennen. »Der Notarzt ist bestimmt gleich da«, sagte sie, nur um irgendetwas zu sagen.
Ben hob den Kopf. Er schaute sie mit dem verständnislosen Blick eines kleinen Buben an, dem man etwas erklären will, was er einfach nicht begreifen kann.
Draußen brandete wieder Applaus auf. Das Publikum hatte sich beruhigt. Josi trat ein wenig zur Seite, sodass sie an der vorgeschobenen Kulisse vorbei auf die Bühne sehen konnte, ohne von den Zuschauern wahrgenommen zu werden. Hektisch huschte ihr Blick über die improvisierende Artistengruppe. Trick folgte auf Trick. Alle lächelten. Alle waren in Bewegung. Nur Antonella fehlte. Wo um alles in der Welt war Antonella?
22.00 Uhr
»Ja, hallo! Was macht’s denn ihr da herunten?« Paul Materna wunderte sich, dass er zwei Ischler Kollegen am Eingang des Kaiserparks vorfand.
»Jessas, der Herr Chefinspektor!« Klanek legte die Hand zum Gruß an seine Uniformmütze. Nach einem strengen Blick von Materna berichtigte er sich: »Servus, Paul.«
»Hallo«, grüßte jetzt auch der Heininger, die Anrede vermeidend. »Mir san wegen die Tierschützer da. Die haben a Demo vor dem Kaiserpark veranstaltet. Weil da Tiere mitmachen bei dera Operette.«
Materna nickte. Auch wenn er in letzter Zeit so eingespannt gewesen war, dass er nur ab und zu nach Ischl hatte kommen können, war er dennoch auf dem Laufenden. Josi und er hatten jeden Tag telefoniert, und sie hatte ihm bereits von den Protestaktionen während der Proben erzählt.
»Is ja auch verruckt, a Operette, wo’s um die Sissi geht, im Kaiserpark! Und dann noch eine mit Pferde, Kamele und Lamas«, sinnierte Heininger. »Aber jetzt sind s’ scho weg.«
»Wer, die Kamele und die Lamas?«
»Na, die Tierschützer. Die haben sich inzwischen verzogen«, erklärte Klanek. »Wir wollten auch grad gehen. Und – was verschafft uns die Ehre, dass uns die Kripo besucht?«
»Ich bin privat da, hab ab morgen ein paar Tage Urlaub«, sagte Materna. »Ich wollt nur die Josi, also die Frau Konarek, abholen. Grins ned so, Heininger.«
»Iiiiiich?«, tat der Heininger unschuldig.
Im selben Augenblick bog ein Rettungswagen mit eingeschaltetem Blaulicht in die Auffahrt zur Kaiservilla ein. Vor dem Eisentor hielt er an, um den elektronischen Öffner zu betätigen. Da stand der Heininger auch schon auf der Fahrerseite. »Ist was passiert?«, fragte er in strengem Ton.
»Eine Artistin ist abgestürzt.«
»Chefinspektor Materna«, mischte sich Materna ein, bevor der Heiniger Hubsi die Rettungsleute mit weiteren Fragen aufhalten konnte. »Fahren Sie hinauf, schnell! Aber machen Sie das Blaulicht aus. Die Aufführung läuft ja anscheinend noch.« Die Orchesterklänge aus dem Park waren hier unten...
| Erscheint lt. Verlag | 4.6.2019 |
|---|---|
| Reihe/Serie | Materna & Konarek ermitteln |
| Materna & Konarek ermitteln | Materna & Konarek ermitteln |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
| Schlagworte | Bad Ischl • Bücher • ebook billig • Krimi für den Urlaub • Kriminalroman • Materna & Konarek • Neuerscheinung 2019 • Österreich Krimi • Preisaktion • Sissi • Spannung |
| ISBN-10 | 3-492-98556-4 / 3492985564 |
| ISBN-13 | 978-3-492-98556-7 / 9783492985567 |
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